In fremden Zungen ...
Die Sprache des LichtsGroßartiger, komplexer Roman, der aber gut verständlich ist, die Sprachenvielfalt feiert, hervorragend recheriert und generiert einen Flow!
Katharina Kramer hat Englisch, Französisch, Journalistik und ...
Großartiger, komplexer Roman, der aber gut verständlich ist, die Sprachenvielfalt feiert, hervorragend recheriert und generiert einen Flow!
Katharina Kramer hat Englisch, Französisch, Journalistik und Pädagogik in Hamburg, Durham / England und Paris studiert. Sie arbeitete als Journalistin, Übersetzerin sowie als Lehrerin und lebt in Hamburg. Dies hier ist ihr Debüt und welch ein exzellentes. Sie selber konnte ihre Erfahrungen mit fremden Sprachen einfließen lassen. Das Buch ist großartig, painstakelingy ( kein Wort drückt es besser als dieses aus ) recheriert und so wirkt es, auch wenn natürlich einige künstlerische Freiheiten vorherrschen, größtmöglich authentisch.
1582: Jacob Greve kommt aus Leipzig, ist Präzeptor ( Lehrer ) für Latein, Griechisch und Hebräisch an einer Knabenschule in Pforta. Nicht sehr beliebt und ein Außenseiter ist er Synästhetiker und hat das absolute Gehör. Er als Polyglotter beherrscht zwölf Sprachen und ist ein genialer Kryptologe. Er kommt aus einer Schuhmacherfamilie, in der er auch ein Außenseiter war.
Die Umstände wollen es, daß er Hals über Kopf Pforta verläßt und trifft durch Zufall ( oder Vorsehung? ) auf den Engländer Edward Kelley, der sich allerdings Edward Talbot nennt. Er hat vielerlei Talente und war Engelsmedium bei dem Hofastronomen der Königin Elisabeth I. Er besitzt vielerlei Talente, ist aber ebenso ein Gauner, der das Tafelsilber John Dees entwendet hatte und in deutschen Landen einen Diamanten. Dee besitzt tausende Bücher, unter anderem das Buch Soyga, das decodiert alle Mysterien des Buches Enoch enthüllen soll, also die Ursprache Gottes, der Schöpfung. Es heißt, daß jedes Wort, in dieser Lingua Deus gesprochen, das Verlautete sich manifestieren läßt, also Gold zum Beispiel. Deswegen kommt ihm Jacob gerade recht.
Im Béarn, an der Grenze zu Katalonien in Frankreich, soll Jacob die Pfeifsprache der Hirten entschlüsseln, weil diese Reste der Ursprache von Ihm enthalten soll. Die Decodierung ist noch niemandem gelungen. Über einen Umweg nach England bei John Dee, bei dem Jacob das Buch Soyga entwendet, trifft er Edward in Pau, im Béarn wieder.
Der zweite, zunächst parallele Handlungsstrang dreht sich um Margarète Labé, Tochter eines Zimmermanns und ebenfalls sehr begabt in Sprachen und Kryptologie. Sie ist katholisch und arbeitet für die Liga ( die aus überwiegend adeligen Männern in der Führung besteht ), die den calvinistisch geprägten Béarn rekatholisieren soll.
Jacob erregt die Aufmerksamkeit der falschen Leute und so wird Margy bald auf ihn angesetzt und die drei, sie, Jacob und Edward lernen sich "zufällig" kennen. Aber das ist der Beginn der Verwicklungen, Intrigen, unerwarteten Wendungen und es wird unter anderem für den scheinbar unbedarften Jacob bald sehr sehr gefährlich.
Das Trio ist sehr sympathisch und wächst einem schnell unvergessen ans Herz. Zuerst hatte ich Schwierigkeiten in das Buch hineinzukommen, aber das lag nicht daran, daß das Buch langatmig, langweilig oder schwerfällig wäre, sondern ausschließlich an mir, weil ich mich erst orientieren und adaptieren mußte. Aber dann ging es recht schnell, daß das Buch einen starken Sog generierte und einen einzigartigen Leseflow aufwies.
Es ist bis ins letzte Detail und Nebencharakteren liebevoll ausgestaltet, sehr reichhaltig und opulent, mit vitalen Protagonisten, sodaß die Geschichte sich plastisch vor einem ausbreiten kann, wie ein Triptychon, erster Teil: Parallele Handlung, zweiter Teil: die Stränge werden zusammengeführt, dritter Teil: kann ich nicht verraten, ohne zu spoilern. 😀
Die Protagonisten haben Tiefe, Facettenreichtum und sind überzeugend. Vielleicht scheint es manchem Leser so vorzukommen, daß es den einen oder anderen Zufall zuviel gäbe. Finde ich nicht, ich weiß aus eigener Erfahrung, daß es manchmal die seltsamsten Entwicklungen und Kehren im Leben geben kann.
Das Buch ist auch ein Fest der Sprachen, ein geradezu linguistischer Rausch und eine Feier der Kryptologie. Walisisch, Latein, usw. Schade, daß jeden Tag Sprachen auf der Welt aussterben und so die Vielfalt schrumpft.
Alle europäischen Sprachen sind indogermanischen Ursprungs bis auf Baskisch. Bis heute sind deren Wurzeln in der Forschung mysteriös. Erst andere Sprachen zu kennen, zollt vielfachen Völkern Respekt und man lernt viel mehr über die Wechselwirkungen von Kulturen, als wenn man sich nur unilingual durch die Welt bewegt. Natürlich kann nicht jeder polyglott wie Jacob sein, aber zumindest einiges der fremden Sprache zu können ruft freundliche Reaktionen der Einheimischen hervor, weil das zeigt, daß man sich Mühe gibt und echtes Interesse zeigt.
Es ist arrogant, ignorant und vermessen, von den Einwohnern des jeweiligen Landes zu erwarten, daß die gefälligst meine Sprache zu sprechen haben, wenn ich schon Geld dalasse. Dabei ist eine Mischung aus Teilen der Sprache, radebrechen sowie Hand und Fuß doch viel schöner. Das ermöglicht unvergessliche Begegnungen und Interaktionen.
Dieses Buch hier ist jedenfalls packend, fesselnd, emotional, zum Mitfiebern, sehr informativ und lebendig. Es enthält ein hilfreiches Register vor der Geschichte, ein Glossar sowie Erläuterungen zu den Kapiteln.
Ich bin gespannt, ob es jemals eine Fortsetzung gibt. Denn Stoff gäbe es noch und wäre garantiert auch ein faszinierendes Buch, das in den Bann ziehen wird. Danke, Katharina Kramer! Ein unbedingt lesenswertes Buch, bei welchem die 494 Seiten nur so dahinschmelzen.