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Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Normalität des Bösen

Der Tod ist mein Beruf
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Dieses Buch ist Fiktion, doch gleichzeitig ist es ein historisches Dokument, denn Merle hat geradezu akribisch die tatsächlichen Berichte und Tagebücher eines Monsters aufgearbeit und in eine literarische ...

Dieses Buch ist Fiktion, doch gleichzeitig ist es ein historisches Dokument, denn Merle hat geradezu akribisch die tatsächlichen Berichte und Tagebücher eines Monsters aufgearbeit und in eine literarische Form gebracht. Es geht um den Lagerkommandanten Rudolf Höß, der hier Rudolf Lang genannt wird.

Wir lernen ihn 1913 kennen, als einen durchaus sympathischen Jungen, der unter der Fuchtel seines übermächtigen und vor allem drillenden Vaters steht. Dieser Vater verlangt Perfektion in allem, eine Leistung, derer niemand fähig ist. Minderwertigkeitskomplexe sind die logische Folge, ganz besonders, als der Vater von ihm verlangt, dass er Priester wird - der Sohn soll Priester werden, um für die Sünden des Vaters zu büßen. Rudolf ist von Anfang an fasziniert vom Militär, so sehr, dass er sich nach dem Tod des Vaters sogar freiwillig und noch sehr jung für den ersten Weltkrieg meldet.

Das Militär wird ihn auch nie wieder loslassen, vor allem, da sich immer wieder Männer finden, die ihm geben, was er von seinem Vater gewohnt ist: Härte, Unnachgiebigkeit, Disziplin und eine Aufgabe im Leben. Er gehorcht, und er gehorcht gern. Das Militär fordert und fördert ihn, und er ist einer der Ersten, die dem Nationalsozialismus folgen. So wird er irgendwann Leiter von Ausschwitz und er betreibt die Ermordung der Juden mit so viel Effizienz und deutscher Gründlichkeit, dass einem beim Lesen geradezu schlecht werden kann, nein, muss. Das Schlimme ist, dass Rudolf trotz allem nicht einmal unbedingt unsympathisch ist. Manchmal ist er so normal wie der Nachbar von nebenan, und diese Normalität lässt einen frösteln, vermittelt aber ein sehr gutes Bild davon, wie es sein konnte, dass sich so viele und vor allem so gewöhnliche, nicht psychopathische Menschen einer so unmenschlichen Diktatur anschlossen und sie zum Teil auch begeistert unterstützten.

Ein extrem wichtiges Buch, das eigentlich in Schulen gelesen werden sollte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Auf der Jagd nach dem magischen Ripper

Die Toten im Schnee
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Dubric Byerly ist nicht nur ein Adliger und "Sicherheitschef" im Schloss Faldorrah. Er ist außerdem über siebzig Jahre alt, was in einem mittelalterlichen Setting schon einmal für Probleme sorgt, denn ...

Dubric Byerly ist nicht nur ein Adliger und "Sicherheitschef" im Schloss Faldorrah. Er ist außerdem über siebzig Jahre alt, was in einem mittelalterlichen Setting schon einmal für Probleme sorgt, denn Physiotherapeuten oder gescheite Ärzte haben die da jedenfalls nicht. Doch das sind nicht die einzigen Sorgen, die er hat. Er ist außerdem verflucht: Wird jemand im Schloss ermordet, sieht er dessen Geist. Und die Geister der Ermordeten nehmen es nicht einfach hin, wenn der Täter nicht sofort gefasst ist. Obwohl Dubric der Einzige ist, der sie sehen kann, werden sie ihm gegenüber auch gerne einmal gewaltätig. Richtig schlimm wird es, als ein Serienkiller im Schloss umgeht, der anscheinend selbst wie ein Geist umgehen und morden kann.

Was für ein Wahnsinnsdebüt! Was für tolle Charaktere! Selten habe ich so gut ausgearbeitete Protagonisten in einem Fantasyroman (oder jedem anderen Buch, was das angeht) gesehen, Leute, die tatsächlich "lebendig" wirken. Da ist nicht nur Dubric, der einem ratzfatz nahe steht, auch seine Untergebenen und Assistenten sind Männer und Jungen, für die man durchs Feuer gehen würde. Ab und zu gibt uns die Autorin sogar Einblick in die Gedankenwelt des Mörders - ob das notwendig ist, vermag ich nicht zu beurteilen, stören tut es jedoch sicherlich nicht. Der Schreibstil fesselt, hält fest und lässt nicht mehr los, bis die letzte Seite umgeblättert ist und dann sitzt man da und denkt "Ach, Menno!" Keine Panik, es gibt noch zwei Sequels!

Also: Wer intelligente Fantasy mit sympathischen Protagonisten und einem verdammt guten Setting sucht, ist hier absolut an der richtigen Stelle!

Veröffentlicht am 15.09.2016

100 % Witz, Sarkasmus und Gesellschaftskritik

Die Känguru-Chroniken (Känguru 1)
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Erst mal vorneweg: Ich habe zwar das Buch, aber am besten ist es, sich das Ganze als Hörbuch anzuhören. Marc-Uwe Kling liest selbst, und er liest grandios. Und jetzt zu der schwierigen Aufgabe zu beschreiben, ...

Erst mal vorneweg: Ich habe zwar das Buch, aber am besten ist es, sich das Ganze als Hörbuch anzuhören. Marc-Uwe Kling liest selbst, und er liest grandios. Und jetzt zu der schwierigen Aufgabe zu beschreiben, WAS er eigentlich liest. Nun ja, es sind alles mehr oder weniger zusammenhängende, extrem amüsante, manchmal auch in der Kehle steckenbleibende Lacher verursachende Kurzgeschichten von vielleicht maximal zwei, drei Seiten.

Kling erzählt von seinem Mitbewohner, eben diesem Känguru, das den Chroniken seinen Namen gab. Es stand eines Tages vor seiner Tür (Allein schon die erste Geschichte: Es klingelt ... Zum Brüllen komisch!) und wollte sich eigentlich nur Mehl ausleihen. Und Eier. Und Butter. Und ... eine Pfanne. Ein Bett. Ach, es zog einfach mal bei ihm ein. Ist sehr links angehaucht, zumindest meistens und kann aber auch den Kapitalisten raushängen lassen, wenn es will. Kling erzählt diese Geschichten so leicht und locker, dass man sich selbst wünscht, bei jedem Klingeln möge ein Känguru vor der Tür stehen und sich irgendwas ausleihen wollen. Er gibt sowohl dem Känguru als auch sich selbst sehr gute Stimmen, die sich hervorragend voneinander unterscheiden lassen und auch eventuell auftretende andere Personen erhalten ihre eigene Person und Stimme.

Er macht sich lustig über diverse Angewohnheiten, Meinungen, Personengruppen, doch nie unter der Gürtellinie (und wenn, dann war's das Känguru!). Seine Gesellschaftskritik geht unter die Oberfläche, und noch während man lacht, denkt man sich manchmal: F...k, eigentlich sollte ich weinen. Aber es ist dann doch zu witzig, als dass man sich mehr als Lachtränen abwischen müsste.

Also: kaufen, hören, amüsieren und vielleicht manchmal sogar durchdenken.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Im Wilden Westen ist die Hölle los!

Revolver Tarot
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Golgotha, am Rande der 40-Meilen-Wüste. Keine Westernstadt wie jede andere. Wer hierher kommt, ist mit Sicherheit etwas Besonderes. Zumindest besonders zäh, denn die ausgebleichten Knochen, die in der ...

Golgotha, am Rande der 40-Meilen-Wüste. Keine Westernstadt wie jede andere. Wer hierher kommt, ist mit Sicherheit etwas Besonderes. Zumindest besonders zäh, denn die ausgebleichten Knochen, die in der Wüste leuchten, erzählen die Geschichte all derer, die es nicht geschafft haben. Einer von ihnen wäre beinahe Jim geworden, ein 15jähriger, der sich auf der Flucht vor dem Gesetz befindet. Dass ausgerechnet Mutt, der Hilfssheriff von Golgotha ihn findet und rettet, ist alles andere als Zufall. Überhaupt bleibt in Golgotha, 1869, nur wenig dem Zufall überlassen. Der Sheriff, Highfather, kann nicht sterben, denn seine Zeit ist noch nicht gekommen. Mutt ist nicht nur Mensch oder Halbindianer. Maude Stapleton, die Frau des Bankers, ist weitaus mehr als nur Ehefrau und Mutter. Und einer, sagen wir zwei Bewohner von Golgotha sind übermenschlicher, als man ihnen ansieht.

Und sie alle sind die letzte Hoffnung der Menschheit, denn unter ihrer Stadt regt sich etwas, etwas, das älter und böser ist als die Menschen, ja, älter als Gott selbst. Seine Diener sind schon aktiv und nicht jeder wird die letzte Nacht überleben ...

Was für ein Ritt! Was für eine überbordende Phantasie! Was für Leute dieser Belcher entworfen hat! Mich hat es total erwischt, bereits mit den ersten Zeilen hat es mich in diese Welt geworfen, reingerissen, mitgerissen, ich habe mitgefiebert, gelacht, mich gewundert. Zugegeben, auf diesen Genremix muss man sich einlassen, gerade zu Beginn mag es etwas verwirren, wenn er plötzlich religiöse Aspekte einbringt, etwas über Engel und Gott schreibt, das man mit Sicherheit so noch nicht gelesen hat. Aber Geduld, das ist wichtig und notwendig, und vor allem ist diese Sichtweise amüsant. Selten habe ich in Fantasybüchern so hervorragend gezeichnete Charakter erlebt, sympathische Leute, die sich jedoch untereinander nicht unbedingt sympathisch sein müssen - wie im real life halt.

Nur eines noch: Ich weiß nicht, wer angefangen hat, dieses Buch als Steampunk anzupreisen. Es ist von Steampunk so weit entfernt wie die Erde vom Andromedanebel. Es gibt nicht mal eine Dampflok, die "steamen" könnte. Wenn man das weiß und abenteuerlich genug ist, sich auf einen Genremix an originellen Einfällen einlassen zu wollen, wird man mit einer Geschichte belohnt, die es locker geschafft hat, mein erstes Highlight dieses noch jungen Jahres zu werden.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein heftiger Ritt

Das Dickicht
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Osttexas, irgendwann nach 1916. Das Land ist noch dermaßen rückständig, dass die meisten Leute leben wie in der Mitte des 19. Jahrhunderts, Sie reiten auf Pferden, haben kaum Technik, kriminelle Banden ...

Osttexas, irgendwann nach 1916. Das Land ist noch dermaßen rückständig, dass die meisten Leute leben wie in der Mitte des 19. Jahrhunderts, Sie reiten auf Pferden, haben kaum Technik, kriminelle Banden halten die Bevölkerung in Atem, und die Pocken rotten ganze Ortschaften aus. In einer dieser winzigen, rückständigen Ortschaften leben Jack und seine Schwester Lula. Ihre Eltern haben sie soeben begraben (Pocken) und ihr Großvater will sie zu einer entfernten Tante bringen, als sie während eines Sturms auf einer Fähre überfallen werden, der Großvater getötet und Lula von Cut Throat Bill und seiner Bande entführt.

Jack ist verzweifelt, er muss um jeden Preis seine Schwester retten. Deshalb schließt er sich Shorty, einem schießwütigen Lilliputaner, und dessen schwarzen Freund Eustache samt dem "Haustier" von Eustache, einem wilden Keiler, an. Unterwegs gabeln sie noch einen Sheriff/Kopfgeldjäger und eine weggelaufene Hure auf, und diese mehr als ungleiche Truppe macht sich auf die Jagd nach den Desperados, dabei von einer heftigen und tödlichen Situation in die nächste stolpernd.

Meine Fresse, was für ein Buch. Dieser Lansdale kann schreiben, dass einem die Ohren schlackern! Seine Protagonisten sind gleichzeitig totale Ar... er und Helden, sie sind dreckig, stinken, haben nur Knete im Kopf und stehen trotzdem vor einem, als würde man einen Film schauen. Er nimmt nie ein Blatt vor den Mund, da wird gemordet, geradezu gemetzelt, in den Straßen tappt man durch Jauche, das Wort "Nigger" kommt alle paar Seiten vor, aber nicht der Schockwirkung Willen, sondern weil die einfach alle so geredet haben. Das Schicksal von Jacks Schwester ist klar, ohne dass es großartig beschrieben werden muss, und die Kugeln pfeifen einem alle paar Minuten um die Ohren, wobei die Waffen damals scheinbar wirklich so miserabel waren, dass man schon zehn Meter vor einem Scheunentor stehen musste, um es überhaupt zu treffen.

Also: krass, übelst fesselnd, nicht mitreißend, eher an den Ohren packend und durch den Schlamm zerrend, während man selbst schreiend und Füße strampelnd versucht, dran zu bleiben. Genial! Ich muss unbedingt mehr von Lansdale lesen!