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Veröffentlicht am 27.02.2021

Hervorragend

Der zweite Reiter
1

Die Nachwirkungen des ersten Weltkrieges sind noch überall zu spüren. Keiner hat was außer Hunger hier in Wien anno 1918. Es sind schlimme Zeiten, an allen Ecken und Enden fehlt es. Sie alle müssen erfinderisch ...

Die Nachwirkungen des ersten Weltkrieges sind noch überall zu spüren. Keiner hat was außer Hunger hier in Wien anno 1918. Es sind schlimme Zeiten, an allen Ecken und Enden fehlt es. Sie alle müssen erfinderisch sein, um einigermaßen zu überleben. Rayoninspektor August Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter sind hinter dem Anführer eines Schleichhändlerringes her, wollen ihn auf frischer Tat ertappen. Dabei stolpern sie regelrecht über einen Toten. Nachdem eine zweite Leiche entdeckt wird und Emmerich in die Abteilung Leib und Leben möchte, ermittelt er weiter. Eigentlich zuständig für die Bekämpfung des blühenden Schwarzmarktes, geht er dann doch den Morden nach, was sein unmittelbar Vorgesetzter zu verhindern sucht.

Alex Beer versetzt den Leser in die Zeit der Nachkriegswirren. Gut konnte ich mir vorstellen, dass es schon ein gewisses Maß an Chuzpe brauchte, um auch nur irgendwas zu erreichen. Sie zeichnet Emmerich als einen aufrechten, aber durchaus mit allen Wassern gewaschenen Polizisten, der weiß, wie man überlebt. Mit etwas Bestechung - und sei es eine Selbstgedrehte oder ein kleiner Schein – wird so manches Wissen preisgegeben. Überall herrscht Not, auch wenn eine Elite sich alles leisten kann, in Saus und Braus lebt, so ist doch der Großteil der Wiener darauf angewiesen, erfinderisch zu sein, um zu leben, zu überleben.

Die Gräueltaten des ersten Weltkrieges sind ein Kernthema dieses Buches. Es ist der Autorin sehr gut gelungen, die Atmosphäre dieser Zeit des Mangels zu beschreiben. Sie hat mich direkt hineinversetzt in den täglichen Kampf der kleinen Leute. Hat aufgezeigt, was ein Krieg aus Menschen machen kann.

Nachdem mich „Unter Wölfen“ schon sehr beeindruckt hat, musste ich mehr lesen von Alex Beer und „Die rote Frau“ wartet schon. Im Wiener Milieu werde ich mich weiterbewegen, freue mich schon drauf.

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Veröffentlicht am 24.02.2021

Ein tiefer Blick in die Seele

Aus der Mitte des Sees
1

Lukas und Andreas, beide um die 40, sind unter ihren Mitbrüdern die jüngsten in der Benediktinerabtei. Während Andreas mit Juli eine Familie gründet, hinterfragt Lukas sein Dasein. Am besten gelingt ihm ...

Lukas und Andreas, beide um die 40, sind unter ihren Mitbrüdern die jüngsten in der Benediktinerabtei. Während Andreas mit Juli eine Familie gründet, hinterfragt Lukas sein Dasein. Am besten gelingt ihm das am und im See, da verbringt er seine freie Zeit.

Er sitzt am morschen Steg, betrachtet Xaver, den neuen Erdenbürger. Sein ehemaliger Mitbruder Andreas hat ihm das Familienfoto geschickt – Andreas, Juliane und Xaver, das Baby. Hier erzählt Lukas über das „Leben in Fülle“, wie der Film heißen soll, den sie über ihn drehen wollen. Seit 16 Jahren ist er nun im Kloster, er erinnert sich an Almut. Betrachtet die wunderbaren Bilder, die Alban hier alle gemalt hat. Lässt den Leser teilhaben an seinen Gedanken, lässt sehr tief blicken.

14 Tage begleiten wir ihn, er trifft Sarah, die so natürlich ist – wie eine Schwester. Sie geht im nicht mehr aus dem Sinn. Er windet sich, schweift ab, erzählt dann doch alles. Kehrt sein Innerstes nach außen. Zeigt, wie verletzlich er ist. Weiß selbst nicht, wohin er will. Die Tage am Steg lassen viele Gedanken zu. „Kann man das leben, mit dem Zölibat?“

Es sind sehr tiefe Empfindungen, ehrliche Gedanken, die nichts leugnen wollen. Hier am See und in der Mitte des Sees findet er zu sich, findet Antworten. Wir sind hier zwar im Kloster, das auch einen Flügel mit den unterschiedlichsten Gästen unterhält, das Augenmerk richtet sich jedoch auf Lukas und seine Sinnsuche.

Einen sehr behutsamen Blick gewährt Moritz Heger seinen Lesern auf die Fülle des Lebens, das ein Leben in Fülle ist. „Hier ist nicht die Seemitte… aber ich bin mittendrin.“ Ein sehr feinsinniges Buch, das noch lange nachhallt.

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Veröffentlicht am 24.02.2021

Ein magischer Sommer

Hard Land
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Hard-Land: „Geschichte des Jungen, der den See überquerte und als Mann wiederkam.“

Dieser Sommer macht was mit ihm, der Sommer 1985. Aus dem unsicheren Jungen, der gerne alleine war, wird ein 16jähriger ...

Hard-Land: „Geschichte des Jungen, der den See überquerte und als Mann wiederkam.“

Dieser Sommer macht was mit ihm, der Sommer 1985. Aus dem unsicheren Jungen, der gerne alleine war, wird ein 16jähriger Teenager, der gerade dabei ist, sich selbst zu finden. Sein bester Freund aus Kindertragen ist weggezogen, seine Mum krank und mit Dad ist das mehr ein Schweigen. Der Ferienjob im Kino bewahrt ihn davor, bei seinen Verwandten die Ferien verbringen zu müssen. Sie machen ihre Späße mit ihm, die anderen im Kino. Die Aufnahmeprüfung hier besteht er und wie nebenbei wird er als Sam - als Person - wahrgenommen. Der erste Kuss, die ausgelassene Stimmung, einfach jung sein – das kann er mit ihnen. Er wird ernst genommen.

Benedict Wells lässt mich einen Blick in die Seele von Sam werfen. Wie er vom lonesome cowboy, der lieber daneben steht als mittendrin zu sein, zur Clique findet. Ganz alleine hat er das geschafft. Wie es ihm immer besser geht, er in dieser Zeit 16 wird. Er das Leben in vollen Zügen genießt, immer mehr Selbstvertrauen gewinnt und in diesem Sommer geradezu aufblüht. „Übermütig und wach und mittendrin und unsterblich“ – so fühlt sich Sam und beim Lesen empfinde und spüre ich genau dies.

Eine behutsam erzählte Geschichte hin zum Erwachsenwerden. Der Schmerz eines Verlustes muss ertragen werden. Gewissensbisse nagen an ihm, aber auch ein unverstellter Blick auf all die wunderbaren Momente ist da. Diese vielen Kleinigkeiten, die zusammen genommen das große Ganze ergeben. Man darf, ja man muss Fehler machen dürfen. Nur dann weiß man, was zählt. Was gut war, was mies und was wirklich schlecht gelaufen ist. Sich mit dem Leben versöhnen, das sollte man. "Der zu sein, der du bist" und auch dazu stehen.

Ein Jahr nach diesem Sommer lässt Benedict Wells seinen Sam uns, den Lesern, die Geschichte unglaublich intensiver Momente erzählen. Umsichtig, sensibel aber unverkrampft und doch voller Sanftheit.

„Hard Land“ und die 49 Geheimnisse von Grady. Kirstie weiß es, sie ist hinter ein Geheimnis gekommen. Und Sam weiß es jetzt auch. Ein Buch, das tief berührt.

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Veröffentlicht am 21.02.2021

Lesegenuss im Schnee

Totentanz im Pulverschnee
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Meine erste Begegnung mit Arno Bussi und der Mama war eine sehr vergnügliche Reise ins eiskalte Maria Schnee. Muss doch der Bub anstelle des für die Marrrina ganz und gar gestorbenen Lorenzo herkommen, ...

Meine erste Begegnung mit Arno Bussi und der Mama war eine sehr vergnügliche Reise ins eiskalte Maria Schnee. Muss doch der Bub anstelle des für die Marrrina ganz und gar gestorbenen Lorenzo herkommen, der hat sie nämlich versetzt. Das Eisfestival steht an, die Suite ist gebucht und bezahlt von dem Lorenzo mit seinem Ferrari. Wär doch zu schade, wenn diese Hotelreservierung ungenutzt verfällt. Etwas widerwillig macht Arno sich auf den Weg, weil eigentlich möchte er viel lieber mit der Franzi in Wien für den Triathlon trainieren. Aber was hilfts, wenn die Mama ruft, dann kommt er halt. Kaum angekommen, ist nicht nur auf der Eisfläche die Hölle los. Rosa, die sehr schöne Eisprinzessin, ist verschwunden. Und was dann noch so alles passiert – man möchte es kaum glauben.

Als besondere Attraktion sind bei diesem Festival die Eisschnitzer am Werk, die aus den riesigen Blöcken exklusive Kunstwerke zaubern wollen. Bis die erste Tote auftaucht - da ist Schluss mit lustig. Erna Katz aus Innsbruck ermittelt, auch wenn das dem Dorfpolizisten so gar nicht in den Kram passt. Noch dazu mischt Arno mit, wenngleich er hier nichts zu melden hat und obendrein nur urlaubsmäßig da ist. Köstlich amüsiert habe ich mich über die spritzigen Dialoge zwischen der Katz (sie berlinert, was das Zeug hält) und Arno Bussi, dem Tiroler Buben.

Einen unterhaltsamen Kriminalfall aus Tirol hat Joe Fischler sich da einfallen lassen. Der „Totentanz im Pulverschnee“ ist der dritte Teil um den herrlich erfrischenden Arno Bussi, der so liebenswert daherkommt, sich viel zu schnell verliebt, auch wenn diese seine Liebe immer wieder ziemlich einseitig ist. Ein Gespür für das Verbrechen hat er allemal, da ist er ganz und gar Polizist.

Sehr kurzweilig und zum Schmunzeln sind diese kleinen, feinen Alltagssituationen, die den Aufenthalt in Maria Schnee so einzigartig machen. Auch wenn ich die Vorgängerbände (noch) nicht kenne, war ich schnell mittendrin und hatte nie das Gefühl, dass Wichtiges fehlt. Das dringende Bedürfnis, die andern Fälle nachzulesen, habe ich allemal. Ab sofort werde ich Arno Bussi folgen, egal wohin es ihn verschlägt.

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Veröffentlicht am 17.02.2021

Herbstzeitlose...

Herbstvergessene
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Nach langer Funkstille ruft Lilli Sternberg ihre Tochter Maja an mit der Bitte, zu ihr nach Wien zu kommen. Dort angekommen, ist Lilli tot – Selbstmord meint die Polizei. Maja kann nicht daran glauben ...

Nach langer Funkstille ruft Lilli Sternberg ihre Tochter Maja an mit der Bitte, zu ihr nach Wien zu kommen. Dort angekommen, ist Lilli tot – Selbstmord meint die Polizei. Maja kann nicht daran glauben und nachdem sie ein Foto ihrer Großmutter Charlotte mit einem Baby gefunden hat, die darauf notierten Daten jedoch unmöglich stimmen können, macht sich Maja auf, die Hintergründe zu erforschen. Immer tiefer taucht sie ab in die Vergangenheit und stößt auf Unglaubliches.

Sofort bin ich abgetaucht in diese Spurensuche, konnte das Buch nur schwer aus der Hand legen. Maja erzählt hier ihre Geschichte im Wechsel mit Ihrer Großmutter Charlotte, die zurückblickt auf ihr Leben. Deren zwei älteren Schwestern liiert sind und sie, die Nachzüglerin, die eigentlich ein Junge sein sollte, lieber burschikos daherkommt - bis Paul kam.

Die historischen Elemente sind allesamt erschreckend. Anja Jonuleit versteht es ausgezeichnet, den Leser hier mitzunehmen. Das Schicksal all derer, die den Nazis hilflos ausgeliefert waren, gut nachzuzeichnen.

Die Vergangenheit blitzt immer wieder auf, will ans Tageslicht. Der Nachlass ist zu regeln und so macht Maja sich auf, Stück für Stück ihre Mutter und die ganze Familiengeschichte in all ihren Facetten neu kennenzulernen.

Je weiter ich im Buch kam, desto mehr wusste ich, aber wiederum tauchten neue Fragen auf. Die Autorin und ihre Erzählweise haben mich gebannt weiterlesen lassen. Die Geister der Vergangenheit waren direkt spürbar. Und das Gefühl, am Rande des Abgrundes zu stehen, kam immer mal wieder auf. Wann wird es hell, wann lichtet sich das Dickicht endlich?

Ein starkes Buch, eine mitreißende, ja mitfühlende Geschichte mit Eindringlichkeit erzählt. Anja Jonuleit fasziniert ungemein.

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