Eine gute Erzählung
Keine gute GeschichteEin wenig bin ich, naja, enttäuscht ist zu hart ausgedrückt, doch irgendwie trifft es das doch, denn wie Arielle bereits beschrieb, ist das alles nicht sehr "deep".
Was "Keine gute Geschichte" so besonders ...
Ein wenig bin ich, naja, enttäuscht ist zu hart ausgedrückt, doch irgendwie trifft es das doch, denn wie Arielle bereits beschrieb, ist das alles nicht sehr "deep".
Was "Keine gute Geschichte" so besonders macht ist für mich die gelungene Sprache. Eine Balance aus authentischem Pott und Zynismus.
Die Sprache die die Protagonistin verwendet ist authentisch. Vulgär mit Anglizismen und Wörtern, die eine Social Media Managerin wie sie wohl häufiger verwendet. Ihre Sprache und die Art wie sie sich ausdrückt ist gemäß der Zeit, doch fand ich es machmal schon zu sehr überspitzt. Ja, sie kennt und lebt ihre Branche, aber es ist auch ziemlich unerträglich wie inkohärent manche Gedanken sind, obwohl mir die Begriffe und Satzstrukturen so nicht unbekannt sind. Die Reise von der Großstadt zurück in die Heimat hat Arielles Mundwerk wohl gelockert.
Die Ausdrucksweise der Bewohner des Prekariat passen auch hier zu ihren Charakteren. Trockener Humor und Ironie, grob und direkt und dennoch eine leichte Herzlichkeit, die die ein oder andere Person rüberbringt.
Es ist alles so oberflächlich und wiederum doch so passend zu Arielle, die in ihren letzten Jahren nur so an der Oberfläche ihrer Vergangenheit und Probleme gekratzt hat.
Die Art und Weise wie sie Probleme und Traumata verdrängt fand ich als Leser unglaublich traurig und gleichzeitig waren ihre Motive und ihr Verhalten doch so nachvollziehbar.
Es ist ein Auf und Ab zwischen Entsetzen und Mitgefühl, Bestürzung und Hoffnung, für Arielle, für die verschwundenen Mädchen, für eine Auflösung der Geschehnisse, die Arielle seit über 20 Jahren beschäftigt und schmerzt.
Es werden viele Themen angeschnitten, doch wie auch bei Arielle bleibt alles ein wenig in der Luft hängen. Das Patriarchat bekommt sein Fett weg, doch auch sexuelle Gewalt, Drogenkonsum sowie die prekären Verhältnisse in den verwahrlosen und runtergekommenen Wohnvierteln am Rande der Stadt werden aufgeführt. Es wurde auch sehr in der Klischeekiste gewühlt. Nicht nur was die Beschreibungen der desolaten Wohnviertel angeht sondern auch deren Bewohner. Ganz falsch sind sie nicht, denn ich als Pottkind habe hier und da eine Szene wieder erkannt, doch alles in diesem überspitzten Ton zu streichen ist doch ein wenig zu streng. Ich denke, ein Stich gegen Staat und Gesellschaft wäre für mich schön zu lesen gewesen. Diese Verhältnisse entstehen nicht nur durch die Bewohner, sondern auch durch die Ohnmacht die diese Menschen empfinden.
Depressionen sind hier ebenfalls Thema, doch es ist mir nicht "deep" genug, obwohl es doch so gut Arielle als Protagonistin beschreibt, denn schließlich sehen wir alles aus ihren Augen.
Um die 200 Seiten sind nicht sehr viel und obwohl alles auf den Punkt gebracht ist, wurde für mich nur das Minimum für eine gute Geschichte erbracht. Es hat alles Hand und Fuß, doch Krankheiten und Zustände sind Erklärungen für Verhaltensweisen, aber sie entschuldigen nicht Handeln. Ich wünschte, es wäre etwas "deeper" in Hinblick auf Charakterentwicklung, doch ich sehe auch, wieso es so geworden ist, wie es nun ist, obwohl ich nicht immer mit Arielle sympathisieren konnte.
Ich mochte es, kann mir aber vorstellen, dass es nicht bei jedem Anklang gewinnen könnte. Es fühlt sich für mich noch unvollendet an, auch wenn nun für mich Klarheit vorliegt.