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Veröffentlicht am 06.09.2021

Stellenbosch

Todsünde
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Man glaubt es kaum Bennie Griessel und sein Partner Vaughn Cupido sind nach einem Disziplinarverfahren degradiert worden und zur Strafe werden sie von der Valke zur Polizei nach Stellenbosch versetzt, ...

Man glaubt es kaum Bennie Griessel und sein Partner Vaughn Cupido sind nach einem Disziplinarverfahren degradiert worden und zur Strafe werden sie von der Valke zur Polizei nach Stellenbosch versetzt, ein liebliches Städtchen in der Nähe von Kapstadt. Sie hatten Schlimmeres befürchtet. Kaum sind sie an ihrer neuen Wirkungsstätte, wo den Kollegen klar ist, dass die Neuen nicht ganz freiwillig da sind, kommt schon ein neuer Fall herein. Ein junger Student ist verschwunden, dessen Mutter sehr besorgt ist. Der Vorgesetzte der Beiden will den Fall erst nicht aufnehmen, Studenten sind schließlich mal unterwegs, doch schließlich entscheidet er, die Neuen müssen ja mit irgendwas beschäftigt werden.

Zum achten Mal ermittelt Bennie Griessel. Es lief alles so gut, seine Position, seine Beziehung zu Alexa, sogar seinem Sohn hat er sich wieder angenähert und trocken ist er auch schon eine Weile. Und nun das, degradiert und strafversetzt. Und Cupido hat er auch mit reingezogen. Doch nun ist alles halb so wild. Natürlich wollen sie in diesem Vermisstenfall ordentlich ermitteln. Kurz darauf verschwindet ein ehemals angesehener Geschäftsmann, von dem sich herausgestellt hat, dass er wahrscheinlich nichts weiter als ein Betrüger ist. Doch seine Frau ist sicher, er wäre nie unpünktlich gewesen und sie waren verabredet.

Der Name des Autors ist fast schon eine Garantie für eine packende Lektüre. Ein besonders gutes Beispiel dafür ist seine Reihe um Bennie Griessel, der mit sich und seiner Alkoholsucht kämpft, dem auch mal eine gute Phase vergönnt ist und der immer der herausragende Polizist bleibt, weil er es eben so will. Fast schon genial, wie hier zwei Handlungsstränge eine ganze Weile nebeneinanderher mäandern, nur um in einem bestimmten Moment aufs Packendste zusammenzuprallen. Fein gesponnen ist jeder Teil der Handlung, sowohl was das Private angeht als auch was das Berufliche betrifft. Die Besorgnis der Mutter und auch die Schwierigkeiten bei der Tätigkeit als Immobilienmaklerin sind so treffend beschrieben, dass man in jedem Moment förmlich in diesen beiden sehr unterschiedlichen Frauen zu sitzen vermeint. Natürlich kann man hier die Lebensumstände in Südafrika nicht so kennen wie die hiesigen, aber der Autor versteht es einfach, seinen Lesern ein lebendiges Bild von seinem Land zu zeichnen. Diese Reihe könnte, wenn es nach der Leserin geht, noch ewig weitergehen.

Veröffentlicht am 14.05.2021

Streitkonsens

Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit
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Vielleicht kennt man den YouTube Kanal maiLab und hat eines oder mehrere der Videos gesehen. Dann wird man natürlich neugierig darauf, wie die Autorin ihre eingängigen, auch für Laien gut verständlichen ...

Vielleicht kennt man den YouTube Kanal maiLab und hat eines oder mehrere der Videos gesehen. Dann wird man natürlich neugierig darauf, wie die Autorin ihre eingängigen, auch für Laien gut verständlichen Videos, in Schriftform bringt. Doch vielleicht will sie das ja auch garnicht. Diese Frage ist recht schnell beantwortet, so ungefähr nach den ersten paar Sätzen. Ihre gradlinige, deutliche und dabei von der Wissenschaft geprägte Art kommt auch in Schriftform sehr sympathisch rüber und man startet mit der eigentlichen Lektüre. Man beschäftigt sich mit Themen wie der Gewaltbereitschaft von Gamern oder der Möglichkeit der Freigabe von Drogen und der unterschiedlichen Bezahlung von Frauen und Männern. Man lernt über Methoden, die weiterbringen und von wissenschaftlich konstruktivem Streit. Immer hat man die offene sympathische Wissenschaftlerin vor Augen, die für das, was sie sich zur Aufgabe gemacht hat, lebt.

Die Wissenschaft ist nicht dröge und auch, wenn man als Laie nicht hundertprozentig alles versteht, so versteht man doch das Meiste und wird vielleicht einige Themen durch einen anderen Filter sehen. Eine Art wissenschaftlicher Diskurs in seiner Sachlichkeit könnte eine Erholung gegenüber der heutigen Aufgeregtheit bieten, in der jeder Recht hat und keiner zuhört. Einem anderen seine Position gönnen, sie, wo sie in die Irre geht, sachlich widerlegen und den Versuch starten, bei allen Differenzen etwas Gemeinsames zu finden, wie viel entspannter könnte alles sein. Wahrscheinlich wird durch dieses Buch die Welt nicht gerettet, aber der interessierte Leser kann durch die möglicherweise auch wiederholte Lektüre etwas klüger werden. Von der Kultur des Umgangs kann man sich zumindest eine Scheibe abschneiden. Dieses Buch kann gerne in Griffnähe bleiben, die behandelten Themen werden so schnell ihre Aktualität nicht verlieren und die Methoden sind sicherlich zeitlos und können durch Auffrischung noch besser im Gedächtnis verankert werden.

Veröffentlicht am 14.03.2021

Die Pointe

Hard Land
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Kurz vor seinem sechszehnten Geburtstag tritt Sam Turner seinen Aushilfsjob im Kino von Grady an. Sein bester Freund ist weggezogen und Sam sucht eine Abwechslung von seinem Zuhause. Annie, Sams Mutter, ...

Kurz vor seinem sechszehnten Geburtstag tritt Sam Turner seinen Aushilfsjob im Kino von Grady an. Sein bester Freund ist weggezogen und Sam sucht eine Abwechslung von seinem Zuhause. Annie, Sams Mutter, ist nicht bei guter Gesundheit und Sams Vater ist der ewig Schweigende. Außerdem wird es Zeit, dass Sam sich ein wenig abnabelt. Seine jugendlichen Kollegen sind älter als Sam und er befürchtet, nicht in die Runde zu passen. Doch bald sind er, Cameron, Hightower und Kirstie ein eingeschworenes Team. Bei ihrer Tätigkeit können sie tolle Filme schauen. Besonders „Zurück in die Zukunft“, der gerade rausgekommen ist, hat es Sam angetan. Schließlich ist Marty McFly auch kein Riese und trotzdem cool.

Gerade erst hat Sam seine neuen Freunde kennengelernt, doch für diese ist es der letzte Sommer nach dem Abschluss. Sie alle wollen Grady zum Studium verlassen und so ist der erste Sommer für Sam in einer Clique auch der vermutlich letzte. Doch gerade in diesen Tagen kann Sam nichts besseres passieren. Mit seinen Freunden kann er sich von der gedrückten Stimmung ablenken, die daheim herrscht. Er ist in großer Sorge um seine Mutter, aber er ist auch verliebt in Kirstie. Und manchmal ist es einfach angebracht, ein paar Mutproben zu bestehen.

Ein toller Roman über den Ausklang der Jugend und den Beginn des Erwachsenwerdens. Man fühlt sich beim Lesen in die eigene Jugend zurückversetzt, man lauscht sowohl Sams Mixtapes als auch den eigenen. Klasse Filme, klasse Musik, Partys alles könnte so unbeschwert sein. Doch auch in so jungen Jahren wird man schon mit dem Ernst des Lebens konfrontiert und dann kann das Leben aus der Balance geraten. Sams Ringen um seine Balance ist authentisch und emotional berührend dargestellt. Man kann sich gut in ihn hineinversetzen und vielleicht versteht man sogar die eine oder andere Anspielung. Dieser Roman nimmt den Leser mit auf die Reise eines Sommers.

Veröffentlicht am 13.02.2021

DoppelDenk

1984
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Im Jahr 1984 ist Winston Smith gerade noch 39 Jahre. Er arbeitet im Ministerium der Wahrheit, wo er Berichte aus der Vergangenheit so anpasst, dass sie den Gegebenheiten der Gegenwart entsprechen. Winston ...

Im Jahr 1984 ist Winston Smith gerade noch 39 Jahre. Er arbeitet im Ministerium der Wahrheit, wo er Berichte aus der Vergangenheit so anpasst, dass sie den Gegebenheiten der Gegenwart entsprechen. Winston weiß, was er tut und er macht es trotzdem. Schließlich ist es sein Job. In der Zeit der totalen Überwachung auch durch den TeleSchirm, der in seiner Wohnung hängt, wagt es Winston nicht, zu widerstehen. Aber Winston erinnert sich noch an die alte Zeit, bevor der große Bruder alles sah und alles wusste. Seine kleine Rebellion besteht darin, ein Tagebuch zu führen und sich seine Gedanken nicht immer vorgeben zu lassen.

„1984“ ist sicherlich das bekannteste Werk von George Orwell. Beinahe prophetisch erscheint die Beschreibung eines totalitären Staates. Der Protagonist Winston Smith wirkt wie ein Hoffnungsträger, einer der Wenigen, die sich gegen das System stellen, wenn auch nur im Verborgenen. Langsam nimmt er sich größere Freiheiten heraus und fühlt sich erstmal gut. Ein Traum scheint in Erfüllung zu gehen, als eine junge Frau, die er flüchtig kennt, sich ihm anschließt. Teilt sie seine Überzeugungen? Oder geht es ihr mehr um eine Liebesbeziehung? Am liebsten möchte Winston die Zeit mit ihr einfach nur genießen.

Egal, ob man das Buch in Jugendjahren schon einmal gelesen hat oder ob man Winston Smith zum ersten Mal begegnet, dieser Roman hat nichts von seiner Wirkung verloren. Gerade in der heutigen Zeit, wo manipulative Kräfte in sogenannten sozialen Medien wirken und Wahrheiten nicht beschrieben, sondern kreiert werden, überkommt einem bei der Lektüre ob der Weitsichtigkeit, sei sie beabsichtigt oder nicht, des Autors das Gruseln. In einer Ära, in der vieles gespeichert werden kann und die Information durch Algorithmen gelenkt werden, sollten Romane wie dieser eine Pflichtlektüre sein, um wenigstens die aufzuwecken, die dafür offen sind. Die Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit und sie muss sich wehren können und dürfen. Kaum zu glauben, dass der Autor schon vor siebzig Jahren viel zu früh verstorben ist.

Veröffentlicht am 12.09.2020

Der Dachboden

Herzfaden
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Im Haus der Augsburger Puppenkiste tritt ein 12jähriges Mädchen neugierig durch ein geheime Tür. Sie landet auf einem dunklen Dachboden und findet den Weg zurück nicht. Doch plötzlich hört sie Geräusche ...

Im Haus der Augsburger Puppenkiste tritt ein 12jähriges Mädchen neugierig durch ein geheime Tür. Sie landet auf einem dunklen Dachboden und findet den Weg zurück nicht. Doch plötzlich hört sie Geräusche und überrascht trifft sie auf Marionetten und sie selbst ist auf einmal so groß wie Urmel, Jim Knopf, Prinzessin Li Si und wie sie alle heißen. Ihre Geschichte und die des Theaters wird erzählt von Hatü, der Tochter des Gründers. Das Mädchen erfährt vom zweiten Weltkrieg und von Walter Oehmichen, der aus der Kriegsgefangenschaft mit der Idee des Puppentheaters heimkehrt.

Die Nazizeit und der Krieg haben Spuren hinterlassen, bei Walter Oehmichen, aber auch bei seiner Frau und den beiden Töchtern. Die Menschen brauchen etwas, das ihre kindliche Seele erreicht. Der Krieg und die Nazi-Gräuel können nicht ungeschehen gemacht werden und sie dürfen nicht vergessen werden. Doch vielleicht können die Menschen etwas wie Kultur wiederfinden. Hier möchte Oehmichen ein Angebot machen, zunächst um die Kinder zu erreichen. Doch bald gibt es auch Inszenierungen für Erwachsene. Seine Tochter Hannelore, die Hatü genannt wird, ist schon früh dabei. Noch als Jugendliche schnitzt sie ihre erste Marionette, einen Kasperl, der sie irgendwie ängstigt, so dass der Vater ihm freundlichere Züge geben will.

In der Nachkriegszeit als alles darniederlag, war es eine ungewöhnliche Idee, ein Marionetten-Theater zu gründen. Doch vielleicht brauchten die Menschen einfach etwas Positives und durch den Mund der Puppen kann man manchmal mehr sagen als man es als Mensch wagen würde. Die Zeiten waren schwer, aber mit den Jahren machte sich auch eine Aufbruchstimmung breit. Hatü erzählt von einer Zeit, wie sie das Mädchen nie erlebte. Die Entbehrungen, aber auch der Mut des Neubeginns. Die Geschichte der Puppen und einiger großartiger Inszenierungen, die die Augsburger Puppenkiste weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht haben. Aber auch die Geschichte des Kasperls, die die damalige Zeit so deutlich widerspiegelt. Man glaubt, beinahe selbst auf diesem fensterlosen Dachboden zu sitzen und Hatü zu lauschen. Man fühlt sich ein wenig am eigenen Herzfaden gezupft und ist froh, dass man sich von den Ereignissen auf diesem Dachboden berühren lassen durfte.