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Veröffentlicht am 09.03.2021

Schuld verjährt nicht

Die Mauern von Porto
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Mario Lima ist das Pseudonym des deutschen Autoren Manfred Lührs, der seit Jahren in Portugal seinen Zweitwohnsitz hat. Ich habe bereits den zweiten Band seiner Inspektor Fonseca Reihe gelesen, der mit ...

Mario Lima ist das Pseudonym des deutschen Autoren Manfred Lührs, der seit Jahren in Portugal seinen Zweitwohnsitz hat. Ich habe bereits den zweiten Band seiner Inspektor Fonseca Reihe gelesen, der mit gut gefallen hat. Bei Lovelybooks durfte ich nun in einer Leserunde mit dem Autor seinen dritten Band lesen.

Inspektor Fonseca hat es diesmal mit einem grausamen Mord zu tun. Im ältesten Viertel von Porto Bairro da Sé werden bei einem Brand in einem leerstehenden Haus zwei eingemauerte skelettierte Leichen gefunden. Doch der Fall wird viel zu schnell zu den Akten gelegt, weil die beiden Frauen vor bereits 22 Jahren ermordet wurden und in Portugal Mord bereits nach 15 Jahren verjährt. Ana ist empört und auch Fonseca gefällt diese Vorgehensweise nicht, jedoch sind sie gegen die Justiz machtlos. Mit Teresa Marinho, die aus Angola stammt und Tété genannt wird, kommt eine neue Kollegin hinzu. Sie kommt von der Abteilung Korruptionsbeskämpfung aus Lissabon und hat sich zur Mordkommision versetzen lassen. Hier hofft sie mehr gegen die Korrpution tun zu können. Doch schon mit dem ersten Mordfall, der nach 15 Jahren verjährt ist, steht sie wieder vor den Hürden der Gesetzgebung. Als ein weiterer Mord geschieht, der im Zusammenhang mit dem alten Fall steht, versuchen Fonseca, Rui, Ana und Tété alles um den Täter zu enttarnen und vor Gericht zu bringen....

Der neue Kriminalfall spielt im Drogenmilieu. Korruption und Unterdrückung sind ebenfalls Themen, die der Autor eingebaut hat. Der Leser ist den polizeilichen Ermittlungen immer um einiges voraus - die Spannung ist trotzdem gegeben. Die Ermittlungsarbeiten stehen im Mittelpunkt und werden sehr eindringlich, sowie realistisch beschrieben.

Mit seiner neuen Protagonistin Tété geht der Autor auf die portugiesische Geschichte der Kolonialherrschaft und den Nelkenkrieg in Angola ein. Diese Informationen fand ich sehr interessant. Zusätzlich bringt Teresa frischen Wind in die Ermittlergruppe.

Die Spannung steigt langsam, aber kontinuierlich an. Obwohl dem Leser der Täter bekannt ist, geht es dem Autor diesmal ganz besonders darum, Gerechtigkeit walten zu lassen. Immer wieder schlüpfen Menschen durch die Lücken des Gesetzes, weil sie korrupt sind oder an den Spitzen der Gesellschaft stehen.

Schreibstil:
Mario Lima schreibt flüssig und mit landestypischen Flair. Die Figuren sind mir diesmal näher gekommen und vorallem Tété habe ich sofort ins Herz geschlossen. Sie bringt frischen Schwung ins Ermittlerteam.
Habe ich im letzten Krimi noch bemängelt, dass der Autor zu wenig Lokalkolorit eingeflochten hat, spürt man in "Die Mauern von Porto" sehr viel von der portugiesischen Atmosphäre. Vorallem das alte Viertel, das inzwischen restauriert und zum UNESCO Weltkulturerbe zählt, wird sehr bildhaft und einprägsam beschrieben. Man wandert durch die verwinkelten Gassen, bedauert den Verfall der Häuser und spürt die Hoffnungslosigkeit der Menschen.
Die eingestreuten portugiesischen Wörter werden in einem Glossar am Ende übersetzt. Sie ergeben aber auch ohne Portugiesischkenntnisse im Zusammenhang Sinn. Auf der Umschlaginnenseite findet man einen Plan von Porto.

Fazit:
Ein spannender Kriminalroman, der diesmal sehr von der Atmosphäre und seinem gesellschaftskritischen Hintergründen lebt. Mir hat dieser dritte Fall viel besser als sein Vorgänger gefallen und ich freue mich schon auf den nächsten Krimi aus Porto.

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Veröffentlicht am 27.02.2021

Eine intensive Geschichte über eine toxische Freundschaft

Dunkelgrün fast schwarz
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Es fällt mir ziemlich schwer zu diesem außergewöhnlichen Roman eine Rezension zu schreiben, der vorallem durch die Atmosphäre und der poetischen Sprache glänzt.
Der Roman bewegt sich auf mehreren Zeitebenen ...

Es fällt mir ziemlich schwer zu diesem außergewöhnlichen Roman eine Rezension zu schreiben, der vorallem durch die Atmosphäre und der poetischen Sprache glänzt.
Der Roman bewegt sich auf mehreren Zeitebenen und spielt in Hallein bei Salzburg. Marie kommt aus der Stadt und zieht gemeinsam mit ihrem Mann Alexander in das Haus seiner Großeltern. Es befindet sich abgelegen und etwas außerhalb der Kleinstadt und Marie fällt es dadurch noch schwerer als Zugezogene Freunde zu finden. Ihr Mann studiert in Wien Medizin und sie verbringt die Tage alleine mit ihrem vierjährigen Sohn Moritz und ihrem Baby Sophia. Eines Tages trifft sie auf dem Spielplatz die ebenfalls Zugezogene Sabrina mit dem göleichaltigen Sohn Raffael und dem Babybruder Samuel. Raffael und Moritz werden beste Freunde, wobei Raffael immer derjenige ist, der den Ton angibt und Moritz ihm folgt. Raf und Motz nennen sie sich und sind ab nun unzertrennlich, selbst als im Gymnasium Johanna dazustößt und aus ihnen ein Trio wird. Doch kurz nach der Matura bricht alles auseinander und die drei ehemals besten Freunde haben keinerlei Kontzakt mehr....bis Raffael sechzehn Jahre später eines Tages vor Moritz Tür steht....

Mareike Fallwickl erzählt aus verschiedenen Perspektiven aus der Sicht von Marie, Moritz, Johanna und Raffael. Um nicht zu verwirren, stehen jeweils Jahreszahl und Name zu Beginn des Kapitels. Die Stimmung ist von Beginn an düster und beklemmend. Raffael ist bereits als Kleinkind manipulativ und hat später Anzeichen eines Psychopaten. Er drangsaliert seine Mitschüler und beeinflusst mit seinem gespielten Charme und seinem Aussehen die Menschen in seiner Umgebung. Er bleibt, obwohl er der rote Faden in der Geschichte ist, allerdings gegenüber den anderen Figuren etwas an der Oberfläche. Wir lernen seine Tiefen nicht kennen und ich bekam kein Gesamtbild von ihm. Er spielt mit dem Leser genauso, wie mit den Charakteren. Ich denke aber, dass dies die Autorin so gewollt hat.

Moritz ist ihm von Anfang an ausgeliefert, denn er ist ein schüchternes und zurückhaltendes Kind und Jugendlicher. Sein Zeichentalent und seine Gabe die Auren der Menschen zu sehen, machen ihn ebenfalls zu einem sehr interessanten, aber passiven Charakter. Er ist harmoniesüchtig und entwickelt eine emotionale Abhängigkeit gegenüber Raffael, aus der er sich nicht lösen kann.
Johanna hat als Jugendliche ihre Eltern verloren und durchschaut die beiden Jungs von Beginn an. Sie hat etwas selbstzerstörerisches an sich und begibt sich in eine ungesunde Abhängigkeit. Sie lebt ihr Leben immer kurz vor dem Abgrund.

Die Autorin hat die zwischenmenschlichen Abgründe und die toxische Beziehung zwischen den drei Freunden sehr authentis wiedergegeben. Die Sprache ist wunderbar poetisch, wird jedoch oftmals von ziemlich derben und obszönen Sätzen oder Wörtern unterbrochen. Dabei fühlt man sich, als ob man mit dem Hammer einen Schlag auf den Kopf bekommen würde. Es ist sicherlich von der Autorin so gewollt, fand es aber nicht immer positiv.

Ich hatte während des Lesens immer das Gefühl, dass jeden Moment die Bombe platzen könnte. Ich wusste nicht, was damals passiert ist, doch die anhaltende angespannte Atmosphäre, die mir wie die Ruhe vor dem Sturm vorkam, hat mich oftmals an einen Psychothriller erinnert. Langsam setzten sich alle Puzzlestücke zusammen und Moritz muss sein Leben nochmals gründlich überdenken. Nur das Ende konnte mich leider nicht wirklich überzeugen. Deswegen bekommt "Dunkelgrün fast schwarz" keine 5, sondern "nur" 4 1/2 Sterne von mir. Ich empfehle dieses Debüt allerdings sehr gerne weiter und bin begeistert von dieser ganz speziellen Geschichte, die Mareike Fallwickl erschaffen hat.

Fazit:
Ein intensiver Roman, der unter die Haut geht. Die anhaltendene subtile Spannung und die Furcht, dass jederzeit die Bombe platzen könnte, erinnert an einem Psychothriller. Gekonnt setzt die Autorin die Fäden zusammen, konnte mich aber mit dem Ende nicht ganz überzeugen. Ein eindringlicher Roman, der einem noch länger beschäftigt.

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Veröffentlicht am 22.02.2021

Fatale Entscheidung

Die verstummte Liebe
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Mit "Die verstummte Liebe" hat Melanie Metzenthin eine Art Vorgeschichte zu ihrer Reihe "Leise Helden" geschrieben. Ich habe beide Bücher ("Im Lautlosen" und "Die Stimmlosen") in meinem SuB Regal und werde ...

Mit "Die verstummte Liebe" hat Melanie Metzenthin eine Art Vorgeschichte zu ihrer Reihe "Leise Helden" geschrieben. Ich habe beide Bücher ("Im Lautlosen" und "Die Stimmlosen") in meinem SuB Regal und werde sie jetzt nacheinander befreien.

Leider spoilert der Klappentext wieder ziemlich und ich bin froh, dass ich ihn nicht gelesen habe, sondern das Buch alleine wegen der Autorin, deren Bücher ich liebe, angenommen habe.

Wir befinden uns im Jahre 1896 in Großbritannien. Helen Mandeville wächst in einem gutbürglichen Haus auf. Nachdem ihr Bruder Henry an Kinderlähmung erkrankt, fällt es Helen zu, einen geeigneten Ehemann zu finden, der die Bankgeschäfte und das Gut der Mandevilles später führen kann. Der Anwalt James Mitchell ist für ihren Vater der geeignete Kandidat. Weder Henry, noch Helen, sind darüber erfreut. Helen versucht die Verlobung so lange wie möglich hinauszuzögern. Es gelingt ihr den Vater zu überreden, vorher noch eine Europareise anzutreten. Dabei lernt sie den charmanten Arzt Ludwig Ellerweg kennen und lieben. Die Eltern sind gegen diese Verbindung, doch Helen will nicht auf ihre große Liebe verzichten und bricht mir der Familie. Sie heiratet Ludwig und lebt in Hamburg. Als Arztgattin hilft sie in der Ordination mit und geht dabei auf. Die Ehe ist glücklich und wird mit der geburt von Sohn Fritz gekrönt. Als ihre Mutter im Sterben liegt und Helen nach England reist, um sich von ihr zu verabschieden, ahnt sie nicht, dass ihr der Erste Weltkrieg dazwischen kommt. Es gibt keine Möglichkeit mehr zu Ludwig und ihren gemeinsamen Sohn Fritz zu gelangen. Zusätzlich ist sie plötzlich Feindin im eigenen Land....

Melanie Metzenthin zeigt in dieser fesselnden und berührenden Geschichte wieder ihre wunderbare Art zu schreiben. Mit emotionaler Tiefe erzählt sie über das Leben von Helen Mandeville. Die sympathische und wagemutige junge Frau, die weiß was sie will, wird im Laufe der Zeit und durch unglückliche Umstände zu einer verbitterten und kaltherzigen Frau. Durch eine einzige falsche Entscheidung hat sie eine furchtbare Kettenreaktion ausgelöst, die nicht nur ihr Leben, sondern auch das Leben anderer zerstört hat. Die Veränderung von Helen, die innerlich zerissen ist, tat mir anfangs weh, doch im Laufe der Geschichte konnte ich oftmals nur den Kopf über sie schütteln.

Der Autorin gelingt es fantastisch, die damalige gesellschaftliche und politische Epoche darzustellen. Wie von ihr gewohnt hat sie hervorragend recherchiert und setzt ihr Wissen gekonnt in ihrem Roman um. Sie fesselt den Leser an die Seiten und man hat das Gefühl direkt mit den Hauptprotagonisten zu leben, lieben und leiden. Natürlich darf bei der Autorin auch der medizinisiche Aspekt nicht fehlen.

Die Charaktere sind lebendig und facettenreich beschrieben. Sie sind nicht schwarz-weiß gemalt, sondern mit Fehlern ausgestattet, die sie realistisch und glaubwürdig darstellen.Sie entwickeln sich weiter und entwickeln Persönlichkeit.

Das Ende bleibt etwas offen, soll aber, wenn man die anderen Bände gelesen hat, stimmig sein.

Fazit:
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung zu dieser aufwühlenden Geschichte, die als Vorgeschichte zur Reihe "Leise Helden" erschienen ist. Melanie Metzenthin versteht es zu fesseln und einen Roman zu erzählen, der unter die Haut geht.

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Veröffentlicht am 14.02.2021

Die Vergangenheit schläft nie

Die Schwimmerin
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Gina Mayer's neuer Roman "Die Schwimmerin" gebührt weit mehr Beachtung, als ich bisher in den Medien darüber gelesen und gesehen habe. Titel und Cover stimmen zwar überein und das Schwimmen spielt auch ...

Gina Mayer's neuer Roman "Die Schwimmerin" gebührt weit mehr Beachtung, als ich bisher in den Medien darüber gelesen und gesehen habe. Titel und Cover stimmen zwar überein und das Schwimmen spielt auch eine Rolle in diesem Roman, aber nicht so, wie man vor der Lektüre denken mag.

Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt und beginnt im Jahre 1962 in Essen. Betty steht kurz vor ihrer Hochzeit mit Martin Riessel, der bei Krupp einen gutbezahlten Job gefunden hat. Sie ist glücklich und freut sich auf ihre neue Wohnung, die sogar eine dieser modernen Einbauküchen hat. Wie es in den Sechziger Jahren gang und gäbe war, gibt sie ihren Beruf in der naheliegenden Bäckerei auf und bleibt als Hausfrau zuhause. Bald schon fühlt sie sich einsam und unterfordert. Sie freundet sich mit ihrer Nachbarin an und beginnt wieder zu schwimmen. Die Stunden im Schwimmbad tun ihr gut. Hier fühlt sie sich wohl und sie kann ihre Vergangenheit ausblenden, die nicht einmal ihr Ehemann kennt. Bis eines Tages ein Mädchen vor ihr steht und ihr mitteilt, dass sie weiß, was sie getan hat und Betty mit ihrem Wissen erpresst.....

Im zweiten Handlungsstrang befinden wir uns in den Jahren von 1942-1946 in Düsseldorf und danach im schwäbischen Weilerbach. Dort auf dem Land kommen Elisabeth und ihre Mutter an, nachdem der Vater im Krieg gefallen und ihr Haus ausgebombt wurde. Sie sind Flüchtlinge im eigenen Land. Während Elisabeths überängstliche Mutter in Depressionen verfällt, muss Elisabeth wohl oder übel sich selbst versorgen. Die gute Schülerin ist in der Dorfschule unterfordert und wird auf das naheliegende Gymnasium geschickt. Gemeinsam mit der Pfarrerstochter Susanne, mit der sie sich anfreundet und deren Familie sie unterstützt und liebevoll umsorgt, lebt sie anfangs noch unbeschwert in der ländlichen Umgebung. Sie verliebt sich in Susannes Bruder Rüdiger, mit dem sie die Liebe zur Literatur verbindet, der jedoch in den Krieg eingezogen wird. Doch der Krieg holt Elisabeth auch auf dem Lande ein und ihre Mutter lässt ihre Tochter postwendend im Stich.....

Gina Mayer erzählt abwechselnd aus den beiden Zeitebenen. Die bildhafte Sprache der Autorin habe ich bereits in einem anderen Roman kennengelernt, der mich ebenfalls überzeugt hat. Gina Meyer gelingt es meisterhaft die Spannung fortlaufend anzuheben. Die Geschichte gewinnt sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Gegenwart immer mehr an Fahrt. Ich konnte den Roman nur schwer aus der Hand legen, denn ich wollte wissen um welches Geheimnis es sich dreht und wie und ob Betty/Elisabeth aus dem Dilemma und der Erpressung wohl herauskommen wird.

Betty/Elisabeth ist eine sehr interessante Protagonistin. Als junges Mädchen ist sie unbeschwert und intelligent. Sie ist eine Kämpferin und lässt sich auch von den furchtbaren Kriegserlebnissen nicht unterkriegen. Sie lehnt sich auf und versucht das Beste aus ihrer Situation zu machen. Bis sie an eine Grenze stößt, die sie zerbrechen lässt....
Danach verschließt sie die Erlebnisse und versucht nach vorne zu blicken und sich ihr Glück selbst zu nehmen, was ihr jedoch nicht gelingt.

Ihre Gefühlswelt hat die Autorin sehr authentisch und gekonnt dargestellt. Ich habe mit Betty gelitten, aber auch manchmal voller Unverständnis den Kopf geschüttelt. Betreffend dem Geheimnis in der Vergangenheit möchte ich nicht allzu viel preisgeben, aber meiner Meinung nach hat die Autorin die Leser mit den schlimmsten Grausamkeiten verschont. Wenn man zu diesem Thema allerdings noch nichts gelesen hat, wird man schockiert sein.

Fazit:
Ein wunderbarer Roman, den ich sehr gerne gelesen habe. Ich bin durch die Geschichte gerauscht, denn ich konnte sie nur sehr schwer aus der Hand legen. Ein Frauenschicksal, das zu dieser Zeit leider nicht ungewöhnlich war - gefühlvoll erzählt. Ich empfehle diesen Roman sehr gerne weiter!

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Veröffentlicht am 07.02.2021

Das ist der Lauf der Zeit

Die Welt war eine Murmel
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Herbert Dutzler hat mich bereits mit seinen beiden Thrillern "Am Ende bist du still" und "Die Einsamkeit des Bösen" begeistert. Außerdem lese ich auch seine Kriminalreihe rund um den schrulligen Altausser ...

Herbert Dutzler hat mich bereits mit seinen beiden Thrillern "Am Ende bist du still" und "Die Einsamkeit des Bösen" begeistert. Außerdem lese ich auch seine Kriminalreihe rund um den schrulligen Altausser Polizisten Franz Gasperlmaier, die ein bisschen an Rita Falks Eberhofer-Saga erinnert. Mit seinem neuen Roman geht er einen völlig neuen Weg und führt seine Leser zurück in seine Kindheit in die späten 1960iger Jahre. Der stark autobiografische Roman erzählt vom zehnjährigen Sigi, der mit seiner jüngeren Schwester und seinen Eltern in einem kleinen Dorf in Österreich lebt.

Obwohl ich zu dieser Zeit erst geboren wurde, haben mich bereits die ersten Seiten zurück in meine Kindheit katapultiert. Das passiert auch dem erwachsenen Sigi, der nach dem Tod der Mutter die Wohnung auflöst. Dabei findet er Kartons mit alten Erinnerungsstücken und schweift mit seinen Gedanken bald ab. Er erinnert sich an seine Kindheit und sein damaliges zehnjähriges Alter Ego; an seinen ersten Italienurlaub mit den Eltern und an die Aufnahmeprüfung aufs Gymnasium in der nächsten größeren Stadt, wo er von seinen Mitschülern verdroschen wurde.

Ich habe mich zurückerinnert an die Zeiten, als nur einige Leute im Dorf ein Festnetztelefon hatten, welches auch noch mit jemanden geteilt wurde, d.h. wenn einer der beiden Haushalte telefonieret ging beim anderen gar nichts. Noch schlimmer war es, wenn man ein Vierteltelefon hatte...dann musste man seinen Telefonanschluss mit noch drei anderen Haushalten teilen. Heute unvorstellbar, wo meistens jeder in der Familie ein Handy besitzt.

Tränen gelacht habe ich bei der Urlaubsreise von Sigi, seiner Schwester Uschi und den Eltern. Per Autobus - ein eigenes Auto hatten damals nur wenige - ging es in unser südliches Nachbarland und zum ersten Mal ans Meer. Im Autobus wurde geraucht und laufend wurde zur Pinkelpause oder wegen einem kleinen Imbisses bei vielen Wirtshäuser stehengeblieben. Das "ungewöhnliche" Essen war Sigis Eltern suspekt. Pizza und Spaghetti waren in Österreich noch völlig unbekannt. Blümchenbadehauben und eigene mitgebrachte "Umziehkabinen" (ein Stück Stoff mit einem Loch, das man über den Kopf zieht und sich darunter auszieht, damit man kein Stück Haut sehen kann) waren damals en vogue.
Das Familienleben und die Schulzeit waren für Sigi meistens kein Honigschlecken. Er, der den Deutschunterricht liebte und eine blühende Fantasie hat, schrieb gerne Aufsätze und verschlang ein Karl May Buch ums andere. Mit der dicken Hornbrille und dem Übergewicht war Sigi deshalb ein Außenseiter und wurde gehänselt. Sigi interessierte sich außerdem fürs Backen und Kochen, was seinem Vater sehr missfällt: Ein richtiger Mann hat sich für Fußball und Männerarbeit zu interessieren. Er hat Angst, dass sein Sohn womöglich schwul sein könnte und versucht so einiges, um ihn auf "die richtige Fährte" zu bringen. Dabei erlebt man als Leser so einige lustige Anekdoten, die vom Autor mit viel Humor erzählt werden.

Herbert Dutzler zeigt auf, welche gesellschaftlichen Einstellungen die Menschen damals hatten. Er spricht über die Angst des Vaters, der Sohn könnte dem eigenen Geschlecht eher zugetan sein und setzt sich auch mit dem gängigen Rollenbild auseinander: Der Mann schaffte das Geld an und die Frau hatte als Hausfrau zuhause zu bleiben. Auch meine Mutter gab ihren Beruf auf und sorgte anschließend für uns Kinder, wobei ich als Nachzügler mehr Zuneigung von meiner älteren Schwester bekam.
Körperliche Züchtigungen waren damals ebenso an der Tagesordnung, wie die ewigen Ängste, was die Nachbarn von einem denken. Der Vater und der ziemlich rassistische Großvater von Sigi hatten in der Familie das Sagen. Die Kinder hatten zu spuren, Zuneigung gab es kaum.

In kursiver Schrift hat Herbert Dutzler einige seiner Gedanken von heute zu damals kundgetan. Dabei stellt er die Vergangenheit dem Heute gegenübert. Interessant fand ich dabei, dass ein Leser in der Leserunde diese als (schlechte) Bewertung gegenüber der heutigen Jugend aufnahm und eine andere Leserin die Zeit damals traurig fand und froh ist, dass sie erst viel später geboren wurde. So unterschiedlich wurden diese Gedanken des Autoren aufgenommen, der eigentlich nur einen Vergleich zwischen damals und heute gezogen hat. Ich fand die Gegenüberstellung interessant - vorallem, wenn man bedenkt was sich wirklich in dieser kurzen Zeit von 50-60 Jahren - vorallem technisch - verändert hat. Das ist wirklich eine ganze Menge! Dabei gab es Verbesserungen, aber auch Verschlechterungen. Das ist der Lauf der Zeit......

Fazit:
Eine kleine Zeitreise zurück in meine eigene Kindheit mit einem liebenswerten Protagonisten und einem zwinkernden Auge des Autors. Nicht alles damals war gut, aber heute ist auch nicht alles besser....
Für alle LeserInnen, die in den 1960-iger und -70iger Jahren geboren wurden, ist dieser Roman eine Erinnerung an die eigene Kindheit. Für diese Generation gebe ich definitiv eine Leseempfehlung!

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