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Veröffentlicht am 05.04.2021

Dem Ursprung des Nahost-Konflikts auf der Spur

Jaffa Road
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"Jaffa Road" ist die Fortsetzung des Mehr-Generationen-Romans "Piccola Sicilia" von Daniel Speck, den ich schon sehr gerne gelesen habe, und ich habe mich riesig auf die jetzt erschienene Fortsetzung gefreut. ...

"Jaffa Road" ist die Fortsetzung des Mehr-Generationen-Romans "Piccola Sicilia" von Daniel Speck, den ich schon sehr gerne gelesen habe, und ich habe mich riesig auf die jetzt erschienene Fortsetzung gefreut. Man braucht allerdings keine Sorge zu haben ohne Band 1 gelesen zu haben im 2. Band den Anschluss zu verlieren. Der Autor vermittelt auch dem neueinsteigenden Leser durch Rückblicke das notwendige Wissen in die Geschichte vollständig eintauchen zu können.

Der Roman beginnt mit einer Erbschaftsangelegenheit bei der Nina aus Deutschland und Enkelin des verstorbenen Moritz, sowie ihre Tante Joëlle, israelische Jüdin ,und Elias, der den beiden unbekannte Sohn des Erblassers nach Palermo zur Testamentseröffnung gebeten werden.

Die Erben begegnen sich mit Mißtrauen, versuchen aber nach und nach Moritz bewegtes Leben, von dem jeder nur Bruchstücke kennt zu rekonstruieren.Noch im Krieg desertiert Moritz in Tunesien und wird von einer jüdischen Familie versteckt, deren Tochter Yasmina er später heiratet, wohlwissend ,dass er in Deutschland eine Verlobte zurücklässt. Wie es zu einer 3. Frau in seinem Leben kommt, erfahren wir im Laufe der Geschichte.

Der Leser wird zurück in die Nachkriegszeit versetzt, in das Jahr 1948, wo die Weltgemeinschaft nach dem Holocaust beschloss, der Forderung der Juden nach einem eigenen Staat nachzugeben und Israel gegründet wurde. Die Freude über eine Heimat auf Seiten der Juden war aber nur eine Seite der Medaille, denn die Staatsgründung hatte zur Folge, dass die Palästinenser, die zuvor friedlich mit ihren jüdischen Nachbarn zusammengelebt hatten nun von ihrem Grund und Boden vertrieben wurden und dann als "Abwesende" enteignet wurden. Es hat mich schon erschüttert, wie den neuankommenden Juden Wohnungen zugewiesen wurden, in denen die Kaffetassen der palästinensischen Vorbewohner noch auf dem Tisch standen.

Daniel Speck schlüpft ohne zu werten in unterschiedliche Perspektiven, so dass man Verständnis und Empathie für jeden seiner Protagonisten und somit für alle Seiten des Konflikts entwickeln kann. Viele geschichtlichen Ereignisse waren mir gar nicht so bekannt und ich habe sie an anderer Stelle nochmal nachgeschlagen. Ich kann den Autor für seine hervorragende Recherchearbeit nur loben.Ihm ist ein Familienepos gelungen, dass mir den Nahostkonflikt und dessen Ursprung deutlich näher gebracht hat. Ich fand den Roman spannend und unterhaltsam, und auch wenn es ein dicker Schmöker ist, gab es für mich kaum Längen. Die Charaktere hat der Autor authentisch und sympathisch angelegt. Nicht immer konnte ich die Lebensentscheidungen von Moritz so ganz nachvollziehen. Trotzdem war er mir nicht unsympathisch. Wenn Figuren Ecken und Kanten haben, finde ich das auf jeden Fall realistischer, als wenn sie nur gut oder nur schlecht angelegt sind. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, und es war ein perfekter Reihenabschluss. Wer groß angelegte Familienromane mit geschichtlichem Hintergrund und tiefgründigen Figuren mag, dem wir "Jaffa Road" sicher genauso begeistern wie mich. Da Daniel Speck auch Drehbuchautor ist, habe ich die Hoffnung, dass diese interessante Geschichte auch irgendwann mal verfilmt wird.

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Veröffentlicht am 06.03.2021

Lebendige Geschichte

Glückskinder
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"Glückskinder" ist das neueste Werk der promovierten Historikerin Brigitte Riebe, die hier unter ihrem Pseudonym Teresa Simon schreibt. Einfühlsam, spannend und sehr gut recherchiert erzählt die Autorin ...

"Glückskinder" ist das neueste Werk der promovierten Historikerin Brigitte Riebe, die hier unter ihrem Pseudonym Teresa Simon schreibt. Einfühlsam, spannend und sehr gut recherchiert erzählt die Autorin anhand der Leben zweier sehr unterschiedlicher Frauen von den letzten Tagen des Krieges im Großraum München und dem Neubeginn in einer Stadt, die in Schutt und Asche liegt.

"Ich bin Griet Van Mook. Ich.werde.Leben." Das ist das Mantra der 1. Protagonistin, eine junge Holländerin, die im Widerstand gearbeitet hat, aufgeflogen ist und als Zwangsarbeiterin in der Waffenfabrik arbeiten musste, bevor die Amerikaner kamen und sie tatsächlich überlebt hatte. Der Krieg ist vorbei, aber der Hunger bleibt. Teresa Simon lässt in ihrer Erzählung Geschichte lebendig werden. Man sieht den Mangel überall: Kein Essen, keine Wohnungen, keine Arbeit. Die Menschen versetzen Wertvolles, das ihnen geblieben ist für einen Laib Brot.

In einem 2. Erzählstrang lernt der Leser die 2.Protagonistin (Antonia) Toni Brandl kennen, die nach der Ausbombung des eigenen Zuhauses bei ihrer Tante Vev untergekommen ist. Die Postdirektorenwitwe musste ihre geräumige Wohnung plötzlich nicht nur mit Toni und ihrer Mutter Rosa und der kleinen Bibi teilen, sondern beherbergte inzwischen auch ihre 2. Nichte Annemie und deren Sohn Benno. Diese beengten Wohnverhältnisse, die an sich schon Konfliktpotenzial bieten, werden natürlich noch verschärft, als die Amerikaner die Zwangseinquartierung einer weiteren Person in Tante Vev's Wohnung veranlassen.

Teresa Simon's Figurenzeichnung ist authentisch und vielschichtig. Sowohl Griet als auch Toni sind starke, zupackende Persönlichkeiten. Toni und Griet mögen sich bei ihrem Kennenlernen erst überhaupt nicht, können ihre gegenseitigen Vorurteile aber im Laufe der Geschichte überwinden. Auch die Nebenfiguren sind spannend. Da ist z.B diese schillernde Figur Louis Moreau, ein Charmeur durch und durch, der als Schieber sein Geld verdient und es mit der Legalität seiner Geschäfte nicht so genau nimmt. Auch der liebenswerte GI Dan Walker ist mir schnell ans Herz gewachsen, genauso wie Toni's freundlicher und grundehrlicher Bruder Max.
Sie alle sind Glückskinder, denn sie haben die Schrecken des Krieges und der Nazizeit überlebt,

Mir hat der Roman wirklich sehr gefallen. Bei den bildhaften und sehr emotionalen Schilderungen der Autorin musste ich zwar so manches Mal schlucken und bin froh diese schwere Zeit nicht habe erleben zu müssen, aber es gab auch viele schöne Momente in der Geschichte, wo Liebe und Freundschaft den Protagonisten Halt und Zuversicht geben konnten und man sich als Leser mit ihnen gefreut hat. Am Ende gibt es noch eine historische Einordnung des Roman's (Dichtung und Wahrheit) , was mir bei historischen Romanen immer sehr gefällt und als zusätzliches Schmankerl noch einen Auszug aus dem in den Nachkriegstagen verfassten Kochbuch " Gute Kost in magerer Zeit", das auch im Roman erwähnt wird.

Von mir gibt es eine uneingeschränkte Empfehlung. Wer Spaß hat an historischen Romanen, sollte "Glückskinder" unbedingt lesen.

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Veröffentlicht am 22.02.2021

Back to the 80ies

Hard Land
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Der neue Roman von Benedict Wells ist eine Zeitreise mitten in die 80erJahre, die Zeit meiner eigenen Jugend. Als Leser schlüpfen wir in die Haut von Sam Turner kurz vor seinem sechzehnten Geburtstag und ...

Der neue Roman von Benedict Wells ist eine Zeitreise mitten in die 80erJahre, die Zeit meiner eigenen Jugend. Als Leser schlüpfen wir in die Haut von Sam Turner kurz vor seinem sechzehnten Geburtstag und landen in dessen Heimatstadt Grady, einem Kaff in Missouri, USA.

Sam ist ein schüchterner Typ mit jeder Menge Ängsten, ein Außenseiter, der sich schwertut Freunde zu finden. Im Sommer 1985 nimmt er einen Ferienjob in dem kleinen Kino in Grady an, dass kurz vor der Schließung steht. Diese Entscheidung verändert sein Leben, denn er findet nicht nur Freunde, er verliebt sich auch zum ersten Mal, hat endlich das Gefühl dazu zu gehören und hat einfach eine tolle Zeit. Diese Unbeschwertheit endet abrupt, als seine Mutter stirbt. Sie litt schon lange an Krebs und die Befürchtung, dass sie es nicht schaffen würde belastete die Familie, wurde aber oft auch verdrängt.

Benedict Wells schreibt wirklich wunderbar gefühlvoll über das Erwachsenwerden, über die oft widersprüchlichen Gefühle eines Teenagers, der sich einerseits so unbesiegbar fühlt und andererseits auch manchmal wieder Kind sein möchte.
Die Freunde, die der Icherzähler findet sind wirklich toll. Gerade in einer Zeit, wo Sam der richtige Zugang zu seinem Vater fehlt und die große Schwester auch nicht greifbar ist, sind sie ihm eine große Stütze und ersetzten quasi seine Familie. Sie helfen ihm über sich selbst hinauszuwachsen und seine Ängste zu überwinden.
Das Gefühl der 80er kam bei mir auch an, die erwähnten Filme habe ich fast alle gesehen, die Musik ebenfalls gehört und was war auch ich stolz auf meinen Walkman. Nostalgie pur!
Ich heule sehr selten bei einem Buch. Dass ich es hier tat, spricht absolut für das Buch, dass für mich schon jetzt zu den Jahreshighlights gehört und ein unbedingt lesenswerter Roman für 2021 ist.

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Veröffentlicht am 13.02.2021

Bereichernd, berührend, beeindruckend

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
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"Junge Frau am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" ist ein recht ungewöhnlicher Titel für einen Roman und hat mich neugierig gemacht. Das Buch hat mich in der Folge dann aber sehr positiv überrascht ...

"Junge Frau am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" ist ein recht ungewöhnlicher Titel für einen Roman und hat mich neugierig gemacht. Das Buch hat mich in der Folge dann aber sehr positiv überrascht , weil es wirklich ein Highlight geworden ist.

Erzählt wird die Geschichte der 27 jährigen Hannah Borowski , die sich auf Spurensuche ihrer eigenen Wurzeln begibt. Bei einem ihrer regelmäßigen Besuche im Pflegeheim ihrer Oma, fällt Hannah ein Brief einer israelischen Anwaltskanzlei in die Hände. Man trägt ihrer Großmutter an, die Kanzlei mit der Abwicklung eines Restitutionsverfahrens zu beauftragen, da sie die einzige lebende Erbin des 1942 von den Nazis deportierten und ermordeten Kunsthändlers Itzig Goldmann ist. Es sei zu vermuten, dass auch die umfangreiche Kunstsammlung von Goldmann unrechtmäßig konfiziert worden sei.

Hannah war nicht einmal bekannt, dass es in ihrer Familie Juden gab, und ihre Großmutter Evelyn ist alles andere als auskunftsfreudig. Es beginnt eine spannende Reise in die Familienvergangenheit, bei der Hannah nach und nach das Schicksal ihrer Urgroßeltern aufdeckt und immer mehr über ihre Großmutter und ihre eigene Mutter erfährt .Interessant, wie sich die Geschichte manchmal wiederholt, wie sich die Mutter-Tochter Beziehungen in dieser Familie ähneln. Der Roman umfasst eine Zeitspanne von fast 100 Jahren, beginnend mit Hannah's Urgroßmutter Senta, die in den 20er Jahren ungewollt schwanger wird und den Kindsvater notgedrungen heiratet. Als die Ehe zerbricht und Senta ihrer Freundin von Rostock nach Berlin folgen möchte, muss sie ihre Tochter Evelyn zurücklassen. Senta heiratet in Berlin den Juden Julius Goldmann und erlebt mit ihm und seinen Eltern das ganze Ausmaß an Schrecken der Nazidiktatur.

Dass Hannah in der Jetztzeit in ihrem Leben irgendwie feststeckt, mit ihrer Dissertation nicht vorankommt und eine eher unglückliche Liebesaffaire mit ihrem Doktorvater hat, hat vielleicht auch unbewusst damit zu tun, dass es so viele Lücken in ihrer Vergangenheit, in ihrer Familiengeschichte gibt. Die Aufarbeitung hilft ihr letztendlich sich weiterzuentwickeln.

Alena Schröder hat einen tollen Schreibstil, den ich sehr genossen habe. Ihre Figurenzeichnung fand ich sehr realitätsnah und überhaupt nicht eindimensional. Die Charaktere haben wie im wahren Leben viele Facetten, sind nicht nur gut oder böse. Dabei verzichtet die Autorin darauf das Verhalten ihrer Figuren zu bewerten oder gar zu verurteilen. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, was dem Roman Tiefe und Vielschichtigkeit verleiht.

Auch das Ende dieser berührenden Familiengeschichte ist rund und stimmig, Ich habe die Lektüre sehr gemocht, bin wirklich durch die Seiten geflogen und kann den Roman nur jedem ans Herz legen, der tiefgründige Generationenromane mag.

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Veröffentlicht am 08.01.2021

Ein 2 Generationen Roadtrip

Goldene Zeiten im Gepäck
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Mit ihrem Roman "Goldene Zeiten im Gepäck" hat Adriana Popescu zunächst einmal einen Titel gefunden, der wirklich hundert Prozent zur erzählten Geschichte passt, denn eine der beiden Hauptprotagonistinnen ...

Mit ihrem Roman "Goldene Zeiten im Gepäck" hat Adriana Popescu zunächst einmal einen Titel gefunden, der wirklich hundert Prozent zur erzählten Geschichte passt, denn eine der beiden Hauptprotagonistinnen ist eine ehemalige Olympiateilnehmerin, Goldhoffnung 1956 in Australien.

Die immer noch rüstige Elisabeth Kaiser lebt in einem Seniorenheim bei Stuttgart, wo sie unter anderem von der Pflegehelferin Karla Metuschke betreut wird. Die junge Frau hat einen nicht ganz legalen Nebenverdienst für sich entdeckt und wird daraufhin von Frau Kaiser, die ihrem Geheimnis auf die Spur gekommen ist, erpresst. Es geht der alten Dame aber nicht um Geld. Sie möchte vielmehr mit Karla eine Reise machen, um einen Fehler aus der Vergangenheit wiedergutzumachen

So wird auch der Leser auf einen wunderbaren Roadtrip quer durch Europa mitgenommen, der durch immer wieder neue, oft witzige Ideen der Autorin niemals langweilig wird und bei dem einem die Charaktere immer mehr ans Herz wachsen. Die Geschichte wird in der Gegenwart aus Karla's Sicht erzählt, es gibt aber auch viele spannende Rückblicke aus Elisabeth's Sicht, die ihre große Zeit als Weltklasseschwimmerin bei den Olympischen Spielen in Melbourne 1956 Revue passieren lassen, wo sie als unerfahrene 17Jährige auf ihre große Liebe, den rumänischen Schwimmer Florin Petresucs trifft.

Diese Passagen aus dem olympischen Dorf waren wirklich ein Highlight für mich, hat die Autorin hier doch auch wahre Persönlichkeiten miteingewoben.

Der ganze Roman war für mich ein einziges Lesevergnügen, spritzig und bildhaft erzählt, die Landschaften so beschrieben, dass man sie vor dem geistigen Auge miterlebt . Selbst der alterschwache Renault mit dem Namen Lola, der tapfer bis Rumänien durchhält hat Charakter und passt zu dem eigenwilligen Duo, dass immer mehr zu Freundinnen zusammenwächst. Adriana Popescu hat einen herzerwärmenden Roman mit Tiefgang geschrieben in dem es auch um Mut und 2. Chancen geht , um Freundschaft und die große Liebe. Diese emotionale Roadtripgeschichte war etwas ganz Besonderes und ich könnte noch ewig weiterschwärmen.

Einfach mal lesen, gerade in diesen Zeiten ein echtes Genussbuch!

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