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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.06.2017

Bad Romance

Gray
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Nein, eine schlechte Romanze ist es ganz und gar nicht, welche Gray - einen Graupapagei - und sein neues Herrchen Augustus miteinander verbindet. Letzterer ist Dozent in Cambridge und war Tutor von Elliot, ...

Nein, eine schlechte Romanze ist es ganz und gar nicht, welche Gray - einen Graupapagei - und sein neues Herrchen Augustus miteinander verbindet. Letzterer ist Dozent in Cambridge und war Tutor von Elliot, einem Studenten, der den Papagei für seine Studien beobachtete und beim Fassadenklettern abgestürzt ist. Durch das Geplapper von Gray und einiger Funde in Elliots Nachlass kommen Augustus Zweifel an der Unfalltheorie und er stürzt sich (von Gray unterstützt) in die Aufklärung des Todesfalls, immer mit dem Hit von Lady Gaga im und am Ohr.

Mein Eindruck:
Viele Kleinigkeiten führen zu einem großen Lesegenuss. Da ist zum Beispiel die liebevolle Gestaltung mit kleinen Illustrationen an den unteren Seitenrändern, welche sich als Daumenkino mit Papagei entpuppen. Aber auch inhaltlich hat das Buch Einiges zu bieten. Die Wahl des altehrwürdigen Cambridge als Schauplatz mit seinen Ritualen und Konventionen - dazu als Kontrapunkte das Fassadenklettern und der sprechende Papagei. Mittendrin mit Augustus ein Held, der mit einigen liebenswerten Macken ausgestattet ist, die er im Verlauf der Geschichte heldenhaft überwindet und – last but not least – Gray, immer einen flotten Spruch auf den Lippen und Zeuge der Vorgänge, die zum Ableben Elliots führten.
Vor allem die Sprüche und Eigenarten Grays, die völlig gegenläufig zu dem zwanghaft ordentlichen und um ein angemessenes Verhalten bemühten Augustus sind, bringen nicht nur die Leser zum Lachen, sondern die Geschichte voran und führen letztlich zur Aufklärung der Ereignisse. Es gefällt, dass der Papagei dabei nicht etwa menschlich agiert, sondern nur sehr intelligent die erlernten Sprüche an passender Position an den Professor bringt, der seinerseits das Puzzle um die ambivalente Person zusammensetzt. Swann hat sich sehr viel Mühe gegeben, um ihre Akteure ein ganzes Netz von Möglichkeiten an Motiven zu spinnen, in dem sich Elliot tödlich verfängt. Ihr Stil dabei ist sehr gut lesbar, wunderbar leicht und mit viel Humor ausgestattet, die Figuren sind komisch, jedoch nie lächerlich.

Mein Fazit:
Ein in jeder Beziehung sehr gefälliger (Todes)fall

Veröffentlicht am 07.05.2017

Ein wunderbares Märchen

Der Freund der Toten
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Zum Inhalt:
Mahony wächst im Waisenhaus auf und erhält einen Brief, der ihn zurück nach Mulderrig führt. In dem irischen Dorf ist man über sein Erscheinen nicht erfreut, - hängt doch ein gewisser Verdacht ...

Zum Inhalt:
Mahony wächst im Waisenhaus auf und erhält einen Brief, der ihn zurück nach Mulderrig führt. In dem irischen Dorf ist man über sein Erscheinen nicht erfreut, - hängt doch ein gewisser Verdacht zum Verschwinden seiner minderjährigen Mutter und seiner Herkunft wie ein Damoklesschwert über dem ganzen Ort. Aber er findet auch - vor allem weibliche - Mitstreiter, die ihm helfen wollen, das Geheimnis zu lüften ... lebende und tote...

Mein Eindruck:
Dieses Debüt von Jess Kidd überzeugt nicht nur durch eine wunderbar versponnene Geschichte, sondern vor allem mit dem Humor, der dieses Gespinst wie ein dünner roter Faden zusammenhält. Das hat sich Kidd meisterhaft bei Derek Landy oder Shane Hegarty abgeguckt, sie fügt jedoch eine etwas "erwachsenere" Sicht der Dinge hinzu mit einem Helden, der sehr verführerisch auf die Damenwelt wirkt. Dem Protagonisten stellt die Autorin eine ganze Schar skurriler Personen zur Seite, die für sich alleine schon für einige Schmunzler gut wäre. Dazu gesellen sich mehrere Verstorbene, deren Anwesenheit zwar von vielen verspürt wird, - sehen kann sie jedoch nur Mahony. Hier gefällt, dass die Toten nur ein Abglanz ihrer früheren Existenz sind. Sie verschönern die Geschichte, ohne die Story zu sehr zu beeinflussen, - die Lebenden müssen alleine für Aufklärung sorgen beziehungsweise diese zu verhindern suchen.
Ein weiterer interessanter Aspekt der Geschichte ist die Verwendung dreier Zeitebenen, die munter miteinander vermischt werden. So muss sich die Leserschaft konzentrieren und kann sich nicht nur von der irischen Landschaft, den Geistern und den Menschen verzaubern lassen. Doch diese Konzentration macht Spaß und führt trotz aller Grausamkeiten, die thematisiert werden, zu einem Lächeln auf dem Gesicht… der Lebenden… und der Toten.

Fazit:
Einfach nur schön

5 Sterne

Veröffentlicht am 09.04.2017

Ein Spinnennetz

Die Zeit der Ruhelosen
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Zum Inhalt:
Drei Männer in Frankreich befinden sich an ihrem persönlichen Scheideweg:

Francois - ein erfolgreicher Manager, begeht einen Fauxpas, der die Inquisition der politischen Korrektheit auf den ...

Zum Inhalt:
Drei Männer in Frankreich befinden sich an ihrem persönlichen Scheideweg:

Francois - ein erfolgreicher Manager, begeht einen Fauxpas, der die Inquisition der politischen Korrektheit auf den Plan ruft. Seine Frau Marion hat ein Verhältnis mit

Romain - Afghanistan-Heimkehrer, traumatisiert von den Erlebnissen dort und zu einem normalen Leben in Paris unfähig, immer noch befreundet mit

Osman - ein französischer Farbiger, der es in den Dunstkreis des Präsidenten gebracht hat, nur um dort umso schmerzhafter auf den Boden der Tatsachen zurückzufallen, dass in der Politik keine Freundschaften, sondern Seilschaften zählen. Deshalb bemüht er sich um

Francois - und der Kreis schließt sich.

Mein Eindruck:
Wie ein Spinnennetz hat die Autorin ihre Geschichte gewoben, - so exakt, so fein, so präzise und so tödlich. Ihr Buch teilt sie in vier große Abschnitte, welche ihrerseits Kapitel von zumeist relativ wenigen Seiten enthalten. Diese Kapitel schildern die Sicht einer der drei Hauptpersonen, auch dann, wenn mehrere der Männer in ihnen agieren. So bleibt das Buch immer spannend, immer in Bewegung, selbst, wenn gar nicht so viel passiert.
Ein weiteres Plus ist die Fähigkeit von Tuil, Sympathien für ihre Figuren zu wecken. Egal wie schäbig sich einer der drei verhält, - immer kann man ihn verstehen bzw. steht fassungslos vor der Wucht der Ereignisse, die ihn treffen und hat danach zumindest Mitleid. Die starken Nebencharaktere sind nie nur Staffage, sondern bringen die Geschichte voran, schenken neue Perspektiven und zeigen echte Persönlichkeit – im Guten wie im Schlechten.
Zu guter Letzt sei noch der Schreibstil Tuils gelobt. Sie weiß, die Wörter zu setzen, - ohne zu langweilen, aber auch nicht zu überfordern. So fliegt man förmlich durch die Geschichte und ist trotz der vielen Seiten überrascht, wie schnell sie ihr differenziertes Ende findet.

Mein Fazit:
Großartig! Ohne Wenn und Aber!

Veröffentlicht am 30.03.2017

Nachbarn, die unbekannten Wesen

The Couple Next Door
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Zum Inhalt:
Trotz Bedenken lassen Anne und Marco ihre Tochter Cora alleine zu Hause, als sie bei den Nachbarn einen gemütlichen Abend verbringen. Schließlich ist man nur durch eine Wand getrennt, sieht ...

Zum Inhalt:
Trotz Bedenken lassen Anne und Marco ihre Tochter Cora alleine zu Hause, als sie bei den Nachbarn einen gemütlichen Abend verbringen. Schließlich ist man nur durch eine Wand getrennt, sieht zu jeder Stunde nach dem Kind - was soll schon passieren? Aber dann ist das Unmögliche Wirklichkeit, das Bett leer, das Baby verschwunden. Die folgenden Tage sind nicht nur von wachsender Verzweiflung geprägt, sie zeigen auch die Brüchigkeit von Beziehungen und die Unkenntnis über das, was hinter den Fassaden von Häusern und Köpfen passiert.

Mein Eindruck:
Nicht immer bedeutet ein Verkaufsschlager auch ein gutes Buch, - bei diesem Debüt wird die Erwartungshaltung „Kasse = Klasse“ jedoch nicht enttäuscht. Die Autorin ist Anwältin und Englischlehrerin – und beides kommt der Geschichte zugute. Lapenas Schreibstil ist fesselnd, ihre Charaktere facettenreich. Dabei legt sie viel Wert auf die Entwicklung innerhalb der Familie, lässt die Leser an den Gedanken ihrer Figuren teilhaben, ohne zuviel zu verraten. Die Polizisten agieren zurückhaltend, außerhalb der Ermittlungen erfährt man nichts über sie, - eine angenehme Abwechslung zu den ganzen wie auch immer gestörten Beamten, denen man sonst oft als Leser ausgesetzt ist. Das ist aber sowieso nicht nötig, die von dem Verbrechen mittel- und unmittelbar Betroffenen bieten genügend Angriffsfläche für die Gefühle der Betrachter vor dem Buchdeckel: Mitleid, Unverständnis, Hass – alles weiß die Autorin zu erzeugen, indem sie ihrer Leserschaft einen echten Sympathieträger verweigert und fast alle als Opfer und/oder Täter präsentiert, manche mehr, manche weniger. Dazu bedient sie sich einer wendungsreichen Story, die nicht nur mit ihrem Ende die Leser schockt.

Mein Fazit:
Erschreckende Grundidee, bis zum Ende formidabel umgesetzt

5 Sterne

  • Einzelne Kategorien
  • Figuren
  • Handlung
  • Atmosphäre
  • Spannung
  • Cover
Veröffentlicht am 03.03.2017

Copy-Suizid

Schwarzes Netz
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Zum Inhalt:
Nach einem Schicksalsschlag hat sich Carol Jordan zurückgezogen, renoviert ein Haus und trinkt zu viel. Zwei Männer eilen ihr zu Hilfe: Der eine bietet ihr einen fantastischen Job an (und bricht ...

Zum Inhalt:
Nach einem Schicksalsschlag hat sich Carol Jordan zurückgezogen, renoviert ein Haus und trinkt zu viel. Zwei Männer eilen ihr zu Hilfe: Der eine bietet ihr einen fantastischen Job an (und bricht dafür das Recht), der andere – Tony Hill – setzt sie auf die Fährte eines Mörders, der Selbstmorde inszeniert, welche sich an denen berühmter Schriftstellerinnen orientieren.
Carol stellt das perfekte Team zusammen und macht sich mit Feuereifer ans Werk.

Mein Eindruck:
Trotz einiger Morde und Ermittlungsarbeit ist dieses Buch eher Roman, als dass es die Nerven wirklich zum vibrieren bringt. Zu sehr liegt der Fokus auf der Selbstfindung Carols und ihrem Kampf gegen den Alkohol. Auch um den Rest des Teams macht sich die Autorin viele Gedanken: Es ist schon fast absurd politisch korrekt zusammengestellt – ein Dunkelhäutiger, eine Asiatin, eine Lesbe – aber diese Zusammenstellung passiert so nebenher, dass es nicht wie gewollt wirkt, sondern einfach gekonnt ist. Durch die Zeit, die sich MacDermid dafür nimmt, erhält man Einblicke in die Gedankenwelt jedes einzelnen Ermittlers.
Aber für die Blut-und-Tränen-Fangemeinde fehlt dadurch höchstwahrscheinlich das letzte Quäntchen zum Glücklichsein, - mir hat jedoch gefallen, dass nicht nur an der Oberfläche gekratzt, sondern eben in die Tiefe gegangen wird. So viele Ermittler der heutigen Krimiwelt haben Probleme, aber meistens stehen diese Probleme im Raum und müssen von der Leserschaft gefuttert und verdaut werden. Hier werden die Gründe dargelegt und sind plausibel genug, um sich als Leser damit auseinanderzusetzen, sie nachzuvollziehen und die Ecken und Kanten der Ermittler zu verstehen.
Kurioserweise findet sich ein Stück dieses Verständnisses auch für den Täter – so meisterhaft versteht es die Autorin, seinen Hintergrund für die Taten darzustellen.

Stil und Story nehmen gefangen und lassen einen bis zum Ende nicht mehr los, so dass die Zeit mit diesem Buch nur so verfliegt. Und da das Team jetzt gut eingeführt ist, kann man sich schon auf die nächste Geschichte freuen, dann vielleicht auch wieder mit dem stärkeren Blick auf die Story.

Mein Fazit:
Trotz fehlender (Krimi-)Spannung überaus unterhaltsam