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Veröffentlicht am 05.02.2021

Packender Schmöker mit allem, was dazugehört

Elbleuchten
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„Frauen müssen Kinder bekommen. Wenn sie plötzlich alle damit aufhören und studieren gehen, was glaubst du was, was passiert dann? Willst du, dass es keine Kinder mehr gibt? Oder Kinder ohne Mütter? Sollen ...

„Frauen müssen Kinder bekommen. Wenn sie plötzlich alle damit aufhören und studieren gehen, was glaubst du was, was passiert dann? Willst du, dass es keine Kinder mehr gibt? Oder Kinder ohne Mütter? Sollen vielleicht die Männer auf die Kinder aufpassen?“

An einem Sommertag 1886 in Hamburg ändert sich Lily Karstens Leben. Die junge Frau stammt aus einer der angesehensten Reederfamilien der Stadt. Sie wohnt mit ihrer Familie in einer großen Villa, wird stets von Dienstboten umsorgt, ist mit dem Medizinstudenten Henry verlobt, besucht das Lehrerinnenseminar und träumt insgeheim davon, Schriftstellerin zu werden. Bei einer Schiffstaufe kommt es zu einem schlimmen Unglück: Der Arbeiter Paul verletzt sich schwer, nur weil er Lily ihren vom Wind weggewehten Hut zurückbringen will. Lily möchte dem Mann unbedingt helfen. Sie lernt Jo Bolten aus dem Hafenviertel kennen, der für seinen verletzten Freund bei den Karstens vorspricht, aber von Lilys Bruder Franz abgewiesen wird. Jo stellt für Lily Kontakt zu Pauls Familie her und zeigt ihr das Elend der Menschen in seinem Viertel. Die junge Frau nimmt sich vor, etwas gegen die Zustände zu unternehmen, auch wenn das bedeutet, dass sie ihr bisheriges Leben so nicht weiterführen kann.

Miriam Georg schreibt angenehm und unkompliziert, meist aus Lilys, aber auch mal aus Jos, Franz oder Vater Alfreds Sicht. Dank des lebendigen, ansprechenden Schreibstils hatte ich keine Mühe, in das Geschehen hineinzufinden, tauchte sofort emotional in die Geschichte ein.

Lily Karsten wächst gut behütet auf, genießt viele Privilegien der Reichen. Sie sorgt sich um andere, wirkt unverdorben und ganz schön naiv „in ihrem Glauben an das Gute im Menschen“. Jo Bolten zeigt Lily die dunkle Seite Hamburgs, das ganze Ausmaß der Armut und des Elends. Er nimmt ihr damit einiges von ihrer „heilen Welt“. Gleichzeitig weckt ihre Freundin Emma in Lily das Bewusstsein dafür, dass Frauen kaum Entfaltungsmöglichkeiten haben. Lily möchte Missstände beseitigen, sich für Benachteiligte einsetzen, die Welt zu einer besseren machen. Aber sie ahnt nicht, welche Entwicklungen sie damit in Gang setzt. Mit Lily musste ich, trotzdem sie sich nicht immer sehr vernünftig und besonnen verhält, mitfiebern.
Jo Bolten ist kein „glatter“ Charakter, er weiß, was es bedeutet, arm zu sein, tut Dinge, die moralisch fragwürdig sind, um zu überleben und seine Familie durchzubringen. Jo kennt sich in der Hamburger Unterwelt aus wie kein zweiter.
Jo und Lily sind so verschieden wie Tag und Nacht. Trotzdem finden sie einander und verändern das Leben des anderen. Dass die Hauptfiguren aus so unterschiedlichen Milieus stammen, macht den besonderen Reiz der Geschichte aus. Überhaupt gefallen mir die Charaktere, die sich Miriam Georg ausgedacht hat: die fortschrittliche, kluge und pragmatische Emma, der unangenehme, hartherzige Franz mit seinem düsteren Geheimnis, der zwielichtige Unternehmer Oolkert, Jos rauer irischer Freund Charlie, der immer wieder in Schwierigkeiten gerät, Lilys Vater, der für seine Familie doch nur das Beste will oder Lilys kleiner, lebensfroher Bruder, der niemals mit anderen Kinder Kontakt haben darf. Viele Personen haben besondere Geheimnisse, die unter keinen Umständen publik werden sollten. Eine bunte Mischung aus Figuren aus ganz verschiedenen Gesellschaftsschichten.

Dramatisch, was sich in Lilys Leben abspielt, je tiefer sie in die zwielichtigen, dunklen Ecken Hamburgs gerät. Sie stellt ihr ganzes Leben auf den Prüfstand. So begütert und angenehm ihre Familie lebt, so entsetzlich sind die Zustände in den ärmlichen Gegenden. Hautnah bekommen die Leser die zwei Gesichter einer Stadt mit.
Gegen Ende entwickelt sich alles derart rasant, dass weder Lily noch die Leser zur Ruhe kommen.

Elbleuchten hat alles, was ein richtiger Schmöker braucht: eine Liebe, die nicht sein soll, eine tragische Familiengeschichte, eine Heldin, die die Welt verbessern möchte, düstere Charaktere mit Geheimnissen und einen so vielfältigen Schauplatz. Mit „ Elbleuchten“ reisen die Leser gemeinsam mit Lily in die Vergangenheit, tauchen in die Atmosphäre Hamburgs des Jahres 1886 ein, blicken genauso in die glanzvollen Ecken wie in die düstersten Winkel, in den Abgrund. Für mich ein rundum unterhaltsamer, mitreißender Roman mit dramatischem Ende, auf dessen Fortsetzung ich mich schon jetzt freue.

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Veröffentlicht am 03.02.2021

Besonderer, aber durchaus herausfordernder Roman über Neuanfänge und die Macht von Begegnungen

Das Knistern der Sterne
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„Das Leben ist, was wir aus ihm machen. Die Reisen sind die Reisenden. Was wir sehen, ist nicht, was wir sehen, sondern was wir sind.“

Stella steht vor den Trümmern ihrer Existenz: Ihre Ehe ist gescheitert ...

„Das Leben ist, was wir aus ihm machen. Die Reisen sind die Reisenden. Was wir sehen, ist nicht, was wir sehen, sondern was wir sind.“

Stella steht vor den Trümmern ihrer Existenz: Ihre Ehe ist gescheitert und auch ihre Arbeit als Masseurin hat sie nach einem unglücklichen Zwischenfall verloren. Jetzt wohnt sie in einer Jugendherberge und hat keinen Plan. Da trifft sie auf Balthasar. Der ältere Herr bittet Stella, ihn auf einer Kreuzfahrt zu begleiten. Dort soll sie ihm jeden Abend beim Abendessen Gesellschaft leisten, darf aber keine persönlichen Fragen stellen. Stella willigt ein. Schon bald bemerkt sie, dass Balthasar ein großes Geheimnis hat, dem sie unbedingt auf den Grund gehen möchte.

Autorin Claire Hoffman pflegt einen sehr individuellen Sprachstil. Sie schreibt klar und verständlich, aber auch sehr „dicht“. Hinter jedem Satz steckt noch eine tiefere Bedeutung, das ist zum Lesen äußerst spannend. Es war oft ein Genuss, in die hintergründigen Sätze einzutauchen, mitunter wurde es aber auch recht anstrengend und herausfordernd. Ich musste schon sehr genau und aufmerksam lesen, um keine Anspielung, keine Entwicklung zu verpassen. Claire Hoffmann nimmt Stellas Sicht ein, erzählt von vielen besonderen Begegnungen, die die Hauptfigur erlebt. Wenn die gemeinsamen Abendessen von Stella und Balthasar auf dem Schiff thematisiert werden, gebraucht die Autorin nur wörtliche Rede. Wie in einem Ping-Pong-Spiel reagieren die beiden immer wieder spontan auf die Aussagen ihres Gegenübers. Die Szenen erinnern an ein Theaterstück oder ein Drehbuch.

Stella mit ihrer „verqueren Geschichte, ihrer Neugier, ihren gebrochenen Flügeln und ihrer unbeschädigten Lust aufs Leben“ ist ein tiefgründiger Charakter. Früher verfügte sie über ein besonderes Gespür für Menschen, das ist ihr aber abhanden gekommen. Sie vermittelt jetzt den Eindruck von Orientierungslosigkeit und Verlorenheit. Auf der Suche, ihre „Gabe“ wiederzuerlangen, begibt sie sich mitunter auf Abwege, verhält sich manchmal so unverständlich, dass ich als Leserin sie gerne auf den „richtigen Pfad“ zurückführen wollte.
Balthasar mit seiner Menschenphobie meidet jede Form von Gesellschaft. Er benimmt sich oft seltsam, ist schwer einzuschätzen, undurchschaubar. Aber für Stella sind die anstrengenden Gespräche mit ihm anregend und bereichernd: „Seine klugen Gedanken gaben ihr immer wieder das Gefühl, die Welt sei irgendwie doch zu verstehen, die Gewissheit, dass ihr eigenes Innenleben nicht einfach nur ein Chaos war, und dass es sich lohnte, sich Gedanken zu machen und den Dingen auf den Grund zu gehen.“
Komplettiert werden Stella und Balthasar von dem ungewöhnlichen Jungen Luis, den sie auf dem Schiff kennenlernen. Luis, der auf Stella wie „ein verkleideter Zwerg“ wirkt mit seiner Tapferkeit und seinem Witz.
Auf dem Schiff trifft Stella auf verschiedene Personen, die sie teilweise zu ihrem Glück zu zwingen versucht. Aber vielleicht ist es auch andersherum? Hoffmanns Figuren sind alle sehr speziell: besonders, interessant, sie fordern sich gegenseitig heraus, verändern sich durch den Kontakt mit anderen, werden manchmal gar durch andere zu besseren Menschen. Eine überaus abwechslungsreiche, faszinierende Figurenauswahl und -konstellation ist der Autorin gelungen.

„Das Knistern der Sterne“ ist kein einfacher Roman. Autorin Claire Hoffman kann schreiben, hat definitiv was zu sagen. Sie gibt dem Leser einiges zum Nachdenken, reiht einen Denkanstoß and den nächsten, da verliert man wie Stella schon mal die Orientierung, den roten Faden. Vielleicht ist das aber genauso gewollt. Das Ende stimmt versöhnlich und zuversichtlich, möglicherweise ist eine kleine Nuance zu „rosa“. Dennoch, es passt. Ich wünsche mir sehr, dass Stella mit ihrem Resümee Recht behält und in der Welt Gehör findet: „Man muss einander helfen, es gibt keine andere Möglichkeit zu leben auf dieser Erde. So einfach ist das. Und so kompliziert.“
Ein ungewöhnliches, nachdenkliches Buch über Neuanfänge, Geheimnisse und Beziehungen, voller kleiner, feiner Lebensweisheiten. Mitunter etwas verworren und herausfordernd, aber für mich auf alle Fälle eine lohnenswerte und bereichernde Lektüre. Ich bin froh, dass ich dieses Buch gelesen und genossen habe.

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Veröffentlicht am 30.01.2021

Von Dosenöffnern, Zeitungsknüllern und großen kleinen Geschichten - unterhaltsamer Wohlfühlroman mit viel Humor

Die Erfindung des Dosenöffners
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Timur Aslan ist 20 und arbeitet als freier Mitarbeiter bei einer Lokalzeitung. Besonders erfüllend findet er es nicht, über Hühnerzüchter oder Kegelvereine zu berichten. Er hofft, ein Volontariat bei ...

Timur Aslan ist 20 und arbeitet als freier Mitarbeiter bei einer Lokalzeitung. Besonders erfüllend findet er es nicht, über Hühnerzüchter oder Kegelvereine zu berichten. Er hofft, ein Volontariat bei einer größeren Zeitung zu erhalten, muss sich dafür aber erst beweisen. Deshalb ist Timur auf der Suche nach einer richtig guten „großen Story“. „Annette hat ein Geheimnis“ erzählt ihm ein Rentner auf einer Veranstaltung im Vertrauen, doch das interessiert Timur zunächst nicht. Erst als sich keine weiteren Möglichkeiten für einen richtigen „Knüller“ finden, befasst sich Timur näher mit Annette, einer älteren Frau, die im Altenheim lebt. Annette, die behauptet, dass sie den Dosenöffner erfunden hat. Ob das Timurs große Story wird, die seine Karriere als Starjournalist ins Rollen bringt?

Tarkan Bagci, gerade mal Mitte zwanzig, schreibt witzig, manchmal flapsig, klar und direkt aus der Sicht seines Protagonisten Timur Aslan. Er bringt die Dinge oft erstaunlich prägnant auf den Punkt und formuliert beeindruckend treffende Passagen wie „In einem Dorf ist Stille immer romantisch, aber in der Kleinstadt ist sie irgendwie unangenehm. Die Kleinstadt ist wie das ungewollte Kind von Dorf und Großstadt, das selbst nicht weiß, wo es hingehört. Fürs Dorf zu Groß, für die Stadt zu klein. Wie ein Teenager in der Pubertät, hässlich und unentschlossen.“

Hauptfigur Timur ist unzufrieden. Er fühlt „sich schäbig“ und „schämt sich für sein Leben“. Der junge Mann glaubt, in der Kleinstadt festzustecken, die er verachtet, während all seine Freunde etwas aus ihrem Leben „machen“. Dabei weiß er genau, was er will: schreiben, aber eben nicht auf Lokalebene, sondern auf höherer. Anfangs erscheint Timur nicht besonders sympathisch, eher oberflächlich und arrogant, ihm sind Likes wichtiger als Ehrlichkeit, er legt mehr Wert auf den Schein als aufs Sein. Doch als er Annette näher kennenlernt, ändert sich seine Einstellung. Er zeigt, dass in ihm ein echt guter Kerl steckt. Irgendwie liebenswert wirkt auch sein etwas unbeholfener Vater. Und der anfangs ruppigen, distanzierten Annette und ihrem Geheimnis wollte ich sofort auf den Grund gehen. Durchaus interessante Figuren hat Tarkan Bagci für seinen Debütroman entwickelt.

Hat Annette wirklich den Dosenöffner erfunden und wie kam es dazu? Wird Timur mit seinem Artikel über Annette den Durchbruch schaffen?
Zu keiner Zeit langweilig, hat mich „Die Erfindung des Dosenöffners“ durchgehend bestens unterhalten. Als Timur beispielsweise über Modetrends und ihre Entstehung philosophiert, konnte ich gar nicht anders als ihm innerlich ein lautes, zustimmendes „Ja genau“ entgegenzuschleudern. Viele seiner Beobachtungen sind einfach nur komisch und gleichzeitig so scharfsinnig.
Für mich ist „Die Erfindung des Dosenöffners“ eine nette, lesenswerte, einfach schöne Geschichte mit origineller Grundidee, viel Humor und wichtiger Botschaft: „Jeder Mensch hat eine spannende Geschichte, wenn man sie ernst nimmt.“ Das mag harmlos und simpel klingen, ist aber bestimmt wahr. Es lohnt sich, sich mehr mit seinen Mitmenschen zu beschäftigen, sie haben viel zu erzählen. Bagci hat ein absolutes Wohlfühlbuch verfasst, das Lesevergnügen garantiert. Ein Roman für alle, die das Große im Kleinen und das Besondere im Alltäglichen sehen können oder wollen.

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Veröffentlicht am 29.01.2021

Ein rätselhafter, spannender „Puzzlefall“ um illegalen Welpenhandel und einen unbekannten Vater

Die Spur zum 9. Tag
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Der zwölfjährige Bene kennt seinen Vater nicht, ist aber felsenfest davon überzeugt, dass er bei „Ärzte ohne Grenzen“ arbeitet und jeden Tag ganz viele Menschenleben rettet. Als Benes Mutter und ihr neuer ...

Der zwölfjährige Bene kennt seinen Vater nicht, ist aber felsenfest davon überzeugt, dass er bei „Ärzte ohne Grenzen“ arbeitet und jeden Tag ganz viele Menschenleben rettet. Als Benes Mutter und ihr neuer Freund Sebastian in den Urlaub nach Schweden fahren wollen, weigert sich Bene mitzukommen. Also verbringt er die Sommerferien bei seiner Oma in Duderstedt. Schon im Zug auf dem Weg dorthin lernt Bene Mia kennen. Später freundet er sich auch mit ihrem jüngeren Bruder Ole an. In Duderstedt geht es nicht so ruhig zu wie gedacht, erst beobachtet Bene sehr Verdächtiges auf dem Friedhof und dann finden die drei Kinder auch noch Hinweise, die auf illegalen Welpenhandel hindeuten. Als wäre das nicht schon genug, erfährt Bene auch noch Erstaunliches aus Mamas Vergangenheit...

Altersgemäß, witzig und gut verständlich schreibt Autorin Andrea Schomburg in Ich-Form aus Benes Perspektive. Sie formuliert oft sehr bildhaft: „Bei Oma hört man, wie die Zeit vergeht. Langsamer irgendwie als woanders. Man hört, wie ihre Zeitungsseiten rascheln und die Wanduhr tickt. Es riecht sogar langweilig, irgendwie muffig und abgestanden, nach alten Kleidern und Vergangenheit.“ Oft wirkt dieser direkte spezielle Sprachstil authentisch und lebendig, mitunter aber auch ein wenig übertrieben, immerhin soll Bene erst zwölf Jahre alt sein.
„Die Spur zum 9.Tag“ empfehle ich Lesern ab neun, zehn Jahren. Sowohl Jungen als auch Mädchen dürften sich für die dargestellten Themen interessieren. Das Buch enthält wenige hübsch gezeichnete und treffende Illustrationen von Myriam Specht, die den Text auflockern. Das Cover fällt zwar nicht besonders ins Auge ist aber sehr stimmig gestaltet. Es macht neugierig, verrät nicht zuviel und nicht zu wenig. Sehr gelungen!

Bene ist voll in Ordnung, ein unkomplizierter, netter Junge, der zu Tagträumen über seinen unbekannten Vater neigt, aber trotzdem seine Umwelt aufmerksam und scharfsinnig beobachtet. Er ist eine prima Identifikationsfigur für die Leser. Seine neue Freundin Mia erinnert nicht nur äußerlich an Greta Thunberg. Während sich Greta für den Klimaschutz engagiert, setzt sich Mia für das Wohl von Tieren ein. Wenn es um Tiere geht, versteht sie absolut keinen Spaß. Für viel Spaß sorgt dafür Mias Bruder Ole mit seinen oftmals völlig abstrusen Theorien. Ole muss man einfach mögen. Ziemlich realistisch dargestellt ist auch Benes grimmige Oma mit ihren knappen, aber sehr bestimmten Ansagen. „Sie denkt, sie tut den Leuten was Gutes“, liegt aber damit manchmal ziemlich daneben. Von Oma hatten meine Mitleser und ich sofort ein sehr deutliches Bild vor Augen. Andrea Schomburgs ausgewogene Figurenkonstellation hat uns definitiv überzeugt, sie trägt entscheidend zur Qualität des Buches bei.

Schon im ersten Kapitel erklärt Bene, dass seine Geschichte ein Puzzle ist. Und nicht nur das, Bene ist „selber ein Teil des Puzzles.“ Er ist „das Puzzleteil genau in der Mitte.“ Immer mehr einzelne Puzzleteile zusammengesetzt führen schließlich zur Lösung von Benes Puzzlegeschichte: Gibt es in Duderstedt wirklich illegalen Welpenhandel? Wer steckt dahinter? Und wird Benes Traum, seinen Vater endlich kennenzulernen, vielleicht doch Wirklichkeit?
Die Spannung steigert sich mit jedem Kapitel bis zum 9. Tag in Duderstedt.
Auch der Humor kommt dabei definitiv nicht zu kurz. Wenn Ole oder Bene mit bestechender Logik Sätze wie „Aber wahrscheinlich denkt er sich, dass er uns erstmal reinlassen muss, bevor er uns rausschmeißen kann.“ von sich geben, kann man gar nicht anders als herzlich lachen.
Ein turbulenter Krimi mit gewitztem Ermittlertrio, aufregendem Fall um Tierquälerei und illegalem Tierhandel und einem überraschendem Familiengeheimnis. Ein Buch für alle, die Rätsel und Geheimnisse mögen.

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Veröffentlicht am 24.01.2021

Wird Evi die Vergangenheit ändern? Spannende Zeitreise in einem englischen Herrenhaus

Mitternacht in Charlbury House
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Während Evis Mutter mit ihrem neuen Ehemann ihre Flitterwochen in Venedig verbringt, soll Evi bei ihrer unbekannten Patentante Anna in deren angestaubtem Herrenhaus auf dem Land wohnen. Sehr willkommen ...

Während Evis Mutter mit ihrem neuen Ehemann ihre Flitterwochen in Venedig verbringt, soll Evi bei ihrer unbekannten Patentante Anna in deren angestaubtem Herrenhaus auf dem Land wohnen. Sehr willkommen fühlt sich das Mädchen dort nicht:
„So also wird mein Leben in den kommenden Tagen aussehen, dachte ich. Ich werde hier inmitten der Stille herumsitzen und altbackendes Brot essen, mit einem Totenschädel als einzige Gesellschaft.“
Aber dann kommt alles doch ganz anders, als Evi erwartet. Eines Nachts wacht sie auf und befindet sich plötzlich im Jahr 1814 und arbeitet als Dienstmädchen im Haus. Evi spürt schon bald, dass ihre Reise in die Vergangenheit mit einem Auftrag verbunden ist. Sie muss die Vergangenheit ändern, um in die Zukunft zurückkehren zu können.....

Helen Peters schreibt flüssig, lebendig und oft amüsant in Ich-Form aus Evis Sicht. Der Text ist für ausdauernde Leserinnen ab zehn Jahren geeignet und gut verständlich formuliert.
Am Anfang jeden Kapitels finden sich kleine Bilder von einer Uhr oder Grabsteinen. Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Jeder Teil wird mit der gleichen Zeichnung eines historischen Hauses eingeleitet. Die sich wiederholenden Illustrationen stimmen gut auf die Atmosphäre der Geschichte ein.

In Evi, die sich plötzlich im Jahr 1814 wiederfindet, können sich die Leserinnen sicher problemlos hineinversetzen. Sie selbst wären in der Vergangenheit wahrscheinlich ebenso aufgeschmissen wie Evi und fiebern daher vermutlich rasch mit dem Mädchen mit. Evi wirkt nett und sympathisch, lernt schnell, passt sich leicht an und hat ziemlich gute Ideen. Zum Glück hat sie das patente, freundliche Dienstmädchen Polly an ihrer Seite, das ihr stets selbstlos hilft und sie in jeder Situation unterstützt. Nicht alle Figuren aus der Vergangenheit möchte man jedoch gerne persönlich kennenlernen. Im Haus wohnen einige fiese Gestalten, die Evi und ihrer Herrin Sophia das Leben schwer machen. Dass die Charaktere zu unterschiedlichen Zeiten leben und ganz verschiedene Voraussetzungen haben, macht die Personenkonstellation sehr faszinierend. Da treffen oft Welten aufeinander.

Was für eine seltsame, Furcht einflößende Vorstellung, plötzlich in der weit entfernten Vergangenheit aufzuwachen! Wird Evi am Ende, ihre komplizierte Mission erfolgreich erfüllen?
Ganz schön aufregend, was sie im Jahr 1814 alles erlebt.
„Mitternacht in Charlbury Haus“ zeigt die damaligen Zustände sehr anschaulich. Hier erfahren die Leser einiges über das Leben in einem Herrenhaus 1814, was sie sicherlich noch nicht wussten. Und das wird überhaupt nicht trocken, sondern sehr spannend und interessant in die Geschichte eingebunden vermittelt. Mir war nicht bewusst, dass die Fortschritte der Zukunft wie z.B. Wasserleitungen mit fließend warmen Wasser auf Leute damals ähnlich unwahrscheinlich gewirkt haben müssen wie „fliegende Schweine“. So empfindet das zumindest Polly. Und Evi begreift, dass ihr normales heutiges Leben mit Schule im Vergleich zu 1814 geradezu „paradiesisch“ ist.
Evi fühlt sich zwischendurch ganz schön verwirrt. Was ist Wirklichkeit und was Traum? Und die Frage, ob man die Vergangenheit ändern kann, treibt nicht nur Evi, sondern auch die Leserinnen zwangsläufig um und bringt ins Grübeln.
Eine aufregende, mitunter etwas rätselhafte Zeitreise, die auf unterhaltsame und interessante Weise auch gesellschaftliche Entwicklungen thematisiert. Mir hat das Buch gut gefallen.

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