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Veröffentlicht am 22.02.2021

Ein Roman wie eine beste Freundin

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
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Ganz ehrlich: Was für ein Buch! Was für ein Roman! Was für eine Geschichte! Ein echter Glücksgriff – ich fühle mich, als hätte ich in kürzester Zeit eine beste Freundin gefunden. Ich habe jede Seite genossen: ...

Ganz ehrlich: Was für ein Buch! Was für ein Roman! Was für eine Geschichte! Ein echter Glücksgriff – ich fühle mich, als hätte ich in kürzester Zeit eine beste Freundin gefunden. Ich habe jede Seite genossen: glänzende, interessante Unterhaltung mit einiger Tiefe und Interpretationspotential, eine eher seltene Kombi. Vom ersten Satz an taucht man in Hannahs Welt ein, in ihr besonderes Verhältnis zu ihrer sehr speziellen, etwas verschrobenen, eigenwilligen, aber unheimlich wachen Großmutter Evelyn, in ihre obsessive Liebe zu ihrem Professor, in ihre Selbstzweifel und Verlorenheit, die sich auf der Suche nach einem verschollenen Erbe nach und nach verflüchtigen.

Der Roman ist unglaublich fließend, gut und mit leichter Hand geschrieben. Es braucht immer nur ein, zwei Sätze und man ist wieder mittendrin in der Geschichte angekommen, die mit ihren unterschiedlichen Zeitebenen ein ziemliches „page turner“-Potenzial aufweist. Darüber hinaus ist der Text hervorragend und überzeugend kontextualisiert, bindet die verschiedenen Schauplätze und Zeiten sprachlich sehr gut in die Handlung ein und bietet geschickt eingewobene wichtige politische Einblicke, ohne die Story zu überfrachten. Besonders eindrücklich ist die Darstellung der immer furchtbarer, auswegloser und enger werdenden Welt der Goldmanns und der jüdischen Bevölkerung. Die Unmittelbarkeit, die Angst und vor allem auch der Drang, nicht glauben zu können oder zu wollen, was passiert, werden fühlbar transportiert.

Die Jagd nach der Vergangenheit, nach Erinnerungen und den Kunstwerken bieten einiges an Spannung, aber die besondere Stärke des Romans liegt unzweifelhaft in seiner nuancierten, umfassenden und fast schon als wertfrei und neutral zu bezeichnenden Figurenkonzeption. Die feine und durchdringende Beobachtungsgabe des Romans ist begeisternd - die Uniwelt, das Platzhirschgehabe, die Professorenallüren, die Aussichtslosigkeit und Frustration: das alles ist auf den Punkt beschrieben, ohne bitter oder zu übertrieben zu sein, und daher unglaublich gut. Darüber hinaus wird sich wunderbar bis in die Nebenfiguren eingefühlt. Die Autorin nimmt sie so, wie sie sind, und hält sich von zu offensichtlicher Sympathielenkung fern. Auf diese Weise gelingen ihr pointierte und nachvollziehbare, vor allem aber auch unterhaltende und sinnvolle, Charakterisierungen, die ihre Romanwelt bereichern und für ein hohes Maß an Authentizität sorgen. Dies schafft sie durch den konsequenten Wechsel zwischen Fremdperspektive und Innensicht und so liebt man als Leser Figuren wie den übermotivierten Jörg Sudmann, dessen Steckenpferd das Dritte Reich ist, oder die regimetreue Trude zwar nicht, aber man versteht, warum sie so sind, wie sie sind. Ein weiterer großer Pluspunkt im Rahmen der Figurenkonzeption ist der Verzicht auf gegenseitige, selbstbemitleidende Schuldzuweisungen unter den die Handlung tragenden Frauenfiguren. Das gerade so in Mode gekommene Thema der Verantwortlichkeit der Mutter am eigenen misslungenen Leben wird hier erfrischender Weise ausgespart, die Figuren sind bei aller Befasstheit mit ihren problematischen Themen sich ihrer eigenen Zuständigkeit deutlich bewusst.

Dabei will der Roman glücklicherweise nicht zu viel und vor allem nicht alle Stränge und Fäden am Ende lösen. Manche Wege sind eben – wie im echten Leben – auch Sackgassen und einige Themen muss man auch nicht zu einem Schluss bringen. Und wenn man dann für einen Roman wie diesen noch solch einen Schluss im Abendlicht hinbekommt, dann ist die Lesewelt doch einfach schön. Diesen Roman muss man lesen und genießen. Für mich hat er das Zeug zu einem meiner Lieblingsbücher.

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Veröffentlicht am 10.12.2020

So wohltuend wie ein heißer Kakao

Der Buchspazierer
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Carl hat sich einen Namen als "Buchspazierer" gemacht, aber er ist alt geworden und seine junge Chefin ist der Ansicht, dass es Zeit ist, ihn wegzurationalisieren. Auf einer seiner Auslieferungstouren ...

Carl hat sich einen Namen als "Buchspazierer" gemacht, aber er ist alt geworden und seine junge Chefin ist der Ansicht, dass es Zeit ist, ihn wegzurationalisieren. Auf einer seiner Auslieferungstouren lauert ihm die kleine Schascha auf, die ihm mit ihrem ungestümen Wesen und ihrer kindlichen Weitsicht eine neue Perspektive auf sein Leben, seine Kunden und menschliche Beziehungen vermittelt.

Der Buchspazierer hat eigentlich alles, was eine perfekte Weihnachtsgeschichte braucht - bis auf Weihnachten und die richtige Jahreszeit. Denn es geht hier um Liebe, Menschlichkeit, Freundschaft, Mut, Nostalgie, Literatur, Bekehrung, Verzeihen und andere Themen, die allesamt ihren Platz auch in einer Adventsgeschichte finden könnten. Letztlich ist der Roman eine zwar etwas vorhersehbare und sentimentale, aber gelungene und sehr liebevolle Ode an die Literatur, das Lesen, die Bücher und ihre Kraft, Menschen zusammenbringen, zu inspirieren und reicher zu machen. Dabei wird das Wechselspiel zwischen geschriebenem Wort und wahrem Leben sehr deutlich gemacht, denn Bücher können Freunde sein und Anstösse geben, das Leben bereichern und sehr viel schöner machen, aber sie sind eben doch kein ausreichender Ersatz für reale Beziehungen.

Außerordentlich gut gefallen haben mir die (bewusst stereotypen) Figuren, die durch ihre Verbindung zu einer bekannten Romanfigur charakterisiert werden. Durch diese äußerst amüsante Gleichsetzung erübrigte sich jede weitere umfassende Darstellung. Darüber hinaus gibt es zahlreiche wunderbare und treffende Beobachtungen zu Literatur, Romanen, Buchgeschmack, Lesetempo etc., die einfach sehr nachvollziehbar, sehr hübsch und unterhaltend sind - das hat wirklich sehr viel Spaß gemacht.

Der Roman spielt virtuos auf der Gefühlsklaviatur und über weite Strecken hängt ein melancholischer Schleier über dem Geschriebenen. Dennoch ist Der Buchspazierer paradoxerweise ein wundervolles Buch für die Seele und ein absoluter Wohlfühlroman. Und auch wenn der Text gerade zum Ende hin fast melodramatisch und etwas kitschig wird, so tut das seinem Charme überhaupt keinen Abbruch. Eine Geschichte wie die Carls kann gar nicht kitschfrei erzählt werden - und im Übrigen: Kitsch tut manchmal auch gut und in diesem Fall ist der Roman so tröstlich wie eine heiße Tasse Kakao. Also kitschig und rührselig? Ja, schon. Aber ganz im Ernst - Who cares? Diese Buch tut einfach gut.

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Veröffentlicht am 05.11.2020

Detailreiches, mitreißendes Sachbuch

Bis wir uns wiedersehen
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Der etwas kitschig klingende Titel lässt kaum vermuten, dass sich hinter dem Cover ein unglaublich erschütterndes, spannendes, nervenaufreibendes und sehr gut recherchiertes Sachbuch mit hoher Lesbarkeit ...

Der etwas kitschig klingende Titel lässt kaum vermuten, dass sich hinter dem Cover ein unglaublich erschütterndes, spannendes, nervenaufreibendes und sehr gut recherchiertes Sachbuch mit hoher Lesbarkeit verbirgt. Bis wir uns wiedersehen erzählt die Geschichte Fey von Hassels, Tochter eines der Widerstandskämpfer des 20. Juli, und ihre Odyssee durch die Grausamkeiten des zerfallenden Deutschen Reichs.

Die Tatsache, dass Fey ihre beiden sehr kleinen Söhne weggenommen werden, ist zwar der vermeintliche Ausgangspunkt dieses Buches, gerät aber schnell zu einer Nebenhandlung, denn den eigentlichen Mittelpunkt bildet Feys Überleben, ihr ständiges Bangen um ihre Familie und ihr von Gefangenschaft, KZ-Verlegungen, Solidarität unter den anderen Sippenhäftlingen und Ungewissheit geprägtes Leben von der Verhaftung bis zum Kriegsende.

Catherine Baileys recht rationaler (leider an einigen Stellen etwas ungelenk übersetzter) Stil, entfaltet gerade aufgrund seiner Nüchternheit einen Reiz. Dieses Buch ist ein Sachbuch und will auch kein Roman sein - muss es auch nicht, denn die Dinge, die hier von der Autorin beschrieben werden, sind so unfassbar, dass man sie sich kaum besser bzw. schrecklicher ausdenken könnte. Das Leseerlebnis ist gerade deshalb und in Anbetracht der Tatsache, dass es sich hier um Fakten, Augenzeugenberichte und Erinnerungen verschiedenster Personen handelt, die zu einem sehr komplexen Teppich verwoben wurden, außergewöhnlich intensiv. Die detailreichen Schilderungen, die Exkurse über Dinge, die Feys Schicksal nicht unmittelbar betreffen (wie z.B. das Vorgehen der Roten Armee in den Städten Ostpreußens, die perfide KZ-Organisation, die Vorgeschichte des Wiesenhof), aber unglaublich interessant sind, entwerfen ein sehr umfassendes Bild der Geschichte und der Zeit. Der Leser bekommt den Eindruck, dass hier nichts vergessen, nichts ausgelassen wurde. Jede noch so kleine Ecke Wissen wird ausgeleuchtet, sodass eine nachhaltige Wirkung entsteht. Das Buch ist in jeder Hinsicht außerordentlich lehrreich.

Hinzu kommt, dass die Geschichte (obwohl real) ungeheuer spannend ist. Oftmals kann man das Buch kaum weglegen und tut es nur, weil das Furchtbare nicht mehr zu ertragen ist. So etwas muss ein Sachbuch erst einmal schaffen! Ich bin davon so begeistert, dass ich auf jeden Fall sehr gern noch weitere Bücher von Catherine Bailey lesen werde.

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Veröffentlicht am 18.09.2020

Mit den Küstenseeschwalben auf Wanderschaft

Zugvögel
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Frannys Vergangenheit hat sie zu einer schwierigen, komplexen und traumatisierten Persönlichkeit heranwachsen lassen, die sich in der nahen Zukunft auf eine Schiffsreise begibt, um den verbliebenen Küstenseeschwalben, ...

Frannys Vergangenheit hat sie zu einer schwierigen, komplexen und traumatisierten Persönlichkeit heranwachsen lassen, die sich in der nahen Zukunft auf eine Schiffsreise begibt, um den verbliebenen Küstenseeschwalben, den letzten ihrer Art, nachzujagen. Diese Schiffspassage ist für Franny ein Übergangsritus – so wie man es aus der Literatur hinlänglich kennt – denn sie stellt sich ihren Dämonen, ergründet ihre eigene Geschichte, wirft Ballast ab und findet eine neue Familie.

Zugvögel ist ein außergewöhnlicher, besonderer, aktueller, intensiver und bestechender Roman. Zwar gibt es auch schwächere (vielleicht auch für den Leser unangenehmere) Etappen in diesem Buch, aber insgesamt macht dieser Roman sehr, sehr viel so richtig, dass es zeitweise fast schwindelerregend ist.

Die Handlung ist in Grundzügen die der klassischen „rites of passage“, des Übergangs zwischen zwei Lebensabschnitten, der durch die Schiffspassage repräsentiert wird und Franny verändert und reifen lässt. Dabei bekommt diese Reise retrospektiv schon fast einen biblischen Charakter, deutliche Assoziationen mit einer umgekehrten Schöpfungsgeschichte oder der Arche Noah sind kaum auszublenden. Und genau das ist es, was diesen Roman dann auch groß macht: er ist keinesfalls Unterhaltungsliteratur, page turner oder annehmbare „Fridays for Future“-Variation, sondern zeigt auf allen Ebenen deutliche literarische Ambitionen, die man in den mannigfaltigen Interpretationsmöglichkeiten spüren kann. Dieser Anspruch macht sich auch im Gattungsmix bemerkbar, denn der Roman vereinigt Krimihandlung, Liebesgeschichte, Coming-of-Age-Elemente und vor allem ökologische Gedanken, die ein Lesen des Textes vom Ansatz des Ecocriticism aus unabdingbar machen. Auch wenn die ökologische Kritik den Roman wie ein roter Faden durchzieht, so verzichtet er doch darauf, allzu plump oder mit erhobenem Zeigefinger Missstände hervorzuheben, vielmehr schwebt auf subtile Weise ein melancholischer Klang über allem, was erzählt wird.

Die verschiedenen Genres, die der Roman vereint, werden durch die geschickte Handlungsstruktur gekonnt kombiniert. So erfährt der Leser in zahlreichen Rückblenden, die nicht chronologisch erfolgen, sondern von einer Zeitebene zur nächsten springen und wieder zurück, viel über die Protagonistin Franny, ihre Vergangenheit und ihr Wesen. Allerdings sind diese Einblicke immer kurze Schlaglichter, sodass alles, was Franny betrifft, sehr mysteriös bleibt und man sich nur sehr langsam dem Kern der Geschichte annähert. Verwirrend ist der Roman dennoch nicht, da er von der Schiffsreise zusammengehalten wird und die einzelnen Erinnerungsteile klar als solche markiert werden.

Franny ist dabei zwar der Orientierungs-, aber sicher nicht der Ordnungspunkt. Zu eigenwillig, beladen und nebulös ist sie als Protagonistin und unzuverlässige Erzählerin. Als Figur ist sie jedoch ausgezeichnet konzipiert. Sie ist widersprüchlich und schwierig, unverständlich und durchaus auch unsympathisch, aber gerade deswegen äußerst spannend. Dies gilt auch für ihre „neue“ Familie, die Crew der Saghani, in deren Mitte sie eine Art Heimat findet.

Heimat findet auch der Leser in diesem sprachlich sehr anrührenden, bewegenden und stilistisch konsequenten Roman, der sicherlich auch von seiner herausragenden deutschen Übersetzung profitiert. Der Text ist zeitweise distanziert, fast emotionslos und holt einen dann wieder mit seiner Sprachgewalt, seinem Vermögen, die Kraft des Meeres, des Windes, der Wellen, die Schönheit Irlands und die Einsamkeit der Welt aufs Papier zu bannen, wieder ein. Das ist absolut begeisternd.
Bis auf einen kleinen Makel, der für mich an einer Stelle in einer etwas unausgereiften Handlungskonstruktion im letzten Teil deutlich wird, ist Zugvögel für mich sicher einer der Top-Romane 2020. Er ist einfach besonders, wichtig, packend, ruhelos und poetisch.

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Veröffentlicht am 15.09.2020

Ganz famos!

Der falsche Preuße
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Das war ein Roman, der mir so richtig Spaß gemacht hat, weil hier einfach alles so richtig gut passt. Der Kriminalfall ist wunderbar verzwickt, mit verschiedenen Strängen, Ermittlungsrichtungen, red herrings ...

Das war ein Roman, der mir so richtig Spaß gemacht hat, weil hier einfach alles so richtig gut passt. Der Kriminalfall ist wunderbar verzwickt, mit verschiedenen Strängen, Ermittlungsrichtungen, red herrings und möglichen Motiven und lädt so richtig schön zum Miträtseln ein. Die Ermittlungen laufen auch durchaus mal ins Leere, aber an keiner Stelle entsteht der Eindruck einer überflüssigen Szene – im Gegenteil, jeder Schritt ist eine Mosaikstein zu der absolut schlüssigen und sinnvollen Auflösung am Ende, die überzeugt, gerade weil sie völlig ohne wilde Konstruktionen oder Exkurse in am Rande erwähnte Szenarien auskommt, und darüber hinaus schließlich sogar ein Ende im Stil von Arthur Conan Doyle präsentiert.

Der Roman überzeugt aber nicht nur auf der Handlungsebene, die Figuren sind ebenfalls sehr gut konzipiert. Gryszinski selbst liegt irgendwo zwischen Sherlock Holmes und Watson, er ist durchaus gewitzt und verfügt über ein scharfe Wahrnehmungsgabe, aber es gibt auch immer wieder Situationen, in denen er mit dem Leser auf Augenhöhe ist und sich von dem Fall überfordert fühlt. Es ist wunderbar, eine solche freundliche, gemütliche und dem Essen zugetane Ermittlerfigur durch die Handlung begleiten zu dürfen. Gryszinskis kulinarische Vorlieben sorgen für sehr viel München-Flair und vermenschlichen diesen Protagonisten auf eine sehr angenehme Art. Meine liebste Figur ist jedoch Gryszinskis Gattin Sophie, mit deren Lesebegeisterung ich mich sehr gut identifizieren konnte und deren weitreichende Literaturkenntnisse den Roman um viele treffende Verweise bereichern. Die Romanfiguren sind insgesamt zwar in Grundzügen alle von der Art, wie man sie in einem Krimi alter Schule anzutreffen erwartet, aber die Typen sind hier sehr liebevoll und mit eher ungewöhnlichen Charakteristika ausgestattet, was neben dem großen Wiedererkennungswert im Verlauf der Handlung auch einen sehr hohen Unterhaltungseffekt hat.

Dazu wartet der Roman als historischer Krimi noch mit allerlei sehr gut recherchiertem Kontext auf und bietet spannende Einblicke in Deutschlands Kolonialzeit. Besonders gut – und dazu noch recht neutral - aber ist der culture clash zwischen Bayern und Preußen herausgearbeitet, die Zerrissenheit Gryszinskis zwischen alter und neuer Heimat.

Zu dem großen Lesevergnügen trägt natürlich auch wesentlich der flüssige, aber anspruchsvolle und sehr geschliffene Schreibstil bei. Man merkt sehr rasch: hier schreibt jemand, der es kann. Syntax und Wortwahl sind keinesfalls einfach, aber unglaublich unterhaltend und vor allem absolut stimmig für eine Roman der Ende des 19. Jahrhunderts spielt. Der falsche Preuße atmet sozusagen 1894 und das fin-de-siècle und erweckt die Zeit auf allen Ebenen zum Leben.

Uta Seeburgs Roman ist ein famoser, sehr lesenswerter, äußerst unterhaltsamer und vortrefflich geschriebener Kriminalroman, der durch zahlreiche amüsante Details, verschrobene Figuren, viel Kontextwissen und Flair zu glänzen versteht. Dazu verfügt er noch über eines der dekorativsten Cover unter den derzeitigen Neuerscheinungen. Chapeau!

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