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Veröffentlicht am 01.03.2021

Nur eine von vielen

Kim Jiyoung, geboren 1982
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Kim Jiyoung ist 33 Jahre. Zusammen mit ihrem Mann Chong Daehyon hat sie eine einjährige Tochter, Ziwon. Die kleine Familie wohnt in einer 80 Quadratmeter großen Wohnung am Stadtrand von Seoul. Um für die ...

Kim Jiyoung ist 33 Jahre. Zusammen mit ihrem Mann Chong Daehyon hat sie eine einjährige Tochter, Ziwon. Die kleine Familie wohnt in einer 80 Quadratmeter großen Wohnung am Stadtrand von Seoul. Um für die Kleine zu sorgen, hat Jiyoung ihren Job aufgegeben. Sie ist eine von vielen koreanischen Müttern, die so oder so ähnlich leben. Doch plötzlich zeigt Jiyoung seltsame Anwandlungen: Immer wieder schlüpft sie unvermittelt in die Rollen ihr bekannter Frauen. Was hat es damit auf sich? Ihr Mann schickt sie kurzerhand zum Psychiater.

„Kim Jiyoung, geboren 1982“ ist ein Roman von Cho Nam-Joo.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus sechs Teilen. Es beginnt im Herbst 2015. Danach wird chronologisch die Biografie der Frau nacherzählt. Der zweite Teil umfasst die Jahre 1982 bis 1994 und beleuchtet Jiyoungs Kindheit, der dritte den Zeitraum von 1995 bis 2000, in dem es um ihre Jugend geht. Teil vier (2001 bis 2011) deckt ihre Studienzeit und den Einstieg ins Berufsleben ab, Teil fünf (2012 bis 2015) ihr bisheriges Eheleben. Zum Schluss kommt die Geschichte im Jahr 2016 an. Erzählt wird aus einer personalen Perspektive, wobei sich die Erzählstimme erst im sechsten Teil erschließt. Diese Struktur ist gut durchdacht und funktioniert hervorragend.

Ein Manko ist für mich der sehr nüchterne, schnörkellose und berichtmäßige Schreibstil. Unter anderem sind es die 18 Fußnoten, die den Text wie eine wissenschaftliche Abhandlung wirken lassen. Zwar wird zum Ende hin deutlich, warum die Autorin diesen Stil gewählt hat. Zudem entsteht nichtsdestotrotz ein Lesesog, wegen dem ich das Buch nur ungern zur Seite gelegt habe. Alles in allem aber ist der Roman in sprachlicher Hinsicht leider kein Vergnügen.

Mit Jiyoung steht eine sehr durchschnittliche junge Koreanerin im Fokus der Geschichte, was den Roman allerdings keineswegs langweilig macht. Die Protagonistin bietet ein großes Identifikationspotenzial für viele andere Frauen innerhalb und außerhalb Koreas.

Der Inhalt des Romans hat es in sich. Auf nur rund 200 Seiten wird die Rolle von Frauen und Müttern in der Familie und der Gesellschaft allumfassend dargestellt - am Beispiel Jiyoungs, die stellvertretend für viele andere steht. Es geht um Sexismus, Diskriminierung, sexuelle Belästigung, Stalking, übergriffige Bemerkungen, Mansplaining und mangelnde Gleichberechtigung. Aufgezeigt wird die ganze Bandbreite der Misogynie in Korea. Der Roman macht schonungslos deutlich, mit welch hohen, teils widersprüchlichen und teils unerfüllbaren Erwartungen Frauen auch heutzutage konfrontiert werden. Er rüttelt auf, macht nachdenklich und wütend. Und das Buch taugt auch als Augenöffner, denn schnell wird klar: So viel anders sind die Rollenbilder in Europa nicht, auch hier sind Frauen nach wie vor benachteiligt, wenn auch nicht in solch extremem Ausmaß. In den letzten Absätzen des Romans wird die Aussage noch einmal überspitzt unterstrichen. Das war mir dann jedoch etwas zu viel des Guten.

Ein wenig zu kurz kommt meiner Meinung nach die psychische Krankheit Jiyoungs. Sie dient zu Beginn als Aufhänger und wird gegen Ende nur in recht kompakter Form noch einmal aufgegriffen.

Das Cover mit dem gesichtslosen Kopf betont, dass es bei der Geschichte nicht um einen Einzelfall handelt und Jiyoung nur eine von vielen ist. Auch der Titel passt meiner Ansicht nach gut.

Mein Fazit:
Auch wenn mich der Roman von Cho Nam-Joo in sprachlicher Hinsicht nicht begeistern konnte, ist „Kim Jiyoung, geboren 1982“ eine aufrüttelnde und absolut lesenswerte Lektüre. Ein Buch, dessen Inhalt noch eine Weile nachhallt und dessen wichtige Botschaft hoffentlich viele ins Grübeln bringt.

Veröffentlicht am 24.02.2021

Jugend in West und Ost

Lebenssekunden
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Deutschland in den 1950er-Jahren: Nachdem Angelika Stein von der Schule geflogen ist, will zunächst kein Fotograf in Kassel die 15-Jährige ausbilden. Dann aber erhält sie die Chance, sich ihren Berufswunsch ...

Deutschland in den 1950er-Jahren: Nachdem Angelika Stein von der Schule geflogen ist, will zunächst kein Fotograf in Kassel die 15-Jährige ausbilden. Dann aber erhält sie die Chance, sich ihren Berufswunsch zu erfüllen. Derweil wird die gleichaltrige Christine Magold in Ostberlin darauf gedrillt, als Leistungsturnerin die DDR zu vertreten. Was verbindet die beiden?

„Lebenssekunden“ ist ein Roman von Katharina Fuchs.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vielen angenehm kurzen Kapiteln. Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht von Angelika und von Christine. Leider werden beide Erzählstränge erst recht spät miteinander verwoben. Die Handlung spielt vorwiegend in Kassel und in Berlin. Sie beginnt 1956 und deckt die Zeitspanne bis zum Jahr 1961 ab.

Der Schreibstil ist gewohnt anschaulich, detailliert und einfühlsam. Viel wörtliche Rede macht das Geschehen lebendig.

Schön finde ich, dass auch in dem neuen Roman der Autorin zwei junge und starke Frauenfiguren im Vordergrund stehen. Sowohl Christine als auch Angelika sind sympathische Charaktere, deren Geschichte ich gerne verfolgt habe. Ihre Gedanken und Gefühle sind sehr gut nachvollziehbar.

Inhaltlich geht es in dem neuen Werk wieder um authentische Lebensgeschichten. Neben den persönlichen Schicksalen bekommt der Leser viel Zeitgeschichtliches vermittelt. Das macht die Lektüre mit ihren etwas mehr als 400 Seiten nicht nur unterhaltsam, sondern auch besonders interessant.

Gut gefallen hat mir auch die „Nachlese“, in der die Autorin kurz zusammenfasst, was aus den Protagonistinnen im weiteren Verlauf ihres Lebens wird. Gewünscht hätte ich mir, dass ein Nachwort erläutert, ob die Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht und was es mit den wirklichen Hintergründen auf sich hat.

Das stimmungsvolle und nostalgisch anmutende Cover passt gut zum Inhalt. Das trifft auch auf den prägnanten Titel zu, der zudem in seinem Wortlaut an die anderen Romane der Autorin erinnert.

Mein Fazit:
Mit „Lebenssekunden“ hat Katharina Fuchs zum wiederholten Male einen lesenswerten Roman geschrieben, bei dem vor allem Fans starker Frauencharaktere auf ihre Kosten kommen.

Veröffentlicht am 02.02.2021

Die „Füchsin“ und das geheimnisvolle Buch

Die Arglist des Teufels
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In den Jahren 1546 und 1547: In Mähren lernt Sophia, genannt „die Füchsin“, den Dialekt eines einsamen Tales in den Alpen. Sie glaubt, damit ein geheimnisvolles Buch, das ein Heilmittel gegen die Pest ...

In den Jahren 1546 und 1547: In Mähren lernt Sophia, genannt „die Füchsin“, den Dialekt eines einsamen Tales in den Alpen. Sie glaubt, damit ein geheimnisvolles Buch, das ein Heilmittel gegen die Pest enthalten soll, lesen zu können. Tatsächlich kann sie das Manuskript entschlüsseln. Doch es ist nicht das erhoffte. Und dann erfährt Sophia auch noch, dass ihr Mann, Magister Heinrich Fuchs, schwer erkrankt ist. Mit der Schrift reist sie zurück nach Pirna. Darauf hat der intrigante Stadtschreiber Wolf Schumann nur gewartet. Er nutzt die Kriegswirren für einen persönlichen Rachefeldzug...

Der historische Roman „Die Arglist des Teufels“ ist das Finale der Trilogie um das Buch des Teufels von Heike Stöhr.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 57 angenehm kurzen Kapiteln und endet mit einem Epilog. Erzählt wird aus mehreren Perspektiven. Die Handlung spielt an unterschiedlichen Schauplätzen. Hilfreich wären daher Orts- und Zeitangaben zu Beginn der Kapitel gewesen. Insgesamt funktioniert der Aufbau jedoch ganz gut.

Der Schreibstil ist für mich leider ein kleines Manko. Er ist gut verständlich, wirkt aber auch unspektakulär und zum Teil recht hölzern. Positiv werte ich dagegen die Tatsache, dass der finale Band auch ohne Vorkenntnisse der Reihe nachzuvollziehen ist. Es empfiehlt sich allerdings, die Vorgängerbände zuerst zu lesen.

Im Mittelpunkt des Romans steht mit Sophia eine mutige junge Frau, die mir schnell sympathisch war. Zudem gibt es eine Vielzahl an weiteren Charakteren. Eine Personenübersicht hilft allerdings dabei, den Überblick zu behalten.

Die Handlung erstreckt sich über fast 700 Seiten. Trotzdem wird die Geschichte nicht langatmig, denn mehrere Wendungen und Verwicklungen erhalten die Spannung aufrecht. Dabei gelingt es der Autorin nicht nur zu unterhalten, sondern nebenbei das damalige Leben und einen Teil der Historie anschaulich zu vermitteln.

Im interessanten Nachwort, das mit „Dichtung und Wahrheit“ überschrieben ist, klärt die Autorin darüber auf, was auf Fakten und was auf Fiktion beruht. Darin zeigt sich die fundierte Recherche. Ein Pluspunkt sind zudem die weiteren Extras: ein Glossar, eine Stadtkarte von Pirna und eine Landkarte.

Das Cover passt gut zum Genre und fügt sich perfekt in die Reihe ein. Das trifft auch auf den Titel zu.

Mein Fazit:
Mit „Die Arglist des Teufels“ hat Heike Stöhr einen lesenswerten Roman für alle Fans historischer Literatur und ein gelungenes Finale ihrer Trilogie geschrieben.

Veröffentlicht am 28.01.2021

Unendlich viele Leben

Die Mitternachtsbibliothek
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Für Nora Seed, Mitte 30, läuft das Leben ganz und gar nicht rund. Sie ist Single, kinderlos und seit Neuestem ohne Job. Ihr Bruder will sie nicht sehen, ihre Katze wurde gerade überfahren und sie fühlt ...

Für Nora Seed, Mitte 30, läuft das Leben ganz und gar nicht rund. Sie ist Single, kinderlos und seit Neuestem ohne Job. Ihr Bruder will sie nicht sehen, ihre Katze wurde gerade überfahren und sie fühlt sich von niemandem gebraucht. Ein Selbstmord erscheint ihr da als der richtige Ausweg. Doch womit sie nicht gerechnet hat: Auf dem Weg ins Jenseits kommt sie in eine riesige Bibliothek mit all den Leben, die sie hätte führen können. Dort hat Nora die Möglichkeit herauszufinden, was passiert wäre, wenn sie sich anders entschieden hätte. Jedes Buch bringt sie in eine veränderte Welt. Aber kann man in einem anderen Leben glücklich werden, wenn man weiß, dass es nicht das eigene ist?

„Die Mitternachtsbibliothek“ ist ein Roman von Matt Haig.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus mehr als 70 angenehm kurzen Kapiteln. Erzählt wird aus der Perspektive von Nora. Dieser Aufbau funktioniert prima.

Der Schreibstil ist anschaulich, lebendig und voller Bilder. Dem Autor gelingt es, seine Fantasie so zu schildern, dass man sie sich als Leser gut vor dem inneren Auge vorstellen kann.

Nora steht als Protagonistin ganz klar im Fokus der Geschichte. Sie ist ein durchaus sympathischer Charakter, obwohl sie für ihr Alter ein wenig unreif wirkt. Obwohl ich mich nicht mit ihr identifizieren kann, konnte ich ihre Gedanken gut nachvollziehen. Darüber hinaus tauchen etliche Nebenfiguren auf.

Besonders gereizt hat mich an dem Roman die kreative Idee der Bücher mit den unterschiedlichen Leben, die schlüssig dargestellt wird. Die verschiedenen Welten machen die Lektüre unterhaltsam und kurzweilig. An der einen oder anderen Stelle hätte die Geschichte sogar durchaus etwas ausführlicher sein dürfen und sollen.

Eine Stärke des Romans ist es, dass er zum Nachdenken anregt. Es geht um Lebensentscheidungen, um Reue und vertane Chancen, um Möglichkeiten und bedeutsame Wendepunkte. Philosophische Fragen werden aufgeworfen. Außerdem wird hier das wichtige Thema Depression näher beleuchtet. Das alles trägt dazu bei, dass der Roman erstaunlich tiefgründig ist.

Gut gefallen hat mir zudem, dass sich nicht nur das Cover an der Originalausgabe orientiert, sondern auch der prägnante englische Titel wortgetreu ins Deutsche übersetzt wurde.

Mein Fazit:
Auch wenn man sicherlich aus der Idee noch mehr hätte rausholen können, hat mich Matt Haig abermals nicht enttäuscht. Sein Roman „Die Mitternachtsbibliothek“ bereitet schöne Lesestunden und liefert nebenbei interessante Denkanstöße.

Veröffentlicht am 16.01.2021

Eine Sattlerin, ein Dichter, ein Herzog und viele Räuber

Die Gabe der Sattlerin
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Vorderösterreich im Jahr 1781: Um einer Ehe mit dem Witwer und Amtsmann Julius Lenscheider (38) zu entgehen, verschwindet die Sattlerstochter Charlotte (19) in der Nacht vor der geplanten Hochzeit überhastet ...

Vorderösterreich im Jahr 1781: Um einer Ehe mit dem Witwer und Amtsmann Julius Lenscheider (38) zu entgehen, verschwindet die Sattlerstochter Charlotte (19) in der Nacht vor der geplanten Hochzeit überhastet aus ihrem Heimatdorf Märgen. Mit ihrem Pferd flieht sie in Richtung Norden, als die junge Frau einer Räuberbande in die Hände fällt. Für die Kriminellen soll sie im Hofgestüt Marbach spionieren, wo sie auf den noch unbekannten Dichter Friedrich Schiller trifft. Beide erwarten so einige Gefahren und Verwicklungen...

„Die Gabe der Sattlerin“ ist ein historischer Roman von Ralf H. Dorweiler.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 36 Kapiteln mit einer angenehmen Länge, die mit treffenden Zitaten eingeleitet werden. Er endet mit einem Epilog. Die Handlung spielt an verschiedenen Schauplätzen, vor allem in Württemberg, und umfasst mehrere Wochen. Einheitliche Orts- und Zeitangaben machen die Orientierung leicht. Erzählt wird fast ausschließlich abwechselnd aus der Sicht von Charlotte und der von Friedrich. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Der Schreibstil ist anschaulich, bildhaft und lebhaft. Leider sind in der Originalausgabe noch auffällig viele Fehler durchgerutscht.

Charlotte ist eine interessante und sympathische Protagonistin. Ihre Gedanken und Gefühle werden sehr gut deutlich. Sie wirkt ein wenig naiv, was jedoch nicht ungewöhnlich für ihr Alter ist. Im Großen und Ganzen ist ihr Charakter authentisch ausgestaltet. Spannend ist es, dass auch Friedrich Schiller eine wichtige Rolle spielt. Etwas gestört hat mich allerdings, dass seine Biografie für den Roman nicht wenig zurechtgebogen wird, um zur Geschichte zu passen. Eine hilfreiche Personenübersicht erleichtert das Verständnis und weist historische Persönlichkeiten aus.

Das Setting des Romans und das Handwerk eines Sattlers haben meine Neugier an der Story geweckt. Gut gefallen hat mir, dass man auf unterhaltsame Weise einiges lernen kann, zum Beispiel über die Entstehung des Stückes „Die Räuber“ und die Eigenarten von Herzog Carl Eugen. Was dabei auf Fakten und was auf Fiktion basiert, ist dem aufschlussreichen Nachwort zu entnehmen.

Auf mehr als 400 Seiten hat der Roman kaum Längen. Zwischenfälle und Überraschungen machen die Geschichte kurzweilig und turbulent. Allerdings wird an mehreren Stellen etwas zu dick aufgetragen, so dass die Handlung bisweilen ein wenig realitätsfern wirkt.

Das Cover passt prima zum Genre und trifft meinen Geschmack. Der Titel erschließt sich mir dagegen nicht so recht.

Mein Fazit:
„Die Gabe der Sattlerin“ von Ralf H. Dorweiler ist ein Roman, der zwar manchmal etwas übers Ziel hinausschießt, aber dennoch für unterhaltsame Lesestunden sorgt.