Der Zweifel bleibt - Großartig geschrieben, hoch spannend und niemals vorhersehbar, was will man mehr als Krimi-Fan?
Dr. Rachel Eisenberg ist Strafverteidigerin einer angesehenen Münchner Kanzlei. Um eine Medienpräsenz der Kanzlei zu erreichen, übernimmt Rachel den Fall des Obdachlosen, der ein Tötungsdelikt begangen ...
Dr. Rachel Eisenberg ist Strafverteidigerin einer angesehenen Münchner Kanzlei. Um eine Medienpräsenz der Kanzlei zu erreichen, übernimmt Rachel den Fall des Obdachlosen, der ein Tötungsdelikt begangen haben soll. Doch als sie ihm erstmalig gegenübersitzt, erkennt sie in ihm ihre erste große Liebe, den Jungprofessor der Physik, Heiko Gerlach. Rachel ist sich sicher, dass er dieses Verbrechen nicht begangen haben kann, doch dann nimmt der Fall eine Wendung ein, die Rachel vor scheinbar unauflösbare Rätsel stellt.
Der Autor:
Andreas Föhr, Jahrgang 1958, gelernter Jurist, arbeitete einige Jahre bei der Rundfunkaufsicht und als Anwalt. Seit 1991 verfasst er erfolgreich Drehbücher für das Fernsehen, mit Schwerpunkt im Bereich Krimi. Zusammen mit Thomas Letocha schrieb er u.a für „SOKO 5113“, „Ein Fall für zwei“ und „Der Bulle von Tölz“. Für seinen Debütroman „Der Prinzessinnenmörder“ ist Andreas Föhr mit dem begehrten Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet worden. Mit „Schwarze Piste“ stand Föhr monatelang unter den Top 10 der Spiegel-Bestsellerliste. Andreas Föhr lebt bei Wasserburg.
Er weiß, wovon er schreibt: Andreas Föhr, Jahrgang 1958, hat Jura studiert und in München promoviert. Jahrelang war er als Anwalt tätig, bevor er sich mit dem Schreiben von Drehbüchern einen Namen machte. Jetzt hat der SPIEGEL-Bestsellerautor eine Figur geschaffen, die nicht nur sein juristisches Fachwissen teilt, sondern auch seinen Glauben daran, dass jeder, ob schuldig oder nicht, einen Verteidiger verdient, der ganz auf seiner Seite steht: Dr. Rachel Eisenberg (Quelle: Droemer Knaur Verlag)
Reflektionen:
Eisenberg ist mein erster Kriminalroman von Andreas Föhr und er hat mich restlos überzeugt. Ich habe schon lange keinen derartig intensiven und guten Kriminalroman mehr gelesen, der sich angenehm komplex mit zahlreichen, spannenden Wendungen, Rätseln und Nebengeschichten zu einem großen genialen Werk entpuppte.
Fasziniert von einer klaren Sprache und einem angenehm unverblümten Ausdruck, genoss ich das juristische Flair dieses Kriminalromans. Man spürt, dass der promovierte Autor weiß wovon er schreibt, da er selbst jahrelang als Rechtsanwalt tätig war. Dieses Wissen nutzend, kreierte Andreas Föhr seine Hauptfigur, Dr. Rachel Eisenberg.
Dr. Rachel Eisenberg ist eine taffe, kompetente und kühl wirkende Strafverteidigerin. Attraktiv und mit einem Hauch von Arroganz gesegnet beherrscht sie eine Kommunikationsfähigkeit mit einer feinen Note Ironie. Selbstbewusst und souverän setzt sie sich in der von männlichen Advokaten dominierenden justiziaren Umgebung mühelos durch.
Zunächst übernimmt Dr. Rachel Eisenberg den Fall des Obdachlosen, dem ein Tötungsdelikt vorgeworfen wird, nur, um eine Medienpräsenz für die Kanzlei zu erwirken, in der sie als Partnerin tätig ist. Doch als sie dem Obdachlosen gegenübersitzt, erkennt sie in ihm ihre erste große Liebe. Rachel ist entsetzt, dass der ehemalige Jungprofessor Heiko Gerlach auf der Straße lebt. Sie ist sich sicher, dass Heiko den Mord an der Frau nicht begangen hat, obwohl die Beweislage fundamental erscheint. Rachel entwickelt eine Vertretungsstrategie, doch plötzlich gesteht Heiko den Mord an der jungen Studentin Johanna Mend, die äußerst zurückgezogen in einer Münchner WG lebte und lehnt jede weitere Verteidigung von Rachel ab. Rachel lässt sich nicht beirren und entwickelt taktisch kluge Ermittlungsstrategien, um die Beweise der Anklage zu widerlegen. Ihre Methoden sind dabei nicht immer ganz legal, aber ihren Recherchen zu folgen bereitet ein großes Lesevergnügen, bis sich Rachel letztendlich in akuter Lebensgefahr befindet.
Neben dem Haupterzählstrang switcht Andreas Föhr mit seiner Geschichte zu der Albanerin Leonora, die sich mit ihrer kleinen Tochter Valentina auf der Flucht vor einer Blutrache befindet. Illegal nach Deutschland eingereist gerät sie scheinbar willkürlich in die Fänge von zwei brutalen Gestalten, die sie zunächst verschleppen und einsperren, bis sie fliehen kann.
Lange ist nicht klar, wie beide Erzählstränge zusammenhängen könnten und als Leser steht man vor zahlreichen, scheinbar unlösbaren Rätseln, die Andreas Föhr stetig mit Cliffhangern und einem zeitlichen und inhaltlichen Perspektivwechsel in seinem interessanten und gut konstruierten Plot untermauert. Er eröffnet mehrere Nebenschauplätze und verwischt mögliche Auflösungen an Hand von verstrickten Wendungen, die auch immer wieder psychologische und geheimnisvolle Thriller-Elemente beherbergen.
Beispielsweise ist von Rachels pubertierenden Tochter zu lesen, die beabsichtigt sich religiös zu orientieren und die in böswilliger Absicht auf dem Schulhof einen Schüler mit dem Fahrrad weg rammt und verletzt. Und dann ist da Nicole, eine minderjährige Obdachlose, die sich mit ihrem Hund Heiko Gerlach angeschlossen hat. Die freundschaftliche Beziehung von Heiko und Nicole erzählt die Geschichte einer besonderen Freundschaft, die im Laufe der Handlung von Enttäuschungen geprägt ist. Als Nicole von einem mysteriösen Unbekannten auf der Straße aufgesammelt wird, verliebt sich diese, doch Rachel vermutet, dass Nicole in höchster Gefahr schwebt.
Der Spannungsmotor wir von mehreren interessant inszenierten Nebenschauplätze angekurbelt, die einen großen Raum in der Geschichte einnehmen, ohne die Handlung zu überladen. Sie ist komplex und erfordert ein gesundes Maß an Konzentration, aber die anspruchsvoll und authentisch gezeichneten Charaktere und die interessant geführten Dialoge benötigen diese Reichweite, um die Geschichte abschließend harmonisch zu erzählen.
Die klugen Auflösungen erfolgen erst auf den letzten Seiten, nicht bevor ein fulminanter, dramatischer und actionreicher Showdown einen Schauplatz der Erkenntnis zeichnet.
Großartig. Ich möchte mehr davon.
Fazit und Bewertung:
Eisenberg ist ein angenehm komplexer Kriminalroman, der vor rätselhaften Wendungen nur so strotzt und bei dem die Zusammenhänge der Perspektiven bis zu Letzt angenehm unklar bleiben. Großartig geschrieben, hoch spannend und niemals vorhersehbar, was will man mehr als Krimi-Fan?