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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.02.2021

Mahnend und drastisch

2,5 Grad - Morgen stirbt die Welt
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Vielleicht nicht morgen, aber unser Planet bekommt durch uns Menschen auf jeden Fall ernste Probleme. Unter den meisten ist es unbestritten, dass etwas passieren wird und dass wir einiges ändern müssen.

Mit ...

Vielleicht nicht morgen, aber unser Planet bekommt durch uns Menschen auf jeden Fall ernste Probleme. Unter den meisten ist es unbestritten, dass etwas passieren wird und dass wir einiges ändern müssen.

Mit “2,5 Grad - Morgen stirbt die Welt” gibt es einen weiteren Roman/Thriller der diese Thematik aufgreift. Mittels einer fiktiven, teils sehr drastischen Geschichte rund um eine junge Frau, die beschließt, die Untätigkeit der Obersten nicht länger hinzunehmen.

Die Handlung spielt in näherer Zukunft, Extremwetterereignisse passieren quasi monatlich und viele Städte an Deutschlands Küsten sind regelmäßig überschwemmt, in Asien wurden Mauern gegen den steigenden Meeresspiegel gebaut, und diverse Inseln gibt es nicht mehr. Alles Science Fiction?

Möglich. Aber das Buch zeigt auch, dass radikale Kräfte in solchen Krisen Nährboden finden, dass die Politik hilflos ist, teilweise auch aufgrund des Mehrheitsprinzips, und dass die Reichen letztendlich aufgeben und nur mehr ihren Hintern retten wollen.

Viele Elemente dieser Geschichte kommen uns frappierend vertraut vor. Auch die Verzweiflung, die Menschen wie hier Leela (gesprochen Lila) Faber innerhalb von nur zwei ereignisreichen Wochen zu schier unfassbaren Taten zwingt.

Noch sind solche Bücher unterhaltsam, wenn auch mahnend. Tun wir alles dafür, dass das so bleibt.

Noah Richter ist ein Pseudonym von Uwe Wilhelm.

Veröffentlicht am 16.01.2021

Brandaktuell und fantastisch

Der neunte Arm des Oktopus
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“Fantastisch” wird heutzutage gerne nur als “großartig” verwendet, hat aber im Wortstamm die wichtigere Bedeutung: die der Wunschbilder und Illusionen.

Auf “Der neunte Arm des Oktopus” trifft für mich ...

“Fantastisch” wird heutzutage gerne nur als “großartig” verwendet, hat aber im Wortstamm die wichtigere Bedeutung: die der Wunschbilder und Illusionen.

Auf “Der neunte Arm des Oktopus” trifft für mich mehr zweiteres als ersteres zu. Der Thriller ist gut gemacht, unterhält und hat viele authentische Details. Er ist gut recherchiert, Dirk Rossmann und seine Helfer haben viel Arbeit reingesteckt.

Der Autor versucht aber auch, einen möglichen (baldigen) Ausweg aus der Klimakrise zu finden, der natürlich an politischen Allianzen nicht vorbei kann und Gegner auf den Plan ruft. Das liest sich alles gut, aber für mich zu fantastisch, zu unwahrscheinlich, dass wir das so schaffen werden. Ad hoc habe ich auch nicht “die” Lösung, aber ich vermute, dass es - sollte es doch noch gelingen, anders passieren wird.

Aber zurück zum Buch: Am Beispiel Einzelner führt der Autor uns in größeren und kleineren Schritten vom Jahr 2018 bis 2100. Gleichzeitig gibt es noch biologische Exkurse zum Oktopus und seiner Rolle in dieser Geschichte.

Kann die Wende tatsächlich gelingen, können die Menschen die Erde “retten”? “Der neunte Arm des Oktopus” ist kurzweilig und spannend, gleichzeitig regen einzelne Details und (bei allem Fantasmus) Fakten zum Nachdenken an. Reicht es, zu hoffen, dass “wir” es schaffen? Was kann ich als Einzelner tun? Nachhaltige Gedanken zwischen zwei Buchdeckeln.

Veröffentlicht am 28.12.2020

Eine Stimme für Kinder ohne Heim

Die Schweigende
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Anhand einer fiktiven Hauptperson und ihrer Familie spricht Ellen Sandberg hier in ihrem Roman (wie auch in den Vorgängern) wieder ein ernstes, wichtiges Thema an. Nachdem der Zweite Weltkrieg schon länger ...

Anhand einer fiktiven Hauptperson und ihrer Familie spricht Ellen Sandberg hier in ihrem Roman (wie auch in den Vorgängern) wieder ein ernstes, wichtiges Thema an. Nachdem der Zweite Weltkrieg schon länger vorbei war, wurde vielen Kindern in Deutschland dennoch das Leben, zumindest aber ihre Jugend richtiggehend versaut.

Und das im Namen der katholischen Kirche in bestimmten Heimen. Auf die Umstände wurde erst viel später hingewiesen und die betreffenden Institute geschlossen. Wie lange Betroffene damit zu kämpfen hatten und haben, ist schwer vorstellbar. Einen kleinen Einblick gibt die Autorin in “Die Schweigende”.

Über welche Geheimnisse in ihrer Familie lange geschwiegen wurde, erfährt Imke Remy eher durch Zufall und da sie neugierig ist, forscht sie nach. Die beiden Bücher, die sie zum Thema Kinderheime liest, sind ebenfalls fiktiv, aber Ähnliches findet man online auf jeden Fall.

Die Geschichte um Imke wird ergänzt durch Rückblicke, die erschreckend authentisch wirken. Ein wenig viel Raum nehmen aktuelle Streitereien zwischen Familienmitgliedern ein, da steigern sich die Charaktere schon stark hinein und das wirkt etwas zu überzeichnet.

Alles in allem ein wichtiges Thema spannend und eindringlich umgesetzt, ein Roman mit Krimi-Elementen und einem Cameo-Auftritt einer aus anderen Büchern bekannten Ermittlerin.

Veröffentlicht am 28.10.2020

Fakt und Fiktion über Grenzen hinweg

Die Krieger
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Nick Marzek ist fast schon ein “fiktiver klassischer, moderner deutscher Ermittler”. Er hat so seine Problemstellen, die ihn verfolgen und hält sich durch seine Arbeit aufrecht. Er hat einen Sohn der gerade ...

Nick Marzek ist fast schon ein “fiktiver klassischer, moderner deutscher Ermittler”. Er hat so seine Problemstellen, die ihn verfolgen und hält sich durch seine Arbeit aufrecht. Er hat einen Sohn der gerade erwachsen wird und ansonsten nicht viele Freunde oder Kontakte. Seine intensivsten Gespräche führt der Berliner, der nach München zog, wohl am ehesten mit Zeugen und Verdächtigen.

Hätte der Krimi eine stärkere humoristische Ader, hätte man aus dem Berlin-München-Gegensatz noch mehr rausholen können. Aber der Ton ist grundsätzlich eher sachlich und ernst, daher wird dieser Aspekt nicht zu sehr ausgereizt.

Über Zeitungsartikel, Filme und Musik wird die Atmosphäre und die zeitliche Einordnung (Achtzigerjahre) dafür gut dargestellt, ohne zu viel Raum einzunehmen.

Wichtiger sind im Krimi natürlich auch die Verbrechen. Und diese sind teilweise tatsächlich passiert. Der Autor hat in der jüngeren deutsch-italienischen Geschichte recherchiert und Fälle gefunden wo bis heute einiges unklar geblieben ist. Er verarbeitet zwei reale Personen in einem unterhaltsamen und realitätsnahen Kriminalroman.

Realitätsnah auch deshalb weil es immer wieder Kapitel gibt, die die mühselige Ermittlungsarbeit (noch dazu im Ausland und 1984) gut wiedergeben. Das macht aus “Die Krieger” nicht direkt einen bedingungslosen Pageturner. Wer sich darauf einlassen kann wird hier aber gut unterhalten. Zudem gibts einen kleinen Italienisch-Kurs und ein ausführliches Nachwort von Martin Maurer. Hier wird angedeutet, dass Nick weitere Auftritte bekommen soll. Das lässt hoffen und verzeiht so manchen losen Faden am Ende.

Veröffentlicht am 16.10.2020

Waffenkampf statt Klassenkampf

Capitana
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Eine der härtesten, nicht-weißen, weiblichen Hauptfiguren der aktuellen Krimi-Literatur ist wieder zurück: Lola Vasquez, Anführerin, Drogenboss, Mutter und Latina (in stetig wechselnder Reihenfolge). ...

Eine der härtesten, nicht-weißen, weiblichen Hauptfiguren der aktuellen Krimi-Literatur ist wieder zurück: Lola Vasquez, Anführerin, Drogenboss, Mutter und Latina (in stetig wechselnder Reihenfolge). Zwischen all ihren legalen und weniger legalen Aktivitäten im multikulturellen Los Angeles droht sie immer wieder, sich selbst zu verlieren.

Auch wenn Drogen, Waffen, Gewalt und Blut Lolas Welt bestimmen, finden sich im Thriller auch immer wieder nachdenkliche, kritische Zeilen. Melissa Scrivner Love verbindet Lolas fiktives, aber wohl auf vielen realen Biografien fußendes Leben mit Gesellschaftskritik am Amerika der “Weißen Männer”. Rassismus, Armut und Verbrechen lauern hinter vielen Mauern und unscheinbaren Gesichtern.

Für einen echten Klassenkampf sind die Unterschiede zu groß, dennoch drückt man Lola und ihrer Gang immer wieder die Daumen gegen das System, das sie einerseits unterdrückt, in dem sie sich aber so gut wie möglich zurechtfinden und einfügen (um nicht aufzufallen und weiter ihre Geschäfte machen zu können).

Lolas Welt ist weit von unserer entfernt, ist illegal, gefährlich und weitestgehend unmoralisch. Aber als Charakter ist sie faszinierend und durch ihre Brille betrachtet, ist das was sie tut logisch und fast verständlich. Eine Anti-Heldin die für die Dauer des Buches als Heldin durchgeht. Eine toughe Frau die im Rahmen ihrer Möglichkeiten das Richtige tut.

“Capitana” ist Band 2 um Lola Vasquez. Die Reihe startet mit “Lola”.