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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.03.2021

Hannah

Was wir scheinen
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Im Sommer 1975 will sich Hannah Arendt eine letzte Auszeit gönnen, vom Alltag, aber nicht vom Denken. Im Tessin kommt sie zur Ruhe, und lässt dabei gleichzeitig wichtige Stationen in ihrem Leben vorüberziehen. ...

Im Sommer 1975 will sich Hannah Arendt eine letzte Auszeit gönnen, vom Alltag, aber nicht vom Denken. Im Tessin kommt sie zur Ruhe, und lässt dabei gleichzeitig wichtige Stationen in ihrem Leben vorüberziehen. Dazu zählt der Eichmannprozess `61, ihre Flucht aus Deutschland, viele prägende Gespräche mit Mentoren und anderen großen Denkern ihrer Zeit.

Hannah Arendt ist mir wie sicherlich den meisten ein Begriff, auch wenn ich über sie nicht allzu viel weiß. Nach der Lektüre bin ich ein bisschen schlauer, auch wenn man Kellers Roman nicht als Biografie verstehen sollte. Aber er gibt einen wirklichen guten Einblick in Arendts Denken. Dies geschieht oft in Dialogen mit anderen, z.T. namhaften Autoren bzw. Philosophen, z.T. in Fragerunden mit fiktiven Studenten. Dieser Umstand macht das Geschehen sehr lebendig, und zeigt wie facettenreich Arendts Wirken war. Auch Arendts eher stille Seite, ihre Liebe zur Lyrik wird deutlich; Gedichte sind immer wieder eingestreut, werden diskutiert, auf Postkarten verschickt, oder einfach nur genossen. Ich mochte diese kleinen Auflockerungen sehr. An den Stil der Autorin musste ich mich erst etwas gewöhnen, auch an die Zeitsprünge; zudem war mir nicht immer sofort klar, mit welchen Personen sich Arendt trifft, schreibt, spricht, was das Verständnis etwas erschwert hat. Ich hatte erwartet, dass der Prozess um Eichmann mehr Raum einnimmt, oder zumindest der Inhalt von Hannahs Buch stärker im Fokus steht. Zwar wird er immer wieder erwähnt, aber von Arendts Haltung erfährt man trotzdem nicht gar so viel. Der Roman wirkt insgesamt schon rund, trotzdem bleiben am Ende für mich noch Fragen offen, weil mir die Hintergrundinfos fehlen, sodass das Leseerlebnis und die Take-Home-Message sicherlich etwas gelitten haben.

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Veröffentlicht am 24.02.2021

Familie Fux

Denn Familie sind wir trotzdem
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Das Mädchen Flo erzählt ihrem Tagebuch alles: von ihrem Alltag, ihrer Mutter Ina, ihrem Opa Paul. Der wuchs zusammen mit seinem Bruder beim gemeinsamen Onkel auf, einem grausamen und strengen Mann. Von ...

Das Mädchen Flo erzählt ihrem Tagebuch alles: von ihrem Alltag, ihrer Mutter Ina, ihrem Opa Paul. Der wuchs zusammen mit seinem Bruder beim gemeinsamen Onkel auf, einem grausamen und strengen Mann. Von klein auf gedrillt, fällt Paul schnell auf die Versprechen der Nationalsozialisten herein. Eine Generation später hat sich auch Ina an der Nase herumführen lassen: allein und schwanger steht sie da, weit weg in einem fernen Land.

Heike Duken hat in ihrem Roman in weiten Teilen die Geschichte ihrer eigenen Familie verarbeitet; das zeigt sich in Fotos und dem entsprechenden Nachwort. In vielen Dingen steht ihre Familie jedoch beispielhaft für die Nachkriegsgeneration, für die dunklen Flecken, die viele Familien auch mal totgeschwiegen haben. Die Figuren wirken authentisch und lebendig, gerade Flo kann man schnell ins Leserherz schließen. Dukens Stil empfand ich oft als recht distanziert, einzig Flos (v.a. zu Beginn) sehr kindlichen Tagebucheinträge/Briefe haben den Ton etwas aufgelockert. Gerade Pauls Kindheit ist natürlich durch diese Art zu Erzählen leichter zu ertragen, ich konnte mich trotzdem bis zuletzt nicht so ganz damit anfreunden. Die Konstruktion des Romans ist sehr gelungen, die Geschichten der einzelnen Familienmitglieder greifen trotz Zeitsprüngen sehr gut ineinander, sodass sich ein rundes Bild ergibt. Das Ende hat mir nicht ganz so gut gefallen, auch weil es doch im Gegensatz zur vorherigen Handlung konstruiert wirkt. Insgesamt habe ich Dukens Roman gerne gelesen, für Fans von Familiengeschichten sicherlich ein guter Fang.

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Veröffentlicht am 21.02.2021

Guter Auftakt, aber mit Luft nach oben

Leichenblume
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Vor einigen Jahren ist der stadtbekannte Anwalt Mossing brutal ermordet worden. Die Täterin Anna ist seitdem auf der Flucht. Und so staunt Journalistin Heloise nicht schlecht, als sie eines Tages genau ...

Vor einigen Jahren ist der stadtbekannte Anwalt Mossing brutal ermordet worden. Die Täterin Anna ist seitdem auf der Flucht. Und so staunt Journalistin Heloise nicht schlecht, als sie eines Tages genau von dieser Frau einen Brief erhält. Einen sehr persönlichen Brief, obwohl sie Anna doch noch nie begegnet ist. Der damalige Ermittler Erik wird eingeschaltet und nimmt die Spurensuche wieder auf.

Ich fand Leichenblume als Auftakt zu einer neuen Serie nicht schlecht, auch wenn den Figuren schon noch etwas Profil fehlt. Einen Vergleich mit Nesbo oder Adler-Olsen halte ich aber doch für sehr hoch gegriffen. Eine Journalistin als „Ermittler“ eröffnet immer interessante Möglichkeiten einen Kriminalfall zu entwickeln, und Heloise macht ihren Job wirklich gut. Ich fand ihre Figur recht sympathisch, es hat Spaß gemacht mit ihr dem Rätsel der Briefe nachzugehen. Die sind als Aufhänger gut gewählt, denn natürlich machen Annas Andeutungen neugierig, bringen sie doch immer wieder neue rätselhafte Hinweise. Als Heloise „offizieller“ Gegenpart fungiert Erik als Mann des Gesetzes. Ihn fand ich noch ein wenig blass, seine Perspektive oft langweiliger als Heloises, so ganz sympathisch war er mir auch nicht. Mal sehen, ob sich das in den Folgebänden ändern wird. Die Handlung hat mir insgesamt ganz gut gefallen, auch wenn ich die Erklärung des Motivs nicht ganz so aufregend fand, zu oft schon hat man ähnliches gelesen. Trotzdem ist der Fall gut aufgebaut, durch die Perspektivwechsel zwischen Heloise und Erik werden einige Dinge unterschiedlich beleuchtet und auch der Erzählstil hat mir gut gefallen; nicht sehr reißerisch, sondern eben nordisch distanziert, wie man es von anderen skandinavischen Autoren kennt. Insgesamt fand ich Leichenblume nicht schlecht, Luft nach oben ist allerdings noch vorhanden.

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Veröffentlicht am 24.01.2021

Was wäre wenn

Die Mitternachtsbibliothek
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Mit 35 Jahren hat Nora die Nase gestrichen voll von ihrem Leben. Job weg, Katze tot, Wohnung mies, beste Freundin ausgewandert… die Liste scheint unendlich. Schon seit Jahren kämpft sie mit Depressionen, ...

Mit 35 Jahren hat Nora die Nase gestrichen voll von ihrem Leben. Job weg, Katze tot, Wohnung mies, beste Freundin ausgewandert… die Liste scheint unendlich. Schon seit Jahren kämpft sie mit Depressionen, und so passiert es, dass sie eines Abends nicht mehr leben will. Doch statt im Nirwana, landet sie in einer Bibliothek. Der Bibliothek ihres Lebens; ihrer Leben, denn jede noch so kleine Entscheidung kann weitreichende Folgen haben. Nora kann diese alternativen Leben anprobieren, bis sie eines gefunden hat, das ihr gefällt; oder bis ihre Zeit abgelaufen ist.

Matt Haigs Roman beschäftigt sich mit einem Thema, das jeden irgendwann einmal umtreibt: was hätte ich im Leben bisher besser/anders machen können? Wenn xyz nicht passiert wäre, was dann? Mit diesen Fragen spielt der Autor sich durch verschiedene Szenarien und lässt seine Protagonistin Höhen und Tiefen entdecken. Welche Entscheidungen unser Leben prägen (positiv oder negativ), stellt sich oft erst später heraus und so wartet auf Nora die eine oder andere Überraschung. Manche Leben fand ich nicht so gut ausgearbeitet, nur als Seitenfüller hätte man sie dann doch auch nicht gebraucht. Natürlich kann nicht immer Bahnbrechendes passieren, aber etwas mehr Inhalt hätte ich mir doch gewünscht. Das Ende war dann doch sehr vorhersehbar, aber insgesamt fand ich den Roman unterhaltsam und rund. Die Thematik hätte man sicherlich noch tiefgreifender aufarbeiten können, aber auch dank des angenehmen Stils bin ich Noras Geschichte trotzdem gerne gefolgt.

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Veröffentlicht am 15.01.2021

Solider Thriller

Trauma – Kein Entkommen
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Katja Sand meistert den Spagat zwischen alleiniger Kindererziehung und ihrer Arbeit als Mordermittlerin mal besser und mal schlechter. Im Moment eher letzteres, knallt es doch zwischen ihr und ihrer Tochter ...

Katja Sand meistert den Spagat zwischen alleiniger Kindererziehung und ihrer Arbeit als Mordermittlerin mal besser und mal schlechter. Im Moment eher letzteres, knallt es doch zwischen ihr und ihrer Tochter ganz gehörig. Auch die Ermittlungen um einen vermeintlichen Selbstmord laufen nicht wie erwartet, der Ertrunkene im See scheint mehr Geheimnisse zu verbergen als zunächst vermutet.

Christoph Wortberg legt hiermit den ersten Teil einer Trilogie um und mit Katja Sand vor. Die Ermittlerin fand ich recht sympathisch, auch wenn mir noch etwas die Ecken und Kanten gefehlt haben. Ihre Figur birgt nicht so viel Neues, es scheint einen dunklen Fleck in ihrer Vergangenheit zu geben, was in vielen Thrillern inzwischen wohl dazugehören muss. Auch die Hintergründe des Täters bringen nichts sonderlich Innovatives. Den Fall rund um den Ertrunkenen fand ich trotzdem gut gemacht, hier ließ sich der Autor von einem landesweit bekanntem Skandal inspirieren; die Ausarbeitung hat mir wirklich gut gefallen. Auch den Erzählstil mochte ich sehr, spannend und flüssig wird die Geschichte vorgetragen. Ich denke bei diesem Thriller kommt es ein bisschen darauf an, wie häufig der Leser sonst zu ähnlichen Büchern greift. Wer noch relativ neu im Genre ist, bekommt einen soliden Thriller, der nicht viel falsch macht. Wer in dem Genre schon lange heimisch ist, wird etwas Neues vermissen. Ich fand das Buch nicht schlecht, würde mir aber für die Folgebände etwas mehr wünschen.

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