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Veröffentlicht am 15.09.2016

Briefe, Erinnerungsverlust und geheime Schulen

Stadt der Verborgenen (Die Phoenicrus-Trilogie 1)
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Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass dieses das erste Buch von Impress ist, das ich gut fand. Endlich eines, das sich nicht durch extreme Klischees und höchstens moderatem Schreibstil auszeichnet, ...

Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass dieses das erste Buch von Impress ist, das ich gut fand. Endlich eines, das sich nicht durch extreme Klischees und höchstens moderatem Schreibstil auszeichnet, sondern tatsächlich mit frischer Schreibe, Originalität und sympathischen Charakteren punktet.

Zara findet eines Tages einen zerfledderten Brief, dessen Inhalt sie kaum glauben kann: Aus dem Schreiben und einem Foto geht hervor, dass sie eine Schwester hat - doch sie kann sich an keine Schwester erinnern! Was ist das, ein dummer Scherz? Doch der Brief war sehr gut versteckt und für einen Scherz hätte sich jemand zu viel Mühe für zu wenig Erfolg gemacht. Und es gibt noch etwas, das Zara zu denken gibt. Ihr Großvater, den alle für dement halten, weil er seltsame Geschichten erzählt und in letzter Zeit viel verlegt, deutet mit eben jenen Geschichten darauf, dass das, was im Brief stand, mehr als nur ein dummer Scherz sein könnte. Mehr als die Wahrheit sogar, denn es könnte nicht nur Zaras Leben verändern. Sie muss herausfinden, was es damit auf sich hat, und so macht sie sich mit ihrem Großvater (großartig, der alte Herr, ihn mochte ich tatsächlich am meisten!) und dem ebenso arroganten wie (natürlich) unwiderstehlichen Ben auf die Suche: nach ihrer Schwester, der Wahrheit, und einer geheimnisvollen Schule.

Das wird in einem lässig-lockeren, nicht zu übertriebenen Jugendstil erzählt, frisch von der Leber weg, die Interaktion zwischen den Protagonisten ist amüsant und durchaus realistisch und die Geschichte macht in ihrer Mischung aus Realität und Phantasie Spaß. Es ist wohl eine Trilogie, und wenn die nächsten Bände halten, was der Einstieg verspricht, bekommt man klasse Unterhaltung im Jugendbereich.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wenn Träumer töten können

The Bone Season - Die Träumerin
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Paige lebt in einem England, das noch immer gewissermaßen als das England zu erkennen ist, welches jetzt existiert. Doch es gibt auch große Unterschiede. Es leben dort Menschen, die unterschiedlich magisch ...

Paige lebt in einem England, das noch immer gewissermaßen als das England zu erkennen ist, welches jetzt existiert. Doch es gibt auch große Unterschiede. Es leben dort Menschen, die unterschiedlich magisch begabt sind - und genau diese werden gnadenlos verfolgt und bei Festnahme getötet. Die wenigen freien magischen Leute leben unter dem Schutz von "Denkerfürsten", man könnte sie auch Mafiabosse nennen. Paige ist eine Träumerin, eine der seltensten magisch Begabten, die überhaupt existieren. Sie kann nicht nur in Träume und Unterbewusstsein von Menschen eindringen, sie bekommt irgendwann mit, dass sie mit ihrem "Talent" auch Menschen töten kann. Als sie eines Tages von den Behörden erwischt wird, erwartet sie nichts weniger als den Tod - doch dann wird sie den Rephaims ausgeliefert, Wesen aus einer anderen Welt, die sich in fast allem von Menschen unterscheiden.

Diese Rephaims nutzen die Magie der Menschen, um sich selbst zu nähren. Sie sind grausam, ungerecht, die Gefangenen sind ihnen kaum etwas wert. Paige wird dem "Wächter" überstellt; er ist gleichzeitig einer der höchsten und verachtetsten der Rephaims, und sie wird nicht schlau aus ihm. Warum behandelt er sie nahezu menschlich? Warum trainiert er sie, welche Ziele verfolgt er? Dann erfährt sie, dass es bereits einmal einen Aufstand gegen die Königin der Rephaims gegeben hat, und ihr Entschluss steht fest: Sie wird rebellieren, und sie wird fliehen oder sterben.

Shannon entwirft hier ein wirklich komplexes System, nicht nur im ersten Teil bei den Menschen mit ihren Hierarchien und unterschiedlichen magischen Fähigkeiten, sondern auch und gerade bei den Rephaims, die selbst eine faszinierende neue Rasse im Fantasybereich darstellen. Für eine so junge Autorin hat sie eine bemerkenswert geschliffene Sprache. Die Handlungen ihrer Protagonisten, die meistens gut ausgearbeitet sind, sind nachvollziehbar und man kann sehr gut seine Sympathien verteilen. Ob die angedeutete Liebesbeziehung tatsächlich notwendig oder überhaupt machbar ist, bleibt dahingestellt, aber es gibt ja noch genügend Sequels, die das zu klären vermögen.

Ich hatte jedenfalls Spaß an der Sache, kann dieses Buch jedoch nicht jedermann empfehlen. Zu komplex ist diese Welt, zu fremdartig viele Namen, Gerätschaften, Erfindungen. Das ist Fantasy zum Aufpassen, nicht nur zum Abschalten. Wahrscheinlich eher nichts für Twilight-Fans.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Es funktioniert! Es lebt!

Steampunk 1851
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Anthologien sind wohl nicht jedermanns Sache, oder liegt es an der noch relativ unbekannten, wenn auch keineswegs jungen Sparte Steampunk? Selbst ich bin jedenfalls nur durch Zufall auf dieses Buch gestoßen, ...

Anthologien sind wohl nicht jedermanns Sache, oder liegt es an der noch relativ unbekannten, wenn auch keineswegs jungen Sparte Steampunk? Selbst ich bin jedenfalls nur durch Zufall auf dieses Buch gestoßen, und ich mag jede Art von Phantastik. Dabei ist diese Kurzgeschichtensammlung durchaus zu empfehlen, auch und gerade vielleicht für Steampunkeinsteiger.

Ich habe irgendwo gesehen, dass jemand kurz einzelne Geschichten aus einer Anthologie bewertet hat, und werde dieses System übernehmen:

Das Ende der Fiktion - Denise Mildes

Hier wurde Steam mit Vampiren verbunden, die klassische Geschichte von Shelleys "Frankenstein" anders erzählt. Interessanter Ansatz.

Das Wesen des Lichts - Sabine Frambach

Wer hätte gedacht, dass Foucault sein bekanntes Pendel mit Hilfe eines Dämons und einer Höllenmaschine konstruierte und genauso Lichtgeschwindigkeiten bestimmen konnte? Ich jedenfalls nicht.

Lykonium - Marco Ansing

Ein junger Mann soll auf der Londoner Weltausstellung dem Geheimnis eines Wunderenergiemittels auf die Spur kommen und trifft dabei nicht nur auf Geheimdienste, sondern auch auf Gestaltwandler und eine Verschwörung.

Das Meisterwerk - Andrea Bienek

Technikaffiner Polizist und sein Kollege lösen mit Hilfe einer seltsamen Maschine die Morde im, na ja, nicht gerade Orientexpress. Aber ein Zug und Vampire spielen eine Rolle. Klasse Idee und geschrieben.

R.S.O.C. - Hendrik Lambertus

Was vom Titel her klingt wie ein alter Weinbrand entpuppt sich in Wahrheit als rasantes, steamiges Geheimdienstabenteuer, in dem ein junger Offizier einem Geheimnis seines eigenen Körpers auf die Spur kommt und en passant die Bedrohung für das Empire erledigt. Zusammen mit den Kaninchen meine Lieblingsgeschichte dieser Anthologie.

Archibald Leach & die Rache der Toten - Markus Cremer

Leach und seine Assisten Sarah ermitteln auf der Weltausstellung und kommen einer gewaltigen Verschwörung auf die Schliche. Dabei treffen sie auf Untote, die sich als hilfreich erweisen und einen jungen Welteroberer, der seine Pläne besser hätte durchdenken sollen.

Tote Kaninchen - Luzia Pfyl

New York in der Mitte des 19. Jahrhunderts, Luftpiraten, Morde, tote Kaninchen und zwei Jägerinnen des Übernatürlichen. Das gibt dem Begriff "Punk" eine völlig neue Bedeutung und macht einfach nur Spaß.

Der Automat - Fabian Dombrowski

Ein philosophisch angehauchter Automat muss sich entscheiden, ob er selbst eine Wahl trifft oder die Befehle seines Meisters ausführt. Zugegeben, ich fand es ein wenig verwirrend, aber es ist gut geschrieben.

Die Kurzgeschichtensammlung ist kurzweilig, zum Teil amüsant und fast durchweg spannend und originell zu lesen. Auch die Auswahl und unterschiedlichen Geschichten in ihrer Abfolge wusste zu gefallen. Alles in allem würde ich diese Anthologie jederzeit empfehlen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Erschreckend in seinem Realismus

BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
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Ich habe das Buch ganz schön lange vor mich hergeschoben. Einerseits ist es ein rechter Klopper, andererseits dachte ich: Stromausfall, was kann daran schon interessant sein?

Tatsächlich ist daran jede ...

Ich habe das Buch ganz schön lange vor mich hergeschoben. Einerseits ist es ein rechter Klopper, andererseits dachte ich: Stromausfall, was kann daran schon interessant sein?

Tatsächlich ist daran jede Menge interessant. Obwohl ich wie jeder andere Westeuropäer den ganzen Tag von Strom abhängig bin, bin, nein, war ich bis zu diesem Zeitpunkt genauso ignorant, was diese Tatsache angeht. Mir war nicht bewusst, dass ein Stromausfall, der länger als die üblichen zehn Minuten dauert, so einen extremen Rattenschwanz an zuerst Unanehmlichkeiten, später sogar tödliche Gefahren nach sich ziehen kann. Das beginnt mit dem Problem, dass man nicht mal mehr die Toilettenspülung bedienen kann, endet dann aber auch noch lange nicht mit den Atommeilern, die nicht mehr gekühlt werden können und somit jeden Moment in die Luft gehen können. Von den menschlichen Dramen, die sich abspielen, ganz abgesehen.

Nimmt man jetzt keine "natürliche" Katastrophe dazu, die diesen Stromausfall auslöst, sondern eine zu allem entschlossene, terroristische Gruppe, ist das weltweite Chaos vorprogrammiert. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und das ist genau das, was in diesem Buch passiert.

Elsberg hat dafür anscheinend sehr viel recherchiert. Das ist natürlich lobenswert, denn man hat die ganze Zeit das Gefühl, der Mann weiß, worüber er schreibt. Manchmal jedoch hätte man es wohl auch lieber gesehen, wenn er eben nicht alle seine Erkenntnisse verarbeitet hätte - nicht, weil es so unerträglich gewesen wäre, sondern weil es sich immer und immer wieder ... ja, eben wiederholt. Und ob der Protagonist in dem Fall ein Angestellter eines französischen, deutschen oder belgischen Atomkraftwerkes oder einer politischen Behörde ist, ist im Endeffekt echt belanglos, denn die Reaktionen sind doch mehr oder weniger dieselben.

Ich beanstande gar nicht mal so die vielen vorkommenden Personen. Wenn wir ehrlich sind, waren eh nur ein Dutzend von denen wichtig, und wer sich keine Dutzend Leute merken kann, dem ist eh nicht zu helfen. Ich kritisiere vielmehr, dass die relevanten Leute zu wenig wichtige Lesezeit bekamen. Daher auch diese extrem vielen Seiten, meines Erachtens nach hätte man das Ganze tatsächlich um locker 200 Seiten kürzen können, ohne Wesentliches fallen zu lassen.

Trotzdem: Ein Buch, über das ich immer noch gelegentlich nachdenke, und vor allem eines, das meine Auffassung von Strom und diversen Abhängigkeiten tatsächlich geschärft hat. In dem Sinne: echt wertvoll.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der erste Fall

My Dear Sherlock - Wie alles begann
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Sherlock Holmes in der Neuzeit. Das kennen wir schon von BBC. Und auch einen weiblichen Watson bietet uns das amerikanische Fernsehen. Also alles schon mal dagewesen? Nicht ganz. Denn hier verschlägt es ...

Sherlock Holmes in der Neuzeit. Das kennen wir schon von BBC. Und auch einen weiblichen Watson bietet uns das amerikanische Fernsehen. Also alles schon mal dagewesen? Nicht ganz. Denn hier verschlägt es uns in das London unserer Zeit, Sherlock ist ein hochintelligenter Jugendlicher und sein Sidekick ist nicht Watson. Überhaupt taucht kein Sidekick auf, denn Holmes und die Ich-Erzählerin sind durchaus gleichberechtigt. Die Ich-Erzählerin hingegen ist eine Überraschung, denn es handelt sich hier um niemanden anders als Jamie Moriarty. Wer sich von dem Namen irritiert fühlt: Keine Panik, ihr kommt drüber weg.

Mory jedenfalls hat es nicht einfach. In ihrer Umgebung geschehen Morde, sie lebt bei ihrem gewalttätigen Vater, der Polizist ist, und muss sich um drei jüngere Brüder kümmern. Dass sie einen gefühlten IQ von 180 hat, macht ihr das Leben nicht wirklich einfacher, denn sie ist jemand, der versucht, unter dem Radar zu fliegen und keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das funktioniert bei Sherlock natürlich überhaupt nicht, und bevor sie sich versieht, ermitteln sie beide in dem Fall der Serienmorde. Doch Mory trägt ein Geheimnis mit sich, das sie nicht einmal Sherlock, der doch bald mehr als nur ein Zeitvertreib ist, anvertrauen kann.

Kurz und bündig: Das war ein Auftakt, der Spaß gemacht hat, wenn man sich drauf einlassen kann. Die beiden Jugendlichen sind genau das: Jugendliche. Auch wenn sie natürlich extrem clever sind. Es geht spannend und manchmal auch wirklich tragisch zur Sache, das Ende ist keineswegs Friede-Freude-Eierkuchen, durch den sich Jugendbücher so gern auszeichnen. Falls diese Serie also weitergeführt wird, kann man sich auf Sequels freuen, denke ich.