Anders als erwartet...
„Der Wald der verlorenen Schatten“ von Danbi Eo hat mich mit gemischten Gefühlen zurückgelassen. Es gab Dinge, die mir sehr gut gefallen haben, die ich spannend oder interessant fand. Genauso habe ich ...
„Der Wald der verlorenen Schatten“ von Danbi Eo hat mich mit gemischten Gefühlen zurückgelassen. Es gab Dinge, die mir sehr gut gefallen haben, die ich spannend oder interessant fand. Genauso habe ich aber auch einige Kritikpunkte an diesem Buch.
Es war sehr schwer für mich, ein Urteil über dieses Buch zu fällen und meine eigene Zerrissenheit so in Worte zu fassen, dass man – zumindest ansatzweise – verstehen kann, was einen bei dieser Geschichte erwartet.
Am besten kann man es vielleicht so sagen: Für mich hat diese Geschichte drei Ebenen, die anders als bei anderen Geschichten so komplex und individuell sind, dass man sie einzeln betrachten MUSS, weil sie oft nicht so recht zusammen zu passen scheinen.
Die erste Ebene ist die sprachliche, die zweite die kulturelle und die dritte letztendlich die der Erzählung selbst (die Rahmenhandlung).
Auf sprachlicher Ebene war ich zweigespalten. Es gab viele Textstellen, bei denen mir insbesondere die Wortwahl, die Satzstruktur und gewissermaßen auch der Stil nur wenig zugesagt haben. Die Sätze sind sehr, sehr einfach gehalten. Dieser Stil wird hin und wieder jedoch dadurch gebrochen, dass Wörter vorkommen, die im heutigen Sprachgebrauch einfach nicht mehr wirklich verwendet werden, wodurch der Text manchmal sehr fremd und unnahbar wirkt. Auch Satzformulierungen (insbesondere in Dialogen) sind mir mehrfach befremdlich vorgekommen. Weil man so nicht – oder zumindest nicht mehr – spricht. Auf der anderen Seite erschien mir allgemein der Wortschatz, der zur Erzählung dieser Geschichte herangezogen wurde, sehr klein. Mein Leseeindruck war, dass hier mehr auf die Verwendung gleicher Wörter gesetzt wurde, wodurch aber viele Wortwiederholungen entstanden sind. Das war sehr seltsam für mich, manchmal war es anstrengend und dennoch hatte ich nicht den Eindruck, dass hier jemand nachlässig bei der Überarbeitung war, sondern, dass das gewissermaßen ein sehr ausgeprägter, durchaus beabsichtigter eigener Stil ist. Meistens war es so, dass ich es im ersten Moment nervig fand, im zweiten aber eine beinahe poetische Absicht darin erkannt habe.
Ich habe die Vermutung, dass es letzten Endes oft gewollt war und schlichtweg den Stil der Autorin widerspiegelt, trotzdem hatte ich allgemein auch öfter mal das Gefühl, dass die Übersetzung nicht immer so super gelungen ist. Manches muss man im Deutschen vielleicht dann doch anders umsetzen, damit es nicht bloß einfach komisch wirkt. Aber das könnte ich schlussendlich natürlich nur richtig beurteilen, wenn ich das Buch auch auf Koreanisch gelesen hätte/lesen könnte (was nicht der Fall ist).
Dieser Punkt bringt mich jedoch direkt zur zweiten Ebene: die kulturelle Ebene. Ich muss zugeben, ich kenne mich mit der Geschichte, Kultur und Traditionen Koreas überhaupt nicht aus. Aber ich habe während des Lesens von „Der Wald der verlorenen Schatten“ sehr viele Momente gehabt, die mir einfach seltsam vorkamen und die ich nicht einordnen konnte. Und ich glaube, dass hat sehr viel damit zu tun, dass dieses Buch von einem anderen Kontinent stammt, aus einem Land, über das ich nicht viel weiß, außer, dass es von unserem europäischen Standard eben durchaus abweicht.
Aber das hat mir an diesem Buch am besten gefallen. Angefangen bei den Namen, bei denen ich explizit nachschauen musste, wie man sie denn ungefähr ausspricht. Ich hatte das Gefühl, dass ich in eine andere Welt reise. Und zwar nicht in die fantastische Welt in diesem Buch – der Wald und seine Bewohner – sondern das reale, was einfach mitschwingt, so wie vermutlich auch in der europäischen und amerikanischen Literatur das „Europäische“ und „Amerikanische“ mitschwingt.
Zu dieser Ebene zähle ich auch den Ansatz des Philosophischen in dieser Geschichte. Auch hier war es oft so, dass es mir erst erzwungen, beim nochmaligen Überdenken aber auch als Teil der Geschichte und Traditionen vorkam. Vieles, was Hyoju beschreibt und erklärt, würde ich ganz anders beschreiben oder erklären. Manchmal habe ich ihre Art nur schwer verstehen können, gleichzeitig war das aber auch sehr spannend, weil ich das Gefühl hatte, dass das auch viel mit Kultur, Philosophie, Glaube und Tradition zu tun hat. Auch wenn ich das natürlich nicht sicher weiß. Im Zusammenhang mit diesem manchmal beinahe philosophischen Ansatz hat mir auch das Ende besonders gut gefallen. Man hätte kein besseres Ende für diese Geschichte schreiben können. Dabei ist es nicht „einfach nur Fantasy“, sondern es trägt auf alle Fälle eine sehr schöne und wichtige Botschaft.
Was mir jedoch nicht so sehr gefallen hat, war – und damit kommen wir schon zur dritten Ebene – die Geschichte selbst. Die Rahmenhandlung. Das, was man liest, wenn man nicht zwischen den Zeilen liest. Mir wurde nämlich immer wieder langweilig. Alles in allem war das Buch weder actionreich noch spannend. Das muss auch nicht immer sein, aber in dem Fall hätte es ein bisschen mehr sein dürfen. Die Geschichte hat mich nicht so gefesselt und mitgenommen, wie es hätte sein sollen. Sicherlich lag das auch an der Protagonistin, die mir mit ihren 29 Jahren manchmal vorkam, als wäre sie zwölf, die das offensichtlichste vor ihr nicht sieht und nicht erkennt und dem Leser somit oft ein Stückchen hinterher ist, wodurch auch hier einfach ein bisschen Spannung fehlt. Da verdreht man eher mal genervt die Augen und das ist schade und hätte nicht sein müssen. Außerdem sind mir mehrere Logikfehler und Ungenauigkeiten aufgefallen, die mich wirklich manchmal verwirrt haben und insgesamt einfach den Lesefluss enorm gestört haben.
Alles in allem kann ich sagen, dass die Geschichte an sich, so wie sie auf den Seiten steht, mich nicht umgehauen hat. Dafür hat mir das zwischen den Zeilen aber richtig gut gefallen. Letztendlich hat mich das Buch wirklich fasziniert zurückgelassen, ohne dass ich so richtig weiß, wieso. Und es hat mich neugierig gemacht mehr Bücher zu lesen, die aus Ländern kommen und in Sprachen geschrieben sind, von denen ich eigentlich nicht viel weiß, weil man allein durch die Art, wie ein Buch geschrieben ist und welche Wörter verwendet werden, gelegentlich sogar Kultur, Glaube und Tradition näher kennen lernen kann, ohne dass die Geschichte selbst direkt davon handelt.
Insgesamt gibt es von mir 3 Sterne. Ich würde wirklich gerne mehr vergeben, aber dafür hat mich die Geschichte selbst zu wenig gefangen. Empfehlen möchte ich dieses Buch aber trotzdem, weil es für mich einfach eine sehr interessante Erfahrung war!