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Veröffentlicht am 27.05.2021

Langsamer Start, überwältigendes Ende

Die Frauen von der Purpurküste – Isabelles Geheimnis (Die Purpurküsten-Reihe 1)
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Inhalt:
Amélie hat alles verloren, was ihr lieb und teuer war und beschliesst, sich eine Auszeit von ihrem tristen Leben zu nehmen. Dazu reist sie an die Südküste Frankreichs um sich im Haus ihrer Oma ...

Inhalt:
Amélie hat alles verloren, was ihr lieb und teuer war und beschliesst, sich eine Auszeit von ihrem tristen Leben zu nehmen. Dazu reist sie an die Südküste Frankreichs um sich im Haus ihrer Oma einzuquartieren. Dort angekommen bemerkt sie allerdings, dass ihre Tante das Haus einem Journalisten vermietet hat, der sich bereitwillig dazu erklärt, Amélie bei sich wohnen zu lassen, was ihr so gar nicht in den Kram passt. Aber sie hat keine andere Wahl und kommt somit immerhin auf andere Gedanken. Ihr Leben verändert sich noch einmal wegweisend, als sie bei einem Besuch bei ihrer Oma Isabelle im Pflegeheim ein Tagebuch überreicht bekommt, das ihr einige turbulente Lesestunden beschert.

Meine Meinung:
"Isabelles Geheimnis" habe ich durch Martina vom Blog Martinas Buchwelten entdeckt, sie hat den Abschlussband der Trilogie gelesen und sehr überzeugend empfohlen. "Isabelles Geheimnis" habe ich am 21.5.21 begonnen. Die Protagonistin hat mich anfangs nicht ganz für sich eingenommen, weshalb ich das Buch ein wenig weggelegt habe, um "Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte" zu beenden. Gestern habe ich dann endlich die letzten Seiten von "Isabelles Geheimnis" gelesen und wurde vom Ende komplett überzeugt. Was ich nämlich ehrlich sagen muss: am Anfang war ich mir nicht sicher, ob ich mit dem Buch überhaupt noch warm werden würde. Amélie hat mir nämlich mit ihrem sehr überzogenen Selbstmitleid und vor allem ihrer arroganten Art zuerst gar nicht gefallen. Das Durchhalten hat sich aber gelohnt und ich bin mit einer grandios recherchierten Geschichte, mehr und mehr Protagonisten, die immer vielschichtiger werden und ganz viel Romantik - inklusive Tränendrüsenende und haltlosem Schluchzen im Bus - belohnt worden.

Sprache und Handlung:
Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt, was mir immer sehr gut gefällt. Der eine Erzählstrang spielt in der Gegenwart bei Amélie in Südfrankreich, der andere Erzählstrang befasst sich mit der schwierigen Zeit der Besatzung Frankreichs durch die Deutsche Armee im Zweiten Weltkrieg. Isabelle, Amélies Oma, und deren aussergewöhnliche und gefährliche Liebesgeschichte werden hier ins Zentrum gerückt. Nach und nach kommen wir dieser Geschichte und Isabelles Geheimnis durch die Tagebuchaufzeichnungen, die Amélie zu lesen bekommt, näher. Gestört hat mich, dass es ziemlich lange ging, bis ein wenig Fahrt aufkam und bis Amélie sich endlich mit dem Tagebuch ihrer Oma befasst hat.
Nach etwa der Hälfte des Buches kamen immer mehr Emotionen auf, immer mehr Geheimnisse wurden gelüftet und die Figuren haben sich mehr und mehr entwickelt. Dabei wird klar, welches Potenzial Silke Ziegler zu bieten hat und gerade, weil sie sich einem so anspruchsvollen historischen Hintergrund gewidmet und diesen feinfühlig und grandios recherchiert in das Buch integriert hat, bin ich sehr neugierig auf die nächsten Bände, die ich mir auf jeden Fall bald gönnen werde.

Meine Empfehlung:
Obwohl dieses Buch mich nicht von Anfang an begeistern konnte, haben mich vor allem die historischen Hintergründe, welche die Zeit der Besatzung Frankreichs durch die Deutsche Armee zur Zeit des zweiten Weltkriegs thematisieren sowie die immer sympathischer werdenden Figuren überzeugt und neugierig auf die weiteren Bände gemacht.

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Veröffentlicht am 14.03.2021

Teilweise berührend, aber einige Emotionen fehlten trotzdem

Die Buchhandlung zum Glück
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Inhalt:
Natalie verliert den Boden unter den Füssen, als ihr Leben sich von einem Tag auf den anderen um hundertachtzig Grad dreht. Schweren Herzens entscheidet sie sich dazu, ihren lukrativen Job zu künden ...

Inhalt:
Natalie verliert den Boden unter den Füssen, als ihr Leben sich von einem Tag auf den anderen um hundertachtzig Grad dreht. Schweren Herzens entscheidet sie sich dazu, ihren lukrativen Job zu künden und zurück nach San Francisco zu ziehen. Dort übernimmt sie zumindest vorübergehend die in schwere finanzielle Nöte geratene Buchhandlung ihres dementen Grossvaters und bemerkt bald, dass nur noch ein Wunder das Geschäft und Zuhause ihres Grossvaters retten kann.

Meine Meinung:
Es ist kein Geheimnis, dass ich Bücher über Buchhandlungen sehr, sehr gerne mag. Oft wird mit wenigen Worten ein gemütliches Ambiente gezaubert und es fühlt sich beim Lesen fast so an, als würde man selber in einer Buchhandlung stehen. Genau so erging es mir auch mit "Die Buchhandlung zum Glück". Was mir aber leider gefehlt hat, waren ganz viele andere Emotionen. Obwohl ich Natalie als Protagonistin sehr gemocht habe, so nehme ich ihr zum Beispiel ihre Trauer und ihren Schmerz über einen plötzlichen und schweren Verlust nicht ab. Auch wirkte die Handlung zuweilen ein wenig stockend. Gerade, was die romantischen Verstrickungen anbelangt wird ein typisches Liebesdreieck (bei dem zwei Beteiligte auch nicht von den Gefühlen der jeweils anderen Person wissen) wie man es aus Teenagerromanen kennt, bemüht. Das war mir dann doch ein wenig zu konstruiert. Abgesehen davon habe ich die Geschichte sehr, sehr gerne gelesen und mich dabei vor allem in die rührenden Beschreibungen der Beziehung zwischen Natalie und ihrem "Grandy" verliebt.

Schreibstil:
Was Natalies Verlust anbelangt, ist es Susan Wiggs nicht gelungen, grosse Gefühle bei mir zu wecken. Die Stimmung in der Buchhandlung, die liebevolle Beziehung, die Natalie zu ihren Mitarbeitern und Stammkunden pflegt, sowie Natalies einfühlsame Art, waren hingegen wundervoll beschrieben. Obwohl ich das Gefühl hatte, dass die Handlung immer wieder ein wenig ins Stocken gerät und obwohl einzelne Fügungen ein wenig gar positiv waren (was man in Hinblick auf Natalies Verlust aber auch einfach als Karma verstehen kann), lässt sich dieses Buch ganz leicht lesen und dabei kann man sich problemlos in eine mit viel Liebe gepflegte Buchhandlung entführen lassen.

Meine Empfehlung:
Einigen kleinen Kritikpunkten zum Trotz empfehle ich euch diese leichte und unterhaltsame Lektüre sehr gerne für Zwischendurch. Wer aber sehr viel Tiefgang und eine einzigartige Story sucht, wird mit diesem Buch nicht fündig.

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Veröffentlicht am 27.02.2021

Eine überladene Geschichte mit einer überzeugenden Grundidee

Die vier Gezeiten
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Inhalt:
Es wird hektisch auf der sonst eher ruhigen Insel Juist. Euard Kießling, der Patriarch der Familie, soll das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Zu diesem Anlass kommt die ganze Familie zusammen ...

Inhalt:
Es wird hektisch auf der sonst eher ruhigen Insel Juist. Euard Kießling, der Patriarch der Familie, soll das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Zu diesem Anlass kommt die ganze Familie zusammen und alle bringen ihr emotionales Päckchen mit. Was wie eine harmonische Zusammenkunft beginnt, wird mit dem plötzlichen Auftauchen von Helen auf einen Schlag zunichtegemacht. Helen behauptet, mit der Familie Kießling verwandt zu sein und ist auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern. Sie gleicht nicht nur Adda, Eduards Frau, aufs Haar, sondern lässt mit ihren Nachforschungen auch die brodelnden Emotionen der einzelnen Familienmitglieder ans Tageslicht kommen...

Meine Meinung:
Mir hat es grosse Freude bereitet, dieses Buch in einer Leserunde zu lesen und mich mit meinen Mitleserinnen über den Inhalt auszutauschen. Die Geschichte hat es nämlich wirklich in sich, aber was die grösste Stärke der Autorin ist, ist gleichzeitig auch die grösste Schwäche des Buches. Anne Prettin hat eine blühende Fantasie, ein grosses Interesse an historischen Ereignissen und kann - vor allem Landschaften, die Figuren bleiben nämlich (mit Ausnahme von Adda, Helen und Onno) eher blass - traumhaft schön beschreiben. In ihrem Erstling hat sie es aber vor allem mit ihrer Fantasie ein wenig übertrieben und eine eigentlich spannende Familiengeschichte erstens überladen und zweitens ein wenig gar an den Haaren herbeigezogen konstruiert. Das ist total schade, da sich in ihrem Schreibstil eigentlich grosses Potenzial finden lässt. Mit dieser Geschichte hätte man nämlich genug Stoff für eine ganze Reihe gehabt.

Aufbau und Handlung:
Die Grundidee von "Die vier Gezeiten" ist aber sehr überzeugend und besonders gut gefallen hat mir, wie das Buch beginnt und daraufhin ein spannendes Handlungsgeflecht aufgebaut ist. Ein kraftvoller Tagebuchtext beschreibt die geplante Selbsttötung einer anfangs noch unbekannten Frau im Detail. Nach diesem Prolog springt die Erzählung mitten in die Hauptprobe der Rede von Eduard Kießling. Dabei werden alle Figuren kurz vorgestellt und auch das Inselflair kommt nicht zu kurz. Nach Helens plötzlichem Auftauchen beginnt die Stimmung zu kippen. Abgründe tun sich auf und aus verschiedenen Perspektiven erzählte Erinnerungen und Erlebnisse setzen nach und nach eine Geschichte zusammen, die von Freundschaft, Liebe, von Intrigen, Verrat, Verletzungen und Verantwortungslosigkeit erzählt.
Diese Stimmungswechsel haben mir persönlich sehr gut gefallen und ich hatte auch keinerlei Probleme mit den unterschiedlichen Erzählstimmen. Schliesslich steht immer, wer gerade erzählt und in welchem Jahr wir uns beim Lesen befinden. Mir reicht das, um den Überblick zu behalten. Einzelne Teilnehmerinnen der Leserunde haben sich damit aber schwergetan. Solltet ihr ebenfalls Mühe mit solchen Sprüngen haben, ist dieses Buch vielleicht nichts für euch.

Schreibstil:
Wie bereits erwähnt, hat mir die Erzählsprache der Autorin sehr gefallen. Leider gelingt es ihr zwar nicht, dass alle Figuren zum Leben erwachen, aber dafür sind die Schilderungen der Landschaft der Insel und der Stimmungen und Emotionen um so realistischer und überzeugender beschrieben. Auch werden zahlreiche nicht ganz einfache Themen wie Suizid, ungewollte Schwangerschaft, Verlust und die eigene nationalsozialistische Vergangenheit einzelner Figuren und generell der Region mit dem nötigen Feingefühl und historischen Bewusstsein in die Geschichte eingearbeitet, wenn auch einzelne Themen unschön oft vorkommen und dabei - wie anfangs geschildert - ein wenig zu konstruiert wirken.

Fazit:
"Die vier Gezeiten" von Anne Prettin lässt mich ein wenig ratlos zurück, da ich einerseits den Schreibstil und die Idee, sowie das ganze Grundsetting dieser Geschichte sehr gemocht habe, aber andererseits einzelne Elemente der Handlung als stark übertrieben empfinde. Wer aber Inselflair und verstrickte Familiengeschichten mit vielen Rückblenden und ein wenig Spannung mag, sich aber am Hang zur Übertreibung nicht stört, wird mit diesem Buch schöne und unterhaltsame Lesestunden verbringen, da bin ich überzeugt.

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Veröffentlicht am 30.01.2021

Gelungener Plot, einzelne Längen im Mittelteil, spannendes Ende

Hörig
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Inhalt:
Patrizia ist als junge Frau einem Schwindler aufgesessen und sich in ihn verliebt. Bei seiner Verhaftung hat sie jeglichen Lebensmut verloren und wird anschliessend von ihrem Vater zu Ed, einem ...

Inhalt:
Patrizia ist als junge Frau einem Schwindler aufgesessen und sich in ihn verliebt. Bei seiner Verhaftung hat sie jeglichen Lebensmut verloren und wird anschliessend von ihrem Vater zu Ed, einem erfolgreichen Therapeuten, gebracht. Dieser hilft ihr zu verstehen, was geschehen ist, übt aber ebenfalls viel zu grossen Einfluss auf sie aus und als er sie irgendwann nach der Therapie heiratet, ist sie zu einer gefügigen, hübschen und pflichtbewussten Ehefrau herangezüchtet worden. Deshalb erstaunt es Ed um so mehr, dass Patrizia plötzlich verschwindet und dass dabei alles darauf hindeutet als hätte sie sich mit Heiko Schramm aus dem Staub gemacht. Doch wie hängt das alles zusammen? Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Meine Meinung:
Dieses Buch wollte ich unbedingt lesen, nachdem Julia vom Blog Julias Sammelsurium das Buch Das letzte Opfer von Petra Hammesfahr als eines ihrer Jahreshighlights aus 2020 genannt hat. Und ich wurde nicht enttäuscht. Schon Julia hat nämlich einen ganz eigenen und auch aussergewöhnlichen Schreibstil bemerkt, der mir ebenfalls aufgefallen ist. Ausserdem hat mir der ganze Plot sehr gut gefallen, der eine junge Frau, die eigentlich von zwei Männern gleichzeitig abhängig ist, ins Zentrum rückt. Zuerst verfällt Patrizia nämlich Heiko Schramm und wird dann von ihrem Psychologen und späteren Ehemann Ed abenfalls wie ein Püppchen geformt. Da hätte ich mir noch ein wenig mehr Kritik an diesem zweiten Abhängigkeitsverhältnis, in das Patrizia von ihrem späteren Ehemann gezwängt worden ist, gewünscht. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau.
Ein wenig zu kritisieren habe ich aber den Aufbau. Die Handlung entwickelt sich eigentlich sehr ruhig und langsam und wird erst ganz am Schluss so richtig spannend. Diese Längen erfordern beim Lesen ein wenig Durchhaltevermögen.
Die Figuren hingegen fand ich sehr gelungen gestaltet. Einzig Ed hat mich enttäuscht. Eigentlich hätte er Patrizias Hinweise, die sie ihm nach ihrem Verschwinden mit Heiko unauffällig zu hinterlassen versucht hat, viel besser und schneller verstehen und so der ganzen Sache schneller auf die Schliche kommen müssen. Aber auch ist eine Bemerkung am Rande, schliesslich wäre die Geschichte sonst viel schneller zu Ende gewesen, was definitiv mehr gestört hätte

Sprache:
Julia hat das schon wundervoll geschafft und nun möchte auch ich den Versuch wagen, meine Faszination für Petra Hammesfahrs Schreibstil in Worte zu fassen:
Hammesfahr zeigt gleichzeitig die Innenwelt der Protagonistin und die sich stetig entwickelnde Handlung auf. Das fühlt sich an, als wäre man mitten im Geschehen, zugleich hat man aber auch eine Aussensicht auf die Handlung. Das fesselt ungemein und lässt sowohl Rückblenden, als auch innere Monologe zu und so wird erzählt, wie Heiko Schramm sich Patrizia annähern konnte und wie die Therapiesitzungen bei Ed abgelaufen sind aber auch, welche Gedanken sich Patrizia zu machen beginnt und welche Schlüsse sie daraus zieht, was ungemein faszinierend ist.

Meine Empfehlung:
Die Spannung in diesem unblutigen Thriller baut sich langsam auf und wird gegen Ende stetst verstärkt. Das ganze Setting, die Grundidee, die ambivalente Protagonistin und die flüssige Erzählsprache haben mich überzeugt und ich empfehle euch dieses Buch trotz Längen im Mittelteil sehr gerne weiter.

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Veröffentlicht am 24.01.2021

Fesselnd und abstossend zugleich

Unterwerfung
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Inhalt:
Der Literaturwissenschaftler und Universitätsprofessor François beobachtet in und um Paris beunruhigende Veränderungen, welche die nahende Präsidentschaftswahl begleiten: die Bruderschaft der Muslime ...

Inhalt:
Der Literaturwissenschaftler und Universitätsprofessor François beobachtet in und um Paris beunruhigende Veränderungen, welche die nahende Präsidentschaftswahl begleiten: die Bruderschaft der Muslime erlangt mehr und mehr Stimmen und beginnt, die Macht im Land mit Plünderungen, Ausschreitungen und radikalen Vorschriften an sich zu reissen und zu verteidigen. Gleichzeitig verändert sich auch das Privatleben des Protagonisten und lediglich der Mann einer Arbeitskollegin scheint seine Sorgen um die eigene Heimat, die eigenen Werte und Traditionen zu verstehen. Als François Paris auf gut Glück verlässt, muss er sich bewusst werden, in welche Richtung sich seine persönliche und berufliche Zukunft entwickeln soll, damit er sich selber vor dem privaten Verfall retten kann.

Meine Meinung:
Ein paar Jahre nach dem Erscheinungstag der französischen Originalausgabe (der ausgerechnet auf den Tag des Anschlags auf Charlie Hebdo fiel) habe ich mit ein wenig Abstand zum Geschehen dieses Buch gelesen, weil ich mir endlich selber eine Meinung zum Buch bilden wollte. Ich bin mir sicher, dass dieses Buch hauptsächlich eine sehr provokative Satire ist, die zwar mit teilweise fragwürdigem Humor aufspielt, aber gleichzeitig auch einen fesselnden Sprachsog erzeugt, dem ich mich nicht entziehen konnte. Die Hauptfigur ist ein sexistisches Arschloch, das zwar mit Mitte vierzig im besten Alter sein sollte, aber bereits äusserst verlebt wirkt und sich aufgrund seines Lebenwandels zu recht Sorgen um seine Gesundheit zu machen beginnt. Dabei wird ein fasznierender Einblick in die Innenwelt von François geboten.
"Unterwerfung" ist in meinen Augen kein rassistisches Buch, sondern ein - durchaus an die Grenzen des guten Geschmacks gehendes - intellektuelles Gedankenexperiment, dessen Erscheinungstermin leider unter einem schrecklich schlechten Stern stand. Das Buch ist eine Satire, die mit den Stereotypen sowohl der französischen Kultur (Entenleber, Weisswein und Zigaretten), als auch der Muslimischen Religion (Polygamie, diskriminierte und verhüllte Frauen) spielt und zudem sehr gesellschaftskritisch die französische "Elite" in Presse, Politik und Bildung an den Pranger stellt. Deren Bequemlichkeit, Sexismus und Akeptanz der von der neuen muslimischen Regierung konstruierten Privilegien - die aber natürlich dafür sorgen, dass andere Menschen, respektive vor allem Frauen, stark diskriminiert werden - ist nämlich mitschuldig daran, dass die Bruderschaft der Muslime es so leicht hat, an die Macht zu kommen und Frankreich fast problemlos zu übernehmen. Keine einzige Figur in diesem Buch kommt gut weg und trotzdem ist es faszinierend, diese Geschichte zu lesen, sich eigene Gedanken dazu zu machen, dabei diverse Szenarien durchzuspielen und am Ende wieder in die eigene Realität zurückzukehren und dabei erleichtert aufzuatmen.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Michel Houellebecq erinnert mich ein wenig an den Stil von Charles Bukowski, Houellebecqs Sprache wirkt aber ein wenig gewollter (vor allem in Bezug auf die provokative und sexistische Art) und ausserdem weniger schrullig-liebenswert, sondern definitiv kantiger und abweisender als Bukowskis Sprache. Rezensionen zu Bukowskis Bücher und meine Meinung zu seinem Schreibstil findet ihr HIER und HIER.
Houellebecqs Sprache erzeugt ausserdem einen unfassbaren Sog. Sie erzählt eine Geschichte, die fasziniert und gleichzeitig anwidert und ich bin mir sicher, dass dies genau der Effekt ist, den der Autor erreichen will. Sie scheint gleichzeitig intellektuel, fliesst aber auch immer mal wieder ziemlich leicht daher und vor allem die letzten hundert Seiten des Buches habe ich sicher auch deshalb komplett in einem Rutsch verschlungen.

Meine Empfehlung:
Meiner Meinung nach kommt man nicht um diese Lektüre herum, wenn man sich selber eine Meinung bilden, mitreden und sich fesseln, provozieren und auch ein wenig schockieren lassen will. "Unterwerfung" ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt, aber auch nach dem passenden Lesezeitpunkt verlangt. Den habe ich definitiv erwischt, weshalb ich eine Leseempfehlung für dieses Buch ausspreche.

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