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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.04.2021

Ein Jugendlicher auf der Schwelle zum Erwachsenen

Der große Sommer
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Nach „Alte Sorten“ ein weiteres, sehr beeindruckendes Buch des Autor.
Im Mittelpunkt steht zwar der sechzehnjährige Frieder mit seinen Freunden. Der Roman spricht aber Leser aller Altersstufen an.
Die ...

Nach „Alte Sorten“ ein weiteres, sehr beeindruckendes Buch des Autor.
Im Mittelpunkt steht zwar der sechzehnjährige Frieder mit seinen Freunden. Der Roman spricht aber Leser aller Altersstufen an.
Die Sommerferien beginnen für Frieder mit Grausen. Denn statt mit seiner Großfamilie in die Ferien zu fahren, steht für ihn vormittägliches Pauken beim strengen, Angst einflößenden Großvater an, um sich auf Nachprüfungen in Latein und Mathe vorzubereiten. Dann aber wird alles gar nicht so schlimm. Frieder lernt seine erste Liebe kennen und verbringt viel Zeit mit ihr, seinem besten Freund und seiner Lieblingsschwester. Den vermeintlich unnahbaren Großvater lernt er richtig kennen und erhält eine neue Sicht auf ihn, seine Beziehung zur Großmutter und auf die eigene Familie. Einige Krisen lassen Frieder reifen.
Die Geschichte ist im Jahr 1981 angelegt und weckt bei mir als einem Kind der 1960er Jahre schöne nostalgische Erinnerungen, z.B. daran, dass man seinerzeit noch keine Handys hatte, sondern zum Telefonieren mit zwei Groschen in die Telefonzelle ging. Die Themen Liebe und Freundschaft werden sehr feinfühlig und facettenreich angegangen. Das sommerliche Leben in der Stadt wird sehr gelungen dargestellt, die Schauplätze und die Atmosphäre sind sehr bildhaft. Auch in Frieder kann man sich hervorragend hineinversetzen. Obwohl er manchmal etwas aufmüpfig ist und sich auch den einen oder anderen Dumme-Jungen-Streich erlaubt, verliert er zu keinem Zeitpunkt an Sympathie. Es macht einfach Spaß, seine Entwicklung vom Jungen zum Erwachsenen in diesem einen Sommer zu verfolgen.

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Veröffentlicht am 18.03.2021

Eine Frauenfreundschaft auf den ersten Blick

Alte Sorten
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Der Roman handelt von einer ungewöhnlichen Freundschaft, einer Freundschaft auf den ersten Blick zwischen zwei zu sich selbst und anderen harten, unnachgiebigen Frauen.
Die 17jährige Sally ist aus einer ...

Der Roman handelt von einer ungewöhnlichen Freundschaft, einer Freundschaft auf den ersten Blick zwischen zwei zu sich selbst und anderen harten, unnachgiebigen Frauen.
Die 17jährige Sally ist aus einer Klinik für Essgestörte geflüchtet, weil sie einfach nur ihre Ruhe haben will. Sie findet Aufnahme auf dem landwirtschaftlichen Hof der älteren Liss. Dort findet sie Ruhe, niemand stellt Fragen. Andererseits tun sich bei Sally bzgl. Liss allerhand Fragen auf, denn von den anderen Dorfbewohnern wird sie gemieden. Doch auch Liss hüllt sich in Schweigen. Irgendwann kommt Sally hinter ein Geheimnis ihrer Wirtin …
Das Buch ist allein schon durch die Art, in der der Autor die Sprache einsetzt, lesenswert. Bezogen auf Liss hält er alles äußerst knapp, bei Sally ist sie zornig und frech. Gelungen ist auch die bildhafte Beschreibung des herbstlichen Lebens auf dem Gehöft, auch der dort angebauten alten Obstsorten, die durch das schöne Buchcover in den Fokus gerückt werden.
Sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 14.03.2021

Der Spagat einer Frau zwischen Berufstätigkeit und Familie

Johanna spielt das Leben
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Das Thema dieses Romans ist nach wie vor aktuell, obwohl seine Geschichte vor gut 60 Jahren angesiedelt ist. Der Protagonistin Johanna geht es wie heute immer noch vielen jungen Frauen – sie ist auf gutem ...

Das Thema dieses Romans ist nach wie vor aktuell, obwohl seine Geschichte vor gut 60 Jahren angesiedelt ist. Der Protagonistin Johanna geht es wie heute immer noch vielen jungen Frauen – sie ist auf gutem Wege, als Bühnenschauspielerin am Wiener Burgtheater Karriere zu machen und ist ehrgeizig in ihrem Beruf. Da wird sie früh schwanger und heiratet den Vater, der als Justizbeamter recht bürgerliche Vorstellungen von Berufstätigkeit einer Ehefrau und Mutter hat. Wegen einer Fehlgeburt kann Johanna dann doch noch einige Jahre arbeiten, bis sie nach der Geburt ihrer Tochter sich gegen den Widerstand des Ehemannes zu emanzipieren und Kindererziehung und Tätigkeit am Theater unter einen Hut zu bringen versucht.
Die Geschichte gewinnt an Lebendigkeit durch die gelungene Darstellung der Protagonistin. Oftmals hat man den Eindruck, sie sieht auch das wirkliche Leben als Schauspiel, ist sehr keck und verwendet beim Reden auch schon mal abgewandelte Zitate aus berühmten Bühnenwerken. Was sie an ihrem Ehemann festhalten lässt, fragt man sich schon. In der Ehe fliegt durchaus einmal das Geschirr. Vermutlich harmonisieren beide auf sexueller Ebene wie von Anbeginn ihrer Beziehung. Gerne hätte ich zur Person Johannas noch erfahren, wie es ihr als Kind aus sehr einfachen Verhältnissen gelungen ist, den Fuß ins Burgtheater zu setzen. Sehr gut gefallen hat mir die charmante Sprache („Wiener Schmäh“) mit vielen typischen österreichischen Vokabeln und Schimpfworten.
Ein sehr lesenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 13.03.2021

Liebesgeschichte ohne jeden Kitsch

Roman d’amour
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„Liebesgeschichte ohne jeden Kitsch“

Diesen Roman möchte ich allen ans Herz legen, die gern ganz besondere Liebesgeschichten lesen.
Eigentlich handelt es sich nicht nur um einen Roman, sondern um einen ...

„Liebesgeschichte ohne jeden Kitsch“

Diesen Roman möchte ich allen ans Herz legen, die gern ganz besondere Liebesgeschichten lesen.
Eigentlich handelt es sich nicht nur um einen Roman, sondern um einen Roman im Roman. Sylvie Schenk gibt ein Interview einer Journalistin mit einer für ihr neuestes Werk mit einem Literaturpreis bedachten Schriftstellerin über eben diesen Liebesroman wieder. Dieser handelt von der leidenschaftlichen Affäre einer geschiedenen Schuldirektorin mit einem jüngeren, verheirateten Kollegen. Viele Passagen des Buches werden (in Kursivschrift) eingeführt und mit beharrlichen Fragen und Kommentaren der neugierigen und insistenten Interviewerin bedacht, die – richtigerweise – erkannt hat, dass es sich vorrangig um eine Autobiografie handelt. Die Autorin beharrt jedoch auf einer fiktionalen Geschichte. Während des Interviews erinnert sie sich stückchenweise an ihre tatsächlich erlebte Affäre mit einem verheirateten Literaturprofessor vor einigen Jahrzehnten.
Dieses Aufeinandertreffen der beiden Frauen während des Interviews ist sehr gelungen und verleiht dem Roman eine gewisse Lebhaftigkeit. Die Schriftstellerin wird zusehends in die Defensive gedrängt und kann bei ihren Auskünften immer weniger zwischen Werk und eigenem Leben unterscheiden. Darauf springt die Interviewerin natürlich sofort an. Ihre Rolle birgt übrigens noch ein überraschendes Geheimnis, das erst ziemlich am Ende gelüftet wird. Interessant ist auch, dass die Ehebrecherin sowohl im angeblich fiktiven Roman als auch in Gestalt der Schriftstellerin eine Sympathieträgerin ist, was darauf zurückzuführen ist, dass beide letztlich vom verheirateten Geliebten verlassen werden und sich nur durch das Niederschreiben ihrer Geschichte retten können.
Ein wirklich lesenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 27.02.2021

Schöne Mischung zwischen Generationenroman und Geschichte Deutschlands

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
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Schon der ungewöhnlich lange Buchtitel deutet an, dass es sich um einen besonderen Roman handelt, der für die Autorin ihr Debüt ist. Der Titel bezieht sich auf ein verschollenes Bild des holländischen ...

Schon der ungewöhnlich lange Buchtitel deutet an, dass es sich um einen besonderen Roman handelt, der für die Autorin ihr Debüt ist. Der Titel bezieht sich auf ein verschollenes Bild des holländischen Malers Vermeer, das in der Geschichte eine wichtige Rolle spielt. Es soll sich nämlich zur Zeit des Nationalsozialismus im Besitz eines jüdischen Berliner Kunsthändlers befunden haben, der es zwecks Rettung vor dem Raub durch die Nationalsozialisten seiner Schwiegertochter, der Urgroßmutter der Erzählerin Hannah, anvertraut hat. Hannah will es nun aufspüren, weil sie bzw. ihre Großmutter als einzige Erben ermittelt wurden. Schon daraus wird ersichtlich, dass die Geschichte Deutschlands einen wesentlichen Platz in dem Roman einnimmt. Ebenso wichtig ist der zweite Erzählstrang, der sich der Familiengeschichte Hannahs über vier Generationen widmet, vor allem aber den Frauen in der Familie, die allesamt zu ihren jeweiligen Töchtern ein kompliziertes Verhältnis hatten. Eine zentrale Frage stellt sich, die zum Nachdenken anregt: Darf heute jemand ein Erbe annehmen, in dessen Familie es Täter und Opfer gab, d.h. linientreue Nationalsozialisten und Juden?
Ein fesselnder Roman, der den Leser mitfiebern lässt, ob das Rätsel um die Raubkunst ein gutes Ende findet.

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