Unbekanntes Kamtschatka
„Das Verschwinden der Erde“ spielt in einem Teil der Welt, von dem ich rein gar nichts wusste, schon allein deshalb wollte ich dieses Buch lesen. Das Buch beginnt mit der Entführung zweier kleiner Mädchen. ...
„Das Verschwinden der Erde“ spielt in einem Teil der Welt, von dem ich rein gar nichts wusste, schon allein deshalb wollte ich dieses Buch lesen. Das Buch beginnt mit der Entführung zweier kleiner Mädchen. Es wird viel Spannung aufgebaut und ich war gespannt zu lesen, wie es weitergeht. Immerhin war das Buch als literarischer Thriller angekündigt. Was dann folgte, waren voneinander unabhängige Kapitel über Frauen, die alle irgendetwas mit der Entführung verband. Dies wurde jedoch sehr weit ausgelegt, es reichte schon, dass der Freund der einen Frau an der Suchaktion teilgenommen hatte oder eine andere Sekretärin an der Schule war, die die entführten Mädchen besuchten. Wer also erwartet, dass es sich um eine fortlaufende Ermittlung handelt, wird enttäuscht.
Ich fand die einzelnen Kapitel nicht uninteressant. Kamtschatka ist eine Halbinsel in Russland, die lange Zeit regelrecht von der Außenwelt abgeschnitten war. Für manchen war das „die gute alte Zeit“, denn es kamen keine Touristen oder Gastarbeiter ins Land. Es gibt dort etliche indigenen Bevölkerungsgruppen, beispielsweise Ewenen und Tschutschuken, die dunkelhäutiger sind und von vielen „Weißen“ mit Argwohn betrachtet werden. Diesen unterschwelligen Rassismus und die damit verbundenen Vorurteile spricht das Buch auch an.
Die Sprache der Autorin hat mir sehr gut gefallen, sie ist sehr bildhaft und lyrisch. Ich mag eigentlich kaleidoskophafte Bücher, in denen jedes Kapitel ein Teil eines Puzzles ist. Aber der Sinn der einzelnen Kapitel hat sich mir nicht immer erschlossen. Es war auch ausgesprochen anstrengend, die vielen Namen auseinanderzuhalten. Es gab zwar eine Auflistung der Hauptpersonen und –familien, aber trotzdem war es nicht einfach, nicht zuletzt deshalb, weil viele der Personen mit ihrem Kosenamen bezeichnet wurden, z.B. Jekaterina, genannt Katja, Alexandra, genannt Sascha usw.
Meine Hauptkritik bezieht sich auf den Klappentext, der einfach vollkommen irreführend ist. Doch dafür kann die Autorin nichts. Was allerdings der Autorin anzulasten ist, ist der für mich unbefriedigende Schluss. Es bleiben viele Fragen offen, die ich hier allerdings nicht stellen kann ohne zu spoilern.
Die bildhafte Sprache hat für mich vieles wettgemacht, aber das Buch war bei weitem nicht so spannend wie erhofft. Durch manche Kapitel habe ich mich regelrecht gequält und die auf der Rückseite des Covers geäußerte Meinung, dass dieses „Meisterwerk in einer einzigen Nacht verschlungen werden kann“, kann ich nicht teilen. Es ist ein Buch, das in mir nachwirkt und ich bereue nicht, es gelesen zu haben, aber man darf keineswegs einen spannenden Thriller erwarten.