Ein spannender Psychothriller
Inhalt: Seit 10 Jahren lebt Mimi in Schottland. Die Verbindungen zu ihrem alten Leben in Bonn hat sie gekappt. Als die Hochzeitseinladung einer Studienfreundin bei ihr eintrudelt, ignoriert sie sie zunächst, ...
Inhalt: Seit 10 Jahren lebt Mimi in Schottland. Die Verbindungen zu ihrem alten Leben in Bonn hat sie gekappt. Als die Hochzeitseinladung einer Studienfreundin bei ihr eintrudelt, ignoriert sie sie zunächst, reist dann aber doch widerwillig nach Bonn. Dort angekommen, heißt die alte Clique sie allerdings – entgegen aller Erwartungen – freudig willkommen. Doch das freundschaftliche Idyll kippt, als ein Protagonist der anstehenden Hochzeit tot aufgefunden wird. War es Mord? Die Polizei schießt sich auf Mimi ein, die zu allem Überfluss noch von Erinnerungslücken geplagt wird. Haben ihre Freundinnen sie als Sündenbock auserkoren?
Persönliche Meinung: „Die Lügen jener Nacht“ ist ein Psychothriller aus der Feder von Judith Merchant. Er erschien zuerst 2014; die Neuauflage erfolgte Ende 2020 mit einem neuen Cover. Erzählt wird der Thriller aus der Ich-Perspektive Mimis, die mit ihrem Privatleben zu kämpfen hat. Ihr Studium hat sie nie abgeschlossen, ihr Partner hat sie verlassen, ihren Job hat sie verloren. Dazu gesellen sich Erinnerungslücken, die ihre Gegenwart und Vergangenheit betreffen. Dadurch nimmt Mimi als Erzählinstanz Züge einer unzuverlässigen Erzählerin an. Ein großes Thema innerhalb der Handlung von „Die Lügen jener Nacht“ ist die nahende Hochzeit Ninas, der Studienfreundin Mimis. Diese wird von Mimi nicht als freudiges Ereignis gesehen, sondern als Gefahr: Hier treffen sich alte Bekannte, die sich seit Jahren nicht mehr gesehen haben. Man mustert sich, vergleicht sich, schaut, wer in der vergangenen Zeit erfolgreich war – und auch: wer nicht. Mimi kann, so ihre Furcht, dabei nur schlecht abschneiden, was sich insgesamt auf ihre Psyche niederschlägt. Bonn, der Handlungsort des Thrillers, ist anschaulich beschrieben und es finden sich einige Bonn-spezifische Lokalitäten im Thriller wieder: Die Universität, das Römerbad, der allgegenwärtige Rhein mit der MS Moby Dick und die Straßenzeile „Fürstenstraße/Am Hof“ mit ihren (mittlerweile geschlossenen) Institutionen Café Göttlich und der Universitätsbuchhandlung Bouvier. Die Handlung selbst ist ein raffiniertes Vexierspiel: Mimi erzählt bisweilen unzuverlässig, ihre Wahrnehmung ist getrübt, die Freundinnen verbergen eigene Probleme, Figuren verstecken ihr wahres Gesicht und im Hintergrund wartet ein Geheimnis seit 10 Jahren darauf, offenbart zu werden. Die Handlung ist dadurch schön undurchsichtig und schwer vorhersehbar, wodurch das Ende umso überraschender ist. Der Erzählstil ist sehr lebendig, was vor allem an den abwechslungsreichen und spritzigen Dialogen liegt. Insgesamt ist „Die Lügen jener Nacht“ ein spannender Pageturner mit einem überraschenden Ende und einem tollen Schreibstil.