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Veröffentlicht am 14.04.2021

Der Blick der Ethnologin

Menschwerdung eines Affen
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Menschwerdung eines Affen ist eine großartige Autobiografie, ausdrucksstark und lebendig sowie interessant und spannend.
Beim Titel stutzt man zunächst, doch es ist die 1947 geborene Autorin Heike Behrend ...



Menschwerdung eines Affen ist eine großartige Autobiografie, ausdrucksstark und lebendig sowie interessant und spannend.
Beim Titel stutzt man zunächst, doch es ist die 1947 geborene Autorin Heike Behrend selbst, die zunächst den abwertenden Titel Affe erhält, als sie vor Jahrzehnten in Kenia, Ostafrika ankommt, um als Ethnologin zu forschen. Da warten anfangs einige Fettnäpfchen auf sie. Das betrifft sprachliche Missverständnisse und fehlende Kenntnisse der Sitten und Kultur. Aber sie lernt dazu, nimmt an Ritualen teil und steigt auf der Leiter zur Menschwerdung. Schließlich kann die Fremdheit überwunden werden.

Mir fällt sofort die Sympathie und den Respekt auf, den sie für die Menschen in den kenianischen Tugenbergen hat. Die weiteren Teile des Buches spielen sich überwiegend in Uganda Ende der achtziger Jahre bis 2005 ab, ein bürgerkriegsversehrtes Land, in dem die Forschungs- und Fotoarbeit riskant ist. Heike Behrend forscht im Kriegsgebiet über die Holy Spirit-Bewegung.

Der Verlag Matthes & Seitz hat mit diesem Buch wirklich etwas zu bieten und es ist kein Wunder, dass dieses Buch für den Deutschen Sachbuchpreis nominiert wurde.

Veröffentlicht am 24.03.2021

Im Tosen des großen Falls

Der Fallmeister
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Wie schon die vergangenen Bücher von Christoph Ransmayr ist auch der dystopische Roman Der Fallmeister in einer äußerst kraftvollen Sprache verfasst, die es schafft zu faszinieren. Diese Sprache nutzt ...

Wie schon die vergangenen Bücher von Christoph Ransmayr ist auch der dystopische Roman Der Fallmeister in einer äußerst kraftvollen Sprache verfasst, die es schafft zu faszinieren. Diese Sprache nutzt sich nicht ab sondern hat im Gegenteil eine bemerkenswerte Frische, die zu detaillierten Beschreibungen führt.

Auch die Erzählperspektive ist außergewöhnlich. Der Erzähler ist ein leicht exzentrischer Hydrotechniker, der überzeugt ist, dass sein Vater den Tod von 5 Menschen herführte. Das war als Unfall in einem Fluss aufgefasst, doch war der Vater vielleicht doch irregeführt?
Der Vater war Fallmeister, wie er sich selbst titulierte, also ein Schleusenwärter, der sich nach diesem Vorfall selbst in dem Fluß zu Tod erbrachte.
Der Romanuntertitel Eine kurze Geschichte vom Töten ist also nicht grundlos gewählt.

Es ist eine Welt der nahen Zukunft, die inzwischen vielfach zerfallen ist und die von fehlenden Ressourcen bedroht und von Syndikaten beherrscht wird.

Der Protagonist befindet sich dann teilweise mit einem Auftrag in Kambodscha. Dabei wird die schwere Vergangenheit des Landes, dass durch die Massaker durch die roten Khmer geschildert.
Aber auch von der aktuellen europäischen Gesellschaft zeichnet Christoph Ransmayr ein pessimistisches Bild.
Schließlich drohen weitere Veränderungen und der Protagonist steigert sich immer mehr in einen fiebrigen Zustand rein.

Veröffentlicht am 18.03.2021

Das Buch ihres Lebens

Vom Aufstehen
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In kurzen Episoden schreibt die 80jährige Autorin Helga Schubert von ihrem Leben. Und das Leben umfasste viel. Geboren zu Kriegszeiten, der Vater starb als sie ein Baby war, die Mutter musste flüchten. ...

In kurzen Episoden schreibt die 80jährige Autorin Helga Schubert von ihrem Leben. Und das Leben umfasste viel. Geboren zu Kriegszeiten, der Vater starb als sie ein Baby war, die Mutter musste flüchten. Dann lange Jahre in der DDR als Schriftstellerin. Auch da war die kurze Form ihre favorisierte.

Es geht bei den Episoden zeitlich hin und her. Eben noch Kind, ist sie im nächsten Kapitel schon 80. Eben noch Krieg, dann schon Mauerfall.
Ihre Großmutter bekommt früh ein sehr schönes Kapitel, aber die eigentlich übergroße Figur ist die Mutter, die viele Kapitel deutlich bestimmt.

Es ist ein Buch, das ich sehr schätze, da es die Tragik der vergangenen Zeit verdeutlicht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.03.2021

Die gefährliche Sprache der Rechten

Tatworte
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Michael Kraskes Buch Der Riss war schon sehr stark, eindeutig und wirkmächtig.
Und Tatworte geht in die selbe Richtung. Mit großer Genauigkeit und Intensität nimmt Kraske die verschiedensten Reden und ...

Michael Kraskes Buch Der Riss war schon sehr stark, eindeutig und wirkmächtig.
Und Tatworte geht in die selbe Richtung. Mit großer Genauigkeit und Intensität nimmt Kraske die verschiedensten Reden und Auswürfe diverser AfD-Politiker unter die Lupe und analysiert absolut folgerichtig. Lange kann man sich kaum Lösen vom Buch. Zu denen, die er besonders in Augenschein nimmt, gehören Björn Höcke und Alexander Gauland, Andreas Kalbitz, Alice Weidel und noch einige andere. Er zeigt auf, wie die Strategie bei den Äußerungen dieser Politiker ist und wie nahe sie dem Rechtsnationalismus zeigen. Kraske lässt auch nicht unerwähnt, wie verschiedene Medien (Talkshows, Zeitungen) oder auch Politiker anderer Parteien dieser Strategie auf dem Leim gehen, indem sie diese Worte verharmlosen. Aber die Sätze der AfD sind brandgefährlich. Dieses Buch kann ich daher nur empfehlen.

Veröffentlicht am 04.03.2021

Die Zeit im Wald

Ein Stadtmensch im Wald
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W.H.Walden ist das Pseudonym eines bekannten deutschen Schriftstellers. Wer das ist wird ganz am Ende des Buches verraten.
Das autobiografische Buch ist sehr zeitgenössisch, denn der Protagonist und Icherzähler ...

W.H.Walden ist das Pseudonym eines bekannten deutschen Schriftstellers. Wer das ist wird ganz am Ende des Buches verraten.
Das autobiografische Buch ist sehr zeitgenössisch, denn der Protagonist und Icherzähler entflieht der Corona-Gefahr indem er eine einsame Hütte im Wald aufsucht und da einige Wochen verbringt. Alleine mit den Tieren. Nur an einem Wochenende besucht ihn mal seine Freundin, aber insgeheim ist er froh, dann wieder alleine zu sein. Zu seinen engsten Vertrauten werden die Tiere, insbesondere ein Waschbär, den er füttert und ein großer Igel. Dann gibt es noch einen räudigen Fuchs, die Vögel der Umgebung und Rehe.

Es ist eine leicht kuriose Art des Nature Writing, da der Stadtmensch so naiv und unvertraut mit dem Leben im Wald ist. So hat er viel zu lernen und wir Leser begleiten ihn dabei. Die Zuneigung für die Umgebung und die Tiere ist leicht zu teilen.

Die Kunst des Buches ist es, die Gefühlslage des Erzählers nachvollziehbar zu machen und dass man seine Erfahrungen so hautnah teilen kann. Daher halte ich das Buch für sehr gelungen und es hat viel Spaß gemacht, es zu lesen.