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Veröffentlicht am 23.01.2021

Ein jüdisches Schicksal

Helenes Versprechen
1

Nach 10 Tagen auf der Marine Flasher haben sie New York erreicht, wir schreiben das Jahr 1947. Endlich wird Helene ihren Sohn Moritz wiedersehen, den sie vor fast zehn Jahren mit einem Kindertransport ...

Nach 10 Tagen auf der Marine Flasher haben sie New York erreicht, wir schreiben das Jahr 1947. Endlich wird Helene ihren Sohn Moritz wiedersehen, den sie vor fast zehn Jahren mit einem Kindertransport schweren Herzens gehen lassen musste.

„Und du kommst bestimmt bald nach?“ … „Um acht beim Mond“… Diesen herzzerreißenden Abschied zwischen Mutter und Sohn lese ich gleich auf der ersten Seite. Den Schmerz des achtjährigen Kindes, den Schmerz der Mutter konnte ich hier so sehr nachfühlen. Sie muss ihn gehen lassen, um sein junges Leben zu schützen. In Großbritannien dann lebt er in einer Gastfamilie, bis seine Tante Marlis ihn in die USA mitnimmt. Und jetzt stehen sich Mutter und Sohn gegenüber, sind sich fremd geworden, haben nicht mal mehr eine gemeinsame Sprache weil – Moritz hat seine Muttersprache verlernt.

Inspiriert vom Schicksal der jüdischen Kinderärztin Antonie Sandels schuf Beate Rösler die fiktive Geschichte um Helene Bornstein, auch sie Kinderärztin aus Leidenschaft.

Überwiegend spielt dieser Roman vor und während des Nazi-Regimes. Die Frankfurter Familie Bornstein ist angesehen, hat ihr Auskommen, ist ganz und gar hier verwurzelt. Ihr einziger Makel: Sie sind Juden, wenn auch getauft, das Judentum nicht praktizierend. Je mehr Macht Hitler und seine Schergen an sich reißen, desto gefährlicher wird es für den jüdischen Teil der Bevölkerung. Die Autorin erzählt auf mehreren Zeitebenen. Beginnt im New York des Jahres 1947, um dann zurückzublicken nach Frankfurt vor und während der Hitlerzeit. Es sind diese wechselnden Erzählstränge, die etliches von der Familie Bornstein preisgeben, aber doch nicht gleich alles auserzählen. So bleibt vieles im Verborgenen – zunächst. Es braucht einfach seine Zeit, all das Unbegreifliche zu verstehen. Wenigstens ansatzweise. Ich erfahre so einiges über diese für Juden immer gefährlicher werdenden Jahre. Wer zu lange zögert, nicht schnell genug ans Auswandern denkt, dessen Los ist besiegelt. Irgendwann haben sie die Deportationsbescheide, können dem nicht mehr ausweichen. Es gab uneigennützige Helfer, die sich in große Gefahr begaben und trotzdem nicht davor zurückschreckten, alles nötige zu tun, um Leben zu retten.

Helenes Geschichte macht neugierig, wirft beim Lesen so mache Frage auf. Wäre sie nicht Jüdin, ihr Leben hätte anders ausgesehen. Als angesehene Ärztin wäre ihr die Welt offengestanden. So aber erlebte sie den zunehmenden Hass auf alles nicht-arische. Nachdem sie in Amerika mit Moritz, ihrem Sohn, einem Neuanfang entgegenfiebert, erlebt sie auch hier diesen Rassenhass erneut, diesmal trifft es die schwarze Bevölkerung. Diese Feindseligkeit gegen alles vermeintlich Minderwertige wird wohl nie aufhören.

„Helenes Versprechen“ ist aktueller denn je. Beate Rösler bringt uns Geschichte sehr gut lesbar näher. Ein historischer Roman mit Tiefgang.

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Veröffentlicht am 18.01.2021

Spannender Auftakt

Die siebte Zeugin
1

„Die siebte Zeugin“ ist der erste Teil der neuen Justiz-Krimi-Reihe um den Anwalt Rocco Eberhardt und der rechtsmedizinischen Koryphäe Dr. Justus Jarmer.

Warum? Er schießt um sich – vier Schuss ...

„Die siebte Zeugin“ ist der erste Teil der neuen Justiz-Krimi-Reihe um den Anwalt Rocco Eberhardt und der rechtsmedizinischen Koryphäe Dr. Justus Jarmer.

Warum? Er schießt um sich – vier Schuss waren es – und dann wartet er, lässt sich widerstandslos festnehmen. Der Verwaltungsbeamte Nikolaus Nölting winkt vorher seiner Tochter Lily, die er über alles liebt, zu und schwingt sich aufs Fahrrad, fährt gezielt zur Bäckerei „Aux Délices Francais“. Und hier schießt er ohne Vorwarnung – ein Toter, zwei Verletzte. Sechs Monate später vor Gericht und Rocco Eberhardt tappt komplett im Dunkeln. Er, Verteidiger des Angeklagten Nikolas Nölting, weiß nur eins: Der Fall ist erst verloren, wenn in letzter Instanz das Urteil gesprochen ist.

Dass da mit dem Angeklagten irgendein perfides Spiel gespielt wird, könnte durchaus sein. Warum sollte ein unbescholtener Familienvater, der alles für sein Kind tut, plötzlich morden? Wer oder was steckt wirklich dahinter? Eberhardt lässt nicht locker, setzt seinen Freund Tobias Baumann - seines Zeichens Privatdetektiv - ein und kontaktiert den Rechtsmediziner Justus Jarmer. Auch wenn sie Startschwierigkeiten haben, so sind sie doch letztendlich gemeinsam ein brillantes, ein unschlagbares Team. Und da ist noch der Herr Oberstaatsanwalt Dr. Bäumler, der fleißig an seiner Karriere strickt. Dieser „Killer-Beamte“, dieser Nölting, kommt dem gerade recht. Sein Ruf als knallharter Strafverfolger eilt ihm voraus, die Politik wartet schon auf einen wie ihn. Herrlich – das Spiel zwischen Bäumler und Eberhardt.

Ein Zeuge nach dem anderen wird gehört, die siebte Zeugin offenbart ungeheuerliches. Roccos Strategie, die zunächst sehr gewagt und äußerst fragwürdig erscheint, deckt skandalöse Machenschaften auf.

Aus verschiedenen Perspektiven lassen sich die kurzen, sehr detailliert überschriebenen Kapitel gut lesen. Ein interessanter Einblick in die Welt der Justiz, unterhaltsam verpackt. Hier wird nach dem Motiv, nicht wie üblich nach dem Täter gesucht - eine etwas andere Vorgehensweise, die beim Lesen die Zeit vergessen lässt.

Es ist der erste gemeinsame Krimi des Autoren-Duos Florian Schwiecker (ehemaliger Strafverteidiger) und Michael Tsokos (Rechtsmediziner), dessen Thriller allesamt Bestseller sind. Die Grundidee kam Tsokos eines Sonntags beim Brötchenholen. Ein gelungener Einstieg in diese neue Justiz-Krimi-Reihe. Sehr gerne empfehle ich diese „siebte Zeugin“ und freue mich schon auf Nachschub.

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Veröffentlicht am 13.01.2021

Amsterdam im ausgehenden 16. Jahrhundert

Krone der Welt
1

In ihrem großartigen Historischen Roman „Krone der Welt“ entführt uns Sabine Weiß ins Amsterdam des ausgehenden 16. Jahrhunderts.

Wir erleben hier das aufstrebende Handelszentrum Amsterdam, in dem sowohl ...

In ihrem großartigen Historischen Roman „Krone der Welt“ entführt uns Sabine Weiß ins Amsterdam des ausgehenden 16. Jahrhunderts.

Wir erleben hier das aufstrebende Handelszentrum Amsterdam, in dem sowohl die Spanier als auch die Engländer das Sagen haben wollen neben dem allgegenwärtigen Glaubenskrieg der Katholiken gegen die Calvinisten, eingebettet in die Geschichte um die drei Geschwister Vincent, Ruben und Betje Aardzoon.
Antwerpen ist gefallen, tausende sind auf der Flucht. Wim Aardzoon muss weg mit seinen Kindern, hier findet er keine Anstellung. Es zieht sie nach Norden und sie müssen sich beeilen, bevor alle anderen die guten Anstellungen ergattern. Zunächst sind sie wenig begeistert – der erste Eindruck von Amsterdam ist enttäuschend. Sie geben nicht auf, Wim findet Arbeit und Vincent - schon immer fasziniert von den großartigen Bauwerken - eifert seinem Vater nach, will Architekt werden. Allerdings brauchte er das Bürgerrecht, musste einen Eid leisten und 6 Gulden berappen, um arbeiten zu können. Wohlgelitten waren Zugezogene nicht, das war auch damals schon so. Ruben ist und bleibt der Abenteurer, ihn zieht es hinaus aufs Meer. Betje hingegen zaubert die besten Gerichte, kochen ist ihre große Leidenschaft. So zieht sich das Leben der drei durch das Buch voller Kriege und Glaubensfanatismus, voller Hinterhältigkeit und Hass, Lügen und Intrigen, Neider und Widersacher aber auch voller Liebe, Zuneigung und gegenseitiger Hilfe.

Sabine Weiß beschreibt die einzelnen Szenen sehr lebendig. So werden Brander, diese Höllenschiffe auf- und ausgerüstet, um Schiffbrücken zu zerstören. Natürlich habe ich nachgelesen, was es mit diesen Brandschiffen auf sich hat, habe ich doch vorher nichts darüber gewusst, konnte mir dieses Fiasko danach aber gut vorstellen.

Hauptsächlich begleite ich Vincent. Er ist sehr zielstrebig und mit ihm als ideenreicher Architekt erfahre ich so einiges über die Erweiterung der Stadt, den Ausbau der Grachten und all der prunkvollen Häuser. Den Bewohnern geht es gut, sie können sich diese begehrten Dinge leisten, die Ruben auf seinen Handelsreisen heran schippert. Von reichen Kaufleuten wird schließlich die Companie van Verre gegründet, der Vorläufer der Niederländischen Ostindien-Kompanie.

Die Entwicklung Amsterdams wird anhand der fiktiven Geschichte um die Geschwister anschaulich dargestellt und geschickt verwoben mit historischen Persönlichkeiten. Die niederländischen Namen und Bezeichnungen geben dem Roman eine ganz besondere Atmosphäre. Im Glossar werden viele Begriffe nochmal dargestellt, jedoch erklärt sich vieles beim Lesen von selbst.

Gerne habe ich Vincent, Ruben und Betje begleitet, bin zurück ins ausgehende 16. Jahrhundert und habe mich meistens gut aufgehoben gefühlt im aufstrebenden Amsterdam. Unbedingt empfehlenswert für all jene, die historische Romane gerne lesen.

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Veröffentlicht am 01.01.2021

Eine Kindheit inmitten des Krieges

Der Hütejunge
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Der Junge, dessen Namen die Mutter nicht aussprechen mag, wird 1934 in ein kleines Eifeldorf hineingeboren. Vor dem Krieg mussten schon alle mit anpacken und der heranwachsende Junge war stolz, seinen ...

Der Junge, dessen Namen die Mutter nicht aussprechen mag, wird 1934 in ein kleines Eifeldorf hineingeboren. Vor dem Krieg mussten schon alle mit anpacken und der heranwachsende Junge war stolz, seinen Beitrag als Hütejunge zu leisten. Auf die Kühe aufpassen, das konnte er. Ein aufgeweckter, neugieriger Junge, der seine Welt erobern will. Fast könnte man meinen, es sei eine glückliche Kindheit gewesen. Dann war Krieg, sie hatten nicht viel. Nie viel gehabt. Der Vater war früh gestorben, das Geld immer knapp. Mutter hielt alles zusammen, sie alleine musste die Familie, die sechs Kinder, durchbringen.

Ulrike Blatter beschreibt mit ihrem „Hütejungen“ ein Stück Zeitgeschichte. Es sind die Kindheitserinnerungen ihres Vaters, fiktiv verändert. Aus Kindersicht, ohne erhobenen Zeigefinger, sind all diese Schrecken, die grausamen, ja unmenschlichen Vorkommnisse in Kriegszeiten behutsam erzählt. Der Leser begleitet den Jungen, seine Familie und die Dorfbuben durch diese entbehrungsreichen Jahre, durch die Sommer und die eiskalten Winter. Seine jugendliche Neugier erspäht so einiges. Er sieht viel, ist ein guter Beobachter und ein sehr liebenswerter Charakter. Wir sind immer nah dran am Jungen und sehen die Welt oft mit seinen Augen, als ob er einen an die Hand nimmt und durch diese schwere Zeit führt, dem Schrecken das allzu tragische nimmt. Man spürt so richtig, dass es hier ums Überleben geht - irgendwie. Jeder leistet seinen Beitrag, so gut er eben kann.

Ein sehr eindringliches Buch, dessen Geschichte mich sofort mitgenommen hat. Mit dem Jungen und seiner Familie ging, durchlitt und durchlebte ich diese Jahre, konnte deren Handlungsweise gut nachvollziehen und war und bin unendlich dankbar, dass ich in Friedenszeiten ohne große Not groß werden konnte. Sehr schön und aufschlussreich finde ich den bebilderten Teil in der Buchmitte, so wird das gelesene nochmals sehr anschaulich dargestellt.

Die Autorin erzählt alles, ungeschönt. Und doch wendet man sich nicht ab, liest weiter. Das geht, das kann man aushalten. Lebendig, ja behutsam geschrieben. Ein sehr schöner, ein leiser Erzählstil. Wie ich finde, ein sehr wichtiges Buch, das jeder lesen sollte.

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Veröffentlicht am 21.12.2020

Ein Muss für jeden Thriller-Fan

Blutroter Schatten
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Wenn das mal kein Thriller ist! Ein eiskalter Mörder, ein smarter Anwalt. Er ist sehr erfolgreich, schlägt wie im Rausch brutal zu und wird dabei von Sam, seiner Tochter, beobachtet. Längst sitzt er im ...

Wenn das mal kein Thriller ist! Ein eiskalter Mörder, ein smarter Anwalt. Er ist sehr erfolgreich, schlägt wie im Rausch brutal zu und wird dabei von Sam, seiner Tochter, beobachtet. Längst sitzt er im Hochsicherheitstrakt der Psychiatrie, als draußen alles wieder anfängt. Mehrere Leichen werden gefunden, brutal ermordet, bei jedem hinterlässt der Schlitzer, wie er genannt wird, folgendes: „Mit den besten Empfehlungen von Thomas Rohde“. Wie kann das sein? Der Schlüssel zu diesen neuerlichen Morden ist wohl Rohde, der aber ist weggesperrt und will nicht mit der Polizei reden. Er verlangt, ausschließlich mit seiner Tochter sprechen, ansonsten schweigt er. Sie will mit ihrem Vater nichts mehr zu tun haben, willigt aber letztendlich ein. Kennt er diesen Schlächter?

Ein Wechselbad der Gefühle tut sich beim Lesen auf. Verdächtige gibt es, ja. Er, der Schlitzer, ist immer einen Schritt weiter als die Polizei. Diese kranken Phantasien, die der auslebt, sind fast nicht auszuhalten. Immer grauenhafter werden seine Taten, als ob er Rohde um jeden Preis gefallen möchte. Und dieser nutzt die Gunst der Stunde, quält Sam mit jeder neuen Begegnung.

Patricia Walter ist eine nervenaufreibende Geschichte gelungen, die mich nicht hat schlafen lassen. Entsetzen über so einen gefühlskalten Vater, der seine Tochter benutzt, um seine mörderischen, ja krankhaften Gewaltexzesse nochmal zu genießen, überkommt mich immer wieder. Auf der verzweifelten Jagd nach dem Nachahmungstäter stockt mir des Öfteren der Atem.

Für Thriller-Fans ist dieser „Blutrote Schatten“ ein absolutes Highlight, den ich ohne Wenn und Aber weiterempfehlen kann.

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