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Veröffentlicht am 21.05.2021

Für mich zu war der Krimi zu cosy …

Der Donnerstagsmordclub (Die Mordclub-Serie 1)
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Joyce ist noch relativ neu in der Luxus-Seniorenresidenz Coopers Chase und fühlt sich ein bisschen fremd. Die ehemalige Krankenschwester hätte sich das Heim nie leisten können, aber ihre Tochter zahlt ...

Joyce ist noch relativ neu in der Luxus-Seniorenresidenz Coopers Chase und fühlt sich ein bisschen fremd. Die ehemalige Krankenschwester hätte sich das Heim nie leisten können, aber ihre Tochter zahlt für sie. Um so erfreuter ist Joyce, als sie von Elizabeth, einer früheren Geheimagentin, in den Donnerstagsmordclub eingeladen wird, dessen Begründerin Penny nach einem Schlaganfall im Wachkoma liegt. Penny hat früher bei der Polizei gearbeitet und während ihrer Dienstzeit die Akten der von ihren Kollegen abgelegten ColdCases gesammelt, die sie jetzt „aufklären“ (natürlich kommt es nie zu einer Verurteilung). Zum Club gehören auch der ehemalige Professor Bernard, Ibrahim war Psychiater und Ron ein berühmter Gewerkschaftsführer. Doch dann gibt es plötzlich zwei aktuelle Mordfälle im Dunstkreis der Residenz, deren Ermittlung sie sich nicht entgehen lassen können …

Nachdem ich letztes Jahr mit Begeisterung „Mord in Sunset Hall“ von Leonie Swann gehört habe, in der auch eine Senioren-WG ermittelt, hatte ich darauf gehofft, dass „Der Donnerstagsmordclub“ ähnlich humorvoll, skurril und spannend ist, wurde aber leider etwas enttäuscht. Klar, ein Cosy Krimi ist nun mal gemütlich, aber hier wurde es selbst mir zu langatmig und weitschweifig. Statt der erhofften stringenten Ermittlungsarbeit der Senioren und der Polizei (welche den Fall mit kleinen Überschneidungen parallel untersucht), verliert sich die Handlung immer wieder in den Erinnerungen der Senioren und ihren alltäglichen Verrichtungen, dabei sind der Fall an sich und die Hintergründe wirklich spannend. Auch das Setting hat mir sehr gut gefallen und ich mochte ich die vier Ermittler wirklich sehr, wie sie mit dem Älterwerden und ihren Partnern und Freunden umgehen.

Leider springt die Handlung innerhalb der Kapitel immer mal zwischen den einzelnen Erzählsträngen und ich habe deswegen ab und an den Faden verloren und musste „zurückspulen“. Vielleicht wäre auch wegen der Fülle der beteiligten Personen das Buch besser gewesen als das Hörbuch, da man da schneller mal zurückblättern kann. Mal sehen, ob ich den zweiten Teil lese oder höre …

Ein großer Pluspunkt des Hörbuches sind die Sprecher. Johannes Steck und Beate Himmelstoß haben ihre Sache sehr gut gemacht, die verschiedenen Personen und ihre Stimmungen gut erkennbar wiedergegeben.

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Veröffentlicht am 06.02.2021

Nina gegen den Rest der Welt

Gespenster
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Nina ist 32, Food-Journalistin mit einer ersten eigenen winzigen Wohnung und seit 2 Jahren bewusst Single. An ihrem 32. Geburtstag beschließt sie, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, wieder einen Mann ...

Nina ist 32, Food-Journalistin mit einer ersten eigenen winzigen Wohnung und seit 2 Jahren bewusst Single. An ihrem 32. Geburtstag beschließt sie, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, wieder einen Mann in ihr Leben zu lassen. Auf Anraten ihrer ewigen Single-Freundin Lola lädt sie sich eine Dating-App runter und schon der erste Mann, mit dem sie sich trifft, ist ein Volltreffer. Max verabschiedet sich mit nach ihrem ersten Date mit „Das war ein schöner Abend, Nina. Und ich bin mir ganz sicher, dass ich dich heiraten werde.“ (S. 56). Die nächsten Monate sind perfekt, sie fühlen sich wie Teenager und sind gleichzeitig reif genug für eine Beziehung mit Zukunft. „Ich fühle mich in eine Ära der Freuden und Verheißungen zurückversetzt. Ich war wieder ein Teenager, nur mit Selbstbewusstsein, eigenem Gehalt und ohne feste Zeit, zu der ich zu Hause sein musste.“ (S. 94) Die ersten Schritte gehen stets von ihm aus und eines Abends sagt er ihr, dass er sie liebt, doch am nächsten Tag ist er weg und reagiert nicht mehr auf ihre Nachrichten – er ghostet sie, erklärt Lola ihr.
Gleichzeitig macht Nina sich Sorgen um ihre Eltern. Ihr Vater ist an Demenz erkrankt und ihre Mutter scheint das nicht zu kümmern. Sie ist 15 Jahre jünger als er und lebt ihr Leben einfach weiter, will sich jetzt in der Rente neu verwirklichen. Ninas Vorschläge für Anpassungen an den Zustand des Vaters werden von ihr abgelehnt, bis sie die Situation nicht mehr ignorieren kann …

„Gespenster“ von Dolly Alderton wird mit „hinreißend, lustig und tief berührend“ beworben, aber ich habe es etwas anders empfunden, nicht ein einziges Mal gelacht oder wenigstens geschmunzelt. Bin ich einfach nicht die Zielgruppe? Zu alt und abgeklärt? Doch berührt hat mich Ninas Geschichte sehr. Vor allem der Part über die Erkrankung ihres Vaters und wie sie verzweifelt versucht, Lösungen für die Situation zu finden, sind extrem emotional. Seine Krankheit schreitet sehr schnell voran. Er erkennt sie immer seltener und ihr wird bewusst, dass er wahrscheinlich nicht mehr lange leben wird. Außerdem ist es (noch) kein leiser Abschied, er wütet, fühlt sich verfolgt oder ausgegrenzt, verletzt sich und andere. Nina beweist in dieser Situation ungeahnte Stärke, darum hat es mich um so mehr überrascht, dass sie in ihrer Beziehung zu Max so jung und unsicher rüberkommt. Sie vertraut nicht auf sich, sondern macht, was ihre Freunde sagen. Ich habe z.B. nicht verstanden, warum sie Max‘ Kontaktabbruch so einfach hinnimmt und nicht zu seiner Wohnung oder Arbeit geht und ihn zur Rede stellt. Stattdessen betrinkt sie sich mit ihren Freunden und kaut alle Situationen, in denen sie etwas falsch gemacht haben könnte, noch einmal durch. „Ich hatte mir eingebildet, so viel über Max zu wissen, aber nun musste ich mich fragen, ob wir zwei Fremde in einer Blase aus vorgegaukelter Nähe gewesen waren.“ (S. 188)

So zweigeteilt wie mir Ninas Persönlichkeit erschien und wie das Buch aufgebaut ist (in die Zeit mit und die Zeit nach Max), so zwiegespalten ist auch meine Meinung dazu. Der Strang um ihre Familie hat mich echt gefesselt, ich habe mit ihr gebangt, getrauert und gekämpft. Außerdem fand ich es interessant, wie sich die Beziehungen zu ihren Freunden wandeln und sogar zerbrechen, weil sie sich auseinanderentwickelt oder inzwischen andere Lebenskonzepte haben. Sie werden älter und sesshaft, da passt eine Singlefreundin nicht mehr ins Konzept.
Nur wie sie die toxische Beziehung zu Max verarbeitet und mit seinem Ghosting umgeht, konnte ich gar nicht verstehen, fand es traurig, deprimierend und langatmig.

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Veröffentlicht am 26.01.2021

Schnieke Deern

Als das Leben wieder schön wurde
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„Hüte dich vor der Ollen! Und vor der Lütten, die ist nicht viel besser, der Apfel fällt eben ... Na, ich will euer Verhältnis nicht belasten, bevor es sich entwickelt hat. Die Butti wacht über ihren Liebling ...

„Hüte dich vor der Ollen! Und vor der Lütten, die ist nicht viel besser, der Apfel fällt eben ... Na, ich will euer Verhältnis nicht belasten, bevor es sich entwickelt hat. Die Butti wacht über ihren Liebling wie ein Drache über sein Gold. Ich … rate auch dir, dich an den einzig feinen Menschen der Familie zu halten. An Mickey.“ (S. 13 / 14) – so wird Greta bei ihrem Neustart in Hamburg vor der Familie ihres Vaters Harald gewarnt. Sie war 1939 mit ihrer Oma Annie in deren Heimat Schweden zurückgegangen. Ihre Mutter Linn wollte nachkommen, hat das aber nie getan. 1941 kam die Nachricht, dass sie verschwunden ist. Nach Annies Tod will Greta bei ihrem Vater leben, an den sie sich kaum erinnern kann. Doch der ist ein gebrochener Mann und seine neue Frau Trude macht keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Greta. In der Familie herrscht eisiges Schweigen. Ihre Halbschwester Ellen sieht trotz ihrer 14 Jahre auf Greta herab. Nur ihr Halbbruder Mickey nimmt sich ihrer an. Über ihn lernt sie Marieke kennen, die aus Ostpreußen fliehen musste und jetzt in einer der Nissenhütten lebt. Sie verdient ihren Lebensunterhalt, indem sie anderen Frauen die Haare schneidet. Geld gibt es dafür kaum, aber Lebensmittel oder Dinge, die man tauschen kann. Greta ist Kosmetikerin, aber in Hamburg will sie niemand einstellen. Als sie wieder einmal bei Marieke ist und eine von deren Kundinnen zugibt „Ich weiß … nicht mehr, wie das geht, sich wohlzufühlen.“ (S. 95) behandelt Greta sie einfach und der Traum vom eigenen Schönheitssalon wird geboren. „Ein Salon, in dem die Frauen für sich waren und dessen Tür doch offen blieb, niemandem verschlossen. Hatte sie nicht immer von so einem Ort geträumt?“ (S. 105) Da sie etwas Startkapital brauchen, nehmen sie Trixie dazu. Die kommt aus gutem Haus, wollte Modedesign studieren, als der Krieg kam, und hat ein untrügliches Gespür dafür, was ihren Kundinnen steht.

„Als das Leben wieder schön wurde“ lässt mich sehr zwiegespalten zurück, weil ich etwas völlig anderes erwartet hatte. Eine Geschichte voller Neubeginn, Träume und Hoffnungen, positiv und fröhlich, aber stattdessen ist sie sehr problembeladen. Träume haben die drei jungen Frauen zwar mehr als genug, aber vor allem hat jede ein Geheimnis oder etwas in ihrer Vergangenheit, dass sie am liebsten vergessen würde oder verdrängt hat. Zudem kommt die „Schnieke Dirn“, der Schönheitssalon der Freundinnen, für meine Begriffe etwas zu kurz, hauptsächlich dreht es sich um Gretas Suche nach ihrer Mutter.
Greta kommt nur schwer über den Verlust ihrer Großmutter und den Abschied von Schweden hinweg. Sie ist nach Hamburg gekommen, um ihre Mutter oder wenigstens einen Hinweis über ihren Verbleib herauszufinden, außerdem hatte sie insgeheim gehofft, dass ihr Vater sie mit offenen Armen empfängt. Doch der lässt niemanden an sich ran und will auch nicht über Linn reden. „Ihr Vater wirkte wie jemand, der sich lieber freiwillig in einer Höhle verkriechen würde, als sich dem Familienleben zu widmen. Oder überhaupt anderen menschlichen Wesen, für die er wenig übrig zu haben schien.“ (S. 127) Das „Familienleben“ hat mir regelmäßig eisige Schauer über den Rücken gejagt. Während sich Trude und Gretas Halbschwester damit anscheinend abgefunden haben, begehrt Mickey regelmäßig dagegen auf. Er ist – wie Greta – ein lebensfroher Freigeist und träumt von einer Kariere als Jazzmusiker.
Über viele Umwege und einige Zufälle erfährt Greta, was mit Linn geschehen ist – das lässt ihr (und auch dem Leser) das Blut in den Adern gefrieren. Aber auch Marieke und Trixie haben ihre Traumata, die sie im Laufe der Handlung überwinden bzw. sich damit anfreunden.

Die drei Freundinnen und die Interaktion zwischen ihnen werden sehr glaubhaft und lebendig beschrieben. Sie sind sich nicht immer grün, müssen sich erst zusammenraufen und immer wieder Probleme bewältigen.

Kerstin Sgonina zeichnet ein sehr lebendiges Bild der damaligen Zeit. Die Parolen und Ansichten der Nazis sind z.T. noch fest in den Köpfen verankert (eine erschreckende Vorstellung), es herrscht auch 9 Jahre nach Kriegsende noch Wohnungsnot und Hunger. Die Menschen trauen ihrem Gegenüber nicht mehr oder noch nicht wieder. Greta läuft gegen eine Wand des Schweigens, wenn sie nach ihrer Mutter fragt. Das macht die damalige Zeit sehr lebendig, allerdings hatte die Handlung für mich einige Längen und Wiederholungen.

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Veröffentlicht am 10.12.2020

Porträt einer Getriebenen

Lotte Lenya und das Lied des Lebens
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Lotte Lenya ist 26, als sie Kurt Weill kennenlernt. Da hat sie bereits ein bewegtes Leben hinter sich, hat es von der Wiener Vorstadt und einem prügelnden Stiefvater weg bis nach Berlin geschafft. Nur ...

Lotte Lenya ist 26, als sie Kurt Weill kennenlernt. Da hat sie bereits ein bewegtes Leben hinter sich, hat es von der Wiener Vorstadt und einem prügelnden Stiefvater weg bis nach Berlin geschafft. Nur ihr erhoffter Durchbruch als Tänzerin, Sängerin oder Schauspielerin steht noch aus. Sie hält sich mit gelegentlichen Auftritten und als Geliebte reicher Männer über Wasser – nirgendwo kann man schneller und leichter Geld verdienen. Auch Kurt Weill ist sofort von ihr fasziniert, von allem von ihrer Stimme und Wandelbarkeit. „Die Welt ist reif für eine Stimme wie Ihre. Sie klingt so echt, als sei sie für meine Ideen geschaffen.“ (S. 64) Obwohl er (noch) nicht in die Kategorie ihrer reichen Gönner passt und sie extrem verschieden sind, werden die ein Paar, heiraten später sogar. Doch ihre Beziehung gleicht einer Achterbahn. Kurt geht ganz in der Musik auf, lebt nur für sie und zieht sich dann komplett zurück. Lotte hingegen ist ein extrem unruhiger Geist, erfindet sich immer wieder neu, spielt Rollen und braucht Dramen. Sie verdrängt schlechte Erinnerungen, entflieht ihrer Vergangenheit, kann nicht alleine sein, braucht Ablenkung – Affären, Spielsucht, Alkohol. Kurt weiß und toleriert das, liebt sie trotzdem. „Ich glaube, ich bin nur für dich auf der Welt, Seelchen.“ (S. 71)
Nach der Bekanntschaft mit Brecht und ihrem Durchbruch als Seeräuber Jenny werden die Unterschiede noch deutlicher, die Ehe kriselt. Lotte genießt ihr Leben als Star, die Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit, doch Kurt will aussteigen und aufs Land ziehen. Dorthin, wo es noch sicher und ruhig ist. Er ist Jude und die Nazis werden immer aggressiver und einflussreicher. „Seit Kurt mit gesenktem Blick durch die Welt zieht und Lotte stolz nach vorne schaut, sehen sie einander kaum noch.“ (S. 182)

Eva Neiss zeichnet in „Lotte Lenya und das Lied des Lebens“ das Portrait einer schillernden Persönlichkeit, kratzt aber leider nur an der Oberfläche, wenn es um Lottes künstlerisches Schaffen geht. Dafür wird um so ausführlicher von ihren zahllosen Affären mit Männern und Frauen und den Streitigkeiten zwischen Brecht und Weill berichtet, die Lotte immer wieder schlichten musste. Brecht kommt in dem Buch nicht besonders gut weg, hatte noch mehr Affären als Lotte und war ein unglaublicher Egomane, der niemanden neben sich duldet – schon gar keinen kleinen Komponisten wie Weill (der damals bereits berühmter ist als Brecht!).

Die Liebesgeschichte zwischen Lotte und Kurt war sehr berührend. Er verehrt sie als Frau und Künstlerin, kann als einziger hinter ihre Fassade schauen und lässt ihr darum ihre Freiheit. Doch ihr fällt es schwer, sich nur auf einen Mann zu konzentrieren, hinter seiner Arbeit zurückzustehen und das Heimchen am Herd zu geben.

Auch die Künstlerszene der 20er und 30 er Jahre wird sehr anschaulich beschrieben. Man kennt sich, verbringt fast seine gesamte Zeit zusammen und ist ein eingeschworener Kreis. Selbst während und nach der Emigration treffen sie alle wieder aufeinander.

Lottes Geschichte ist zwar interessant, aber mir fehlt Spannung und Tempo. Oft las sich die Handlung wie eine Aneinanderreihung von Episoden aus ihrem und Kurts bzw. Brechts Leben. Man kommt der Frau nahe, aber leider nicht der Künstlerin.

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Veröffentlicht am 07.07.2020

Ein wichtiges Buch #gegendasvergessen, auch wenn der Erzählstil nicht meins war

Ein neuer Himmel
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Ein wichtiges Buch gegendasvergessen, auch wenn der Erzählstil nicht meins war

Berlin 1938: „Die Zeit mit Dir war die schönste in meinem Leben.“ (S. 78) sagt Peter zum Abschied zu seiner großen Liebe ...

Ein wichtiges Buch

gegendasvergessen, auch wenn der Erzählstil nicht meins war

Berlin 1938: „Die Zeit mit Dir war die schönste in meinem Leben.“ (S. 78) sagt Peter zum Abschied zu seiner großen Liebe Hannah, denn er wird eine andere heiraten.
Peter ist ein aufstrebender Jurist im Reichsinnenministerium, Hannah Musiklehrerin und Jüdin. Die beiden verbindet eine große Liebe, aber seine Karriere und Familie gehen mit einer jüdischen Ehefrau nicht konform. Hannah versteht und schweigt, sagt ihm nicht, dass sie schwanger ist und zieht die gemeinsame Tochter Melina allein auf. Aber vergessen können sich die beiden nie.
Als Hannah Anfang der 40er Jahre ihre Arbeit als Lehrerin und ihre Wohnung verliert, will sie in die Schweiz emigrieren, schafft es allerdings nur bis in die Nähe von Würzburg auf ein einsames Gehöft, den Sandnerhof. Die Familie Sandner nimmt sie bereitwillig auf und versteckt sie viele Jahre, sie gehören quasi zur Familie, aber es wird immer gefährlicher für alle …
In der gleichen Zeit macht Peter Karriere. Er ist für die „Judenfrage“ zuständig, organisiert die „Umsiedlungen“ und denkt lange, dass die Juden nur dazu gebracht werden sollen, das deutsche Gebiet zu verlassen. Er entwickelt das Ghetto Theresienstadt als Vorzeigeobjekt und verschließt seine Augen vor dem, was wirklich geschieht. Erst, als es fast zu spät ist, begreift er was die Nazis planen, und versucht den Wahnsinn zu stoppen ...

Autorin Margit Steinborn erzählt in „Ein neuer Himmel“ die Geschichte des 2. Weltkrieges anhand fiktiver Protagonisten. Sie beschreibt Hannahs Leben im Untergrund, die ständige Angst vor Entdeckung und wie ihre Tochter Melina damit aufwächst. Parallel dazu erlebt man Peters Aufstieg, seine Gewissensbisse und Sorgen wegen Hannah – er denkt, sie sei emigriert – und wie er langsam begreift, was in den Ghettos und Lagern wirklich passiert. Außerdem kommen auch zwei Pfarrer, die über Jahre Juden aus dem Land schmuggeln, und die Sandners selber regelmäßig zu Wort. Diese häufigen Perspektivwechsel sollen die Schrecken der Nazis und den Widerstand der Bevölkerung aus verschiedenen Blickwinkeln zeigen, mir allerdings wechseln sie in zu kurzen Abständen und bremsen dadurch immer wieder meinen Lesefluss. Zudem bindet die Autorin sehr viele geschichtliche Fakten und Daten in die Handlung ein, ich hatte an einigen Stellen das Gefühl, eher ein Geschichtslehrbuch zu lesen. Und obwohl mich die Geschehnisse an sich sehr bewegen, mir Hannah und Melina extrem leidtaten, konnte das Buch durch seinen etwas emotionslosen und hölzernen Erzählstil keine echten Gefühle bei mir wecken. Trotzdem ist es ein sehr wichtiges Buch

gegendasvergessen.

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