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Veröffentlicht am 14.05.2021

Lüge, Lüge

Lila, Lila
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„Lila, Lila“ ist mein erster Roman von Martin Suter gewesen. Bookstagram hat mich influenced, nachdem ich den Film vor Jahren beim Rumzappen entdeckt und irgendwie in Erinnerung behalten hatte, dass mir ...

„Lila, Lila“ ist mein erster Roman von Martin Suter gewesen. Bookstagram hat mich influenced, nachdem ich den Film vor Jahren beim Rumzappen entdeckt und irgendwie in Erinnerung behalten hatte, dass mir der Flair gefallen hat. Ja, und Daniel Brühl. Der auch natürlich.
Nachdem ich den Roman beendet hatte, habe ich mir deshalb auch den Film noch einmal angesehen. Wundert euch also nicht, wenn es den ein oder anderen Querverweis in der Rezension gibt. Ich habe nämlich an Buch und Film gemerkt, wie sehr sich meine Wahrnehmung in der Vergangenheit verändert hat.

Inhalt:
David Kern arbeitet als Kellner im „Esquina“, einer urigen Kneipe mit vielen Stammgästen. Was er sonst noch mit seinem Leben anfangen möchte, weiß David nicht. Er ist ein unsicherer Typ, stolpert ein wenig unbeholfen durch’s Leben und fühlt sich oft von einem ganz bestimmten Stammgast herabgesetzt. Eines Abends taucht Marie im Esquina auf. Marie ist schön und sie liebt Literatur. David ist sofort verzaubert und gleichermaßen entsetzt, als eben dieser Stammgast es schafft, Marie mit seinem literarischen Sachverstand für sich zu gewinnen. Als er durch Zufall in der Schublade eines alten Nachtschranks, den er einem Trödelhändler abgekauft hat, das Schreibmaschinen geschriebene Manuskript eines Romans findet, der ihn beim Lesen zu Tränen rührt, erkennt David seine Chance. Er gibt das Manuskript Marie und tut so als wäre er selbst der Autor. Die Lüge gerät schnell außer Kontrolle, denn Marie ist so begeistert, dass sie die Geschichte, die anfangs noch „Sophie, Sophie“ und später dann „Lila, Lila“ heißt, an einen Verlag sendet. Schnell verliebt sich nicht nur Marie in David, sondern die ganze Literaturszene. Aus ihm wird jemand, der er gar nicht ist - ein Bestsellerautor. Aber Lügen haben kurze Beine, nicht?

Meine Meinung:
In „Lila, Lila“ geht es um den Verlust von Identität. Wer ist David Kern eigentlich? Nicht mehr der Kellner, aber auch nicht der Bestsellerautor. Und erst recht nicht der Mann, in den sich Marie verliebt, weil es diesen Mann nämlich gar nicht gibt.
Was ich so spannend fand: Als ich mir den Film damals angesehen habe, war das, was David tut, für mich eine kleine Lüge, die unverhofft außer Kontrolle gerät. Als ich nun den Roman gelesen habe, war meine Wahrnehmung ganz anders. Auf einmal kam mir Davids Handeln unentschuldbar vor. Ein riesiger Betrug. An Marie, am Verlag, der Presse, den Leser*innen. Es hätte früh in der Geschichte unzählige Gelegenheiten gegeben, die Lüge aufzuklären. David hätte sie aufklären müssen. Aber er war zu schwach dazu. Und diese Schwäche hat ihn für mich zum Anti-Helden gemacht, für den ich selten Sympathie, meistens höchstens Mitleid empfunden habe. Auch seine Liebe zu Marie fand ich jetzt nicht mehr süß, sondern obsessiv und befremdlich. Er ist so besessen davon sie für sich zu gewinnen und bei sich zu behalten, dass er mit allen Mitteln sein Lügengerüst aufrecht erhalten will, um die Beziehung zu retten, die er auf dieses Fundament gebaut hat. Nicht nur einmal wollte ich Marie zu rufen, dass sie sich besser schnell aus dem Staub machen soll. Aber auch sie war mir beim Lesen fremd und eher unsympathisch, weil sie sich so sehr von „dem Autor David Kern“ angezogen fühlt. Inwieweit auch der Mensch für sie interessant ist, erfährt man gar nicht so richtig.
Ich mochte Martins Suters Schreibstil. Diesen Early-Zweitausender-Flair zwischen Nachtleben und Literaturbetrieb. Die Einblicke in das Verlagsgeschäft waren zudem sehr interessant. Dafür kratzt die Geschichte auf der Gefühlsebene nur an der Oberfläche. David und Marie als Paar konnte ich nicht wirklich spüren. Der Text ist mehr damit beschäftigt, Davids Betrug weichzuspülen, indem manche Szenen und Figuren überzeichnet dargestellt werden. Die Geschichte hat mich nicht nur zum Kopfschütteln, sondern auch zum Grinsen gebracht.
Den Verlauf der Handlung fand ich trotzdem spannend. Ich habe das Buch in sehr kurzer Zeit gelesen und wollte unbedingt wissen, welches Schicksal David am Ende ereilt. Zuerst findet er sich immer mehr in seiner neuen Rolle als Autor ein, verschmilzt schon fast mit ihr, bis dann etwas geschieht, dass ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Hier hätte ich mir aber mehr Konsequenz vom Buch gewünscht. Was das Ende betrifft bin ich nach wie vor unschlüssig. Einerseits war ich froh, andererseits hat mir etwas Wesentliches gefehlt, wieder andererseits fand ich alles sehr rund und wenig vorhersehbar.

Fazit:
„Lila, Lila“ ist ein sehr besonderer Roman mit einer ganz eigenen Stimmung. Er wird mir definitiv noch lange im Gedächtnis bleiben und ich bin froh mich nochmal mit der Geschichte auseinandergesetzt zu haben. Auch weil ich dadurch gemerkt, habe, wie sich mein eigenes Verständnis von Moral im Laufe der Zeit verändert hat: Was man im Namen der Liebe tun darf, was man entschuldigen kann und was nicht.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Frau ohne Flügel

Die Harpyie
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„Die Harpyie“ ist mir schon vor Wochen bei den Neuerscheinungen aufgefallen. Das Cover ist wunderschön und obwohl ich eigentlich selten düstere Bücher lese, fand ich die Idee hinter der Geschichte absolut ...

„Die Harpyie“ ist mir schon vor Wochen bei den Neuerscheinungen aufgefallen. Das Cover ist wunderschön und obwohl ich eigentlich selten düstere Bücher lese, fand ich die Idee hinter der Geschichte absolut bestechend.

Inhalt:

Lucy lebt mit ihrem Ehemann Jake und den gemeinsamen Söhnen in einem gemieteten Haus in der Vorstadt. Sie arbeitet als freie Texterin von Zuhause aus und hat mehr oder weniger viele Aufträge. Ihre Doktorarbeit über die mythische Sagengestalt der Harpyie hat sie vor vielen Jahren aufgegeben. Eines Abends erhält sie einen Telefonanruf vom Ehemann einer Arbeitskollegien von Jake. Er soll Lucy mit dessen Frau Vanessa betrogen haben. Für Lucy bricht eine Welt zusammen und gleichzeitig breitet sich eine innere Dunkelheit in ihr aus. Nachdem sie Jake kurz darauf beim Fernsehen absichtlich mit ihrem Fingernagel kratzt, schließen die beiden einen Pakt: Lucy darf Jake dreimal verletzen. Danach sind sie quitt.

Meine Meinung:

„Die Harpyie“ lässt mich sprachlos zurück. Es fällt mir schwer meine Gedanken zu der Geschichte zu ordnen.

Das wohl herausragendste Merkmal des Buchs ist die Sprache. Sie ist extrem bildlich und dunkel poetisch. Es finden sich viele kurze Sätze, die mit wenigen Satzzeichen aneinander gereiht werden. Der Rhythmus erinnert mich an einen Rapsong. Der Text wirkt irgendwie atemlos. Gleichzeitig werden einzelne Szenen bis ins kleinste Detail ausgeleuchtet und man hat das Gefühl, die Handlung ist mit Kaugummi verklebt. Trotzdem ist es zu jeder Zeit spannend. Mir hat der Stil, den die Autorin gewählt hat, extrem gut gefallen. Ebenso mochte ich die Einschübe, die immer wieder zwischen die Kapitel gestreut werden. In kurzen Textabschnitten erfährt man Bruchstückhaftes über Lucys Beziehung zur Harpyie.

Die Betonung liegt hier vor allem auf „bruchstückhaft“. Denn der sehr spezielle Schreibstil hat zur Folge, dass der Leser Informationen in Form von einzelnen Puzzleteilen erhält und dabei Vieles, das für das Grundverständnis von Lucys Situation wichtig wäre, verloren geht.

Beim Lesen hatte ich das Gefühl, dass die Bilder zur Geschichte vor meinem inneren Auge verschwommen bleiben. Ich sehe alles entweder hyperdeutlich oder nur schemenhaft.

Daher ist es mir schwergefallen, die Grundaussage der Geschichte zu begreifen. Es geht auf jeden Fall um weibliche Unterdrückung und um die Rolle der Frau in der Familie. Lucy fühlt sich in dieser Rolle so eingeengt, dass sie daran zu zerbrechen droht. Sie wird regelrecht verrückt.

Und das ist ein entscheidende Punkt! Lucy zeigt Anzeichen für eine psychische Erkrankung. Deswegen benötigt diese Geschichte in meinen Augen dringend eine deutliche Triggerwarnung.

Lucy als Protagonistin kann einem nur Leid tun. Jake bleibt mir ein Rätsel. Warum er sich auf eine so gefährliche Sache einlässt, konnte ich nicht nachvollziehen. Er wirkt kindlich, unreif und entspricht definitiv nicht dem Klischee eines „starken Mannes“.

Wenn man sich für das Buch interessiert, sollte man vorher wissen: „Die Harpyie“ ist keine Erzählung über eine Frau, die sich von Geschlechterklischees befreit. Lucy ist und bleibt Opfer.

Das Ende ist allerdings sehr bildlich und metaphorisch geschrieben, sodass sehr viel Interpretationsspielraum vorhanden ist.

Fazit:

„Die Harpyie“ ist ein düsterer, spannender und kurzweiliger Roman, der viel Interpretationsspielraum zulässt. Ich hätte mir aber eine klarere Aussage gewünscht. Viele Themen werden angerissen, aber die Kernaussage nicht richtig definiert. Ich mag die Vermischung von Wirklichkeit und Mythologie. Aber wie genau das passiert, wird zu wenig erklärt, sodass ich den Hintergrund nicht wirklich erfassen konnte.

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Veröffentlicht am 07.03.2021

Die andere Seite der Verzweiflung

Die Mitternachtsbibliothek
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Achtung: Diese Rezension kann Spuren(!) von Spoilern enthalten!

Die Leseprobe zu „Die Mitternachtsbibliothek“ habe ich gelesen noch bevor der große Hype losgebrochen ist. Danach war ich fest überzeugt, ...


Achtung: Diese Rezension kann Spuren(!) von Spoilern enthalten!

Die Leseprobe zu „Die Mitternachtsbibliothek“ habe ich gelesen noch bevor der große Hype losgebrochen ist. Danach war ich fest überzeugt, dass ich das Buch kaufen muss. Bei Geschichten dieser Art erwartet man sich ja immer irgendetwas Besonderes für das eigene Leben. Eine große Erkenntnis, einen Gedanken, den man neu begreift.
Neue Denkanstöße habe ich definitiv gewonnen, aber ich weiß nicht, ob sie mich am Ende weitergebracht haben. Ehrlich gesagt, bin ich mir abschließend nicht sicher, ob ich das Buch verstanden habe.

Inhalt:
Nora Seed ist 35 Jahre alt und depressiv. Eine Kaskade von negativen Ereignissen führt dazu, dass sie sich in ihrer Wohnung mit einem Cocktail aus Alkohol und Tabletten das Leben nimmt. Nach ihrem Suizidversuch landet sie in einer Zwischenwelt, irgendwo an den Rändern von Leben und Tod. An diesem fremden Ort, der gleichzeitig ein Teil ihrer selbst ist, existiert eine endlos große Bibliothek, in der es immer Mitternacht ist. In der Mitternachtsbibliothek findet sich ein unerschöpfliches Kontingent an Büchern. Jedes dieser Bücher enthält ein Leben, welches Nora hätte leben können, wenn sie sich in ihrem Ursprungsleben an einer bestimmten Stelle anders entschieden hätte. Die Mitternachtsbibliothek gibt ihr nun die verführerische Möglichkeit sich auf die Suche nach genau dem Leben zu machen, das sie am glücklichsten macht. Solange ihr Körper nicht stirbt, hüpft Noras Seele also von Leben zu Leben, in der Hoffnung eines zu finden, in dem sie bleiben will.

Meine Meinung:
Ich weiß nicht, ob ich die Kernaussage der Geschichte erfasst habe. Das ist der Punkt, über den ich am meisten nachgedacht habe, seitdem ich das Buch beendet habe.
Da sind all diese Leben, die Nora durchläuft und ich glaube, Matt Haig ging es darum, deutlich zu machen, dass es in jedem Leben Trauer und Zweifel und Sorgen gibt. Dass wir die gleichen Emotionen in unterschiedlichen Welten fühlen und dass es deswegen egal ist in welcher Welt wir uns befinden. Wir müssen Unglück kennen, um Glück begreifen zu können. In jedem Leben und an jedem Tag haben wir das Potenzial, das Beste aus unseren Umständen zu machen, wenn wir nur all das Gute darin erkennen.
Aber Nora verlässt ihre Parallelleben meist nach sehr kurzer Zeit wieder, weil sie dort keine Perspektive für sich sieht. Müsste es denn nicht auch in jedem dieser Leben Potenzial geben?
Womit ich sehr gekämpft habe, ist die Endgültigkeit, mit der die Parallelleben dargestellt werden. Das Australienleben war schrecklich, aber es hätte doch sicher auch Versionen davon geben können, die besser oder sogar gut gewesen wären. Allein für das eine Leben, in dem Nora nach Australien auswandert, müssten doch unendlich viele Möglichkeiten vorhanden sein. Aber wir haben nur eine einzige gesehen.
Außerdem war mein ganz persönliches Empfinden, dass die aufgezeigten Leben tatsächlich unterschiedlich gut oder schlecht waren. In manchen hätte ich lieber sein wollen als in anderen. Manche fand ich sogar wirklich besser als Noras Ursprungsleben.
Besonders gut gefallen haben mir die zahlreichen philosophischen Gedanken und Theorieren, die sich in der Geschichte finden. Dabei habe ich viel gelernt und einige neue Denkanstöße mitgenommen. Außerdem mochte ich das Ende des Buchs sehr. Obwohl ich das Wieso-Weshalb-Warum nicht abschließend durchblicken konnte, fand ich den Gedanken, dass es immer eine andere Seite der Verzweiflung gibt, sehr tröstlich.
Der Schreibstil des Autors ist klar und bildlich. Die Kapitel sind kurz und prägnant. Manchmal wurde mir das Ende eines Lebens allerdings zu schnell abgehandelt. Ich hätte gern noch nähere Erklärungen gehabt, warum Nora diese Möglichkeit zu existieren nun genau aufgibt oder auch aufgeben muss.

Fazit:
„Die Mitternachtsbibliothek“ ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt. In meinen Augen wird die Geschichte ihrem Hype gerecht. Es ist nur menschlich - vor allem in Zeiten von Social Media - über verpasste Chancen oder falsche Entscheidungen nachzudenken. Man sagt ja immer, dass das Gras anderswo auch nich grüner ist. Oft stimmt das sicher auch. Matt Haig hat ein Buch geschrieben, das Trost spendet, wenn man zweifelt, aber ich kann nicht behaupten, dass ich nach dem Lesen nicht mehr zweifeln werde.

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Veröffentlicht am 02.02.2021

Zehntausend Stunden

Der Klang der Wälder
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„Der Klang der Wälder“ hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil ich Lautmalerei mag: Wenn in Büchern mit Worten Musik beschrieben wird. Dahingehend wurden meine Erwartungen voll erfüllt. Trotzdem ...

„Der Klang der Wälder“ hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil ich Lautmalerei mag: Wenn in Büchern mit Worten Musik beschrieben wird. Dahingehend wurden meine Erwartungen voll erfüllt. Trotzdem ist die Musik eigentlich gar nicht das zentrale Thema in diesem Buch. Was wir hier haben, ist vielmehr eine Geschichte über’s Lernen und Durchhalten.

Inhalt:
Der siebzehnjährige Tomura erlebt in seiner Schulturnhalle einen Schlüsselmoment, als er dabei zusieht, wie der erfahrene Klavierstimmer Itadori dort den Flügel stimmt. Er ist überwältigt vom Klang des Instruments, das ihn an die Wälder in den Bergen erinnert, nahe dem Ort, in dem er geboren ist. Tomuras Entschluss steht fest. Er will Klavierstimmer werden, obwohl er selbst überhaupt keine musikalischen Kenntnisse hat. Von nun an stellt er sein ganzes Leben in den Dienst des Instruments. Doch der Weg ist steinig. Seine Lehrjahre sind geprägt von Unsicherheit und Selbstzweifel. Tomura ringt darum besser zu werden. Ganz besonders als er die junge Pianistin Kazune und ihre Zwillingsschwester Yumi kennenlernt. Nachdem er sie spielen gehört hat, wünscht er sich nichts sehnlicher, als gut genug zu sein, um ihrem Talent gerecht zu werden.

Meine Meinung:

Zehntausend Stunden müsse man üben bis man etwas richtig beherrscht, sagt eine von Tomuras Kolleginnen im Laufe des Buchs.
Ich habe mich selbst in der Geschichte wiedergefunden. Und zwar nicht im musikalischen Teil, sondern in dem, der von dem Drang erzählt, immer besser werden zu wollen und dabei nie gut genug zu sein. Zweifel zu haben, ob die eigenen Fähigkeiten ausreichen, um den Weg zu gehen, den man gewählt hat. Dieser Teil ist es auch, der den größten Raum in der Erzählung einnimmt.
Ich hatte mir eigentlich eine Art doppelte Liebesgeschichte zwischen einem jungen Mann und der Musik und zwischen Tomura und Kazune erwartet. Aber das ist dieses Buch nur am Rande.
Tomura ist ein sehr spezieller Protagonist. Er ist vollkommen auf seine Ausbildung als Klavierstimmer fixiert. In seinem täglichen Leben nimmt scheinbar nichts anderes Raum ein. Freunde hat er keine und auch über seine Familie erfährt man nur im Ansatz etwas. Das Klavierstimmen behandelt er mit einer Ernsthaftigkeit als würde er sich zum Herzchirurgen weiterbilden lassen. Er ist verliebt in die Klaviermusik und jeder Misserfolg ist eine absolute Katastrophe für ihn. Gleichzeitig kam er mir allerdings in allen anderen Lebensbereichen seltsam gedämpft und naiv vor. Alles in allem ist er in der Geschichte eher blass geblieben.
Die Stärken des Buchs liegen für mich also nicht in den Charakteren, sondern in der Sprache. Die wunderschönen Bilder zu Musik, Klavier und Wald. Die sanfte Klarheit in den Sätzen. Und natürlich die Darstellung von Tomuras Kampf mit seinen Fähigkeiten. Hier hätte ich gerne noch ein paar weiterführende Erklärungen gehabt. Ich verstehe nämlich immer noch nicht, wo das eigentliche Problem des Protagonisten lag. Hatte er tatsächlich von Grund auf wenig Talent oder war er sich selbst einfach nie gut genug? Vielleicht wurde das aber auch bewusst nicht aufgeklärt.
Die Geschichte ist kurz und ihr Ende kommt sehr abrupt. Ich war beinahe irritiert, weil so viel offen gelassen wurde. Ich hätte mir gewünscht, dass der Leser Tomura noch etwas länger begleiten kann, dass man vielleicht miterleben kann, wie seine Beziehung zu Kazune im Laufe der Zeit intensiver wird.
Um es auf die musikalische Art zu sagen: „Der Klang der Wälder“ ist ein leises Buch, voller Poesie aber auch Anstrengung. Wer sich einen straffen Spannungsbogen wünscht, ist hier falsch. Wer aber auch gerne liest, weil Worte einfach schön sind und weil es immer wieder wundersam ist, was man mit ihnen alles erschaffen kann, der ist richtig.

Fazit:
„Hell, ruhig und klar, an wehmütige Erinnerungen rührend, zugleich aber mit einer milden Strenge in die Tiefe gehend. Schön wie ein Traum und greifbar wie die Wirklichkeit.“
So sollte laut dem Buch ein Klavier klingen und Literatur geschrieben werden. „Der Klang der Wälder“ erfüllt meiner Meinung nach weitgehend seinen eigenen Anspruch. Das Einzige, was mir am Ende gefehlt hat, sind greifbarere Protagonisten.

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Veröffentlicht am 16.01.2021

Ein Jahr für die Liebe

A single kiss
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Normalerweise lese ich Reihen, wie es der Name schon vorgibt, der Reihe nach. Bei L.OV.E. von Ivy Andrews hat sich das anders ergeben, sodass ich mich dem letzten Band begonnen habe. In den vier Büchern ...

Normalerweise lese ich Reihen, wie es der Name schon vorgibt, der Reihe nach. Bei L.OV.E. von Ivy Andrews hat sich das anders ergeben, sodass ich mich dem letzten Band begonnen habe. In den vier Büchern geht es jeweils um das Austauschjahr der Studentinnen Libby, Oxy, Val und Ella im englischen Plymouth Eine Zeit, in der sie ineinander nicht nur enge Freundinnen, sondern auch jede für sich die große Liebe finden. „A single kiss“ erzählt die Geschichte von Ella.

Inhalt:
„Die französische Paris Hilton“ wird Ella, Erbin eines großen Pariser Modeunternehmens, in ihrer Heimat genannt. Als sie den bösartigen Gerüchten der Klatschpresse und den Anfeindungen auf Social Media nicht mehr standhalten kann, flieht sie ins beschauliche Plymouth, um am dortigen College ihr Modedesign-Studium fortzuführen. Obwohl Ella talentiert ist, bereitet ihr das Entwerfen von Mode nur wenig Freude. Es graut ihr davor, eines Tages die Designabteilung des elterlichen Unternehmens leiten zu müssen. Außerdem kriselt es zwischen ihr und ihrem Freund Etienne, der mit Vielem, was Ella tut, nicht einverstanden ist und nur seine Karriere im Kopf hat. Vor nicht all zu langer Zeit dachte Ella noch, Etienne sei ihre große Liebe. Mittlerweile ist sie sich da nicht mehr so sicher.
Harte Schale, weicher Kern. Das beschreibt Callum wohl am besten. Nach außen hin sieht der bis zu Hals tätowierte Schotte aus wie ein waschechter Bad Boy, doch in Wirklichkeit hält er sich schon seit über zwei Jahren von Frauen fern. Dafür konzentriert er sich voll und ganz auf sein Fotografie-Studium, das er schon sehr bald abschließen wird.
Als Callum auf Ella trifft, ist es um ihn geschehen. Er fühlt sich unwiderstehlich angezogen von der schönen Französin. Und auch Ella merkt schnell, dass Callum sie lange nicht so kalt lässt, wie sie es sich anfangs wünscht. Doch nicht nur Ellas Freund, sondern auch ihre unterschiedlichen Lebensrealitäten stehen ihrem Glück im Weg.

Meine Meinung:
Ich bewundere die Autorin dafür, wie sie es geschafft hat, einen so komplizierten Plot über vier Bücher hinweg immer wieder neu zu erzählen - und das ohne grobe Logikfehler! Die Geschichten der L.O.V.E.-Reihe spielen nämlich gleichzeitig und decken jeweils ein komplettes Jahr ab. Der Aufbau der Reihe unterscheidet sich also maßgeblich von anderen New-Adult-Serien.
Ich würde „A single kiss“ als leise Geschichte bezeichnen. Es passiert zwar unglaublich viel, was ja auch gar nicht verwunderlich ist bei so einer langen Zeit, doch all das entwickelt sich eben langsam.
Man erlebt hautnah mit wie aus vier fremden Frauen Freundinnen werden. Auf dieser Freundschaft liegt auch ein großer Fokus, sodass die Geschichte über hundert Seiten braucht, bevor es überhaupt zum ersten Treffen zwischen Callum und Ella kommt. Das ist ungewöhnlich und vielleicht nicht jedermanns Sache. Mir persönlich gefällt diese Herangehensweise sogar besser als manche Bücher, die sich so stark auf die beiden Hauptcharaktere fokussieren, dass alles andere dahinter verschwimmt. Die Nebenfiguren sind dann oft nur noch platte Abziehbilder und das ist bei der L.O.V.E.-Reihe definitiv nicht so.
Der Schreibstil der Autorin ist sehr detailliert und meistens gut zu lesen. Ab und zu stolpert man über den ein oder anderen Schachtelsatz, aber darüber kann ich hinwegsehen. Das Buch wechselt immer wieder zwischen Callums und Ellas Sicht. Bei Callum sind mir besonders positiv die vielen schönen Referenzen zu seiner schottischen Heimat in Erinnerung geblieben.
„A single kiss“ vermittelt dem Leser eine warme, liebevolle Atmosphäre. Die Welt von Ella und ihren Freundinnen wird gut greifbar und man fühlt sich als Leser schnell darin zuhause.
Gefühlt folgt die Geschichte keinem typischen Spannungsbogen, sondern ist - wie das Leben selbst - eine Aneinanderreihung von verschiedenen Phasen, von Irrungen und Wirrungen, die Ella und Callum zu überwinden haben, bevor sie miteinander glücklich werden können. Das macht sie sehr realitätsnah und nachvollziehbar.
Obwohl mir das Tempo der Entwicklung zwischen Ella und Callum sehr gut gefallen hat, fehlte mir stellenweise das Gefühl für ihre Beziehung. Beide sind sympathische, runde Charaktere, mit Stärken und Schwächen, denen man es gönnt glücklich zu werden, die sich gut ergänzen und deutlich ineinander verliebt sind. Trotzdem hat mich aus nicht rational zu erklärenden Gründen nicht dieses Fieber gepackt, dem man manchmal beim Lesen verfällt, wenn man sich nichts mehr als ein Happy End für diese Personen wünscht.
Dafür ist mir die Freundschaft der vier Mädels wirklich nah gegangen. Mein Leser-Herz habe ich dann endgültig an die Liebe von Oxy und Ellas Bruder Henri verloren. Obwohl die Geschehnisse zwischen den beiden nur eine Randhandlung bildeten, konnten sie mich wirklich packen. Ich werde also ganz bestimmt den zweiten Band der Reihe lesen. Vielleicht nicht gleich sofort, weil die Bücher so umfangreich sind, aber irgendwann in den nächsten Monaten bestimmt.

Fazit:
„A single kiss“ ist kein typischer New Adult Roman. Da die einzelnen Bände der Reihe gleichzeitig spielen, kann man sie problemlos unabhängig voneinander lesen. Es handelt sich um eine facettenreiche Geschichte mit liebevoll ausgearbeiteten Charakteren, die alle nach ihrem Weg in der Welt suchen und sich gegenseitig dabei helfen. Die L.O.V.E.-Reihe erzählt vom Leben mit seinen Hürden und von der Art Menschen, die man an seiner Seite braucht, um damit fertig zu werden. Es gibt hier und da kleine Schwächen, trotzdem würde ich „A single kiss“ als Einzelband sowie die gesamte Buchreihe uneingeschränkt weiterempfehlen.

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