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Veröffentlicht am 25.02.2021

"Es ist nie zu spät, das zu werden, was man hätte sein können." (George Elliot)

Lebenssekunden
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50er Jahre. Als die aus einer Kassler Künstlerfamilie stammende 15-jährige Angelika Stein ohne Abschluss von der Schule fliegt, glaubt sie im ersten Moment, ihre Träume einer Fotografinnen-Karriere begraben ...

50er Jahre. Als die aus einer Kassler Künstlerfamilie stammende 15-jährige Angelika Stein ohne Abschluss von der Schule fliegt, glaubt sie im ersten Moment, ihre Träume einer Fotografinnen-Karriere begraben zu müssen. Doch das Schicksal scheint es gut mit ihr zu meinen, denn ein erst kürzlich aus der DDR geflohener Fotograf bietet ihr die Möglichkeit, bei ihm zu lernen. In Ostberlin bereitet sich zur gleichen Zeit die Leistungsturnerin Christine Magold darauf vor, bei den Olympischen Spielen für die DDR anzutreten. Als Ausnahmetalent nimmt sie den harten sportlichen Drill auf sich, absolviert neben dem normalen Schulbetrieb ein kräftezehrendes Trainingspensum und lässt so manchen körperlichen Schmerz über sich ergehen, denn mit den Erfolgen stellen sich auch Vergünstigungen für sie und ihre Familie ein. Als Christine die ewigen Strapazen nicht mehr hinnehmen will, ändert sich die Situation ihrer Familie rapide und steht schon bald unter der Beobachtung des Regimes. Als es 1961 zum Berliner Mauerbau kommt, begegnen sich Angelika und Christine zum ersten Mal…
Katharina Fuchs hat mit „Lebenssekunden“ einen wunderbaren historischen Roman vorgelegt, der dem Leser nicht nur die Lebenswege von zwei außergewöhnlichen Protagonistinnen vorstellt, sondern ihn dabei auch leibhaftig in die deutsch-deutsche Geschichte eintauchen lässt. Der flüssige, bildgewaltige und berührende Erzählstil macht das Eintauchen in die Handlung leicht, schnell schaut der Leser abwechselnd mal Angelika, mal Christine über die Schulter und erlebt ihre Entwicklung sowie ihr Umfeld hautnah mit. Die wechselnden Perspektiven wirken zuerst so, als hätten sie nichts miteinander zu tun, doch im Verlauf der Geschichte verwebt die Autorin die beiden Schicksale auf wunderbare Weise miteinander. Gespannt darf man wie durch eine Fotolinse verfolgen, wie die unangepasste Angelika dafür kämpft, Fotografin zu werden. Dabei steht ihr die Hürde im Weg, eine Frau zu sein, denn zur damaligen Zeit wurde Frauen nicht nur jeglicher Geschäftssinn abgesprochen, jeglicher Versuch, in eine Männerdomäne einzudringen, wurde für sie zum Spießrutenlauf. Doch Angelika lässt sich nicht unterkriegen und boxt sich regelrecht durch. Das Leben von Christine dagegen ist von Disziplin und fast schon unmenschlicher harter Arbeit geprägt, die sie an ihre körperlichen Grenzen bringen, nur um mit ihren sportlichen Leistungen dem Regime gefällig zu sein. Fesselnd beschreibt die Autorin die unendlichen Trainingsstunden, bei denen den Leser nicht nur der Hunger plagt, sondern auch die Trainerübergriffe schmerzlich bewusst werden. Meisterlich unterlegt die Autorin ihre Geschichte mit dem dazugehörigen historischen Hintergrund und zeigt die unterschiedlichen deutschen Lebensräume auf, wo die eine Seite in Freiheit leben darf, die andere Seite gefangen ist.
Facettenreiche Charaktere überzeugen mit individuellen Ecken und Kanten, wirken glaubwürdig und vor allem so lebendig, dass der Leser sich unter ihnen wähnt und mitfiebern darf. Angelika ist eine rebellische, forsche junge Frau, die ihr Herz auf der Zunge trägt, was ihr so manche Schwierigkeit einbringt. Doch sie ist intelligent, kämpferisch und auch mutig genug, sich den Widerständen in den Weg zu stellen. Christine ist fleißig, diszipliniert, stark und zurückhaltend, doch plagen sie immer öfter Zweifel, ob sie diesen Weg weitergehen will. Angelikas Vater ist ein liberaler Kunstliebhaber, der seine Tochter fürsorglich unterstütz. Christines Mutter dagegen ist dem DDR-Regime treu ergeben und trägt zum Drill ihrer Tochter bei. Ebenso überzeugen weitere Protagonisten in ihren Rollen innerhalb der Handlung.
„Lebenssekunden“ ist wie ein Blick durch ein Kaleidoskop, denn die Geschichte zeigt die unterschiedliche laufende Entwicklung zweier Frauenbiografien, die am Ende aufeinander zulaufen. Wunderbar und fesselnd erzählt vor dem Hintergrund deutscher Geschichte. Absolute Empfehlung!

Veröffentlicht am 24.02.2021

"Et d'une chanson d'amour, La mer, à bercé mon cœur pour la vie" (Charles Trenet)

Das kleine Friesencafé
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Nach dem Tod ihrer „Mammita“ Linda ist Julia von frühester Kindheit an bei ihrer Oma Anita in Gelsenkirchen aufgewachsen und betreibt mit ihr gemeinsam deren Blumenladen. In ihrer Freizeit frönt sie ihrer ...

Nach dem Tod ihrer „Mammita“ Linda ist Julia von frühester Kindheit an bei ihrer Oma Anita in Gelsenkirchen aufgewachsen und betreibt mit ihr gemeinsam deren Blumenladen. In ihrer Freizeit frönt sie ihrer Leidenschaft, dem Malen. Eines Abends übergibt die Oma ihr ein altes Notizheft mit Zeichnungen ihrer Mutter, die bei einem Mutter-Kind-Kuraufenthalt auf der Insel Föhr entstanden sind. Da Julia urlaubsreif ist und die Zeichnungen in ihr Gefühle hervorrufen, denen sie nachspüren will, fährt sie kurzerhand für einige Wochen nach Föhr. Auf der Insel angekommen, findet sie durch einen Zufall nicht nur einen Unterschlupf und ein Atelier beim alten Kapitän Paulsen, sondern nach und nach auch die Orte, die auf den Zeichnungen ihrer Mutter abgebildet sind. Doch auch neue Bekanntschaften sowie vergrabene Träume als auch jede Menge Malmotive lassen Julia die Insel immer mehr ans Herz wachsen…
Janne Mommsen hat mit „Das kleine Friesencafé“ einen wunderschönen Wohlfühlroman vorgelegt, der nicht nur mit einer unterhaltsamen Handlung besticht, sondern sich mit seinen farbenprächtigen Beschreibungen der Föhrer Inselwelt regelrecht in Kopf und Herz schleicht. Der flüssige, bildhafte und humorige Erzählstil des Autors lädt den Leser zu einer kurzweiligen Auszeit ein, die er in Begleitung von Julie auf der Nordseeinsel Föhr verbringen darf. Wechselnde Perspektiven erlauben, mal Julie bei ihren Erkundungsausflügen, Malexkursionen und allerlei Backorgien begleiten, mal steht man dem alten, kurz vor der Pensionierung stehenden Kapitän Hark Paulsen zur Seite, der nach dem Tod seiner Frau und dem Ende seiner Schiffslaufbahn noch nicht so richtig etwas mit sich anzufangen weiß. Schon bald sind die Schicksale der beiden durch einige Ereignisse auf besondere Art miteinander verbunden, die beiden neue Perspektiven für ihr jeweiliges Leben aufzeigen. Wie ein Maler durch das Setzen der Farben seine Leinwand zum Leben erweckt, verleiht der Autor durch die vielfältige Protagonistenschar und deren zwischenmenschlichen Beziehungen seiner Geschichte ein buntes Potpourri, dem der Leser von Beginn an als stiller Beobachter angehört. Hier geht es um (Gast-)Freundschaft, Liebe, Miteinander und vor allem um verschüttete Träume, die an die Oberfläche geraten und um Aufmerksamkeit bitten. All dies verpackt der Autor liebevoll mit eingestreutem nordischen Fering und dem rauen Charme der Küstenbewohner.
Ein bunter Strauß von liebevoll geschaffenen Charakteren, die mit glaubhaften Ecken und Kanten glänzen, nehmen den Leser in ihre Mitte, der ihre Schicksale aufmerksam und hoffnungsvoll verfolgt. Mit ihrem offenen und freundlichen Wesen findet Julia schnell Anschluss auf Föhr. Ihr ist gar nicht bewusst, wie talentiert sie wirklich ist. Einzig beim Backen ist sie sich sicher und verwöhnt bald nicht nur die Inselbewohner, auch die Touristen geben sich bei ihr die Klinke in die Hand. Oma Anita ist eine liebenswerte und warmherzige Frau, die schon viel zu lange allein war. Durch Julia darf sie nicht nur ihren Traum verwirklicht sehen, sondern erlebt auf ihre alten Tage noch einen zweiten Frühling. Hark Paulsen ist ein alter Brummbär mit dem Herzen am rechten Fleck, der sich vor dem Ruhestand fürchtet. Bürgermeister Finn-Ole hat einen Hang zu ausgefallener Garderobe und auch in Gefühlsdingen kommt er eher trocken rüber. Postbotin Nina eignet sich nicht nur als Malmotiv, sondern auch als Mitstreiterin. Aber auch Thore, Edda und viele andere wachsen dem Leser schnell ans Herz.
„Das kleine Friesencafé“ öffnet in dieser Geschichte seine Pforten und lädt zu Kurzurlaub, Inselflair, Meeresrauschen, süßen Verführungen, Freundschaften, Liebeleien, Musik und farbenprächtigen Bildern, die sich vor dem inneren Auge des Lesers auf der Leinwand verewigen. Einfach „La mer“ von Charles Trenet auflegen, Buch aufschlagen und träumen. Herrlich!!!

Veröffentlicht am 22.02.2021

"Die Hoffnung ist es, die die Liebe nährt." (Ovid)

Die Erinnerung riecht nach gelben Kamelien
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Allein mit ihrem Vater lebt Carolin in Düsseldorf, wo sie in dessen eigenen erfolgreichen Unternehmen angestellt ist, obwohl sie sich insgeheim eine Karriere als Malerin erträumt hat. Der plötzliche Tod ...

Allein mit ihrem Vater lebt Carolin in Düsseldorf, wo sie in dessen eigenen erfolgreichen Unternehmen angestellt ist, obwohl sie sich insgeheim eine Karriere als Malerin erträumt hat. Der plötzliche Tod ihres Vaters wirft Carolin völlig aus der Bahn, weil sie ansonsten keinerlei Angehörige mehr hat. Zumindest dachte Carolin das, bis bei der Beerdigung plötzlich ihre Großmutter Frida nebst ihrer Tante vor ihr steht. Wie konnte ihr Vater deren Existenz bisher verschweigen? Carolin will die Lücken füllen und ihre Wurzeln kennenlernen. Deshalb bittet sie ihre Großmutter um Aufklärung und taucht mit ihr gemeinsam in die Vergangenheit ein, bei der sie von einer bittersüßen Liebesgeschichte erfährt…
Bettina Lausen hat mit „Die Erinnerung riecht nach gelben Kamelien“ einen wunderschönen Roman vorgelegt, der nicht nur mit einer gut konzipierten Handlung überzeugt, sondern auch mit einem akribisch recherchiertem historischen Hintergrund glänzt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil bringt den Leser schnell ins Jahr 2009 an die Seite von Carolin, um gemeinsam mit ihr eine traurige sowie ereignisreiche Zeit zu erleben. Schon der Umstand, dass Carolin bis zur Beerdigung des Vaters aufgrund seiner Verschwiegenheit ihre restliche Verwandtschaft nicht kannte, deutet auf ein größeres geheimnisvolles Zerwürfnis hin und macht neugierig auf die Auflösung. In wechselnden Perspektiven erfährt der Leser nicht nur von Carolins Gegenwart und ihrer ersten Begegnung mit ihren Verwandten, sondern auch die Vergangenheit von Großmutter Frida, die sich im hauptsächlich im Berlin der 30er Jahre zur Zeit des Zweiten Weltkriegs abspielt. Die Autorin glänzt mit emotionalen Schilderungen unter dem Nazi-Regime und einer tragischen Liebesgeschichte, die die Betroffenen eine Achterbahn der Gefühle durchlaufen lassen und dem Leser das Gefühl geben, hautnah dabei zu sein, um die Ängste, den Verlust und die Hoffnungen nachzuempfinden. Bildgewaltig malt die Autorin sowohl die Kriegszeit als auch die Flucht aus Ostpreußen und setzt so beim Leser ein wahres Kopfkino in Gang, dem er sich kaum entziehen kann.
Die Charaktere sind mit Liebe zum Detail gestrickt und überzeugen glaubwürdig durch menschliche Eigenschaften, die sie für den Leser authentisch und greifbar machen und dieser sich ihnen gerne an die Fersen heftet. Carolin hat ein offenes und freundliches Wesen, sie stellt ihre eigenen Bedürfnisse zurück, um es ihrem Vater recht zu machen. Sie wirkt manchmal etwas naiv, besitzt aber eine gesunde Neugier. Großmutter Frida hat so manchen Schicksalsschlag erlebt, durch den sie an Stärke, Mut und Kraft gewonnen hat. Als junge Frau abenteuerlustig, muss sie bald herbe Rückschläge einstecken, doch wirkt sie nicht verbittert und verliert weder ihren Optimismus noch die Hoffnung. Erwin ist ein freundlicher Mann, der Frida in Liebe sehr verbunden ist. Ebenso glänzen weitere Protagonisten in ihren Rollenbeiträgen innerhalb der Geschichte.
„Die Erinnerung riecht nach gelben Kamelien“ besticht durch einen gelungenen Mix aus glaubhafter Lebens- und bittersüßer Liebesgeschichte vor historischem Hintergrund. Wunderbar gefühlvoll erzählt, lässt die Handlung den Leser regelrecht an den Seiten kleben, während er sich als unsichtbarer Beobachter alles miterlebt. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 22.02.2021

"Das Werk, das man malt, ist eine Art, Tagebuch zu führen." (Pablo Picasso)

Art
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Als Kunstliebhaberin und selbst künstlerisch tätig bin ich von dem Buch „Art: Die visuelle Geschichte“ von Andrew Graham Dixon begeistert.
Das Werk ist schon für sich ein Schwergewicht mit seinen über ...

Als Kunstliebhaberin und selbst künstlerisch tätig bin ich von dem Buch „Art: Die visuelle Geschichte“ von Andrew Graham Dixon begeistert.
Das Werk ist schon für sich ein Schwergewicht mit seinen über 3 Kg und mehr als 600 Seiten in einer angenehmen Größe, die es erlauben, dem Leser in vielen gut aufgemachten Fotografien in Profiqualität nicht nur das eine oder andere Kunstwerk zu präsentieren. Auch die verschiedenen Maltechniken, Werkzeuge, Materialien und besondere Eigenheiten der unterschiedlichen Künstler werden hervorgehoben und wie sie ihre Bilder komponiert, ihnen Perspektive gegeben haben sowie der Einsatz von Licht und Schatten. Ebenso erhält der Leser einen Überblick über die in der Kunst hauptsächlich gewählten Themen: Mythos und Legende, Landschaft, Tiere, Stillleben, Portraits, Kinder, Akt, Liebe, Arbeit und Krieg. Mit der Auseinandersetzung von 22 herausragenden Bildern wie z.B. „Das letzte Abendmahl“ von Leonardo da Vinci, „Die Malkunst“ von Jan Vermeer oder Kandinskys „Komposition VII bekommt man einen sehr detaillierten Blick in die Künstlerstube und die angewandten Techniken des jeweiligen Meisters.
In „Art“ wird der Betrachter chronologisch, beginnend mit der Frühzeit durch sämtliche Jahrhunderte bis in die Gegenwart geführt. Mehr als 2500 Kunstwerke bieten dem Interessierten eine überwältigende Auswahl zum Studieren und sich vertiefen. Dabei werden die unterschiedlichen Stilepochen ausführlich erklärt und lassen den Leser eine Reise rund um den Globus antreten, um die Kunst in unterschiedlichen Kulturen kennenzulernen und ihre Entwicklung zu verstehen. Kurzgefasste Biografien der Künstler begleiten deren Werke, weisen auf deren besondere Techniken hin und gehen auch detailliert auf das abgebildete Kunstwerk ein sowie die Erwähnung, in welchem Museum oder in welcher Privatsammlung es sich momentan befindet.
„Art: Die visuelle Geschichte. Über 2500 Kunstwerke von der Frühzeit bis zur Gegenwart“ von Andrew Graham-Dixon ist eine wunderbare Zusammenstellung, der dem Kunstliebhaber und Kunstinteressierten einen sehr guten Überblick über herausragende Werke, die Kunstentwicklung über die Jahrhunderte sowie eine Anleitung für die Interpretation von Bildern liefert. Ein wirklich gelungenes Nachschlagewerk und absolut empfehlenswert!

Veröffentlicht am 21.02.2021

"Schönheit liegt im Auge des Betrachters" (Thukydides)

Als das Leben wieder schön wurde
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1954. Die Suche nach ihrer Mutter treibt Greta Bergström nach dem Tod ihrer Großmutter Annie von Schweden nach Hamburg und steht unangemeldet bei ihrem Vater Harald vor der Wohnungstür, den sie nach Jahrzehnten ...

1954. Die Suche nach ihrer Mutter treibt Greta Bergström nach dem Tod ihrer Großmutter Annie von Schweden nach Hamburg und steht unangemeldet bei ihrem Vater Harald vor der Wohnungstür, den sie nach Jahrzehnten wiedersieht. Bevor sie jedoch Harald und seine Familie kennenlernt, stößt sie erst einmal mit Mareike zusammen, die aus der Wohnungstür geschubst wird. Mit Harald, Trude und Ellen fühlt sich Greta schon bald unwohl, zu streng, still und freudlos ist es in dem Haushalt. Einzig ihr Halbbruder Mickey freundet sich mit ihr an, und durch ihn trifft sie auch Mareike wieder, die sich als Friseurin in ihrem Viertel den Lebensunterhalt verdient. Greta, selbst gelernte Kosmetikerin, tut sich bald mit Mareike zusammen und mit Trixie, der Tochter aus wohlhabendem Hause, gründen sie zu dritt den fahrenden Schönheitssalon „Schnieke Deern“, der in einem ausrangierten Lastwagen untergebracht ist. Während die Frauen auf Kundenfang sind und immer mehr voneinander erfahren, treibt Greta die Suche nach ihrer Mutter weiter, lernt die Liebe kennen und erfährt ein paar schreckliche Dinge über ihre eigenen Familienangehörigen. Wie gut, dass man da Freundinnen wie Marieke und Trixie hat…
Kerstin Sgonina hat mit „Als das Leben wieder schön wurde“ einen sehr gefühlvollen, leicht melancholisch anmutenden Roman vorgelegt, dessen Handlung sich in der Nachkriegszeit abspielt und einige Schicksale beinhaltet, die so wirklichkeitsgetreu geschildert werden, dass sie sich genauso zugetragen haben können. Der flüssige, bildhafte und anrührende Erzählstil lässt den Leser sofort an Gretas Seite treten, um ihr bei ihren Begegnungen und Erlebnissen über die Schulter zu sehen. Die Autorin hat die 50er Jahre wunderbar eingefangen und zaubert mit ihrer leisen und schnörkellosen Sprache Bilder im Kopf des Lesers hervor, der die alten Nissenhütten vor sich sieht, die Wohnungsknappheit im Hamburg, aber auch die Armut der Menschen, die eine neue Frisur oder eine Gesichtsmassage mit Lebensmitteln bezahlen wollen, weil kein Geld da ist, der rollende rote Schönheitssalon sowie die Streifzüge durch Hamburg, aber auch die Heilanstalt in Hadamar. Durch die drei Hauptprotagonistinnen unterschiedlicher Herkunft lernt der Leser nach und nach die Schicksalsschläge einer jeden kennen, aber auch deren Träume und Wünsche für ihr zukünftiges Leben. Dabei entwickelt die Autorin behutsam nicht nur die zwischenmenschlichen Beziehungen weiter, sondern legt nach und nach einige Geheimnisse offen, die den Leser durch eine Achterbahn der Gefühle jagen, denn es wird eine Bandbreite an Themen offenbart, die das Leben der Protagonisten beherrschen. Da geht es um Kindesentzug, Alkoholismus, Armut, Verschwiegenheit innerhalb der Familie, Nazivergangenheit, Misshandlung der eigenen Kinder. Aber so war es damals und gerade dieses lebendige Bild der vergangenen Zeit fasziniert, erschreckt und macht nachdenklich.
Die Charaktere sind mit ihren Ecken und Kanten sehr glaubwürdig und authentisch in Szene gesetzt, sie sprühen vor Leben, so dass der Leser schnell Zugang zu ihnen findet und mit ihnen leidet, bangt und hofft. Greta ist eine offene und selbstsichere junge Frau, die nach außen Fröhlichkeit verbreitet, doch innerlich auch zerrissen ist. Mareike trägt das Herz auf der Zunge, ist fürsorglich und hilfsbereit zu jedem. Trixie kümmert sich um ihre demente Mutter, ist unglücklich verliebt, wirkt etwas naiv, hat aber ein gutes Stilgefühl. Mickey hat Musik im Blut und ein großes Herz. Felix ist zurückhaltend, anständig und beschützend. Harald hat sich in sich zurückgezogen, kommt mit dem Leben nur schwer zurecht. Trude wirkt verbittert und hart. Aber auch Fr. Wilkins, Renate, Elfriede, Benno und viele weitere haben wichtige Rollen übernommen.
„Als das Leben wieder schön wurde“ ist sowohl eine Suche als auch ein Hoffnungsschimmer. Eine Reise in die 50er Jahre, so lebendig wie traurig, voller Bilder und Emotionen, hart an der Realität. Ein Roman, der einen nicht loslässt. Sehr zu empfehlen!