Erzählendes Sachbuch
Hidden Figures - Unerkannte HeldinnenAnhand einzelner Lebensgeschichten umfasst die Autorin die Geschichte der NACA, die später die NASA wurde. Faszinierend ist dabei nicht nur, dass die ausgewählten historischen Figuren allesamt Frauen sind, ...
Anhand einzelner Lebensgeschichten umfasst die Autorin die Geschichte der NACA, die später die NASA wurde. Faszinierend ist dabei nicht nur, dass die ausgewählten historischen Figuren allesamt Frauen sind, sondern auch Afroamerikanerinnen. In einer Zeit, in der die Schulen und Bussitzplätze nach Hautfarben getrennt waren, leisteten diese Frauen die Rechenarbeit für das Langley Memorial Aeronautical Laboratory, die Flugzeugentwicklung und später die Raumfahrt.
Ich habe den Film, zu dem dieses Buch inspiriert hat, noch nicht gesehen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich beim ersten Blick in das Buch sehr verwundert war. Statt einer Geschichte fand ich viele kleine, die mal auseinandergezogen wurde, mal als kurze Episoden daher kamen. Dazwischen aber zeigte das Buch sein wahres Gesicht. Ein erzählendes Sachbuch vielleicht, aber eindeutig ein Sachbuch. Eines, das geschichtliche Veränderungen zeigt, ohne sich zu sehr in einer Geschichte zu verlieren. Am Anfang war ich kurz irritiert.
Das Buch zeigt gleich mehrere hochinteressante Entwicklungen in den USA auf. Zum einen die unterschiedlichen Ausgangspunkte für Weiße und Schwarze, ehe der zweite Weltkrieg auch in Amerika Frauen als Arbeitskräfte entdecken ließ. Statt kleinbürgerlicher Hausfrauen waren die meisten Frauen, die Margot Lee Shetterly fokussiert, erwerbstätig und gleichzeitig Mutter. Fasziniert bin ich vor allem darüber, dass die Frage nach Vereinbarkeit in keinem Moment angesprochen wird. Selbst wenn die Frauen keine Großeltern oder einen Ehemann an ihrer Seite hatten, haben sie ihre Karriere verfolgt. Unschlüssig bin ich aber, ob das Buch sich hier einfach mehr auf die Arbeit der „schwarzen Computer“ konzentriert und andere Probleme einfach außer Acht lässt, oder (was irgendwie unwahrscheinlich ist) es keine gab.
Dabei ist die Geschichte der afroamerikanischen Rechnerinnen der verbindende Handlungsstrang. Die einzelnen Schicksale sind hier miteinander verbunden. Und über diese Gemeinsamkeit blickt das Buch weiter, in die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung hinein. Diskriminierungen und Entwicklungen für die schwarze Bevölkerung Amerikas werden aufgezeigt. Manchmal ist dabei nicht ganz klar, wo der eigentliche Fokus des Buches ist. Hidden Figures will Frauenbewegung, Bürgerrechtsbewegung und die technischen Entwicklungsschritte in Einklang bringen. Auf weiten Strecken schafft das Buch das, aber eben nicht immer. Dann schweift es ab und muss sich wieder – fast sprunghaft – konzentriere, was denn eigentlich das Thema ist.
Dass Margot Lee Shetterly Hidden Figures dazu noch in ihre eigene Biografie einwebt und einen zusätzlichen Rahmen gibt, ist eigentlich unnötig. Es weckt den Anschein, begründen zu müssen, warum gerade sie sich diesen Themas angenommen hat. Das muss ein Autor nicht. Stattdessen wirkt es unsicher und impliziert, dass sie dieses Buch nur schreiben konnte, weil sie auch schwarz ist und darum die Geschichte der Hidden Figures kennt. Damit erreicht sie, was das Buch genau nicht will. Eine künstliche Grenze zwischen Schwarz und Weiß zu ziehen. Schade finde ich gerade hierbei auch, dass Hidden Figures die Erfolge der Bürgerrechtsbewegung und Emanzipation zeigt, aber nicht zugibt, dass in beiden Feldern noch jede Menge aufzuholen ist.