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Veröffentlicht am 17.02.2021

Beeindruckende Leistung

Die Leben der Elena Silber
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Der Roman ist die Geschichte einer Familie während eines Jahrhunderts und während des Anbruchs eines neuen Jahrtausends. Fünf Generationen der Familie agieren im Roman, sie leben, sie lieben, sie leiden. ...

Der Roman ist die Geschichte einer Familie während eines Jahrhunderts und während des Anbruchs eines neuen Jahrtausends. Fünf Generationen der Familie agieren im Roman, sie leben, sie lieben, sie leiden. Sie versuchen im Leben Fuß zu fassen, versuchen heraus zu finden, was in der Vergangenheit geschah, um im eigenen jetzigen Leben besser verankert zu sein. Es ist nicht einfach. Und so begibt sich Konstantin Stein, im Familienstammbaum in der vierten Generation, auf Spurensuche. Zuerst in Archiven, alte Zeitungen, um etwas über den Zeitgeist, in dem seine Großeltern gelebt haben, zu erfahren. Interessant der Artikel zur fünften deutschen Kriegsweihnacht. Und als die Familienmitglieder in nächster Umgebung in Berlin ihm nichtmehr weiterhelfen können oder wollen, erweitert er seine Suche. Zwischen Rhein, Spree, Bober, Newa, Moskwa, Oka und Wolga, Deutschland, Polen und Russland, zwischen Ludwigshafen im Westen und Nischni Nowgorod im Osten, trifft er auf andere Mitglieder der Familie. Aus den fragmentierten Erinnerungen dieser Anverwandten trägt er Puzzleteile zusammen und sein und implizite auch unser Bild dieser interessanten und so zerrissenen Familie nimmt Gestalt an. Über allen steht Jelena Silber. Und so wie sich ihr Name im Laufe der Zeit ändert, von Jelena zu Elena zu Lena und schließlich zu Baba, so passt sie sich den geänderten Lebensbedingungen an. Sie muss sich und ihre Familie durchbringen. Dabei ist ihr jedes Mittel Recht. Mittels Legendenbildung, teils vom Staat aufgezwungen (ihr getöteter Vater wird zum Märtyrer für die Sowjets stilisiert), teils von ihr selbst erdichtet und Mantra artig wiederholt: Ihr Mann, Robert Silber ist mit einem sowjetischen Lazarettzug nach Berlin transportiert worden, sie hat ihm noch Schmuck und Pelze mitgegeben, aber Robert ist verschwunden. Oder die Exekution der deutschen Männer in Sora durch die Sowjets: Zeitlebens leugnet Elena zusammen mit Tochter Maria beim Verhör der Männer im Rathaus und bei der Exekution dabei gewesen zu sein. Nein Maria, das war nur ein böser Traum. Irgendwann ist sich Maria selber nicht mehr sicher und zweifelt an sich selbst. Es sind diese Legenden und Lebenslügen, mit denen Elena sich und ihre vier Töchter durch die Wirren und Gefährnisse der Zeit bringt. So erscheint uns Elena mal sympathisch als starke Frau, die sich nicht unterkriegen lässt, mal wiederum manipulativ und berechnend. Keine ihrer Töchter darf den Beruf erlernen und ergreifen, den sie möchte, nein, Elena bestimmt alleine wer studieren darf – Vera – Medizin, wer andere Berufe erlernen muss – Katja, Maria und Lara. Ana, die jüngste Tochter ist zweijährig während des Krieges an Diphterie gestorben.
Es gibt nur zwei Männer im Leben Elenas: Alexander Kusnezow, Sohn des Mannes, der hingerichtet wird, weil er 1905 einer der Mitläufer war, der Elenas Vater getötet hat, und Robert F. Silber, der Fabrikant. Letzteren wird sie heiraten, weil das ihre einzige Chance ist, aus Rescheticha an der Oka heraus zu kommen.
Eine der liebenswertesten Personen im Buch ist Claus Stein. Vor der sozialistischen Misere und der dominanten Ehefrau Maria, flüchtet er sich in seinen Beruf als Naturfilmer und -Beobachter. Im Alter an Demenz erkrankt, genau wie seine Schwiegermutter Baba, wird er von Maria auch in das gleiche Heim gesteckt, in dem auch Baba ihre letzten Lebensjahre fristen musste. Claus versucht mittels Fangfragen zu Filmen und Schauspielern mit seinem Sohn Konstantin noch Kontakt zur realen Welt zu halten. Ich war fasziniert wie Konstantin durch diese Fragen verstand, was sein Vater eigentlich sagen wollte und wie diese kurzen Sätze Claus noch einmal für kurze Zeit ins Hier und Jetzt zurückholen können.
Fazit: ein sehr persönliches und faszinierendes Buch, das nie langatmig oder langweilig wird. Vielleicht auch durch den fragmentierten Erzählstil und die verschiedenen Zeitebenen, die sich gegenseitig ergänzen und unser Bild von dieser Familie erweitern. Vorrevolutionäres Russland, Zwischenkriegszeit in der Stalin- und Hitlerdiktatur, Kriegszeit und die ersten gefährlichen Jahre danach, die DDR in den 80er Jahren und schließlich unsere heutige Gegenwart, in der man Reisen kann, ohne extra Genehmigungen zu brauchen und mittels Internet und I Phones immer erreichbar ist.

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Veröffentlicht am 17.02.2021

Mon Dieu, war das ein Thriller!

Zara und Zoë - Rache in Marseille
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Erstens war es ein viel zu kurzer Thriller. Das schreit geradezu nach einer Fortsetzung weil viel zu viele Fragen offen geblieben sind.
Zweitens ist die Idee die dem Thriller zu Grunde liegt genial: Zwei ...

Erstens war es ein viel zu kurzer Thriller. Das schreit geradezu nach einer Fortsetzung weil viel zu viele Fragen offen geblieben sind.
Zweitens ist die Idee die dem Thriller zu Grunde liegt genial: Zwei Zwillingsschwestern, identisch im Aussehen aber grundverschieden im Wesen und im Leben, tauschen die Rollen. Bzw. die gute, brave, gesetzestreue Europolbeamtin Zara überlässt heimlich und ohne das es jemand merkt ihre Stelle und Aufgabe der eiskalten skrupellosen und abgebrühten Mafiakillerin Zoe. Und Zoe löst den Fall, bringt korrupte Politiker haushoch zu Fall, verhindert einen vermeintlich islamistischen Terrorangriff, enttarnt korrupte Politiker und Polizisten und löst den Fall um das fünfzehnjährige Mädchen Aicha das brutal und gnadenlos getötet wurde.
Drittens finden ein paar herrliche Verfolgungsjagden per Auto oder zu Fuß durch Marseille und Umgebung statt, ein Muss für jeden Thrillerfan.
Viertens ist das Buch sehr ansprechend gestaltet: Vorderseite einen traumhaften Blick auf die Kathedrale von Marseille im Sonnenuntergang, Innenseite Stadtplan von Marseille und Lagekarte von Marseille und den sie umgebenden Orten.
Fünftens ist der gesamte Thriller wie aus einer Feder und ohne abzusetzen geschrieben, baut die Spannung sofort auf und hält sie durch bis zur viel zu frühen letzten Seite. Und wir, die Leser hecheln und rasen mit, durchs Buch, durch Marseille, gönnen uns kaum einen Pastis in einer Hafenkneipe weil wir schon weiter müssen, den Hauptgestalten hinterher.
Sechstens – Ach, lest doch selber!

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Veröffentlicht am 17.02.2021

Ist dies nun ein Krimi oder ein faszinierender Traktat über die Geschichte von Istanbul?

Die Gärten von Istanbul
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Zuerst einmal ein Lob für Sabine Adatepe. Sie hat das Buch sehr feinfühlig und trotzdem spannend übersetzt. Ich habe jede Seite genossen. Sei es die spannenden Szenen des eigentlichen Romans, wo sich der ...

Zuerst einmal ein Lob für Sabine Adatepe. Sie hat das Buch sehr feinfühlig und trotzdem spannend übersetzt. Ich habe jede Seite genossen. Sei es die spannenden Szenen des eigentlichen Romans, wo sich der Kreis der Verdächtigen mal weitet, mal einengt und meistens als falsch erweist, oder die hoch interessanten und wunderbar recherchierten Themen zur Geschichte dieser faszinierenden Stadt. Und dazwischen filigrane Kostproben türkischer Lyrik, die zum Innehalten einladen, zum verweilen verführen. Gerade die Kombination aus Geschichte und Krimi macht dies zu einem Klasse Buch. Die Mörder haben sich genau überlegt, wen sie töten und wo sie die Leichen in Istanbul der Öffentlichkeit legen oder besser gesagt präsentieren. Denn die Abladeorte und die Positionen der Toten sind nicht zufällig ausgewählt. Es handelt sich jedes Mal um Symbole der so wechselseitigen Geschichte dieser Stadt.
Gemeinhin nennt man Rom die ewige Stadt. Aber Istanbul verdient diesen Beinamen auch. Gelegen an der Nahtstelle von zwei Kontinenten, war Istanbul vor nicht mal 200 Jahren noch die Herrscherin über weite Teile von drei Kontinenten und dies schlägt sich natürlich auch in der Architektur dieser Stadt nieder. Ahmet Ümit führt uns dies sehr lebendig vor Augen, indem er Tote (kleines Wortspiel, unvermeidbar) an den Knotenpunkten der Historie Istanbuls platziert. Und dadurch wird Istanbul selber zu einer der Hauptfiguren im Roman. Sie hat Charakter, ist ständig präsent, ist verführerisch schön, aber auch gnadenlos durch ihre Bewohner. Wer Istanbul schadet muss früher oder später mit Konsequenzen rechnen.
Das Dreigespann, das die Ermittlungen in diesen Serienmorden aufgenommen hat kommt sehr engagiert und sympathisch rüber. Da wären zuerst einmal der Hauptermittler Hauptkommissar Nevzat. Schon in einem reiferen Alter, trauert um seine Frau und seine Tochter die einem Verbrechen zum Opfer fielen, liebt Lyrik, Freundschaft und gute Küche. Scharfsinnig, offen für alles, ermittelt in alle Richtungen, erkennt trotzdem leider viel zu spät was genau die Morde an den historischen Stätten Istanbuls ausgelöst hat.
Seine Assistenten Ali und Zeynep, beide jung, voller Elan, hoch intelligent, und auch schon versierte Ermittler. Sie unterstützen Nevzat tatkräftig, sind immer zur Stelle und einsatzbereit wenn sie gebraucht werden.
Dann wären noch Nevzats Freunde, der Tierarzt Demir und der Poet und Architekt Yekta, die ihm in schweren Stunden beigestanden haben, mit denen ihn gemeinsame Kindheit und Jugend verbinden, auch die Liebe zur gleichen Frau, Handan, die aber nur einen von ihnen auserwählt hat: Yekta.
Die Verdächtigen entziehen sich immer wieder des akuten Tatverdachts sei es durch Verhaftung während weitere Morde geschehen, sei es durch tatkräftige und unwiderlegbare Alibis oder schlicht und einfach weil sie sich selber in die Reihe der Mordopfer einfügen. Unfreiwillig versteht sich.
Das Coverbild ist ein echter Hingucker. Historische Boote und im Hintergrund die Hagia Sofia mit zwei Minaretten. Da muss man ja richtig zu Buch greifen.
Fazit: Lesegenuss pur.

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Veröffentlicht am 30.01.2021

Ist das wirklich nur Science-Fiction?

Davor und Danach
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Der Roman ist spannend zu lesen, ist viel zu schnell zu Ende. Und doch, er hinterlässt einen schalen Geschmack im Mund. Denn was da erzählt wird, klingt dermaßen real und gegenwärtig, dass man sich der ...

Der Roman ist spannend zu lesen, ist viel zu schnell zu Ende. Und doch, er hinterlässt einen schalen Geschmack im Mund. Denn was da erzählt wird, klingt dermaßen real und gegenwärtig, dass man sich der Thematik nicht entziehen kann. In nicht allzu ferner Zukunft wird sich das Leben auf der Erde ändern, wenn wir so weitermachen wie bisher. Und das beschreibt Nicky Singer sehr eindringlich.
Die großen Themen unserer Zeit, wie da wären Überbevölkerung, Wassermangel, unbewohnbare Gebiete, der Umgang mit Flüchtlingen und die zutiefst menschlichen Gefühle, die uns eigentlich zu Menschen werden lassen, werden da mit behandelt: Mitgefühl und Liebe.
Wie die Flüchtlinge in England behandelt werden, und speziell auf der kleinen Insel, steht eigentlich beispielhaft für die ganze EU. Ich sage nur die Flüchtlingslager Moria und Lipa auf dem Balkan. Ein Haufen von Bürokratie wird vorgeschoben, Papiere sind wichtiger als die Menschen, wenn man nicht in direkter Linie von der Insel stammt, wird man abgeschoben/hingerichtet. #wohin treibt unsere Gesellschaft?
Singer beschreibt dies in einem sehr eindringlichen und doch knappen Stil. Keine Gefühlsduselei und doch geht einem das Erzählte unter die Haut, lässt einen nicht mehr los, hallt noch nach.

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Veröffentlicht am 27.01.2021

Ach Ted, wirst Du wohl nie Ruhe finden?

Missing Boy
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In der Nähe von Crimson Lake verschwindet ein Kind aus einem Hotel. Für die örtliche Polizei gibt es nur einen Schuldigen. Auch wenn er nicht mal in der Nähe des Hotels war. Er wird brutal verhaftet, die ...

In der Nähe von Crimson Lake verschwindet ein Kind aus einem Hotel. Für die örtliche Polizei gibt es nur einen Schuldigen. Auch wenn er nicht mal in der Nähe des Hotels war. Er wird brutal verhaftet, die Polizisten fühlen sich absolut im Recht. Einmal ein Kinderschänder immer ein Kinderschänder. Auch wenn Ted Conkaffey aus Mangel an Beweisen frei gelassen worden war. Schrecklich solch ein Leben führen zu müssen, immer auf der Hut vor marodierenden Polizisten, immer in Angst von Mitbürgern erkannt zu werden die dann jeden Kontakt mit ihm ablehnen, auch wenn es nur um die Behandlung eines Haustieres geht.
Wie erschreckend gering der Personenkreis um Ted geworden ist, wie einsam er sich fühlen muss. Aber das Leben geht weiter. In diesem, (leider) abschließenden Buch um Ted Conkaffey erfahren wir endlich, wer der wahre Täter ist. Aber dank „gutmeinender“ Freunde kann der Täter vor der Polizei keine Aussage mehr machen, weil tot. Zumindest hinterlässt er ein ausführliches Tagebuch, so dass der Fall doch noch aufgeklärt werden kann. Der Fall des verschwundenen Kindes muss Amanda fast im Alleingang lösen, Ted ist viel zu sehr beschäftigt mit seiner Ex-Frau und Tochter und einem marktschreierischen Fernsehsender. Wie kann ein Kind aus einem Zimmer voll mit seinen Freunden verschwinden? Vor allem, da die anderen Kinder Stein und Bein schwören, er wäre immer bei Ihnen gewesen. Wie einfach es aber ist, Kindern Suggestionen einzuflüstern ist erschreckend. Nur gut dass Amanda ihnen nicht glaubt und ihre eigenen Beobachtungen und Überlegungen anwendet.
Candice Fox ist eine Meisterin ihres Fachs. Die Sprache ist geschliffen scharf und pointiert. Typisch für Candice Fox: der Mörder ist immer eine unerwartete Person, aber im Nachhinein betrachtet muss man der Auflösung des Falles zustimmen.

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