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Veröffentlicht am 04.03.2021

Ein Buch, das mich schnell in seinen Bann gezogen hat

In Kalabrien
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Claudio Bianchi ist die sympathische Hauptfigur von Peter S. Beagles unterhaltsamen Buch „In Kalabrien„, das ich für mich wiederentdeckt habe.

Claudio Bianchi ist ein Eigenbrötler. Zurückgezogen bewirtschaftet ...

Claudio Bianchi ist die sympathische Hauptfigur von Peter S. Beagles unterhaltsamen Buch „In Kalabrien„, das ich für mich wiederentdeckt habe.

Claudio Bianchi ist ein Eigenbrötler. Zurückgezogen bewirtschaftet er einen kleinen Hof in Kalabrien. Seine Mitmenschen hält er für Halsabschneider. Zu wenig zahlen sie für sein Gemüse, zu viel verlangen sie für den Zuchtbullen. Also lässt Bianchi eben seine Kühe nicht decken, also fährt er sein Gemüse eben zum übernächsten Markt – ach nein, das geht ja nicht. Dafür ist sein Auto viel zu alt… Also verkauft er sein Gemüse notgedrungen doch dem geizigen Händler vor Ort. Aber natürlich tut er dies nicht ohne ihn bei jeder Lieferung darauf hinzuweisen, was für ein Geizkragen er doch sei.

Seine Frau hat den mürrischen alten Mann längst verlassen. Deutlich besser versteht sich Bianchi mit seinen Tieren: den Kühen, Katzen und vor allem dem Ziegenbock. Mit ihnen spricht er – sie kennt er. Nur mit dem Postboten, der fast jeden Tag den mühsamen Weg zum Hof macht, um doch nur Werbung zu bringen, unterhält sich Bianchi gerne. Die beiden wissen sich zu nehmen. Trotzdem: Von seinen Gedichten, die Bianchi schreibt, hat er ihm noch keines vorgelesen.

In diese Welt bricht nun ganz unvermittelt ein Einhorn. Warum es ausgerechnet den Weg zu ihm findet: Bianchi weiß es nicht. Unbeholfen bietet er ihm seinen Schutz an. Doch braucht das Einhorn den überhaupt? Bald schon wird klar: Es braucht mehr Schutz als Bianchi ihm wohl geben kann. Denn nicht nur Horden von Journalisten machen sich auf den Weg, auch die kalabrische Mafia interessiert sich für das Einhorn. Allerdings muss ich gestehen, dass mich die sehr platte Darstellung der Mafia – „das Monster“ – und der Schluss nicht überzeugt haben.

Das Einhorn bildet allerdings nicht das erzählerische Zentrum des Buches. Es ist eher wenig, was man über es selbst erfährt. Vieles, ja das meiste, bleibt geheimnisvoll. Im Zentrum der Handlung steht vielmehr Claudio Bianchi und sein Leben, das nun völlig auf den Kopf gestellt ist. Wäre da nicht die Schwester des Postboten, die sich für Bianchi zu interessieren beginnt – wer weiß, was alles Schlimmes hätte passieren können!

Das Buch – es ist schnell gelesen – hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Der ironische Erzähler, die fühlbare Atmosphäre, all das bereitet großen Lesegenuss.

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Veröffentlicht am 02.01.2021

Das Heilige im Alltäglichen

Gott wohnt in deinem Alltag
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In ihrem Buch „Gott wohnt in deinem Alltag“ verknüpft die Theologin Tish Harrison Warren Alltagstätigkeiten wie Zähneputzen oder Bettenmachen mit religiösen Überlegungen.

Die Frage, die Warren sich stellte, ...

In ihrem Buch „Gott wohnt in deinem Alltag“ verknüpft die Theologin Tish Harrison Warren Alltagstätigkeiten wie Zähneputzen oder Bettenmachen mit religiösen Überlegungen.

Die Frage, die Warren sich stellte, lautete: „Was würde es bedeuten, dem Evangelium nicht nur intellektuell zuzustimmen, sondern es auch mit meinem Körper zu glauben, mit Haut und Haaren sozusagen?“ Warren spricht sich nicht gegen Dogmatik, Wissenschaft usw. aus; sie will es vielmehr in den Alltag des Menschen überführen.

Warren zeigt überzeugend auf, wie gewinnbringend es sein kann, religiöse Momente in den Alltag zu integrieren. Allerdings liegt die Stärke des Buches nicht immer darin, wie diese Integration dargestellt ist, sondern vielmehr in der Problemanzeige zuvor. Beispiel: Warrens Ausführungen zum Stau. In diesem Kapitel findet sich ein schönes, lesenswertes Kapitel über Zeit, unseren Umgang mit ihr und christliches Zeitverständnis. Wie dies nun aber umgesetzt werden soll, wenn man im Stau steht, bleibt äußerst vage. Außer dass man nun weiß, dass Warten zum Leben dazugehört, erfährt man nicht viel.

Nichtsdestotrotz: Ich habe dieses Buch mit Gewinn gelesen. Es ist schön, wie hier alltägliche Themen wie das Aufstehen, Tee trinken, das Schlafen aber auch etwa der Wert der Arbeit ausgebreitet werden. Die Texte lassen sich flüssig lesen, sind lebenspraktisch und geben Raum zum Nachdenken.

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Veröffentlicht am 01.09.2020

Auszeit in Südafrika

Nächster Halt: Wildnis
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Sabbatjahr in Südafrika: In ihrem Buch „Nächster Halt Wildnis“ schildert Stefanie Vetter ihre Erlebnisse in Südafrika, wo sie eine Ausbildung zum Tour Guide machte.

Ihr halbes Jahr in Südafrika hat Sefanie ...

Sabbatjahr in Südafrika: In ihrem Buch „Nächster Halt Wildnis“ schildert Stefanie Vetter ihre Erlebnisse in Südafrika, wo sie eine Ausbildung zum Tour Guide machte.

Ihr halbes Jahr in Südafrika hat Sefanie Vetter tief beeindruckt. Das spürt man auf jeder Seite. Als Leser ist man mit dabei, wenn die abenteuerlustige junge Frau sich in einem Camp in Südafrika zurechtfinden muss – und auch mal unter freiem Himmel übernachtet, wenn sie sich Gedanken über das Gemeinschaftsleben der Löwen macht (ja, die Löwin führt das Rudel an!), wenn sie sich Sorgen um ihr Englisch macht, wenn sie auf Prüfungen büffelt.

Das, was Kinfofilme erfolgreich gemacht hat, was Verkaufszahlen von Reiseerzählungen hochschnellen ließ, findet sich auch bei Stefanie Vetter, nur etwas milder dosiert. Es ist keine Weltreise, die sie absolviert, nur eine Ausbildung zum Tour Guide. Sie muss sich nicht an ganz unterschiedlichen Orten zurechtfinden, sondern wechselt nur einmal das Camp. Und dennoch erfährt Stefanie Vetter ihre Auszeit als einmalig. Eine dieser einmaligen Erfahrungen hört sich so an:


"Ich lerne eine wichtige Lektion. Mir wird bewusst, dass ich ungeduldiges Wesen hier im Busch ganz neu lerne zu warten. Zu warten, ohne dabei Aufgaben zu erledigen, meine Liste abzuhaken. Zu warten und dabei ganz einfach in die Gegend zu schauen."

In ihrem Buch singt Stefanie Vetter ein Loblied auf die Schönheit der Schöpfung und fragt, wie wir uns so sehr von ihr entfernen konnten. Betrachtet man die wunderschönen Bilder, die sich zu den Texten im Buch gesellen, kann man diese Frage mehr als verstehen.

Immer wendet sich Stefanie Vetter dabei auch an ihre Leser, stellt ihnen Fragen, gibt ihnen Anregungen zum Nachdenken.

Ja, Stefanie Vetter gelingt es, dass einen die Abenteuerlust packt. Nicht nur nach wilden Tieren und einer wilden Landschaft. Es gelingt ihr auch, dass man sich selbst befragt, wo im eigenen Leben das Abenteuer zu finden ist. Oder, um es mit Stefanie Vetter zu sagen:


"Ich glaube, dass wir uns mit der Wildnis verbinden müssen, um unsere Balance wiederzufinden, weil sie das Herz Gottes spiegelt."

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Veröffentlicht am 04.08.2020

1794

1794
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„1794“ heißt der Nachfolgeband von Niklas Natt och Dags erfolgreichem historischen Kriminalroman „1793″. Und wie in „1793″ überwiegt auch in „1794″ die Faszination an den dunklen Seiten der Zeit – dieses ...

„1794“ heißt der Nachfolgeband von Niklas Natt och Dags erfolgreichem historischen Kriminalroman „1793″. Und wie in „1793″ überwiegt auch in „1794″ die Faszination an den dunklen Seiten der Zeit – dieses Mal ist es der Sklavenhandel, dessen Beschreibung außerordentlich viel Raum einnimmt.

Und so lernt man als Zuhörer nicht nur, dass Schweden mithilfe der Westindienkompanie sich sehr intensiv – zumindest eine kurze Zeit lang – am Sklavenhandel beteiligte und bereicherte. Man lernt auch viel darüber, wie mit den Sklaven damals umgegangen wurde.

Wer den Vorgänger „1793“ nicht kennt, wird sich über den ersten Teil des Hörbuchs sehr wundern – angekündigt ist ein Kriminalfall, und man befindet sich in den schwedischen Kolonien, von einem Kriminalfall keine Spur. Auch „1794“ ist wieder in vier Jahreszeiten eingeteilt, und manche der Teile haben ein starkes Eigenleben, die Handlungsstränge sind weit ausgeführt, weit über das hinaus, was für das Wissen um den Kriminalfall herum nötig wäre. Auch wird die Handlung nicht chronologisch erzählt.

Erst im zweiten Teil des Buches wird der Kriminalfall erzählt: eine Frau soll von einem Wolfsrudel umgebracht worden sein, so übel zugerichtet ist so. Doch: rund um das Hofgut Dreirosen gibt es seit Urzeiten keine Wölfe mehr. Was also ist wirklich passiert? Und was hat Erik damit zu tun, der aus den Kolonien zurückkam, um die Liebe seines Lebens zu heiraten?

In diesem Band ermittelt der inzwischen wieder abgestürzte Jean Michael Cardell, dieses Mal wird er vom Bruder seines früheren Mitermittlers Winge aus seiner Trübsal geholt. Homo homini lupus – das gilt für „1794″ noch viel mehr als für „1793“ – auch wenn man das fast nicht für möglich halten kann.

Und so war „1794“ ebenso wie der Vorgänger für mich ein beeindruckendes Hörerlebnis. Die Personen sind sehr plastisch dargestellt, menschliche Abgründe treten zutage, Historisches ist eingebunden.

Generell würde ich empfehlen, vor „1794“ den Vorgängerband „1793“ zu lesen oder zu hören. Auch wenn „1794“ von der Handlung her für sich allein steht, ist „1793“ doch ein besserer Einstieg in die Art des Erzählens bei Niklas Natt och Dag. Auch lernt man die meisten Personen in „1793“ deutlich besser kennen und erfährt nun, wie es mit den Personen weitergeht. Der Nachteil sei allerdings nicht verschwiegen: vieles in „1794“ ähnelt dem Vorgängerband: die Art des Beschreibens, der Gattungswechsel von der Erzählung zum Bericht, die beschriebene Grausamkeit.

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Veröffentlicht am 09.05.2020

Geschichten zum Nachdenken

Wenn man vom Teufel spricht
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„Wenn man vom Teufel spricht“: Heinz Rudolf Kunze spricht in seinem neuen Buch über Politik, Heimat, die Liebe, das Altern und – den Teufel. Und das auf ganz unterschiedliche Weise.

Heinz Rudolf Kunze ...

„Wenn man vom Teufel spricht“: Heinz Rudolf Kunze spricht in seinem neuen Buch über Politik, Heimat, die Liebe, das Altern und – den Teufel. Und das auf ganz unterschiedliche Weise.

Heinz Rudolf Kunze ist ein Vielschreiber. Fast täglich entsteht ein neuer Text. Viele seiner Texte aus den vergangenen Jahren hat er nun in seinem neuen Buch „Wenn man vom Teufel spricht“ veröffentlicht. Die Texte sind nach dem Entstehen gegliedert, sodass man bei jedem Text neu überrascht wird, welches Thema angesprochen wird.

Politisierende Texte wechseln sich ab mit grotesk anmutenden, alberne Geschichten mit anklagenden Statements, Kurzgeschichten mit überraschenden Pointen mit lyrischen Texten. Mal sind Kunzes Texte gefühlvoll, mal ironisch-distanziert. Heinz Rudolf Kunze erweist sich als kritischer Denker, der Spaß daran hat, seinen Leser auch mal in die Irre zu schicken. „Man möchte doch auch ein bißchen rotieren, wo doch gerade alle durchdrehen“, heißt es in einer seiner Geschichten.

Neben dem Blick in die Welt blickt Kunze immer wieder auch auf sich selbst, thematisiert den Umgang mit seinem Erfolgshit „Dein ist mein ganzes Herz“, vor allem aber: die Liebe. Die Liebe, schreibt Kunze, sei wie ein Pianist, der einem einzigen angeschlagenen Ton nachhört, „sein Ohr an den Körper des Konzertflügels hält und diesem Ton nachlauscht“. Und das für immer.

Als weiteres Lebensthema Kunzes erweist sich das Altern. Wehmütig blickt er auf das Vorrecht der Jugend zurück, „alte Fehler zu begehen“. Wehmütig und voll Neid. Glaubt man ihm, wenn er schreibt, im Alter lächle man über die „Irrtümer der eigenen Vorzeit“? Vielleicht ein bisschen. Schließlich weiß man, dass Kunzes Brille keine Gläser hat.

Um die Musik geht es Kunze selten. Und wenn, dann nur mit Seitenhieben: „Musiker auf Partys sind echt das Letzte“ heißt es in einem seiner Texte.

Kunzes Mischung zweihundert kurzer Texte – die meisten sind nicht länger als gut eine Seite – lädt dazu ein, als Gutenachtlektüre immer mal wieder drin zu schmökern.

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