Tanner sieht die Andy, die sie wirklich ist und nicht die, die sie alle sehen lassen möchte
ScorchedMeinung:
Als Tochter erfolgreicher und vermögender Eltern, eilt Andrea ein Ruf als verzogenes, reiches Mädchen voraus, welcher dafür sorgt, dass sie von den Menschen in ihrer Umgebung, ebenfalls nur oberflächlich ...
Meinung:
Als Tochter erfolgreicher und vermögender Eltern, eilt Andrea ein Ruf als verzogenes, reiches Mädchen voraus, welcher dafür sorgt, dass sie von den Menschen in ihrer Umgebung, ebenfalls nur oberflächlich betrachtet wird. Obwohl ich es falsch finde, Menschen nur aufgrund dessen zu be- bzw. verurteilen, so bemüht sich Andy nicht einmal darum, an diesem Blick auf sie etwas zu ändern. Sie ist eine Partymaus erster Güte, die jedes Mal zu tief ins Glas schaut. Andrea schirmt alle um sich herum ab und lässt sie nur das sehen, was eh schon an Gerüchte um sie kursieren. Ebenso wie Tanner wäre auch mir Anfangs nicht der Gedanke gekommen, sie könnte sich sozial engagieren, doch wie sich im Verlaufe der Geschichte herausstellt, hat sie die Art Einfühlungsvermögen, die sie von anderen - für ihre Person - selber vermisst.
Ich hätte mir einen Finger abgeschnitten, um zu erfahren, was sie in diesem Moment dachte. Ich ahnte es ja. Das Verb wollen tauchte immer wieder auf. Ich wollte sie küssen. Ich wollte sehen, ob ihre Augen dunkler wurden, wenn sie Erregung empfand. Ich wollte erfahren, wie sie aussah, wenn sie kam. Und ich wollte wissen, wie mein Name klang, wenn sie ihn schrie.
Tanner habe ich sehr bewundert. Seine Wandlung von großspurigen zum einfühlsamen Mann ist wirklich erstaunlich. Doch noch viel bemerkenswerter ist, dass seine wachsende "Beziehung" zu Andy, schon zu Anfang an auf einem heiklen Fundament gebaut wird. Die Geduld die er aufbringt, ist daher alles andere als verständlich,
Eine eigenständig gewählte Entscheidung, hat durch die mangelnde Unterstützung und vor allem die Enttäuschung ihrer Eltern etwas in Andy bewirkt, dass sie vor Nähe und damit einhergehenden Erwartungen zurückschrecken lässt. Schlafstörungen und Panikattacken sind die Folge, ebenso wie sie Dinge tut, weil sie glaubt, sie tun zu müssen. Oftmals kam es mir so vor, als hätte Andrea schon früher nach den Wünschen anderer gelebt und die erste Entscheidung, die sie bewusst alleine getroffen hat, war aus dem Blickwinkel der ihr nahestehenden Menschen ein "Reinfall", sodass sie nun davor zurückschreckt, weiterhin eigenständig zu Handeln und das ihr auferlegte Image einer hemmungslosen Partymaus erfüllt. Angst und Unsicherheit sind seither ihre ständigen Begleiter, bis Tanner zum Teil ihres Lebens wird, der sie bewusst wahrnimmt und sich bemüht, SIE zu sehen und nicht das, was sie alle anderen glauben lassen möchte.
>>Weißt du, gewöhnlich sind die Leute, die am häufigsten lächeln und am lautesten lachen, diejenigen, die am meisten ... leiden<<, [...]
Andreas Verhalten obliegt ein starker Kontrast, denn einerseits möchte sie Distanz wahren und andererseits versucht sie, Menschen zu finden, die sie mögen und Zeit um ihrer Selbstwillen mit ihr verbringen zu wollen. Die One-Night-Stand haben wir zumindest kurzweilig ein derartiges Gefühl verliehen. Aus Angst, die Erwartungen anderer erneut nicht erfüllen zu können und die Enttäuschung der anderen zu sehen. Sie wünscht sich, einmal mehr zu sein als nur eine Affäre und damit ein kurzzeitiges Vergnügen. Sie möchte mehr Wert sein und nicht auf ihr Äußeres reduziert werden. Doch was sie nicht sieht, ist, dass dieser Wunsch nur erfüllt werden kann, wenn sie bereit ist, ihre Hülle fallen und Tanner in ihre Seele blicken zu lassen. Ein Vorhaben, das von vorne herein zum Scheitern verurteilt ist, denn um in ihr innerstes Blicken zu können, muss auch sie erst einmal den Weg zu sich selbst finden.
Die Frage ist doch, spielt die Vergangenheit im Hier und Jetzt wirklich eine Rolle? Andrea hat nie richtig inne Gehalten um nachzudenken. Jeder hat seine ganz eigene Art mit Problemen umzugehen. Andy hat einen Weg gewählt, der Symptome bekämpft, den Ursprung aber nicht erreicht hat. Mit ihrer Flucht vor einer Bandbreite an Gefühlen und Ängsten, manövriert sie sich in ein noch tieferes Loch, aus dem auch ihre wachsenden Gefühle für Tanner sie nicht zu befreien vermag. Nur langsam beginnt sie zu realisieren, wie tief ihre Probleme doch liegen und dass sie alleine, nicht in der Lage ist, dort wieder rauszufinden. Diese Erkenntnis zu erlangen ist gut, doch der Schock des Ausmaßes verleitet sie zu einer Handlung, die zu einer lebensgefährlichen Situation ausartet.
Charaktere:
Andrea hat eine Entscheidung getroffen, die vier Jahre Ausbildung in den Sand gesetzt hat. Doch das wäre egal, würde sie nicht deshalb die Enttäuschung ihrer Eltern sehen. Anstatt Unterstützung zu erfahren, hat sie eine Mauer um sich errichtet, die nur eine oberflächliche Betrachtung ihrer Person zu lässt und mit dieser einen Abwehrmechanismus entwickelt, der sie die Dinge ungewollt schlimmer machen lässt. Tanner ist derjenige, der ihr ohne Erwartungen gegenübertritt und nicht aufgibt, die Andy zu sehen, die sie tief in sich verborgen hält.
Schreibstil:
Jennifer L. Armentrout führt uns eine Krankheit vor Augen, die nicht selten ist und viele Leute wirklich betrifft. Diese Krankheit belastet jeden, der mit den Betroffenen in Kontakt kommt, manchmal auf eine Weise, die man gar nicht richtig versteht, dass jedoch nicht notwendigerweise auf negative Art. Diejenigen, die einen lieben, wollen helfen und verstehen. Man muss sie nur lassen und sich nicht dagegen auflehnen. Ein Weg, der alles andere als leicht einzuschlagen ist, doch man kämpft nicht alleine, sondern hat eine Mauer aus Liebe hinter sich stehen, die einem den Rücken stärkt und vor Augen führt, wofür es sich zu kämpfen lohnt.
Mit Tanner und Andy hat uns die Autorin genau das vor Augen geführt. Der Weg war lang und steinig und trotz jeglicher Hürden doch mit Rückhalt versehen. Auch Andreas Freundin Sidney hat hier ganze Arbeit geleistet. Sie gibt ihr die Möglichkeit sich abzulenken, gibt ihr den Schubs in die richtige Richtung und scheut sich nicht davor, Andy ihre Ansicht offen zu legen. Doch was macht man, wenn alles auf taube Ohren zu stoßen scheint, oder der Drang nach Flucht und vergessen so übermächtig wird, dass noch nicht einmal ein derartiger Denkanstoß lange genug im Gedächtnis bleibt? Manchmal muss man erst jeglichen Halt verlieren und am Boden der Tatsachen angekommen sein, um wirklich bereitwillig etwas ändern zu wollen.
Eine tolle Geschichte, die einmal mehr zeigt, wie wichtig Liebe, Freundschaft, Zuversicht und Hoffnung sind.