Profilbild von gagamaus

gagamaus

Lesejury Star
offline

gagamaus ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit gagamaus über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.04.2017

gelungener Appetizer

Das Herz der verlorenen Dinge
0

Über 20 Jahren ist es her, dass Tad Williams Leser auf der ganzen Welt mit seinem Osten-Ard-Zyklus begeistert hat. Fast genauso lange lagen ihm seine treuen Fans in den Ohren, doch etwas Neues aus diesem ...

Über 20 Jahren ist es her, dass Tad Williams Leser auf der ganzen Welt mit seinem Osten-Ard-Zyklus begeistert hat. Fast genauso lange lagen ihm seine treuen Fans in den Ohren, doch etwas Neues aus diesem Fantasyuniversum zu schreiben. Und was wir alle kaum zu hoffen gewagt hatten, ist endlich geschehen. Für Herbst ist der erste Band einer neuen Reihe angekündigt, in der wir tatsächlich Simon, Miriamel, Binabik und all die andere, liebgewonnen Figuren wiedertreffen werden. Als Appetizer darauf - und laut Verlag als Einstieg für Osten-Ard-Neulinge - ist nun „Das Herz der verlorenen Dinge“ erschienen.
Ich hatte eigentlich erwartet, dass dieser mit 330 Seiten recht knapp gehaltene Zwischenband eher wie eine Ergänzung zu den Geschehnissen am Engelsturm daherkommen würde. Immerhin spielt es nur ungefähr ein Jahr nach den letzten Geschehnissen. Ineluki ist vernichtet und die Nornen auf der Flucht in ihre letzte Bastion in den Bergen. Isgrimnur wurde abkommandiert sie zu verfolgen, wenn möglich zu vernichten. Auf ihrem Rückzug kommt es zu immer neuen Gefechten. Die Weißfüchse sind nur noch wenige, aber sie kämpfen mit unglaublicher Härte und Geschicklichkeit und viele menschliche Kämpfer müssen ihr Leben lassen und die Überlebenden sehnen sich danach, dass es ein Ende hat mit diesem fürchterlichen Krieg.
Das bekannte Personal beschränkt Tad Williams diesmal auf Isgrimnur und den treuen Kämpfer Sludig. Stattdessen werden mit Porto und Endri zwei einfache Soldaten vorgestellt, die stellvertretend für eine tapfere Truppe von RImmersmännern und Söldnern aus allen menschlichen Landen stehen. Die beiden Neuzugänge wachsen einem sehr schnell ans Herz. Aber der interessanteste Kniff ist die Art und Weise, wie Tad Williams in diesem Buch die Nornen darstellt. Er gibt ihnen diesmal sehr viel Raum und beleuchtet nicht nur ihre Beweggründe und ihre sozialen Strukturen, sondern er rückt einige Nornen in den Mittelpunkt der Geschehnisse, die durchaus Sympathiewerte erringen können und trotz ihrer Fremdartigkeit und ihrer seltsamen Rituale fast menschlich rüberkommen. Schnell kann man sich nicht mehr wirklich entscheiden, wer den letzten Kampf gewinnen soll.

Für mich war es wie ein Nachhause kommen in eine Fantasy-Serie, die mir über die Jahre sehr ans Herz gewachsen ist. Neben dem Herrn der Ringe meine absolute Lieblingsreihe und meine Erwartungen in den Augustband wurden durch dieses Buch hier noch hochgekitzelt. Denn er kann es tatsächlich. Das alte Feeling ganz schnell wiederaufleben lassen. Und dabei neue Wege gehen und Möglichkeiten eröffnen, wie es ab September weitergehen könnte. Eigentlich war mir das Buch ja viel zu kurz, denn ich bin nach 300 Seiten gerade warmgelaufen. Und ich bin mir unschlüssig, ob Quereinsteiger auch nur annähernd so viel Vergnügen an dieser Geschichte haben, wie ich sie hatte und ob ihnen nicht doch sehr viele wichtige Informationen fehlen. Vielleicht wäre es hilfreich gewesen, doch eine kurze Einführung zu geben, in der ein paar Fakten und Daten beschrieben werden. Es gibt allerdings eine kurze Erläuterung über die Feenwesen. Das liest sich gut und ist als Einstieg nicht schlecht.

Mir hat das Buch ausgesprochen gut gefallen und ich freue mich, wenn es mit der Hexenholzkrone weitergeht.

Veröffentlicht am 30.03.2017

Wunderschöne Sprache

Der Muschelsammler
0

Von Anthony Doerr kannte ich bis jetzt das Buch „Alles Licht, das wir nicht sehen“ für das er berechtigter Weise den Pulizerpreis bekommen hat und Memory Wall, eine kleine Novelle, die mich gefesselt und ...

Von Anthony Doerr kannte ich bis jetzt das Buch „Alles Licht, das wir nicht sehen“ für das er berechtigter Weise den Pulizerpreis bekommen hat und Memory Wall, eine kleine Novelle, die mich gefesselt und begeistert hat und die mich in ihrer Kraft und Intensivität, aber auch in ihrer Wortgewaltigkeit und Sprachfreude sehr an sein Erstlingswerk, die Geschichtensammlung „Der Muschelsammler“ erinnert, die jetzt neu aufgelegt wurde und die ich jetzt endlich nachgeholt habe, da mir dieser tolle Autor damals noch durch die Lappen gegangen ist und ich ihn erst später für mich entdeckt habe.
Es handelt sich um 8 unterschiedlich lange Erzählungen, die, obwohl sie oberflächlich gesehen nicht zusammenhängen und auch vom Stil her immer etwas anders erzählt werden, so doch eines gemeinsam haben… sie überraschen den Leser mit Menschen, die normal und durchschnittlich scheinen und dann doch ungewöhnlich sind, so wie jeder Charakter und jeder Mensch etwas Einzigartiges hat – sei es eine Eigenschaft oder Eigenart oder ein bemerkenswertes Erlebnis – so sind sie doch auch sehr nah dran an der Wirklichkeit und in Kleinigkeiten findet man sich als Leser oft wieder und kann vieles nachempfinden, was die Protagonisten erleben. Die Beschreibungen sind wunderschön und so voller Leben und Weisheit, dass es mich gar nicht wundert, dass schon sein Erstlingsbuch viele Leser überzeugt hat. Ich bin wirklich kein Fan von Geschichtensammlungen und bei Doerr geht es mir noch mehr so, dass mir die Erzählungen viel zu kurz sind und ich mehr über die Darsteller und ihr Leben erfahren hätte wollen. Diese Unzufriedenheit zeugt aber in Doerr‘s Fall vor allem davon, dass ich von seiner Fabulierfreude und seiner Erzählkunst einfach wieder voll und ganz begeistert war und dem kleinen Büchlein nur meine unbedingte Leseempfehlung aussprechen kann.

Veröffentlicht am 15.03.2017

sehr lesenswert

Das zweite Leben des Nick Mason
0

Mason ist ein mehr oder weniger erfolgreicher Langzeitverbrecher. Er stiehlt, betrügt und lebt nach jeder Menge eiserner Regeln, die ihn schützen sollen. Dennoch landet er nach einem misslungenen Coup ...

Mason ist ein mehr oder weniger erfolgreicher Langzeitverbrecher. Er stiehlt, betrügt und lebt nach jeder Menge eiserner Regeln, die ihn schützen sollen. Dennoch landet er nach einem misslungenen Coup im Gefängnis. 25 lange Jahre muss er absitzen. Als nach vier Jahren der ausgefuchste Gangsterboss Darius Cole ihm einen Deal vorschlägt, willigt er ein, auch wenn er damit jede Menge seiner goldenen Überlebensregeln über Bord schmeißen muss. Aber er möchte unbedingt Frau und Tochter wiedersehen. Und Cole bringt ihn tatsächlich schon wenig später raus aus dem Knast, lässt ihn in ein luxuriöses Haus verfrachten und ein Handy in die Hand drücken. Jetzt gehört er mit Haut und Haaren Cole. Und er wartet auf einen Anruf. Auf den ersten Auftrag, mit dem er seine Freiheit bezahlen soll.

Aber leider entwickelt sich das Leben in Freiheit nicht so, wie er es sich erhofft hat. Weder nimmt ihn seine Ehefrau mit offenen Armen wieder auf, noch kann er so ohne weiteres seine Tochter besuchen. Und dann gibt es auch noch den ersten Auftrag von Cole und wie erwartet handelt es sich um einen Mordauftrag.
Steve Hamilton kenne ich schon aus der Zeit, als er seine Reihe über den Detektiv Alex schrieb. Schon da mochte ich seinen lakonischen Witz und die Art, wie er seine Helden schildert. Sie sind weder strahlend gut noch unverwundbar. Im Falle von Nick Mason ist es ein Dieb und Einbrecher, der unversehens in eine noch größere Misere schliddert, als er sie durch seinen langen Gefängnisaufenthalt schon erlebt hat. Bald sind ihm Polizei und FBI auf den Fersen und die Vereinbarung mit Gangsterboss Cole verspricht auch nicht unbedingt ein langes Leben in Ruhe und Frieden. Und als Leser fürchtet man, dass das Alles für Nick und die Menschen die ihm wichtig sind, kein gutes Ende nehmen könnte. Wobei man gleichzeitig auch hofft, dass der Autor doch noch ein Schlupfloch für seinen Hauptdarsteller parat hat und den Leser damit überrascht.

Ich wurde von der ersten Seite an in die Geschichte sogartig hineingezogen und kann sie nur jedem Thrillerfan wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 05.03.2017

sehr unterhaltsam

Der Pakt der Flößer
0

Nach einer wohl recht erfolgreichen Reihe mit Regionalkrimis ist„Der Pakt der Flößer“ der erste historische Roman von Ralf Dorweiler. Er spielt am Ende des 17. Jahrhunderts. Amsterdam benötigt große Mengen ...

Nach einer wohl recht erfolgreichen Reihe mit Regionalkrimis ist„Der Pakt der Flößer“ der erste historische Roman von Ralf Dorweiler. Er spielt am Ende des 17. Jahrhunderts. Amsterdam benötigt große Mengen Holz und lässt dieses auch aus Deutschland auf dem Wasserweg liefern. Einige Holzlieferanten schließen sich zu Gemeinschaften zusammen und bauen aus den frisch gefällten Holzstämmen unglaublich große Flöße, die sie dann den Rhein hinunterschiffen bis vor die Haustüre der niederländischen Kunden. Man kann es beim Lesen kaum glauben, dass auf den Holzflößen kleine Städte errichtet und bis zu 600 Mann Besatzung angeheuert wurden, um das wertvolle Holz schnell und sicher ans Ziel zu bringen. So unterhaltsam wie die geschichtlichen Fakten erzählt werden, so spannend ist auch der Rest der Geschichte. Der Sohn des Holzlieferanten Finkh, Jakob, darf zum ersten Mal mit auf so einer Fahrt und da er ein schlauer und fleißiger Kerl ist, wird er überall dort eingesetzt, wo Not am Mann ist. Sein Kaltblut Jupiter und er sind ein unschlagbares Team. Als geübter Krimiautor kommt Dorweiler auch hier an einen Mord nicht vorbei. Ein reicher Amsterdamer Kaufmann wird in den Grachten tot aufgefunden. Dessen Tochter Isabella ist nun einem Konkurrenten als Frau versprochen und wird in Begleitung von einer kleinen Gruppe Beginen auf dem Floß nach Amsterdam gebracht. Aber ein weinseliger Pfarrer entdeckt, wer ihren Vater wirklich ermordet hat und macht sich auf die Reise, dem Mädchen die Wahrheit zu sagen, die auch für die Flößer noch von Bedeutung werden könnte.

Der kraftvolle und gut lesbare Schreibstil erinnert mich an einen meiner Lieblingsautoren, Richard Dübell. Auch, dass die Handlung mit jeder Menge Action und einer Prise Romanze gewürzt ist, gefällt mir ausgesprochen gut. Klar ist manches schon bald vorhersehbar und der Autor scheut sich auch nicht, ein zufriedenstellendes Ende anzusteuern, in dem die Bösewichte weitgehend bestraft und Held und Heldin glücklich vereint werden. Aber hier ist es der Weg dorthin, der so viel Spaß macht, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Jakob und Isabella sind ungeheuer sympathisch aber für mich war der eigentliche Superheld ja sowieso der Hengst Jupiter, der, besser als so mancher treue Hund, Jakob schon mal das Leben rettet und seinem Herrn treu und mit der sprichwörtlichen Gelassenheit eines Kaltblutes zur Seite steht.
Ich kann das Buch uneingeschränkt empfehlen, weil es mir genau das gegeben hat, was ich von einem guten historischen Roman erwarte. Sehr vergnügliche Lesestunden, in denen ich einiges Neues erfahren habe und zugleich bestes Kopfkino mit einem logischen Plot und einem perfekten Abschluss. Diesen Autor werde ich im Auge behalten. Vielleicht riskiere ich sogar mal einen Blick in einen seiner Regionalkrimis

Veröffentlicht am 27.02.2017

Ein Jahreshighlight

Die letzten Tage der Nacht
4

New York, 1888. Thomas Edison hat die Erfindung der Glühbirne rechtzeitig vor allen Konkurrenten patentieren lassen und jetzt will er natürlich das Monopol dafür behalten. Sein schärfster Konkurrent, George ...

New York, 1888. Thomas Edison hat die Erfindung der Glühbirne rechtzeitig vor allen Konkurrenten patentieren lassen und jetzt will er natürlich das Monopol dafür behalten. Sein schärfster Konkurrent, George Westinghouse, möchte aber mit einer Weiterentwicklung ebenfalls auf den Markt kommen und deshalb entbrennt ein langer Rechtsstreit darüber, ob Edison das Patent rechtmäßig besitzt und ob sein Allein-Monopol bestehen bleiben soll.

Westinghouse sucht sich ein renommiertes Anwaltsbüro und macht den noch unerfahrenen Paul Cravath zu seinem Anwalt. Dieser setzt alles daran, seinen Auftraggeber zufrieden zu stellen. Vor allem, als er feststellt, dass Edison bei seiner Patentschrift vielleicht tatsächlich nicht ganz die Wahrheit gesagt hatte und nicht alles so rechtmäßig lief, wie es hätte sein sollen. Während der nächsten Monate wogt der Kampf hin und her. Der geniale Wissenschaftler Nikola Tesla wechselt von Edison zu Westinghouse. Immer wieder hofft Paul, dass er genügend Beweise gefunden hat, um das Gericht zu überzeugen. Edison hingegen erscheint unerreichbar. Er überschüttet seinen Gegner mit hunderten von Gegenklagen. Er versucht die Idee von Westinghouse schlecht zu machen, dass Wechselstrom für die Zukunft der Elektrizität besser und sicherer wäre.

Paul Cravath ist ein interessanter Charakter. Im Laufe des Buches verliert er seine Naivität und auch einen Teil seiner beruflichen Unschuld. Er muss erkennen, dass sowohl Edison als auch Westinghouse gewillt sind mit harten Bandagen zu kämpfen und dass er mehr als einmal Stellung beziehen muss und es ziemlich schwer sein kann, immer integer und ehrlich zu bleiben, auch wenn man glaubt für eine gute Sache zu stehen. Er verliebt sich unsterblich in eine junge Sängerin, die gesellschaftlich unerreichbar für ihn ist, er macht wegen seiner Unerfahrenheit auch Fehler und kann nicht verhindern, dass Westinghouse und dessen Firma sich unaufhaltsam dem Rand des Ruins nähern.

Das Thema ist wohl gerade ziemlich en vogue. Graham Moore und Anthony McCarten haben fast zeitgleich ein Buch über Thomas Alpha Edison und die Elektrizität herausgebracht. Die letzten Tage der Dunkelheit hat mich von der ersten Seite an gefesselt und überzeugt, dass der Autor ein begnadeter Geschichtenerzähler ist. Auch wenn bereits die Verfilmung dieses Romans beschlossene Sache ist, so ist das Buch viel mehr, als ein Drehbuch. Schon die schöne Sprache ist ein Genuss. Dazu die interessante Verquickung von wissenschaftlichen, rechtlichen, geschichtlichen Dingen eingebettet in eine Handlung, die aus lauter realen Personen besteht ist spannend, faszinierend und ungemein lehrreich. Graham Moore schaffte es, mir die Charaktere sehr nahe zu bringen und mir auch kniffelige Details klug und verständlich zu erklären.

Das Nachwort war nochmal hochinformativ und toll, weil Moore haarklein erklärt, wo er selber ein bisschen „manipuliert“ hat - zum Wohle der Geschichte – und welche Fakten im Buch versteckt sind.

Für mich im Augenblick mein Jahreshighlight und ein hervorragend recherchierter historischer Roman den ich nur wärmstens empfehlen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Atmosphäre
  • Charaktere
  • Recherche