Brisantes Thema
Lou Beck ist es ja gewohnt, dass ihre Mutter öfter mal ein kleines Abenteuer wagt. Aber so ganz ohne ein Lebenszeichen ist sie noch nie für längere Zeit von der Bildfläche verschwunden und das bereitet ...
Lou Beck ist es ja gewohnt, dass ihre Mutter öfter mal ein kleines Abenteuer wagt. Aber so ganz ohne ein Lebenszeichen ist sie noch nie für längere Zeit von der Bildfläche verschwunden und das bereitet Lou große Sorge. Sie setzt alle Hebel in Bewegung, um ihre Mutter ausfindig zu machen und die Spur führt geradewegs in die Hölle...
In "Schöner sterben in Bern" widmet sich Nicole Bachmann den Themen begleitetes Sterben und Organhandel und bricht dabei mit den großen Tabus, denn dieses heiße Eisen anzufassen ist schon sehr brisant und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Die Idee, diese Thematik als Grundlage für einen Krimi zu nehmen, finde ich gut gelungen, denn sie bietet jede Menge Zündstoff, regt zum Nachdenken an und setzt so wichtige Impulse, um den Leser während und nach der Lektüre mit dem Gelesenen gedanklich zu beschäftigen.
Doch mit der Umsetzung bin ich nicht ganz glücklich, denn der Roman benötigt ganze 130 Seiten, um den Leser an die Seiten zu fesseln. Vorher ist die Erzählung recht theoretisch, mit medizinischen Fachbegriffen und einem Ausflug in den ICD-10-Katalog bestückt, was, wenn man nicht gerade beruflich damit zu tun hat, schon ab und an für einige Fragezeichen über dem Kopf des Leser sorgt.
Lou wirkt in manchen Szenen heillos überfordert und das schlägt sich auch auf ihre Aktionen nieder - etwas unkoordiniert, ein wenig voreilig und unstrukturiert. Nichts desto trotz kann sie den Leser aber in weiten Teilen an die Hand und auf ihrer Odyssee bei der Suche nach ihrer Mutter mitnehmen. Sie hat es mit skrupellosen Organhändlern zu tun, die eiskalt und sehr berechnend das Geschäft mir dem Tod zur Gewinnmaximierung einsetzen und dabei ist es ihnen völlig egal, ob sie gegen ethische Grundsätze verstoßen.
Die Figuren sind von Nicole Bachmann sehr passend ausgesucht und angelegt - vom Halbgott in weiß; der sich wirlich als Werkzeug des Allmöchtigen versteht, über den verblendeten Mitläufer, der aus Liebe alles tun würde, bis hin zum herzensguten Philipp, der als Retter in höchster Not die Reißleine ziehen kann, ist hier ein breites Spektrum an unterschiedlichen Typen zu finden, die für ordentlich Wirbel zwischen den Seiten sorgen.
Leider setzt der Spannungsbogen erst recht spät an, sorgt aber dann dafür, dass sie letzten 120 Seiten die Nerven so richtig flattern lassen. Beklemmende Szenarien lassen den Puls in die Höhe schnellen und entschädigen so für den eher seichten Verlauf der ersten Hälfte.
Ich kann dem Krimi leider nur 3 Sternchen vergeben, denn die Autorin verschenkt hier unglaublich viel brisantes und aufregendes Potential.