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Veröffentlicht am 19.04.2021

Fassadenpolitik

Der ehemalige Sohn
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Minsk im Jahr 1999: Der 16-jährige Franzisk Lukitsch soll nach dem Willen seiner Großmutter Elvira einmal Berufsmusiker werden. Mit seinen Altersgenossen bereitet er sich auf dieses Karriereziel vor und ...

Minsk im Jahr 1999: Der 16-jährige Franzisk Lukitsch soll nach dem Willen seiner Großmutter Elvira einmal Berufsmusiker werden. Mit seinen Altersgenossen bereitet er sich auf dieses Karriereziel vor und übt Cello auf den Druck seiner Babuschka. Zur Ablenkung will er mit seinen Freunden ein Rockkonzert besuchen. Bevor er aber der Musik zuhören kann, gerät er in eine Massenpanik und wird in dem Gedränge so schwer verletzt, dass er ins Koma versetzt werden muss...

„Der ehemalige Sohn“ ist der Debütroman von Sasha Filipenko, der erstmals schon 2014 erschienen ist.

Meine Meinung:
Der Roman ist in Abschnitte, nicht jedoch in Kapitel eingeteilt. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge, wobei es mehrere Zeitsprünge gibt, da die Handlung mehr als zehn Jahre umfasst.

Der Schreibstil ist - wie vom Autor gewohnt - recht schnörkellos und nüchtern, aber eindringlich und anschaulich. Es gibt immer wieder lange Monologe und Dialoge, jedoch verhältnismäßig wenige beschreibende Passagen. Außerdem sind zwischendurch Gedichte und Liedtexte eingefügt.

Mit Franzisk hat der Schriftsteller einen ziemlich gewöhnlichen, allerdings nicht langweiligen Charakter in den Mittelpunkt des Romans gestellt. Er wirkt realitätsnah. Mehrere der sonstigen Figuren erscheinen dagegen ziemlich überzeichnet, zum Teil auch ein wenig schablonenhaft.

Inhaltlich dreht sich der Roman vor allem um die Politik in Belarus, insbesondere um das diktatorische Regime des Präsidenten. Fast prophetisch wird beschrieben, wie die autoritäre Macht die Bürger einschüchtert, vertreibt und mürbe macht. Dies macht für mich die Stärke des Romans aus und verleiht der Geschichte sieben Jahre nach der Erstveröffentlichung eine größere Aktualität denn je. Schon alleine deshalb lohnt die Lektüre. Allerdings kommt die Regimekritik bisweilen ziemlich plakativ daher.

Wahre Fakten wie die Massenpanik werden mit Fiktion verwoben. Als außenstehende Leserin fiel es mir jedoch in einigen Punkten schwer zu beurteilen, bei welchen Teilen des Romans übertrieben wurde, was als Satire zu verstehen ist und was tatsächliche Begebenheiten sind. Besser verständlich wird der Inhalt durch die Anmerkungen der Übersetzerin, die an den Roman anschließen, aber meiner Ansicht nach eigentlich vor der Geschichte gelesen werden sollten. Interessant ist auch das Vorwort des Autors, das er aufgrund aktueller Ereignisse nachträglich geschrieben hat.

Auf rund 300 Seiten konnte mich die Geschichte mehrfach emotional bewegen. Das recht offene Ende lässt viel Raum für Interpretationen und gleich mehrere Fragen unbeantwortet.

Das vom Verlag gewohnt reduzierte Design des Covers mit dem Männerporträt ist durchaus passend. Auch der Titel erschließt sich beim Lesen. Als völlig missraten bewerte ich die unnötig ausführlichen Klappentexte, die schon vorab zu viel von der Geschichte preisgeben.

Mein Fazit:
Mit „Der ehemalige Sohn“ ist Sasha Filipenko ein Debüt gelungen, mit dem er sein Heimatland auch Westeuropäern nahebringt. Trotz mehrerer Schwächen ist der Roman lesenswert, weil er die Aufmerksamkeit auf die Missstände in Belarus lenkt und zurecht den Finger in die Wunde legt.

Veröffentlicht am 15.02.2021

Wenn Liebe manchmal nicht reicht

Die Jahre ohne uns
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Sie ist Ende 60, einsam und genießt die Gartenarbeit. Er ist in seinen Siebzigern und ein ehemaliger Schauspieler. In einer englischen Hotelbar treffen die beiden zufällig aufeinander. Der Mann erzählt ...

Sie ist Ende 60, einsam und genießt die Gartenarbeit. Er ist in seinen Siebzigern und ein ehemaliger Schauspieler. In einer englischen Hotelbar treffen die beiden zufällig aufeinander. Der Mann erzählt ihr dort die Geschichte einer langen Suche.

„Die Jahre ohne uns“ ist ein Roman von Barney Norris.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen, denen jeweils ein Zitat aus der Literatur vorangestellt ist. Der erste und der dritte Teil werden aus der Sicht der Frau, der zweite aus der Sicht des Mannes erzählt - immer in der Ich-Perspektive. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Der unaufgeregte Schreibstil ist teilweise etwas verschachtelt und erfordert viel Aufmerksamkeit beim Lesen. Er ist aber auch bildstark und atmosphärisch. Darüber hinaus zeugt er von Sprachgewandtheit und einem besonderen Ausdrucksvermögen. Einige Abschnitte sind wie Einträge einer Enzyklopädie formuliert, was ich für eine schöne Idee halte.

Die beiden Protagonisten sind durchaus interessante und authentisch dargestellte Charaktere. Ein wenig gestört hat mich, dass sie namenlos bleiben. Weitere Figuren treten nur indirekt in Erscheinung.

Die Geschichte kommt im ersten Teil nur langsam in Gang und ist recht handlungsarm. Der zweite Teil gefällt mir schon besser. Die Wendung zum Schluss war für mich leider bereits ab der Mitte recht vorhersehbar. Insgesamt ist der Roman aufgrund von einigen Ausschweifungen zudem stellenweise etwas langatmig.

Inhaltlich ist die Geschichte anders als von mir gemäß des etwas irreführenden deutschen Klappentextes erwartet. Allerdings ist sie stark philosophisch angehaucht und regt immer wieder zum Nachdenken an - auch über das eigene Leben. Darin liegt eine Stärke des Romans. Es geht unter anderem um wichtige Entscheidungen, verpasste Chancen und Reue. Außerdem konnte mich die Geschichte immer wieder berühren.

Das Cover ist erfrischend anders und passt gut zum Inhalt. Der deutsche Titel weicht vom englischsprachigen Original („The Vanishing Hours“) ab und verrät leider recht viel.

Mein Fazit:
Auch wenn „Die Jahre ohne uns“ von Barney Norris in meinen Augen mehrere Schwächen aufweist und meine Erwartungen nicht ganz erfüllt hat, ist der Roman durchaus eine besondere Lektüre.

Veröffentlicht am 22.09.2020

Alles Wasser auf der Erde

Vielleicht auf einem anderen Stern
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Madeline Rose Wakefield ist erst 16 Jahre alt, als sie eine schlimme Diagnose verkraften muss. Die Teenager leidet an Blutkrebs. Obwohl ihre Mutter Eve (43) sie mit viel Liebe erzogen hat und auch ihre ...

Madeline Rose Wakefield ist erst 16 Jahre alt, als sie eine schlimme Diagnose verkraften muss. Die Teenager leidet an Blutkrebs. Obwohl ihre Mutter Eve (43) sie mit viel Liebe erzogen hat und auch ihre Großeltern ihr in der schwierigen Zeit beistehen, ist da eine langgehegte Sehnsucht, die Maddy sehr beschäftigt. Ihren leiblichen Vater Antonio, einen gebürtigen Spanier, hat die Schülerin noch nie in ihrem Leben getroffen. Zwischen den Chemotherapien macht sie sich auf die Suche nach dem Wissenschaftler und nimmt den Kontakt zu ihrem lange vermissten Elternteil auf – hinter dem Rücken ihrer Mutter…

„Vielleicht auf einem anderen Stern“ ist der Debütroman von Karen Raney.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen. Erzählt wird in der Ich-Perspektive abwechselnd aus der Sicht von Eve und Maddy, wobei 23 Kapitel auf die Mutter und 16 Kapitel auf die Tochter entfallen. Der Roman endet mit einem Epilog. Eingestreut sind mehrere E-Mails. Dieser Aufbau funktioniert ganz gut.

Mit dem Schreibstil hatte ich einige Schwierigkeiten. Er ist einerseits durch viel wörtliche Rede anschaulich und lebhaft und verwendet viele starke Bilder. Zudem wird sprachlich zwischen den beiden Protagonistinnen ausreichend differenziert. Anderseits ist der Stil oft zu detailliert und ausschweifend, wodurch sich der Fokus immer wieder verliert. Erschwerend kommt hinzu, dass eine stellenweise etwas holprige Übersetzung und etliche vom Korrektorat übersehene Fehler den Lesefluss zusätzlich hemmen.

Sowohl Maddy als auch Eve sind durchweg authentische, wenn auch nicht rundum sympathische Charaktere. Ihre Gedanke und Gefühle werden sehr gut deutlich. Auch die Nebenfiguren wirken glaubhaft und interessant.

Eine Stärke des Romans ist sein Tiefgang, der auf klugen Beobachtungen und vielen Denkansätzen beruht. So wird zum Beispiel die Frage nach dem Leben nach dem Tod ebenso aufgeworfen wie die nach einer Lösung der Klimakatastrophe. Inhaltlich ist die Geschichte sehr vielschichtig. Es geht um weitaus mehr als nur Maddys Krankheit und den Umgang damit.

Trotz der traurigen Grundthematik konnte mich die Geschichte weniger stark berühren als erhofft. Zwar gibt es immer wieder durchaus bewegende Momente. Doch ausführlich geschilderte Nebensächlichkeiten und einige inhaltliche Wiederholungen führen zu langatmigen Passagen. Darüber hinaus tritt die Handlung zum Teil auf der Stelle.

Das Cover schaut ganz ansprechend aus, lässt aber keinen inhaltlichen Bezug erkennen. Auch der deutsche Titel erschließt sich mir leider nicht und ist deutlich weniger passend als das amerikanische Original („All the Water in the World“).

Mein Fazit:
Mit „Vielleicht auf einem anderen Stern“ schöpft Karen Raney leider nicht das ganze Potenzial der Geschichte aus. Allerdings ist der Roman überraschend vielfältig und tiefgründig, sodass ich mich im Großen und Ganzen dennoch gut unterhalten gefühlt habe.

Veröffentlicht am 17.05.2020

Eine überraschende Erbschaft

Ein Sommer auf Sylt
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Völlig überraschend kommt für Julia Hirschfeldt der Tod ihres Vaters Ralf. Von ihm erbt die 35-jährige Architektin ein Haus auf Sylt. Mit ihren Tanten Christiane und Annegret sowie Mutter Beate macht sie ...

Völlig überraschend kommt für Julia Hirschfeldt der Tod ihres Vaters Ralf. Von ihm erbt die 35-jährige Architektin ein Haus auf Sylt. Mit ihren Tanten Christiane und Annegret sowie Mutter Beate macht sie sich auf den Weg auf die Insel. Eigentlich bräuchte Julia dringend eine Auszeit. Aber die Reise entpuppt sich als wenig erholsam. Denn die Frauen liegen im Dauerclinch. Und dann ist da noch der Besitzer der Pension, in der die Damen unterkommen. Er ist ganz schön nervig und läuft ihr ständig über den Weg...

„Ein Sommer auf Sylt“ ist ein Roman von Lena Wolf.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 31 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Julia. Der Aufbau ist einfach, aber funktioniert gut.

Der Schreibstil ist schnörkellos und unspektakulär, allerdings auch anschaulich und - dank viel wörtlicher Rede - lebhaft. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.

Im Fokus steht Protagonistin Julia, mit der ich meine Probleme hatte. Sie ist zwar sympathisch, kommt aber immer wieder unreif und naiv rüber. Die Nebenfiguren sind teils interessant gezeichnet, teils recht klischeehaft.

Positiv aufgefallen ist mir, dass die Liebe zwar viel Raum in der Geschichte einnimmt, aber auch andere Themen auftauchen. Zudem kommt auch der Humor nicht zu kurz. Jedoch konnte mich die Geschichte emotional weniger berühren als gehofft.

Darüber hinaus ist die Handlung nicht durchweg fesselnd, da die Geschichte im Großen und Ganzen unterhaltsam, aber eben auch ziemlich vorhersehbar ist.

Ich habe die Geschichte mit einem ungekürzten Hörbuch verfolgt. Sprecherin Sandra Voss macht dabei einen guten Job.

Das Cover gefällt mir. Auch der Titel ist passend gewählt.

Mein Fazit:
„Ein Sommer auf Sylt“ von Lena Wolf ist ein heiterer Roman, der mich nicht in Gänze überzeugt hat, aber durchaus unterhalten kann.

Veröffentlicht am 14.05.2020

Eine gefährliche Flucht

Die verlorene Tochter der Sternbergs
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Europa zu der Zeit des Nationalsozialismus: In Berlin wird das Leben für Juden immer schwieriger. Etliche sind 1939 bereits geflohen. Ihr Mann Julius wird ins Lager Sachsenhausen gebracht. Nun beschließt ...

Europa zu der Zeit des Nationalsozialismus: In Berlin wird das Leben für Juden immer schwieriger. Etliche sind 1939 bereits geflohen. Ihr Mann Julius wird ins Lager Sachsenhausen gebracht. Nun beschließt auch endlich Amanda Sternberg, ihre Töchter Viera und Lina in Sicherheit zu bringen. Sie will die Kinder mit dem Schiff nach Kuba schicken. Während sie die sechsjährige Viera in der Obhut eines Paares überlässt, damit die Kleine in Übersee Rettung findet, bringt sie die Trennung von Lina nicht über sich. Mit der Jüngsten flieht Amanda nach Frankreich. Auch dort drohen jedoch die Gefahren, sie einzuholen...

„Die verlorene Tochter der Sternbergs“ ist ein Roman von Armando Lucas Correa.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus sechs Kapiteln. Diese wiederum erstrecken sich über sechs Teile. Es gibt dabei mehrere Erzählstränge. Der erste beginnt im Jahr 2015 in New York. Zudem spielt die Handlung in den Jahren 1933 bis 1947 an wechselnden Orten. Zeit- und Ortsangaben erleichtern die Orientierung. Zwischendurch werden Briefe eingestreut. Der Aufbau des Romans wirkt gut durchdacht.

Der Schreibstil ist angenehm und anschaulich. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven.

Wieder einmal hat der Autor einen Roman auf der Basis wahrer Begebenheiten geschaffen. In seiner Anmerkung am Ende des Buches dokumentiert er, woher die Idee zu der Geschichte stammt, in der eine Menge Potenzial steckt. Zudem liefert der Schriftsteller einige interessante Zusatzinformationen. Das belegt seine fundierte Recherche. Anders als bei seinem empfehlenswerten Debüt, „Das Erbe der Rosenthals“, hatte ich beim Lesen des Romans allerdings nicht das Gefühl, viel Wissen über die Historie zu erfahren, denn die geschichtlichen Hintergründe sind in seinem neuesten Werk weniger prominent eingeflochten und weniger fesselnd.

Die wohl größte Schwäche des Romans sind für mich die Charaktere, dabei ist die Grundkonstellation durchaus spannend. Leider blieben mir die Protagonisten weitgehend fremd und machen größtenteils sogar einen unsympathischen Eindruck. Einige Verhaltensweisen erschließen sich mir nicht und erscheinen wenig authentisch, obwohl der Leser Einsichten in das Denken und Fühlen der Personen erhält.

Auch inhaltlich kann mich der Roman nur bedingt überzeugen, denn trotz teils recht dramatischer Ereignisse konnte mich die Geschichte emotional nicht so recht erreichen. Zum Teil verliert die Handlung ihren Fokus, schneidet mal dieses und jenes an und macht etliche Sprünge, was den Lesegenuss erschwert hat. Zwar ist die Geschichte durchaus unterhaltsam. Eine richtige Sogwirkung wollte sich bei mir aber nicht einstellen.

Das Cover ist ansprechend gestaltet und passt gut zur Geschichte. Der englischsprachige Originaltitel („The lost daughter“) wurde übernommen und ergänzt, was ebenfalls keine schlechte Entscheidung war.

Mein Fazit:
Anders als bei „Das Erbe der Rosenthals“ hat mich Armando Lucas Correa dieses Mal nicht begeistern können. In mehrfacher Hinsicht kommt „Die verlorene Tochter der Sternbergs“ nicht an sein anderes Buch heran. Wer jedoch nicht mit allzu hohen Erwartungen in die Lektüre startet, hat auch damit kurzweilige Lesestunden.

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