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Veröffentlicht am 04.03.2017

Zu wenig Mäßigung

Wenn ich jetzt nicht gehe
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Mauro Larrea kam einst als Witwer mit zwei Kindern aus Spanien nach Mexiko und hat es in 25 Jahren vom einfachen Bergmann zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Er besitzt mehrere Silberminen, Ländereien und ...

Mauro Larrea kam einst als Witwer mit zwei Kindern aus Spanien nach Mexiko und hat es in 25 Jahren vom einfachen Bergmann zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Er besitzt mehrere Silberminen, Ländereien und einen Stadtpalast in Mexiko Stadt und verkehrt in den besten Kreisen. Dann trifft er gegen den Rat seines besten Freundes und Prokuristen Elías Andrade eine Fehlentscheidung. Er hat alles auf eine Karte gesetzt Der Roman beginnt mit der Nachricht, dass er sein gesamtes Vermögen bis auf sein Haus verloren hat. Keiner darf wissen, dass er ruiniert ist. Er trifft eine weitere riskante Entscheidung, indem er seinen Stadtpalast an einen Kredithai verpfändet, der ihn nur zu gern untergehen sehen möchte.
An dieser Stelle beginnt für Larrea eine abenteuerliche Reise, die ihn zuerst nach Havanna, dann nach Jerez in Spanien führt, wo er durch einen Sieg beim Billard die Ländereien der Familie Montalvo gewonnen hat. Schon in Havanna hat die skrupellose Carola Gorostiza, Ehefrau seines Herausforderers, ein Netz von Intrigen gesponnen, das er lange nicht durchschaut. In Jerez begegnet er Sol Claydon, Enkelin des legendären Weingutbesitzers Matias Montalvo, in deren Bann er sofort gerät. Er wird immer tiefer in die Probleme der Montalvos verstrickt, gerät selbst in große Gefahr und hört nicht auf die Stimme der Vernunft, wenn er sich in illegale Machenschaften verwickeln lässt, um der schönen Soledad zu helfen.
Es gibt immer wieder überraschende Wendungen, immer neue Komplikationen. Die Charaktere in diesem in der 2. Hälfte des 19.Jahrhunderts spielenden Abenteuerroman sind sorgfältig gezeichnet, vor allem Mauro und Soledad, aber auch die Nebenfiguren. Mauro gewinnt beim Billard einen Weinberg mit Namen La Templanza, und templanza (Mäßigung) ist genau die Eigenschaft, die ihm die meiste Zeit fehlt. Er muss lernen, besonnener zu werden, um seine Existenz und sein Leben nicht immer wieder aufs Spiel zu setzen. In diesem gut lesbaren, spannenden Abenteuerroman kommen auch die großen Gefühle nicht zu kurz. Durch harte Arbeit schafft der geläuterte Mauro den Neuanfang. Wird er auch auf der Suche nach Glück erfolgreich sein? Ein sehr empfehlenswerter Roman!

Veröffentlicht am 26.02.2017

Blick in den Zerrspiegel

Das Buch der Spiegel
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In E.O. Chirovicis erstem in englischer Sprache verfasstem Roman “Das Buch der Spiegel“ geht es um einen 27 Jahre zurückliegenden, nie aufgeklärten Mord. 1987 wurde der berühmte Psychologieprofessor Joseph ...

In E.O. Chirovicis erstem in englischer Sprache verfasstem Roman “Das Buch der Spiegel“ geht es um einen 27 Jahre zurückliegenden, nie aufgeklärten Mord. 1987 wurde der berühmte Psychologieprofessor Joseph Wieder in seinem Haus brutal ermordet. Richard Flynn, der damals zu den Verdächtigen zählte, ist ein todkranker Mann. In den letzten Monaten seines Lebens schreibt er die Geschichte dieses Mordes auf, weil er nun die Lösung zu kennen glaubt und schickt den Anfang seines Manuskripts an den Literaturagenten Peter Katz, der sicher ist, mit dem Verkauf an einen Verlag das große Geschäft machen zu können. Als er den Rest des Manuskripts abholen will, ist Richard Flynn bereits verstorben. Das Manuskript ist nach Aussage von Flynns Partnerin unauffindbar. Peter Katz schaltet den Journalisten John Keller ein, der einiges an Material zusammenträgt und schließlich den pensionierten Polizisten Roy Freeman hinzuzieht, der damals den Fall erfolglos bearbeitet hatte. Freeman hat sich nie verziehen, dass er wegen seiner Scheidung und massiver Alkoholprobleme nicht in Bestform war. Er benutzt nun Flynns Manuskript, Kellers Ermittlungsergebnisse und die alte Polizeiakte und rollt den Fall wieder auf. Freeman befragt alte und neue Zeugen und trägt immer mehr Fakten zusammen, so dass der Mord schließlich auch offiziell als aufgeklärt gelten kann.
Chirovici hat einen sehr komplizierten Thriller geschrieben, in dem mehrere Ich-Erzähler – Flynn, Katz, Keller und Freeman - aus wechselnder Perspektive teils sehr widersprüchliche Aussagen machen. Hinzukommt noch die zwielichtige Laura Baines, die Lieblingsstudentin des Ermordeten, in die Flynn verliebt war. Auch der junge Student Flynn stand in Beziehung zum Professor, für den er eine Zeit lang arbeitete. Es ergeben sich laufend neue Hypothesen aus den Ermittlungsergebnissen, die später angesichts anderer Erkenntnisse wieder verworfen werden müssen.
Chriovicis literarischer Thriller handelt nicht nur von der Aufklärung eines Mordes. Leitmotivisch zieht sich das Thema “Erinnerung“ durch den Roman – unterstrichen durch die Tatsache, dass Joseph Wieder ebenso auf diesem Gebiet forschte wie Laura Baines. Der Professor untersuchte speziell die Möglichkeiten, bei Traumapatienten schädliche Erinnerungen zu löschen. Immer wieder geht es um die Frage, wie zuverlässig unsere Erinnerungen sind. Wenn es gar keine objektive Wirklichkeit gibt, sondern nur subjektive Wirklichkeiten, dann würde dies erklären, wieso wir uns an Dinge erinnern, die nie passiert sind. Chirovici führt uns vor, wie begrenzt der Wahrheitsgehalt all der subjektiven Aussagen ist. Es ist alles anders, als man denkt.
Mir hat der Roman gut gefallen, obwohl er sich mit seinen gefühlten 200 Namen nicht eben mühelos konsumieren lässt. Der Autor verzichtet auf oberflächliche, reißerische Spannung, und das ist gut so. Es ist spannend genug, das Puzzle aus vielen Teilchen zusammenzusetzen, bis am Ende fast alles aufgeklärt ist.

Veröffentlicht am 12.02.2017

Nur ein Traum

Das geträumte Land
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In Imbolo Mbues hochgelobtem Debütroman geht es um Immigration. Jende Jonga ist mit einem Touristenvisum aus Kamerun in die USA gekommen. Zwei Jahre später holt er seine Frau Neni mit dem gemeinsamen Sohn ...

In Imbolo Mbues hochgelobtem Debütroman geht es um Immigration. Jende Jonga ist mit einem Touristenvisum aus Kamerun in die USA gekommen. Zwei Jahre später holt er seine Frau Neni mit dem gemeinsamen Sohn Liomi nach. Für beide ist Amerika das gelobte Land. Entsprechend dem amerikanischen Traum kann es hier jeder schaffen, wenn er nur hart genug dafür arbeitet. Als Jende Chauffeur von Clark Edwards wird, einem reichen Banker bei Lehman Brothers, und Neni in den Urlaubswochen in den Hamptons als Haushälterin der Edwards arbeitet, sieht es so aus, als würden all ihre Träume in Erfüllung gehen. Doch dann verliert Clark Edwards durch die Lehman Brothers-Pleite seinen Job. Clark beschäftigt Jende noch einige Zeit, bis dieser im Ehekrieg der Edwards zwischen die Fronten gerät. Das glamouröse Leben der Edwards ist weitgehend schöner Schein. Clark und Cindy haben große Probleme.
Auch die Jongas sind nicht mehr so glücklich wie am Anfang. Mit Hilfe eines auf Asylrecht spezialisierten Anwalts kämpfen sie für die Greencard, gegen die Ausweisung. Sie gehen drei Jahre lang durch die Einwanderungshölle, leben in ständiger Ungewissheit und Angst. Die Edwards sind zwar sehr nett und großzügig zu ihren Angestellten, lassen aber nie einen Zweifel daran, dass es unüberbrückbare Differenzen gibt: Armut und Reichtum, Rasse und Klasse. Es ist nicht zu übersehen, dass die Amerikaner generell die Fremden gar nicht in ihrem Land wollen. Desillusioniert macht Jende seiner Frau am Ende klar, dass Amerika keineswegs das beste Land der Welt ist: “…, dieses Land ist voll mit Lügen und Leuten, die sich gern Lügen anhören. (…) In diesem Land ist kein Platz mehr für Leute wie uns.“ (S. 370).
Sehr schön zeichnet die Autorin die Veränderungen bei den Jongas nach. Sie merken, dass sie nicht so leben, wie sie leben möchten und sich in Menschen verwandeln, die sie nicht sein wollen. Auch ihre Ehe hat gewaltig gelitten. Sowohl Jende als auch Neni enthüllen zunehmend sehr unschöne Seiten ihrer Persönlichkeit und müssen entscheiden, wo sich für sie das gelobte Land befindet.
Imbolo Mbue ist ein gut lesbarer Roman gelungen, der durch die augenblickliche politische Lage in den USA eine erschreckende Aktualität gewinnt. Auf jeden Fall empfehlenswert.

Veröffentlicht am 31.12.2016

In der Gewalt eines Psychopathen

DEAR AMY - Er wird mich töten, wenn Du mich nicht findest
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Im Mittelpunkt von Helen Callaghans Debütroman “Dear Amy“ steht Margot Lewis. Sie ist Lehrerin an einer renommierten Schule und außerdem Kummerkastentante bei der Zeitung The Cambridge Examiner, wo sie ...

Im Mittelpunkt von Helen Callaghans Debütroman “Dear Amy“ steht Margot Lewis. Sie ist Lehrerin an einer renommierten Schule und außerdem Kummerkastentante bei der Zeitung The Cambridge Examiner, wo sie die an “Dear Amy“ gerichteten Anfragen der Ratsuchenden beantwortet. Eines Tages erhält sie einen Hilferuf von Bethan Avery, die um ihr Leben fürchtet. Das Brisante an der Angelegenheit ist, dass dieses Mädchen vor fast zwanzig Jahren entführt und von allen für tot gehalten wird. Die Polizei konnte den Fall nie aufklären.
Der Roman beginnt mit einem Prolog, in dem der Leser Zeuge der Entführung der 15jährigen Katie Browne wird, die nach einem Streit ihr Elternhaus verlässt und eigentlich schon wieder umkehren wollte, als sie von einem Unbekannten überfallen wird. Alle glauben, dass Katie mit ihrem Freund weggelaufen ist. Erst als Margot Lewis ihre Briefe vorlegt, kommt die Sache ins Rollen. Der forensische Psychologe Dr. Martin Forrester befragt Margot. Ein Team von Polizisten, Psychologen und Graphologen ermittelt und prüft weitere ungeklärte Fälle von verschwundenen Mädchen aus einem Zeitraum von etwa 20 Jahren. Margot wird immer stärker in die Geschichte hineingezogen, entwickelt starke Ängste und fürchtet, dass Geheimnisse aus ihrer eigenen Vergangenheit ans Licht kommen könnten. Dass sie allen Grund hat sich zu fürchten, wird deutlich, als sie ebenfalls ins Visier des Täters gerät.
Erzählt wird die Geschichte aus wechselnden Perspektiven, meist aus Margots Sicht, aber auch Katie und der Täter kommen zu Wort. Der vor allem im zweiten Teil spannende Psychothriller enthält zahlreiche Handlungsumschwünge und ein überraschendes Ende. Das zugrundeliegende Geheimnis habe ich allerdings frühzeitig erraten. Das minderte jedoch nicht das Lesevergnügen. Ich rechne es der Autorin hoch an, dass sie zwar schlimme Verbrechen thematisiert, aber dem Leser dennoch Folter- und Vergewaltigungsszenen in finsteren Kellerverliesen erspart. Ein empfehlenswerter Thriller, der beschreibt, mit welchen gravierenden psychischen Folgeschäden Verbrechensopfer bisweilen überleben.

Veröffentlicht am 31.10.2016

Alles wird gut

Das Nest
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Im Mittelpunkt von Cynthia d´Aprix Sweeneys Debütroman “Das Nest“ stehen die Geschwister Leo, Beatrice, Jack und Melody Plumb. Ihr Vater Leonard hatte seinerzeit für seine vier Kinder Geld in einem ...

Im Mittelpunkt von Cynthia d´Aprix Sweeneys Debütroman “Das Nest“ stehen die Geschwister Leo, Beatrice, Jack und Melody Plumb. Ihr Vater Leonard hatte seinerzeit für seine vier Kinder Geld in einem Fonds angelegt, das aber erst zum 40. Geburtstag von Melody, der Jüngsten, ausgezahlt werden soll. Dieser Fonds wird von den Geschwistern als Das Nest bezeichnet. Verwaltet wird das Geld von Rechtsanwalt George, einem Vetter. Ursprünglich handelte es sich um eine relativ bescheidene Summe, die zwischenzeitlich infolge des Booms auf gigantische Summen angewachsen, dann aber nach Platzen der Immobilienblase drastisch geschrumpft war. Kurz vor dem Auszahlungstermin macht Mutter Francie von ihrem Verfügungsrecht Gebrauch und verwendet das Geld, um ihrem Ältesten, dem verantwortungslosen Playboy Leo, aus der selbstverschuldeten Patsche zu helfen. Er hat unter Drogen- und Alkoholeinfluss einen Unfall verursacht, bei dem die 19jährige Kellnerin Matilda Rodriguez einen Fuß verlor. Er muss nicht nur die junge Frau mit einer Million Dollar zum Schweigen bringen, sondern verliert die gleiche Summe bei der Scheidung von seiner Ehefrau Victoria. Die einander ohnehin entfremdeten Geschwister verlangen von ihrem Bruder die Rückzahlung des ihnen zustehenden Betrags und streiten nur noch um Geld. Alle befinden sich aus unterschiedlichen Gründen in finanzieller Bedrängnis. Eine andere Lebensplanung als das Warten auf das Erbe scheint es nicht gegeben zu haben. Melody, Jack und Beatrice versuchen mit allen möglichen Mitteln, an Geld zu kommen, während Leo sie hinhält und schließlich abtaucht.
Der Roman zeichnet ein teilweise satirisches, durchweg unterhaltsames Porträt vom Leben im teuren New York, wobei es den Plumbs als Mitgliedern der Mittelschicht gar nicht einmal so schlecht geht. Allerdings haben nur Beatrice und Literaturagentin Stephanie, die immer wieder und auch während der entscheidenden Phase mit Leo zusammen ist, zum richtigen Zeitpunkt Immobilien gekauft. In Nebenhandlungen werden die Schicksale anderer benachteiligter Menschen – zum Beispiel Tommy, Vinnie oder Matilda und ihre Familie – dargestellt, die wesentlich schlechter gestellt sind. Die vier Plumbs und ihre Mutter sind nicht besonders sympathisch gezeichnet. Die meisten von ihnen werden von nackter Gier geleitet, sind kalt und oberflächlich. Für alle hat der Streit ums Erbe jedoch ein Gutes: sie kommen wieder zusammen, müssen miteinander reden und sich irgendwie arrangieren. Eine Verbesserung ihrer Lage ist nur möglich, wenn sie ihre überzogenen Ansprüche zurückschrauben und für sich entscheiden, was wichtiger ist: Geld oder Familie.
Die Autorin zeichnet das Bild einer dysfunktionalen Familie – und folgt damit einem wichtigen Trend in der zeitgenössischen amerikanischen Erzählliteratur - , entscheidet sich jedoch nicht für eine gnadenlose satirische Abrechnung, sondern eher für einen Wohlfühlroman mit einem sehr gefühlvollen Schluss, in dem fast jeder Handlungsstrang doch noch ein gutes Ende nimmt. Das Ergebnis ist nicht große Literatur, sondern ein amüsanter Roman, der sich nicht schlecht liest und sich für eine Verfilmung geradezu anbietet.