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Veröffentlicht am 18.02.2021

Ich hätte mir etwas mehr Tiefe gewünscht

Mädchen, Frau etc. - Booker Prize 2019
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Zwölf Schicksale, die sich zu einer großen Geschichte verbinden. Zwölf Frauen, alle haben afrikanische Wurzeln, und doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Da wäre zum Beispiel Amma, die offen zu ...

Zwölf Schicksale, die sich zu einer großen Geschichte verbinden. Zwölf Frauen, alle haben afrikanische Wurzeln, und doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Da wäre zum Beispiel Amma, die offen zu ihrer Homosexualität steht und diese nun auch in einem Theaterstück im London National Theater inszeniert; Megan, die zu Morgan wird; Penelope, die sich ein Leben lang gefragt hat, wer wohl ihre Eltern sind; Dominique, deren Partnerin sie ihrer persönlichen Freiheit beraubt. Die Art und Weise, wie es Evaristo gelingt, die Leben all dieser Figuren miteinander zu verknüpfen, ist faszinierend - die Tochter einer Frau ist zugleich die Schülerin der anderen, von dieser wiederum lassen sich die Fäden weiterverfolgen zu ihrer Mutter und ihrer Putzfrau, usw.

Jeder der Frauen ist ein Kapitel gewidmet, im Zentrum steht jeweils das, was sie ausmacht, das Problem, mit dem sie in ihrem Leben zu kämpfen hat, das, was sie von der Masse abhebt und zum Individuum macht. Oft haben die Frauen Erfahrung mit Diskriminierung gemacht, mit Ausgrenzung und Anfeindung aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Sexualität, ihrer Genderidentität. Und genau dies sind auch die Themen, die im Mittelpunk des Romans stehen. Es geht um Herkunft, Schwarz-Sein, Homosexualität, Zugehörigkeit und die Suche nach demjenigen, der man ist und als der man sich fühlt. Und zugleich geht es auch einfach um Geldsorgen, das Erwachsen-Werden und um Freunschaft. Kurz - es geht ums Leben.

Der Schreibstil ist dabei ein wirklich außergewöhnlicher. Bis auf Kommata wird vollständi auf Interpunktion verzichtet, stattdessen arbeitet Evaristo mit Zeilenumbrüchen und Absätzen, bei normalem Erzähltext ebenso wie bei wörtlicher Rede. Das mag am Anfang seltsam und vielleicht auch störend wirken, man gewöhnt sich jedoch schon nach wenigen Seiten daran und merkt es kaum mehr, auch den Lesefluss stört es nicht weiter. Manchmal eröffnet es im Gegenteil auch ganz neue Perspektiven auf einen Satz, wenn der Zeilenumbruch anders gesetzt wird, als man es vielleicht erwarten würde.

Meine Kritik besteht insbesondere darin, dass mich nicht alle Figuren gleichermaßen berühren konnten. Zwei oder drei haben mir sehr, sehr gut gefallen, die meisten anderen waren aber trotz der Undurchschnittlichkeit ihrer Leben und ihres Charakters eher durchschnittlich überzeugend. Ich denke, das Buch will einfach etwas zu viel. Es gibt zu viele Themen und zu viele Figuren für zu wenig Seiten. Denn ja, das Buch hat zwar über 500 Seiten, aber auf die einzelnen Frauen kommen dann im Schnitt gerademal etwa 40 Seiten, und das ist zu wenig, um ihnen wirklich gerechtwerden zu können. Zu oft, wenn ich mir noch etwas mehr Tiefe gewünscht hätte, hat das Buch kaum die Oberfläche durchdrungen. An einigen Stellen ergeben sich Längen, die man hätte aussparen können, um dafür an anderer Stelle einen detaillierteren Einblick zu geben.

Fazit: Das Buch ist durchaus interessant, es ist gut geschrieben, geschickt konstruiert und spricht viele wichtige Themen an. Mich konnte es dennoch nicht ganz überzeugen, ich hatte etwas mehr erwartet. Vielleicht hätte etwas weniger Breite und dafür mehr Tiefe dem Roman gutgetan.

Veröffentlicht am 17.02.2021

Nicht was man betrachtet ist wichtig, sondern was man sieht

Die Mitternachtsbibliothek
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In Noras Leben ist nichts mehr so, wie sie es mal wollte. Hinter ihr liegen zahlreiche Entscheidungen, die sie im Nachhinein bereut: etwa, dass sie das Schwimmen aufgegeben hat, obwohl sie großes Potenzial ...

In Noras Leben ist nichts mehr so, wie sie es mal wollte. Hinter ihr liegen zahlreiche Entscheidungen, die sie im Nachhinein bereut: etwa, dass sie das Schwimmen aufgegeben hat, obwohl sie großes Potenzial hatte. Oder, dass sie aus der Band ihres Bruders ausgetreten ist; dass sie doch nicht Gletscherforscherin geworden ist und dass sie eine Einladung zum Kaffeetrinken ausgeschlagen hat. Schon lange hat Nora mit Depressionen zu kämpfen. Als sie dann auch noch ihren Job verliert und ihr Kater stirbt, weiß Nora: Sie kann das nicht mehr. Sie beschließt, sich umzubringen, indem sie eine Überdosis Tabletten schluckt - und erwacht plötzlich in einer endlosen Bibliothek wieder. Dort trifft sie auf ihre ehemalige Schulbibliothekarin, die ihr eröffnet, jedes der Bücher berge ein alternatives Leben, ein Paralleluniversum, in dem Nora gelandet wäre, wenn sie einzelne Entscheidungen anders getroffen hätte. Nora hat nun die Möglichkeit, in diese Leben hineinzuschlüpfen, so lange, bis sie das Leben findet, das sie sich tief im Inneren wünscht.

Der Gedanke hinter dem Buch gefällt mir ausgesprochen gut - wer hat sich noch nie gefragt, was gewesen wäre, wenn man sich bei dieser einen Sache anders entschieden hätte? Ob man damit auf Dauer nicht glücklicher geworden wäre? Wie das das Leben beeinflusst hätte, wem man dann alles begegnet wäre und wem nicht, wo man dann wohl gerade wäre etc. Schon kleinste Entscheidungen können das Leben enorm beeinflussen. Wäre der Tag gleich verlaufen, wenn ich morgens 10 Minuten früher oder später aus dem Haus gegangen wäre? Wie spannend es wäre, all das herausfinden zu können!

Dennoch hat mich vor allem eines gestört: Nora bekommt zwar die Möglichkeit, einen Einblick in all diese Leben zu erhalten, aber oft sind es nur Kleinigkeiten, die am Ende dazu führen, dass sie sich gegen das jeweilige Leben entscheidet. Sobald sie auf etwas stößt, dass nicht perfekt ist, landet sie wieder in der Mitternachtsbibliothek. Muss denn wirklich alles perfekt sein, damit ein Leben "richtig" für uns ist? Kommt es wirklich darauf an, dass wir mit jedem noch so kleinen Aspekt vollkommen glücklich und zufrieden sind? Diese Botschaft hat mich dann doch ein wenig irritiert.

Gegen Ende des Buches geht dann auch plötzlich alles ganz schnell - die Ausführlichkeit, mit der Haig zuvor die verschiedenen Leben beschrieben hat, geht plötzlich verloren und es wirkt auf mich so, als habe er das Ganze nun möglichst schnell zu Ende bringen wollen. Es wird plötzlich hektisch und chaotisch und das Buch endet recht abrupt.

Aber ich will mich nicht nur beschweren, über weite Strecken hat mir das Buch trotz allem gut gefallen, es bietet auf jeden Fall viel Stoff zum Nachdenken. Da Nora in ihrem Ursprungsleben Philosophie studiert hat, finden auch einige Philosophen wie insbesondere Thoreau, aber auch Russell, Platon oder Aristoteles Eingang in die Geschichte. Das Buch lässt sich sehr angenehm und zügig lesen und ist trotz der zugrundeliegenden Thematik Depression und Selbstmord sehr humorvoll geschrieben.

Insgesamt ein schönes Buch, das mich aber nicht vollkommen überzeugen konnte.

Veröffentlicht am 29.01.2021

Ein Baby, zwei Mütter

Das Baby ist meins
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Nachdem Bambi von seiner Freundin rausgeworfen wurde, zieht er im Haus seines kürzlich verstorbenen Onkels ein. Dort trifft er nicht nur auf den Säugling Remi und die Frau seines Onkels, sondern auch auf ...

Nachdem Bambi von seiner Freundin rausgeworfen wurde, zieht er im Haus seines kürzlich verstorbenen Onkels ein. Dort trifft er nicht nur auf den Säugling Remi und die Frau seines Onkels, sondern auch auf dessen Geliebte. Bambi findet sich in einer skurrilen Situation wieder: Beide Frauen beteuern unter Tränen, die Mutter des Kindes zu sein.

Der Roman ist sehr kurzweilig, die Kapitel knapp, auch der Schreibstil verzichtet auf jegliche Ausschmückungen. Der Konflikt zwischen den Frauen wird aus der Sicht Bambis erzählt; er ist unsicher, wem er Glauben schenken soll und tendiert mal mehr zur einen, mal mehr zur anderen. Bambi selbst ist dabei jedoch nicht unbedingt ein sympathischer Protagonist, sondern eher der Macho-Typ. Bevor er auf die Idee kommt, sich selbst etwas zu Essen zuzubereiten, werden ersteinmal die beiden Frauen dazu angehalten, und auch von monogamen Beziehungen hält er nichts. Sein Beschützerinstinkt dem kleinen Remi gegenüber ist dafür aber umso größer.

Insgesamt wirkt der Roman auf mich seltsam unfertig, noch nicht ausgereift. Nicht nur, dass an der spannendsten Stelle abgebrochen wird; auch das Wenige, was vorhanden ist, weckt in mir das Gefühl, dass da irgendetwas fehlt. Die Ansätze sind durchaus interessant, mich hat es aber nicht überzeugen können.

Veröffentlicht am 22.01.2021

Wo ist Vati?

Vati
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Nachdem sie in "Die Bagage" bereits die Geschichte ihrer Familie mütterlicherseits aufgearbeitet hat, widmet sich Monika Helfer nun ihrem Vater. Dieser, vom Krieg versehrt, leitet ein Kriegserholungsheim ...

Nachdem sie in "Die Bagage" bereits die Geschichte ihrer Familie mütterlicherseits aufgearbeitet hat, widmet sich Monika Helfer nun ihrem Vater. Dieser, vom Krieg versehrt, leitet ein Kriegserholungsheim in den Bergen, in welchem er auch mit seiner Familie lebt. Nach und nach erzählt Helfer vom Zusammenleben mit ihrem "Vati", wie er stets genannt werden will, und seinen Eigenheiten. Er ist ein stiller Mann, sehr in sich zurückgezogen, seine Bücher und die kleine Bibliothek des Erholungsheimes bedeuten ihm viel.

Darüber hinaus fällt es mir schwer, etwas über ihn zu sagen, denn während der ganzen Kindheit Helfers bleibt "Vati" vor allem eines - merkwürdig abwesend, stets irgendwie woanders. Die nüchterne Erzählweise und die betonte Neutralität darin, die anfangs noch mein Interesse weckten, bewirkten auf Dauer, dass mir alle Figuren seltsam fremd blieben, ich habe mich beim Lesen wie ein unbeteiligter Aussenstehender gefühlt, der zufällig kurze Episoden aus dem Leben Helfers und ihres Vaters beobachtet hat.

Keine der Figuren hat wirklich meine Sympathie geweckt, zu groß war die Distanz, die hier über die sprachliche Ebene aufgebaut wurde. Auch die junge Monika erscheint eher als stumme Beobachterin anstatt als Tochter dessen, von dem das Buch handeln soll. Sie enthält sich nahezu jeglicher Wertung über das Verhalten ihrer Eltern und deren Geschwister, bis auf einige Ausnahmen erfährt man als Leser kaum etwas darüber, wie sie empfindet; ein wenig fühlt es sich an, als würde man einen Stummfilm schauen. Besonders aber "Vati" selbst ist eher passiv, obwohl im Mittelpunkt stehend, irgendwie abwesend - gerade die zweite Hälfte des Buches handelt weniger von ihm als vielmehr von seiner Abwesenheit. Und wie schreibt man ein Buch über jemanden, der nicht da ist?

Die Geschichte tröpfelt von Seite zu Seite, ohne einen wirklichen Sog zu entwickeln, obwohl das Potential dahinter spürbar ist. Es gibt einige schöne Beschreibungen, einige Figuren wurden in groben Zügen durchaus interessant skizziert - mich störten die stets aufrechterhaltene Distanz und Sachlichkeit aber zu sehr.

Veröffentlicht am 31.12.2020

Gute YA/NA-Geschichte für zwischendrin

One Last Song
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Riley möchte sich endlich ihren Traum erfüllen und Musicaldarstellerin werden. Zwei Jahre Zeit gibt ihr Vater ihr dazu. Zwei Jahre in der Metropole New York, die sich langsam dem Ende zuneigen, und noch ...

Riley möchte sich endlich ihren Traum erfüllen und Musicaldarstellerin werden. Zwei Jahre Zeit gibt ihr Vater ihr dazu. Zwei Jahre in der Metropole New York, die sich langsam dem Ende zuneigen, und noch immer konnte Riley trotz zahlreicher Castings keine besonders attraktive Rolle ergattern. Durch Zufall kommt sie an einen Job als Kellnerin im Bistro einer angesehen Musikschule, und begegnet dort Julian, der gerade mit seiner Band in der Stadt ist. Die beiden entwickeln Gefühle füreinander, doch bald schon droht Julians Vergangenheit, ihn einzuholen, und auch Riley läuft die Zeit davon...

Im Großen und Ganzen fand ich das Buch okay, es lässt sich angenehm leicht lesen. Die Protagonistin ist gut gestaltet und war mir sympathisch, wenn sie auch etwas naiv ist, die Geschichte selbst verläuft insgesamt mehr oder weniger genauso wie es zu erwarten war. An für sich ist es alles nichts Neues, diverse Klischees werden erfüllt, es ist von Anfang an klar, dass die beiden Protagonisten sich ineinander verlieben werden usw. Ich habe ein bisschen die Tiefe vermisst, immer wenn man gerade dachte, es könnte ein bisschen in die Richtung gehen, wurde im letzten Moment doch nochmal ein Bogen darum geschlagen. Trotzdem lässt sich das Buch wie gesagt ganz nett für zwischendurch einschieben, wenn man nichts allzu Tiefgründiges haben und einfach mal nur entspannt lesen möchte!

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