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Veröffentlicht am 28.02.2021

ein intensiver Roman über einen bittersüßen Teenagersommer mit viel Flair der 80er Jahre

Hard Land
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„In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.“ Dieser erste Satz aus Benedict Wells aktuellem Roman „Hard Land“ sagt kurz gefasst aus, worum es in dieser Geschichte geht. Liebe und Tod, ...

„In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.“ Dieser erste Satz aus Benedict Wells aktuellem Roman „Hard Land“ sagt kurz gefasst aus, worum es in dieser Geschichte geht. Liebe und Tod, Freude und Leid sind einerseits gegensätzlich, stehen hier jedoch eng beieinander und symbolisieren die widersprüchlichen Gefühle, mit denen die Hauptfigur zu kämpfen hat. Schon der erste Satz wirkt wie ein Peitschenhieb und ist einer von vielen Sätzen, für die man beim Lesen Zeit zum Verarbeiten braucht.
Die Geschichte spielt im Sommer 1985 in der kleinen Stadt Grady irgendwo in Missouri. Sam ist zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt, ein eher schmächtiger und schüchternen Junge, dessen bester Freund vor kurzem weggezogen ist, so dass Sam mit Grauen an die bevorstehenden 12 Wochen der Sommerferien und die damit verbundene Langeweile denkt. Zudem sorgt die Krebserkrankung seiner Mutter, die jederzeit wieder auszubrechen droht, bei ihm zuhause für eine bedrückende Stimmung. Um diesem zu entgehen, nimmt Sam einen Ferienjob im örtlichen Kino an und findet Anschluss an eine Clique von Jugendlichen, die etwas älter sind als er und kurz vor dem Wechsel zum College stehen.
Der Roman ist ein Buch über das Erwachsenwerden, es spiegelt die wechselnden Gefühle eines Teenagers zwischen Freundschaft und erster Liebe einerseits, Verlustängsten und Abschied andererseits. Sam erlebt einen sehr intensiven Sommer, strampelt sich gewissermaßen frei von seinen Eltern, was in diesem Alter ein normaler Prozess ist, für Sam durch den Tod seiner Mutter jedoch eine weit größere Tragweite erlangt und in ihm Gefühle weckt, an denen er zu zerbrechen droht.
Es ist faszinierend, wie es Benedict Wells gelingt, die unterschiedlichen Stimmungen in diesem Roman einzufangen. Man spürt, wie nahe ihm die Figuren stehen, wie lange er an diesem Roman gearbeitet hat, um diesen bittersüßen Sommer in lebendigen Bildern wirklich werden zu lassen. Bei mir mag mitspielen, dass ich selbst zu dieser Zeit aufgewachsen bin mit den Coming-Of-Age Filmen, die diesen Roman geprägt haben, aber auch mit „Zurück in die Zukunft“, dessen Held Marty McFly auf Sam großen Einfluss besitzt, oder auch den Songs von Billy Idol, dessen „Dancing With Myself“ durch das ganze Buch mitschwingt.
Trotz der nostalgischen Anmutung ist das Thema alles andere als veraltet, ich erkenne auch meine eigenen Kinder wieder, die jetzt im selben Alter sind wir die Figuren des Buches, und die heute an einem ähnlich Umbruchpunkt ihres Lebens stehen mit einer ähnlichen Achterbahn der Gefühle. Für mich ist dies ein großartiger Roman, mit seiner unglaublichen Intensität und seinen liebevoll angelegten Charakteren hat er mich ebenso zum Schmunzeln gebracht wie zu Tränen gerührt.

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Veröffentlicht am 22.01.2021

eine brillant erzählte Geschichte verschiedener Frauenschicksale Kamtschatkas

Das Verschwinden der Erde
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Das Verschwinden der Erde“ ist ein bemerkenswertes Debüt, dessen kraftvolle Sprache und Erzählung mich von Anfang an in den Bann gezogen hat.
Auf der Halbinsel Kamtschatka verschwinden an einen sonnigen ...

Das Verschwinden der Erde“ ist ein bemerkenswertes Debüt, dessen kraftvolle Sprache und Erzählung mich von Anfang an in den Bann gezogen hat.
Auf der Halbinsel Kamtschatka verschwinden an einen sonnigen Augustnachmittag die Schwestern Sofija und Aljona spurlos. Es gibt keinen Hinweis auf ihren Verbleib, ihre Geschichte bewegt einen großen Teil der Bevölkerung und weckt bei einigen Erinnerungen an einen ähnlichen Fall, bei dem knapp 3 Jahre zuvor weiter im Norden ein etwas älteres Mädchen verschwunden ist.
Das Schicksal der beiden Mädchen bildet den roten Faden des Romans, um den Julia Phillips verschiedene Geschichten rankt, die mal mehr mal weniger mit diesem verknüpft wird. Im Mittelpunkt stehen jeweils starke Frauen aus unterschiedlichen Bevölkerungsschichten und unterschiedlichen Alters, die in der von Männern dominierten Gesellschaft Kamtschatkas ihren Platz suchen. Bisweilen fragt man sich, was einige dieser Episoden mit dem Verschwinden der Schwestern zu tun haben, doch nach und nach schließt sich der Kreis und lose Fäden finden zusammen.
Der Klappentext hatte schnell meine Neugier geweckt, dennoch war ich skeptisch, wie eine Amerikanerin die Stimmung in dieser fernen Gegend einfangen kann. Nicht nur der Prolog, sondern auch die Erzählung selbst zeugen jedoch von einem feinsinnigen Gespür der Autorin für die Spannungen innerhalb der Bevölkerung und der oft schwierigen Situation insbesondere der Frauen in diesem noch jungen Staat. Ich wusste bisher nicht viel über das Land, beim Lesen hat sich ein deutliches Bild entfaltet von dieser weiten und faszinierenden Landschaft, die ihren Bewohnern einiges abverlangt.
Die Geschichte ist geschickt konstruiert und fesselnd, die Sprache schafft eine Nähe zu den Hauptfiguren und wirkt brillant an deren Charaktere und Situationen angepasst.
Für mich ist dies ein Roman, der sehr positiv aus der Masse hervorsticht.

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Veröffentlicht am 09.11.2020

ein grandioser skandinavischer Krimi, spannend, skurril und unterhaltsam

Wolfssommer
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Haparanda ist eine beschauliche Stadt im Norden Schwedens unweit der finnischen Grenze. Mit der Ruhe ist es vorbei, als in der Nähe der Stadt zwei Tote Wölfe gefunden werden, die offenbar Menschenfleisch ...

Haparanda ist eine beschauliche Stadt im Norden Schwedens unweit der finnischen Grenze. Mit der Ruhe ist es vorbei, als in der Nähe der Stadt zwei Tote Wölfe gefunden werden, die offenbar Menschenfleisch gefressen haben. Das Opfer ist schnell gefunden, es handelt sich um einen Mann, der den Spuren nach zu urteilen bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Aber wie konnte das in dieser einsamen Gegend passieren?
Dieser auf den ersten Blick unscheinbare Mord offenbart bald seine Verbindung zum organisierten Verbrechen und führt nicht nur zu unerwarteten Verwicklungen, sondern auch schnell zu mehr Toten, als die Polizei von Haparanda zu handhaben vermag.
Wechselnde Perspektiven sorgen für eine Nähe zu den Charakteren, die oft mit ganz eigenen Sorgen und Problemen zu kämpfen haben. Die persönlichen Geschichten verschiedener Personen spielen eine nicht unerhebliche Rolle, was jedoch der Spannung nicht schadet, sondern für eine besondere Atmosphäre und große Authentizität sorgt trotz der in ihrer Entwicklung skurril anmutenden Geschichte. Dazu trägt auch bei, dass der Krimi trotz einiger brutalen Szenen oft wie mit einem Augenzwinkern erzählt.
Sehr schön fand ich die Zwischensequenzen, In denen wie in einer Art Kameraschwenk in kleinen Szenen das Leben des Ortes beleuchtet wird. Auf sehr spitzfindige Art wird die Stimmung des Ortes eingefangen, aber auch aufgezeigt, dass sich hinter den idyllischen Fassaden viele kleine Geheimnisse verbergen.
Auch in anderen Szenen merkt man dem Krimi an, dass der Autor Erfahrung im Schreiben von Drehbüchern gesammelt hat; die Geschichte ist in vielen lebendigen Bildern erzählt, es gibt immer wieder überraschende Wendungen, viele kleine Details runden die Geschichte ab, der Schreibstil ist spannend und unterhaltsam zugleich.
Bei der Hörbuchfassung des Audiobuch-Verlags gelingt es des Sprecherin Vera Teltz großartig, die Stimmungen des Buches einzufangen und die Szenen mit passendem Tempo und Betonungen lebendig werden zu lassen.
Dieser Krimi ist mit seiner subtilen Geschichte genau nach meinem Geschmack, so dass ich mich auf eine Fortsetzung freue und gespannt bin, was die Nachforschungen der örtlichen Polizisten Hannah Wester ergeben werden.

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Veröffentlicht am 07.10.2020

Die Aufforderung des Titels nehme ich gerne an.

Komm in meine Küche!
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An dem Kochbuch „Komm in meine Küche“ aus dem GU-Verlag begeistert mich neben der Vielfältigkeit der Rezepte deren Authentizität. Der Leser wird nicht nur in eine Küche eingeladen, sondern es sind Menschen ...

An dem Kochbuch „Komm in meine Küche“ aus dem GU-Verlag begeistert mich neben der Vielfältigkeit der Rezepte deren Authentizität. Der Leser wird nicht nur in eine Küche eingeladen, sondern es sind Menschen aus 21 Ländern, die hier ihre Küchen öffnen und in die Zubereitung typischer Rezepte aus ihren Heimatregionen einweihen.
Alle diese Menschen leben in der Kleinstadt Puchheim, stammen jedoch aus verschiedensten Ländern der Welt. Essen müssen alle Menschen, nicht nur das Essen sondern auch das Zubereiten ist oft ein Anlass für Geselligkeit und bringt die Menschen zusammen. Dieser Gedanke ist die Grundidee Mehmet Ismail Birincis hinter diesem Kochbuch, indem man den Menschen in ihrem Zuhause beim Kochen über die Schulter blicken kann.
Die Zubereitung erfolgt ohne aufwendiges Zubehör in ganz gewöhnlichen, oft kleinen Küchen mit einfachen Mitteln. Die Zutaten muten zum Teil exotisch an, dürften aber problemlos in den Sortimenten hiesiger Händler zu finden sein.
Zu jedem der „Köche“ gibt es Foto und einen kleinen Steckbrief, so dass man einen kleinen Eindruck von der Person und ihrer Herkunft bekommt. Die Rezepte sind übersichtlich angelegt, neben Zubereitungs- und Garzeiten gibt es auch Angaben zum Nährwert. Bei vielen Rezepten handelt es sich um traditionelle Gerichte, die in der Familie schon lange überliefert wurden oder zu besonderen Anlässen auf den Tisch gebracht werden. Die Mengen sind deshalb zum Teil auf mehrere Portionen angelegt, aber das kann man ja bei Bedarf umrechnen. Die Zubereitung ist entsprechend ebenfalls zum Teil eher aufwendig, es geht hier aber ja auch nicht um Alltagsgerichte, und mir gefällt es, mir Zeit zu nehmen, um die Besonderheiten der Küche anderer Länder und ihrer Traditionen kennen zu lernen. Es ist interessant zu sehen, wo sich die Zubereitungen und Zutaten unterscheiden und wo sich Parallelen zeigen.
Zu jedem Gericht gibt es mindestens ein Foto, manchmal zusätzliche Bilder von der Zubereitung oder eine Abbildung der verwendeten Zutaten. Mir gefällt es besonders gut, dass diese Bilder nicht geschönt wirken, sondern dass man hier tatsächlich den Eindruck bekommt, einen Blick auf die eben zubereiteten Speisen zu erhalten. Die Zubereitungsschritte der Rezepte, die ich ausprobiert habe, waren gut nachvollziehbar.
Der Schwerpunkt der Rezepte liegt auf gehaltvollen Hauptgerichten, es sind aber auch kleinere Gerichte sowie ein paar Vorspeisen und etwas Süßes dabei. Wer die authentische Küche verschiedener Regionen der Welt selber ausprobieren möchte, der sollte sich dieses Kochbuch näher ansehen.

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Veröffentlicht am 29.09.2020

ein spannender und überzeugender Psychothriller

Spiele
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Robert Lindström wird beschuldigt, im Alter von 11 Jahren seinen Schulfreund mit einem Betonklotz erschlagen zu haben. Das ist zumindest das Ergebnis der damaligen Polizeiermittlung, Robert selbst kann ...

Robert Lindström wird beschuldigt, im Alter von 11 Jahren seinen Schulfreund mit einem Betonklotz erschlagen zu haben. Das ist zumindest das Ergebnis der damaligen Polizeiermittlung, Robert selbst kann sich an die Tat nicht erinnern, ebenso wie die Erinnerungen an seine gesamte Kindheit aus seinem Gedächtnis gelöscht sind. Er wurde aufgrund seines Alters nicht verurteilt, dennoch hat die Tat sein Leben nachhaltig beeinflusst, er ist menschenscheu und lebt zurückgezogen.
Als 28 Jahre später die Journalistin Lexa Andersson ein Buch über sein Leben schreiben will und zur selben Zeit in der Nähe des damaligen Tatorts ein 11-jähriges Mädchen ermordet wird, gerät Roberts Leben aus den Fugen. Kann Lexa recht haben mit ihrer Theorie, dass Robert unschuldig ist? Ist es Zufall, dass ausgerechtet dann ein neuer Mord geschieht, als Robert mit Lexa in den Stockholmer Vorort seiner Kindheit zurückkehrt?
Bo Svernström spielt mit den Gedankengängen und Spekulationen des Lesers. Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt, einer folgt Lexa und Robert, der andere dem aktuellen Geschehen und den Ermittlungen Carl Edsons und seines Teams. Zu Beginn des Buches liegt dabei der Handlungsstrang um Robert ein paar Tage in der Zeitlinie zurück und lässt damit offen, inwieweit er in die aktuellen Ereignisse involviert ist. Während der überwiegende Teil des Buchs in der 3. Person erzählt wird, erzählt Robert aus der Ich-Perspektive von seinen Erinnerungen und Gedanken, was eine besondere Nähe zu seiner Person schafft.
Der Spannungsbogen des Thrillers ist hoch, Nebenhandlungen und Rückblicke erhöhen die Komplexität, es wird immer wieder infrage gestellt, was hier die Wahrheit sein könnte, und wo die Wahrnehmung der einzelnen Personen die Sichtweise beeinflusst. Nach und nach kristallisiert sich heraus, dass vieles nicht so verlaufen ist, wie es auf den ersten Blick scheint.
Obwohl sich der ein oder andere Verdacht meinerseits bestätigt hat, konnte mich das Buch immer wieder überraschen, es ist erschreckend, wie nachhaltig einige der Ereignisse das Leben einzelner Protagonisten beeinflusst haben.
Mir hatte schon der erste Band um Carl Edson mit dem Titel „Opfer“ gut gefallen, ist dieser alleinstehenden Geschichte konnte mich Bo Svernström mit seinem Erzähltalent wieder überzeugen.

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