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Veröffentlicht am 15.02.2021

Die Denkerin

Die Frau von Montparnasse
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Sie wusste schon immer, dass sie nicht in die Fussstapfen ihrer Eltern treten will. Sie will denken, schreiben, unabhängig sein - was sich in ihren jungen Jahren erträumte, ging schlussendlich in Erfüllung ...

Sie wusste schon immer, dass sie nicht in die Fussstapfen ihrer Eltern treten will. Sie will denken, schreiben, unabhängig sein - was sich in ihren jungen Jahren erträumte, ging schlussendlich in Erfüllung und so wurde Simone de Beauvoir nicht nur die erste Frau, die in Frankreich Knaben in Philosophie unterrichtete, sondern auch Mitbegründerin des Existenzialismus und Gründerin des modernen Feminismus.

Simone fand in den 20er und 30er Jahren keine Vorbilder für freie Frauen und entschloss sich, selbst ein Vorbild zu werden. Sie führte ein unkonventionelles Leben, hatte um sich ihre "Familie", eine Patchworkfamilie, die aus Freunden bestand. Doch bis es soweit kam, musste sie sich lange und gründlich überlegen, welches Leben sie führen will - und auch immer wieder hinterfragen.

De Beauvoir steht anfangs zwischen drei Männern. Doch schnell war klar: keine Beauvoir ohne Sartre und umgekehrt. Sie waren sich extrem nah, sassen fast 24/7 aufeinander, lasen gemeinsam, sie redeten, diskutierten, schrieben - über Gefühle, über einfach alles. Nach dem Lesen von "Die Frau von Montparnasse" ist mir deshalb auch klar, wieso ich in meiner Erinnerung nur immer Fotos von diesem extravagantem Paar sah und nie Foto von ihnen alleine.

Caroline Bernard erzählt extrem dicht von Simones Leben bis 1951 und lässt gefühlt nichts aus. Die Autorin schreibt auch über einen enorm wichtigen Teil in Simones Leben, nämlich über den Pakt, den Sartre und de Beauvoir geschlossen haben: ein unverheiratetes Paar zu sein. Erst mal für zwei Jahre, doch sie verlängerten diesen unromantischen Pakt immer wieder. Mit den Zufallslieben, die sie sich gestatteten, mussten sie lernen umzugehen. Ebenso wie sich diese auch zu erlauben, was Simone de Beauvoir erst schwer fiel. Für mich hörte sich dieser Pakt kompliziert an, denn er gab Simone zwar die Möglichkeit frei zu sein, zwang sie aber auch dazu, mit vielen Heimlichkeiten zu leben.

Die Autorin streicht in ihrem Roman deutlich heraus, dass Simone de Beauvoir in ihrem Denken und ihrer Philosophie sehr viel praktischer und menschlicher war als Jean-Paul Sartre. Emotionen gehörten dazu, Sartre blendete diese aus.

Trotz aller Erfolge litt Simone de Beauvoir zeitlebens daran, dass Frauen als nicht selbstständig denken gesehen wurden. Dabei ist sie es, der Sartre so viel von seiner Philosophie verdankt. Und einmal mehr beweist sich, mögen einige auch noch so ein unkonventionelles Leben führen: Hinter jedem berühmten Mann steht eine starke Frau - die oft mehr zu sagen hat, als der Mann selbst.

Fazit: Sehr interessante Romanbiografie über die grosse Denkerin Simone de Beauvoir, der eindrücklich zeigt, wie sie zu der Philosophin wurde, für die sie heute berühmt ist.
4 Punkte

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Veröffentlicht am 10.02.2021

Ein kniffliger Fall für Rabbi Klein

Der böse Trieb
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In Rabbi Kleins sechsten Fall stirbt einer seiner Klienten, Viktor Ehrenreich. Der Zahnarzt wurde zuhause im deutschen Grenzort Inzlingen erschossen. Seine Ehefrau Sonja beauftragt den netten Zürcher Rabbi ...

In Rabbi Kleins sechsten Fall stirbt einer seiner Klienten, Viktor Ehrenreich. Der Zahnarzt wurde zuhause im deutschen Grenzort Inzlingen erschossen. Seine Ehefrau Sonja beauftragt den netten Zürcher Rabbi die Trauerrede zu halten, da sie sich mit dem orthodoxen Rabbi vor Ort nicht gut versteht. Mit ihrem Mann hatte sie ebenfalls Auseinandersetzungen - und beide voreinander Geheimnisse.

Derart viele, dass jedes davon etwas mit Viktors Tod zu tun haben könnte. Gabriel Klein hört sich die Gespräche mit ihm nochmals an - gut, dass der darauf bestand sie jeweils aufzuzeichnen. Doch was die Gespräche nicht beinhalten, sind diverse weitere Umstimmigkeiten mit seiner Ehefrau und auch, was Viktor in seinem jährlichen Kongo-Aufenthalt alles gemacht oder nicht gemacht hat.

Zum Glück ist Rabbi Klein hartnäckig und deshalb einigen brisanten Dingen auf der Spur. Dass Viktor sich einmal wöchentlich abends in Basel aufgehalten hat, beispielsweise. Wo, und was das sollte, versucht Klein heraus zu finden. In dieser Mission unterwegs, legt er einige Kilometer zurück und fährt zwischen Zürich, Basel und Inzlingen etliche Male hin und her.

Dabei hätte er gar keine Zeit dafür, denn auch in seiner Gemeinde ist der Teufel los. Die benötigten Etrog-Zitronen für das Laubhüttenfest sind allesamt verfault und Ersatz muss her. Der Importeur stellt sich quer, ein Anwalt mischt sich ein und Klein steht mitten in der Schusslinie der verschiedenen Parteien, wie es ihm sein Widersacher Tobias Salomon nur zu gerne unter die Nase reibt.

Wahrscheinlich wäre Klein jetzt gerne wie Wickie, dreimal unter der Nase reiben und alle Probleme sind auf einen Schlag gelöst. So einfach ist es leider nicht, das Etrog-Problem scheint sich nicht zu lösen und der Mordfall ist eine verzwickte Sache - jeder der Verdächtigen könnte der Täter sein und alles was er heraus findet, macht den Fall noch brenzliger.

Somit ist auch dieser sechste Band "Der böse Trieb" ein klassischer Whodunit-Krimi. Sehr erfrischend, kurzweilig und spannend zu lesen. Wie bisher in jedem Band passen Vater Kleins Weisheiten wie die Faust aufs Auge. Ebenso wie das theologische titelgebende Thema, das erneut auf verschiedene Arten vertieft wird.

Fazit: Obwohl schon der sechste Band: es macht noch immer Spass, Rabbi Klein beim Lösen seiner interessanten und kniffligen Fälle zu begleiten!
4 Punkte.

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Veröffentlicht am 30.01.2021

Poetisch-zärtliche Melancholie

Pinguine bringen Glück
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Dass er vor fünf Jahren von seiner Mutter verlassen wurde - damit kommt der fünfzehnjährige Dom mehr oder weniger zurecht. Dass gerade sein Vater verstorben ist - kommt völlig überraschend.

Dom möchte ...

Dass er vor fünf Jahren von seiner Mutter verlassen wurde - damit kommt der fünfzehnjährige Dom mehr oder weniger zurecht. Dass gerade sein Vater verstorben ist - kommt völlig überraschend.

Dom möchte am liebsten nur in Ruhe gelassen werden und noch lieber zurück nach Groix, auf die bretonische Insel, von der er stammt. Dom hat Sehnsucht nach Groix, es ist sein Sehnsuchtsort, der Ort, den er seine Heimat nennt, als ob er nur dort glücklich sein könnte. Ausserdem will er wissen, wer die blonde Frau war, die bei seinem Vater war. Eine schwierige Suche, denn blonde Frauen gibt es viele in der Nachbarschaft.

Doch nun muss er sich vor allem mit seiner blöden Tante Désir herumschlagen, die an seine Wohnung will. Zum Glück hat er noch eine weitere Tante und einen Onkel, die sich für ihn einsetzen.

Die Geschichte wird abwechselnd aus Doms Sicht und die der blonden Frau erzählt. Dom steckt zwischen Trauer, Neugier und Sehnsüchten fest. Der mysteriösen Geliebten, die im Hintergrund bleibt, ergeht es ebenso.

Lorraine Fouchet erzählt in "Pinguine bringen Glück" eine traurige, aber optimistische Geschichte. Mit der ihr eigenen poetischen, zärtlichen Melancholie deckt die Autorin allerhand Geheimnisse auf, auf die man als Leser nie gekommen wäre und die den Roman spannend machen.

Spannungsreich sind auch die Ausflüge nach Groix und die spätere Expedition nach Patagonien. Sie nehmen die Leser mit auf eine Reise, bei der es vieles zu entdecken gibt.

Die Musikliste, die am Ende des Romans beigefügt wurde, hätte ich gerne am Anfang des Romans gehabt, denn dann hätte ich mir vor dem Lesen eine Playlist zusammenstellen können und hätte beim Lesen die passende Musik hören können.

Der Roman ist - wie der letzte Song, der erwähnt wird - letztendlich ein Dank an das Leben ("Gracias a la vida" von Mercedes Sosa), auch wenn es nicht immer leicht ist und oft anders daher kommt, als man es sich wünscht.

Fazit: Eine traurige, aber immer optimistische Erzählung voller Geheimnisse.
4 Punkte.

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Veröffentlicht am 22.01.2021

Solider Winterroman

Der Glanz einer Sternennacht
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Kein Dezember ohne einen Karen Swan-Roman! Jedenfalls für mich. Dieser "Weihnachtsroman" von Karen Swan ist aber wie einige ihrer anderen Romane eher ein Winterroman.

Der Roman beginnt Ende November ...

Kein Dezember ohne einen Karen Swan-Roman! Jedenfalls für mich. Dieser "Weihnachtsroman" von Karen Swan ist aber wie einige ihrer anderen Romane eher ein Winterroman.

Der Roman beginnt Ende November und endet am 25. Dezember. Es passiert soviel, da ist die Jahreszeit eher nebensächlich und deshalb überrascht es auch nicht, dass keine Weihnachtsstimmung aufkam - trotz glitzerndem Schneecover.

Die Lornes haben aber auch ganz andere Probleme. Nach dem überraschenden Tod ihres Vaters kehrt die abtrünnige Willow nach Hause zurück. Zum Entsetzen ihrer beiden Schwestern Pip und Ottie erbt Willow die Burg, doch was die beiden nicht wissen: auch jede Menge Schulden. Während Willow zwischen den Stühlen steht - Burg verkaufen oder den Familiensitz retten - und es dabei niemandem recht machen kann, haben Pip und Ottie ihre eigenen Probleme.

Ottie ist Chefin eines Campingplatzes, hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann, von der niemand erfahren darf und kämpft mit Gewissensbissen, denn bei einem Ultralauf verunfallt kurz vor ihrem Streckenposten einer der Läufer.

Die draufgängerische Pip hat einen kleinen Ponyhof und träumt vom Pferde züchten. Deshalb lässt sie sich auf eine verhängnisvolle Wette ein.

In diesem Kontext spielt sich die ganze Geschichte ab, die vielmehr eine Familiengeschichte als Weihnachtsgeschichte ist. Das Setting, eine alte irische Burg ist ja mal ganz nett, aber halt alles andere als bodenständig, auch wenn alle Schwestern für einmal ganz normale Berufe haben.

Zeit für Langeweile gibt es nicht, denn wie anfangs erwähnt, passiert bei jeder der drei Schwestern sehr viel. Humor scheint durch die Zeilen hindurch, so dass ich gut unterhalten wurde.

Fazit: Auch wenn Karen Swan schon bessere, emotionalere, witzigere und weihnachtlichere Romane geschrieben hat, gehört "Der Glanz einer Sternennacht" zu den solideren ihrer Romane.
4 Punkte.

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Veröffentlicht am 19.01.2021

Bodenständige Oberin ermittelt

Ein niederträchtiger Mord. Mutter Oberin Aquinas ermittelt
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Eigentlich hat mir "Ein niederträchtiger Mord" sehr gut gefallen, aber ich brauchte einen langen Atem, um ihn zu lesen.

Beim Eintritt ins Kloster kann jede Ordensfrau ihren Ordensnamen selbst wählen. ...

Eigentlich hat mir "Ein niederträchtiger Mord" sehr gut gefallen, aber ich brauchte einen langen Atem, um ihn zu lesen.

Beim Eintritt ins Kloster kann jede Ordensfrau ihren Ordensnamen selbst wählen. Meistens sind es Namen von Heiligen, die die Nonnen auswählen und entweder an ihren Geburtsnamen anhängen oder alleinstehend verwenden. Aquinas ist abgeleitet vom italienischen Theologen und Scholastiker Thomas von Aquin, der sagte, dass Vernunft und Glaube sich nicht ausschliessen. Auf diese Auslegung stützt sich Mutter Aquinas, die total bodenständig ist.

Mutter Aquinas leitet die Klosterschule im irischen Cork und unterrichtet die ärmsten Kinder der Stadt. Sie stammt aus einem guten Elternhaus, deshalb kennt sie die Unterschiede der Gesellschaftsschichten aus eigener Erfahrung. Ihre Verbindungen kommen den Schülerinnen zugute, und Aquinas versteht besser als andere Nonnen wie die jungen Mädchen im Jahr 1923 ticken.

In diesem ersten Band (einer im englischen Original bisher dreiteiligen Reihe) findet Mutter Aquinas eine vom Hochwasser angespülte junge Frau vor den Pforten des Klosters. Die Ordensschwester und Schulleiterin sieht schnell, dass die Frau nicht einfach nur ertrunken, sondern getötet wurde.

Zusammen mit ihrem ehemaligen Schüler Patrick Cashman, der mittlerweile als Sergeant amtet, und Arzt Dr. Scher geht sie der Sache auf den Grund. Unkonventionelle Hilfe bekommt Mutter Aquinas von Eileen, ebenfalls eine ehemalige Schülerin, die sich den Republikaner angeschlossen hat und anonym für die Zeitung schreibt.

Cora Harrison bringt ganz viel Zeitgeist in diesen Krimi mit rein. Sei es der irische Unabhängigkeitskampf, der Unterschied zwischen armer und reicher Bevölkerung, das sehr oft wiederkehrende Hochwasser, die Macht der Männer über ihre Ehefrauen - und liefert einen schockierenden Einblick ins damalige Psychiatriewesen.

Das alles ist enorm interessant, es macht den Krimi aber auch langatmig. Denn vieles wird zu oft wiederholt, die Sache mit dem Hochwasser zum Beispiel. Aquinas Rückblicke helfen zwar jeweils die Situation oder die familiären Verstrickungen zu verstehen, nehmen aber enorm Tempo aus der Ermittlung raus.

Zudem störte mich, dass Mutter Aquinas Tun und Handeln als Oberin eines Konvents wenig glaubwürdig gezeichnet ist. Sie kann sich wahnsinnig viele Freiheiten herausnehmen. So muss sie nie zu einer bestimmten Zeit zurück im Kloster sein, nie an Gottesdiensten (nur wenn es für die Ermittlungen zweckdienlich ist) oder Gebetszeiten teilnehmen und wenn sie weg will, werden ihre Schulklassen einfach von anderen Schwestern übernommen. Cora Harrison hat sich hierbei grosse schriftstellerische Freiheiten genommen, denn mit dem realen Klosterleben hat das nicht viel zu tun.

Ich hoffe, dass die Autorin in ihren weiteren Bänden an meinen Kritikpunkten schraubt, denn dann wären diese Kriminalromane richtige Leckerbissen. So aber kann ich keine vier volle Punkte vergeben, dafür hätte ich den Krimi fesselnder empfinden müssen, aber ich kam nicht wirklich vorwärts - die Repetitionen hielten mich davon ab.

Fazit: Thematisch toll, aber viel zu langatmig durch die vielen wiederkehrenden Wiederholungen.
3.75 Punkte.

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