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Veröffentlicht am 17.02.2021

Vorhang auf für John Adderley

Der andere Sohn
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Autorenduos sind in Skandinavien gang und gäbe. Natürlich fallen mir da als erstes die genialen Maj Sjöwall und Per Wahlöö ein, aber auch Michael Hjorth & Hans Rosenfeldt oder die Deutsch-Schweden Roman ...

Autorenduos sind in Skandinavien gang und gäbe. Natürlich fallen mir da als erstes die genialen Maj Sjöwall und Per Wahlöö ein, aber auch Michael Hjorth & Hans Rosenfeldt oder die Deutsch-Schweden Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson. Nun also Peter Mohlin und Peter Nyström, der eine Journalist, der andere Drehbuchautor, die mit „Der andere Sohn“ einen Reihenauftakt vorlegen, der sich durchaus sehen lassen kann.

Im Mittelpunkt der Handlung steht John Adderley, FBI-Agent aus Baltimore, der nach einem missglückten Undercover-Einsatz gegen ein Drogenkartell eine neue Identität benötigt und zu seiner eigenen Sicherheit von der Bildfläche verschwinden muss. Er entscheidet sich für seine alte Heimat Karlstad im schwedischen Värmland. Ein Entschluss, der sich nicht auf nostalgische Gefühle gründet, sondern dem Umstand geschuldet ist, dass seinem Halbbruder Billy der Prozess gemacht wird. Vor zehn Jahren wurde dieser bereits beschuldigt, für das Verschwinden einer jungen Frau verantwortlich zu sein, aber aus Mangel an Beweisen freigelassen. Die Leiche der Frau wurde zwar nie gefunden, aber offenbar können die Ermittler Fortschritte vorweisen, die es rechtfertigen, den alten Fall wieder aufzurollen. Eingeschleust in das Ermittlungsteam hat Adderley alias Fredrik Adamsson schnell Zweifel an den Methoden und Ergebnissen seiner schwedischen Kollegen, vermutet sogar, dass der wahre Täter aus Polizistenkreisen kommt und Billy als willkommenes Opfer benötigt wird, damit der wahre Täter davonkommt.

Die Story ist komplex, bedient sich zweier Zeitebenen, 2009 und 2019, um zum einen die zurückliegenden Ereignisse als auch die Ermittlungsarbeit in diesem Fall zu schildern. Das sorgt für eine ganz spezielle Dynamik, erzeugt sowohl Abwechslung als auch Spannung, hier merkt man ganz klar den Drehbuchschreiber. Die Personen sind mit ihren Stärken und Schwächen gut und glaubhaft charakterisiert, bieten dann und wann auch immer wieder Situationen zum Schmunzeln, die sich im Wesentlichen aus den kulturellen Unterschieden zwischen dem Amerikaner und den Europäern speisen.

Auch wenn die beiden Autoren das Rad nicht neu erfunden haben, ist „Der andere Sohn“ doch ein solider Kriminalroman und ein lesenswerter Reihenauftakt, weshalb ich John Adderley auch im Auge behalten werde.

Veröffentlicht am 16.02.2021

Sydney in Dunkelschwarz

Winter Traffic
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Sydney, Mitte der Neunziger: Ein Richter wird brutal ermordet, die Ermittlungen gehen nicht voran, das Team wird ausgewechselt. Karen Millar von der Internen übernimmt, unterstützt von DS Rawson, der zwar ...

Sydney, Mitte der Neunziger: Ein Richter wird brutal ermordet, die Ermittlungen gehen nicht voran, das Team wird ausgewechselt. Karen Millar von der Internen übernimmt, unterstützt von DS Rawson, der zwar mit dem Fall vertraut, aber mit den Gedanken nicht bei der Sache ist, was seinem chaotischen Privatleben geschuldet ist. Hochverschuldet durch seine Zockerei, zwangsgeräumt, Familienprobleme. Seinem Gangster-Kumpel Sutton geht’s nicht besser, denn er hat sich mit den Falschen angelegt und wird jetzt von üblen Typen verfolgt. Das könnte ihren letzten Coup, der Geld, viel Geld, in die leeren Kassen spülen soll, durchkreuzen.

Alles, was wir von dem Genre kennen, ist vorhanden: Korrupte Cops, brutale Gangster, Drogen, Prostitution, Glücksspiel, mehrere Morde, blutige Schlägereien, Gewalt in jeder Form, aber auch Freundschaft, Loyalität, Moral und Gerechtigkeit. Die ungewöhnliche Form, die vielen Handlungsstränge und Andeutungen erfordern Aufmerksamkeit, aber Greenall verwebt sie sorgfältig und macht daraus eine runde Story, deren kantiges Personal und schwarze Ironie mir noch länger im Gedächtnis bleiben wird.

Stephen Greenalls Debütthriller als leichte Lektüre zu bezeichnen, die man so nebenbei wegliest, wäre vermessen. Bereits der Aufbau ist ungewöhnlich: drei Handlungsblöcke - Alpha, Beta und Omega – jeder für sich abfallend durchnummeriert, teilweise doppelt oder ins Minus gehend, die Ereignisse nicht linear erzählt. Personen verschwinden unvermittelt aus der Handlung und tauchen später wieder auf, als wenn nichts gewesen wäre, sie führen Selbstgespräche, aber auch innere Dialoge, dazu noch reichlich Verweise auf Musik und Literatur Ein ungewöhnlicher Stil, den sich so noch nie gelesen habe. Es braucht Zeit, bis man damit warm wird und sich in dem geordneten Chaos zurechtfindet. Aber man sollte sich darauf einlassen.

Veröffentlicht am 15.02.2021

Nora beschließt zu sterben...

Die Mitternachtsbibliothek
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Es ist der Tag, der Nora Seed den Boden unter den Füßen wegzieht. Ihr Kater wird überfahren, sie verliert nicht nur ihre Arbeit, sondern auch noch ihren Nebenjob. Sie zieht Bilanz: Erwähnenswerte Freunde ...

Es ist der Tag, der Nora Seed den Boden unter den Füßen wegzieht. Ihr Kater wird überfahren, sie verliert nicht nur ihre Arbeit, sondern auch noch ihren Nebenjob. Sie zieht Bilanz: Erwähnenswerte Freunde hat sie nicht, ihre Eltern sind tot, zu ihrem Bruder hat sie kaum Kontakt. Kurz, sie fühlt sich einsam, alleingelassen in einer Welt, die nichts Schönes für sie zu bieten hat. Warum also weiterleben? Also beschließt Nora zu sterben, schluckt ihre Antidepressiva. Aber offenbar will selbst der Tod sie nicht haben, ist ihre Zeit noch nicht abgelaufen. Und so landet sie an einem Ort zwischen Leben und Tod, in der Mitternachtsbibliothek, wo sie eine alte Bekannte aus ihrer Kindheit empfängt. Mrs Elm, die Bibliothekarin, führt sie herum und zeigt ihr die Bücher, die allesamt die Möglichkeiten in Noras Leben verkörpern, die sie nicht ergriffen hat und die sie an diesem Ort nun nachholen kann. Ein verlockender Gedanke, mit dem wohl jede/r spielt, der im Rückblick auf sein/ihr Leben mit getroffenen Entscheidungen hadert. Auch für Nora, die natürlich diese Gelegenheit ergreift und ihre alternativen Lebensentwürfe ausprobiert. Und es überrascht nicht, dass sie aus diesen Erfahrungen ihre Lektionen lernt.
Schon die Rahmenbedingung „Mitternachtsbibliothek“ dieses Romans lässt den Schluss zu, dass wir es hier mit einem Märchen zum Thema Depression und Selbstmord zu tun haben. Natürlich kann man die eine oder andere Erkenntnis in das reale Leben übernehmen, zumindest gibt Haig Denkanstöße. Allerdings gleitet er nicht in den Lebenshilfe/Ratgeber-Modus ab, sondern bleibt durch die Konzentration auf seine Hauptfigur in der Fiktionalität. Und das ist auch gut so, denn unterm Strich feiert er mit diesem Roman das Leben mit seinen Schwächen und Stärken.

Veröffentlicht am 15.02.2021

Nora beschließt zu sterben...

Die Mitternachtsbibliothek
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Es ist der Tag, der Nora Seed den Boden unter den Füßen wegzieht. Ihr Kater wird überfahren, sie verliert nicht nur ihre Arbeit, sondern auch noch ihren Nebenjob. Sie zieht Bilanz: Erwähnenswerte Freunde ...

Es ist der Tag, der Nora Seed den Boden unter den Füßen wegzieht. Ihr Kater wird überfahren, sie verliert nicht nur ihre Arbeit, sondern auch noch ihren Nebenjob. Sie zieht Bilanz: Erwähnenswerte Freunde hat sie nicht, ihre Eltern sind tot, zu ihrem Bruder hat sie kaum Kontakt. Kurz, sie fühlt sich einsam, alleingelassen in einer Welt, die nichts Schönes für sie zu bieten hat. Warum also weiterleben? Also beschließt Nora zu sterben, schluckt ihre Antidepressiva. Aber offenbar will selbst der Tod sie nicht haben, ist ihre Zeit noch nicht abgelaufen. Und so landet sie an einem Ort zwischen Leben und Tod, in der Mitternachtsbibliothek, wo sie eine alte Bekannte aus ihrer Kindheit empfängt. Mrs Elm, die Bibliothekarin, führt sie herum und zeigt ihr die Bücher, die allesamt die Möglichkeiten in Noras Leben verkörpern, die sie nicht ergriffen hat und die sie an diesem Ort nun nachholen kann. Ein verlockender Gedanke, mit dem wohl jede/r spielt, der im Rückblick auf sein/ihr Leben mit getroffenen Entscheidungen hadert. Auch für Nora, die natürlich diese Gelegenheit ergreift und ihre alternativen Lebensentwürfe ausprobiert. Und es überrascht nicht, dass sie aus diesen Erfahrungen ihre Lektionen lernt.

Schon die Rahmenbedingung „Mitternachtsbibliothek“ dieses Romans lässt den Schluss zu, dass wir es hier mit einem Märchen zum Thema Depression und Selbstmord zu tun haben. Natürlich kann man die eine oder andere Erkenntnis in das reale Leben übernehmen, zumindest gibt Haig Denkanstöße. Allerdings gleitet er nicht in den Lebenshilfe/Ratgeber-Modus ab, sondern bleibt durch die Konzentration auf seine Hauptfigur in der Fiktionalität. Und das ist auch gut so, denn unterm Strich feiert er mit diesem Roman das Leben mit seinen Schwächen und Stärken.

Das Hörbuch „Die Mitternachtsbibliothek“ ist eine gekürzte Fassung des Romans von Matt Haig, angenehm unaufgeregt und unsentimental gelesen von Annette Frier.

Veröffentlicht am 13.02.2021

Die Polícia Judiciária ermittelt wieder

Die Mauern von Porto
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Bairro da Sé ist eines der ältesten Viertel von Porto, der Stadt am Ufer des Douro. Verwinkelte Ecken, enge Straße, heruntergekommene Häuser. Als dort ein Feuer ausbricht, ist die Hölle los, das brennende ...

Bairro da Sé ist eines der ältesten Viertel von Porto, der Stadt am Ufer des Douro. Verwinkelte Ecken, enge Straße, heruntergekommene Häuser. Als dort ein Feuer ausbricht, ist die Hölle los, das brennende Haus nicht mehr zu retten. Es greift auf das unbewohnte Nachbargebäude über. Bei dessen Inspektion durch die Feuerwehr werden hinter einer Vormauerung zwei weibliche Skelette entdeckt, die bereits über einen längeren Zeitraum dort liegen. Ein Fall für das Team um Chefinspektor Fonseca, denn der eingeschlagene Schädel des einen und das gebrochene Zungenbein des anderen Opfers lassen vermuten, dass sie gewaltsam zu Tode gekommen sind. Das Ergebnis der forensischen Untersuchungen ist auch nicht ermutigend, denn es stellt sich heraus, dass die Morde vor 22 Jahren begangen wurden.

„Die Mauern von Porto“ ist ein astreiner Polizeiroman. Der/die Leser/in ist dem Team immer voraus, kennt sowohl die Identität des Täters als auch die der beiden Opfer von Beginn an, während sich die Ermittlungen der PJ dazu sehr schwierig gestalten. Es gibt keine passenden Vermisstenmeldungen, die Nachbarn halten es eher mit den drei Affen (nichts sehen, nichts hören, nichts sagen), der einzige Hinweis ist eine Kette, die bei den Skeletten gefunden wird. Einen Durchbruch gibt es erst, als auf dem Gelände einer dubiosen Stiftung eine Leiche gefunden wird, die sowohl Verbindungen zu dem Viertel als auch zu Personen hat, die im Laufe der Befragungen auf Fonsecas Radar aufgetaucht sind.

Wie bereits in den beiden Vorgängern sind es die Beschreibungen der verschiedenen Viertel Portos sowie die Interaktionen der Ermittler, die den Charme des Romans ausmachen. Und hier muss man unbedingt „die Neue“ lobend erwähnen, Tété Marinho, sympathische Inspektorin mit angolanischen Wurzeln, ehemals bei der Antikorruptionseinheit in Lissabon. Ein großer Gewinn für das Team, aber auch für die Story, was zum Großteil ihrer persönlichen Geschichte geschuldet ist. Sie hat schon einiges erlebt, was sie empathischer im Umgang mit ihren Mitmenschen macht. Als Kind 1975 Angola wegen des Bürgerkrieges mit ihrer Familie in Richtung Portugal verlassen, dort angekommen, feststellen zu müssen, dass man unerwünscht ist. Das hinterlässt Spuren und sensibilisiert. Und deshalb ist auch sie diejenige, die das Vertrauen der einzigen Person gewinnt, die die Ermittlungen voranbringen kann.

Ich habe das Buch gerne gelesen, aber diesem dritten Teil der Porto-Reihe mangelt es definitiv an Spannung. Grund dafür ist die Klein-Klein Beschreibung der Ermittlungsarbeit, die bis ins Detail geschildert und dazu noch öfter in den internen Beratungen wiederholt wird. Am interessantesten sind hier allenfalls die Gespräche der Teammitglieder über die Verjährungsfristen für Straftaten, die sich an den Höchststrafen orientieren. Bei Mord sind das 15 Jahre. Für den vorliegenden Fall heißt das für den Mörder, dass er mit seinem Verbrechen davonkommen wird. Oder aber doch nicht?