Man sollte Band 1 und 2 gelesen haben. Band 3 ist verortet im Jahr 1894 in Wien rund um Karl, Therese und ihre Kinder Franz und Helene sowie in Hamburg rund um Luise, Ehemann Hans, Liebhaber Hamza, Vater Robert, Onkel Georg, Cousine Frederike, Cousin Richard und die übrige Hansen-Verwandtschaft.
Während ethnische und politische Konflikte in Kamerun schwelen, leider vergleichsweise nüchtern, schwer einprägsam und kurz nur in Briefen wiedergegeben, stehen im Mittelpunkt persönliche Schicksalsschläge der Protagonisten, die sich überwiegend bereits in Band 1 oder 2 anbahnten und nicht überraschen.
Sprachlich einfach gehalten und streckenweise mit Längen behaftet, z. B. wie die Kinder ausgehbereit gemacht werden. Im Rahmen des auktorialen Erzählstils ist die Erzählung frauenlastig. Ich hätte mich über Einblicke in das Seelenleben von Hamza und Florentinus gefreut. Frederike bleibt blass diesmal. Das Kritisieren fauler, selbstsüchtiger Nebenfiguren gerät im Kontrast zum Gutmenschentum anfangs zu einseitig für meinen Geschmack. Durch deren Innenansichten wird das später teilweise durchbrochen, z. B. wertet Kapitel 12 dieses Werk auf.
Kommt in Bezug auf Spannung, Gefühle, Faszination und Flair lange nicht an den starken Auftaktband heran. Das ändert sich in den letzten Kapiteln. Da entladen sich Spannung und große Gefühle und ich fühlte mich am Ende für davor empfundene Durststrecken entschädigt.
Fairerweise viele Auflösungen und kein ultimativ fieser Cliffhanger. Man könnte sogar die Reihe für sich abschließen, anstatt mit dem ab Oktober 2019 erhältlichen Band 4 fortzufahren.
Zwischenfazit zur Hansen-Saga:
Die Reihe konzentriert sich auf Liebschaften, Melodramatik und Intrigen, mit oft vorhersehbarem Verlauf. Ich hatte gehofft, mehr Kenntniszuwachs mitzunehmen. Politische Themen, hier Frauenbilder, Homosexualität und Kolonialismus, werden für meinen Geschmack zu oberflächlich oder einseitig skizziert (undifferenziert pro Offenheit und Gleichberechtigung). Das Potenzial für Wow-Momente wird nicht ausgeschöpft.
Jeder Band ist innerhalb von 5 bis 6 Stunden gelesen. Für Werke von Autoren wie Follett, Di Fulvio oder Dübell zahlt man mehr, liest dafür länger, ohne Fortsetzungen in unerwartetem Umfang, und lernt mehr, nebst Grauzeichnung anstatt dominierendem Schwarz-Weiß.
Vorzüge: Auch abends nach einem anstrengenden Tag flüssig lesbar, schwer aus der Hand zu legen. Ich mag es, in die atmosphärischen Städte Hamburg und Wien in den 1890ern einzutauchen (und auf‘s exotische Kamerun zu hoffen). Und es gibt mehrere Sympathieträger (für mich insbesondere Karl, Therese und Luise), die Gefühle entfachen und mitfiebern lassen. Daher greife ich trotz Kritik immer wieder gern zu.