Unterhaltsame, aber auch nachdenklich stimmende Nachkriegsgeschichte
Als das Leben wieder schön wurdeINHALT
Mit Lippenstift und Lebensmut. Drei Frauen bringen mit ihrem mobilen Schönheitssalon Farbe in das Hamburg der 50er Jahre.
1954 sind die dunklen Jahre vorbei, die Wunden des Krieges jedoch noch ...
INHALT
Mit Lippenstift und Lebensmut. Drei Frauen bringen mit ihrem mobilen Schönheitssalon Farbe in das Hamburg der 50er Jahre.
1954 sind die dunklen Jahre vorbei, die Wunden des Krieges jedoch noch lange nicht verheilt. Greta Bergström hat fast ihr gesamtes Leben in Stockholm verbracht, bei ihrer Ankunft in Hamburg ist der Himmel über der Stadt so grau wie die Seelen der Menschen. Mit ihrer offenen Art eckt die fröhliche Schwedin überall an, eine Stelle als Kosmetikerin sucht sie vergebens. Alles ändert sich, als Greta sich mit zwei Frauen anfreundet: Marieke, die aus Ostpreußen fliehen musste und den Nachbarinnen in den Altonaer Nissenhütten die Haare macht; und Trixie, die im feinen Blankenese lebt und unglücklich in einen amerikanischen Soldaten verliebt ist. Gemeinsam beschließen die drei Frauen, einen mobilen Schönheitssalon zu eröffnen. Ihre Kundinnen sollen sich wieder wohl in ihrer Haut fühlen, das Leben endlich wieder genießen. Nach den schweren Jahren ein Stück vom Glück zu finden, davon träumen auch die drei Freundinnen…
(Quelle: Wunderlich)
MEINE MEINUNG
Momentan erscheinen eine Menge Romane mit jungen, starken Frauenfiguren, die vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund der deutschen Nachkriegszeit und der beginnenden Wirtschaftswunderjahre spielen, so beispielsweise der Auftakt zur „Wunderfrauen“-Trilogie von Stephanie Schuster oder zu Carmen Korns neuer Histo-Saga „Und die Welt war jung“.
In diesen Trend fügt sich auch der interessante historische Roman „Als das Leben wieder schön wurde“ der deutschen Autorin und Journalistin Kerstin Sgonina ein, der ebenfalls in dieser Zeit im Hamburg von 1954 angesiedelt ist.
Im Mittelpunkt der unterhaltsamen, aber zugleich auch nachdenklich stimmenden Geschichte stehen die drei jungen Frauen Greta, Marieke und Trixie, die sich zu Beginn der 1950ger Jahre kennenlernen, anfreunden und beschließen, gemeinsam in einem ausgemusterten, umgebauten Lastwagen einen mobilen Schönheitssalon zu betreiben. In den Zeiten des allgemeinen Aufbruchs und Neubeginns wollen auch sie es wagen, hiermit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Nach den finsteren Kriegsjahren und der entbehrungsreichen Nachkriegszeit wollen sie ihren Kundinnen mit einer neuen Frisur oder wohltuenden Gesichtsbehandlung etwas Gutes tun und ihnen neue Lebensfreude schenken.
Rasch war ich gefangen von der lebendig und einfühlsam erzählten Geschichte, die zwischen verschiedenen Erzählsträngen hin und her wechselt. Dank des angenehmen, anschaulichen Erzählstils gelingt es der Autorin rasch, uns in die historische Vergangenheit der Hamburger Nachkriegszeit eintauchen zu lassen und die verschiedenen Charaktere zum Leben zu erwecken.
Die Geschichte wird in der 3. Person aus der Perspektive der Hauptfigur Greta Bergström erzählt, einer gelernten Kosmetikerin, die nach dem Tod ihrer geliebten Großmutter von Schweden nach Hamburg kommt. Man verfolgt gebannt den ersten Versuchen der jungen Schwedin Greta in Deutschland Fuß zu fassen und sich allmählich mit der wenig freundlichen und sehr distanzierten Familie ihres Vaters Harald Buttgereit, dem ehemaligen Ehemann ihrer Mutter Linn, zu arrangieren, bei der sie für den Anfang untergekommen ist. Nach und nach lernen wir auch die übrigen interessanten Charaktere kennen wie die aufgeweckte, aus Ostpreußen stammende Marieke kennen, die sich als Friseurin über Wasser hält, um endlich ihren kleinen Sohn zu sich holen zukönnen, Trixie, die aus betuchtem Hause stammt, ihre alte Mutter pflegt und sich für Mode interessiert, oder Gretas lebenshungrigen, jazzbegeisterten Halbbruder Mickey. Schrittweise erleben wir hautnah mit, was das Leben für die einzelnen Charaktere an Überraschungen, Herausforderungen und Problemen bereit hält und welche Entwicklungen sie im weiteren Verlauf nehmen. Sehr abwechslungsreich und glaubwürdig schildert die Autorin auch wie sich die Freundschaft zwischen den so unterschiedlichen Frauen entwickelt und wie diese manchmal auch auf die Probe gestellt wird.
Es gelingt der Autorin hervorragend, das damalige Zeitkolorit sehr anschaulich einzufangen und uns sehr lebendig und authentisch zu vermitteln. Durch die Dialoge ihrer Charaktere und anhand der sehr unterhaltsamen und anschaulich beschriebenen Episoden rund um das Schönheitsmobil mit seiner bunten Mischung an unterschiedlichsten Kundinnen führt uns die Autorin geschickt den typischen Zeitgeist und exemplarische Frauenschicksale jener Epoche vor Augen. Hierbei greift sie auch beklemmende und sehr problembehaftete Themen auf wie beispielsweise die immer noch allgegenwärtigen Folgen des Kriegs, die Wohnungsnot, die Abhängigkeit der Frauen von ihren Ehemännern, das Schicksal der traumatisierten Kriegsheimkehrer, die geächteten Beziehungen zu den Besatzern oder auch das Schicksal der Behinderten und psychisch Kranken während der Nazi-Diktatur. Auch die Animositäten und Vorurteile gegenüber den Ostflüchtlingen, die Ausgrenzung der Alleinerziehenden, das hartnäckige Verdrängen und Schweigen über die Vergangenheit, die Haltung der altgestrigen, unverbesserlichen Nazianhänger und die unzureichende Aufarbeitung der Nazigräuel werden angesprochen. Für meinen Geschmack wirkte die Handlung durch die vielen, oftmals nur angerissenen Aspekte thematisch ein wenig zu überladen.
Für viel Spannung sorgt ein weiterer Handlungsstrang, in dem wir Gretas Nachforschungen zum rätselhaften Verbleib ihrer Mutter Linn miterleben. Kurz vor dem Krieg ließ diese ihre Mutter mit der kleinen Greta nach Schweden übersiedeln, bleib allein in Hamburg zurück mit dem Versprechen später nachzukommen, und ließ niemals mehr von sich hören. In die beschwingte Aufbruchsstimmung um den hoffnungsvollen Neubeginn der jungen Frauen mischt sich mit den weiter voranschreitenden Erkenntnissen zum tragischen Schicksal von Gretas Mutter zunehmend eine unerwartet beklemmende und düstere Atmosphäre in die Geschichte. Die Auflösung macht schließlich sehr betroffen und fügt sich nicht so recht in die unterhaltsamen, amüsanten Geschehnisse rund um die „Schnieke Deern“ ein.
Durch ihre einfühlsamen Schilderungen erweckt die Autorin die verschiedenen Charaktere geschickt zum Leben. Ihre Figuren sind trotz der großen Vielzahl lebendig, vielschichtig und liebevoll ausgearbeitet. Insbesondere wirken die drei Frauenfiguren mit ihren gegensätzlichen Persönlichkeiten, ihren Eigenheiten aber auch ihren Geheimnissen und Traumata aus der Vergangenheit recht lebensnah. Es sind bemerkenswert tatkräftige, starke Frauenfiguren, die das traditionelle Rollenbild hinter sich lassen wollen und ein selbstbestimmtes, freies Leben für sich suchen. Bei einigen von ihnen hätte ich mir allerdings etwas mehr Tiefgang gewünscht. Bis zum Ende hin blieb mir zudem das distanzierte Verhalten von Gretas Vater sehr befremdlich und völlig unverständlich.
Die in sich abgeschlossene Geschichte endet mit einigen losen Fäden, so dass man für sich weiterspinnen kann, wie sich die Geschicke in der Hoffnung auf bessere Zeiten und ein glücklicheres Leben für drei Freundinnen weiterentwickeln werden.
FAZIT
Eine unterhaltsame, aber auch nachdenklich stimmenden Geschichte über drei junge Frauen während der Nachkriegszeit - abwechslungsreich erzählt, mit authentischem Zeitkolorit und interessanten Frauenfiguren!