Der Selbstmord eines Mandanten nach einer verlorenen Verhandlung lässt die Anwältin Solène zusammenbrechen. Nach einer stationären Behandlung in der Psychiatrie folgt sie der Empfehlung ihres Arztes und nimmt ehrenamtlich eine Tätigkeit als Schreiberin im Pariser „Palast der Frauen“ an. Nach und nach lernt sie die unterschiedlichsten Schicksale der dort Zuflucht suchenden Frauen kennen, während sie diese bei ihrer anfallenden Korrespondenz unterstützt. Nebenbei erfährt sie viel über die Geschichte des „Palastes“, der 1925 von der lungenkranken 58-jährigen Blanche Peyron ins Leben gerufen wurde. Peyron fühlt sich als Tochter eines Pfarrers schon bald dazu berufen, den schwächsten Gliedern der Gesellschaft Hilfestellung zu bieten und richtet ihr ganzes Leben darauf aus. Auch Solène erkennt bald, wie befriedigend und heilend die Kraft der Hilfeleistung und Unterstützung sich auf ihr eigenes Leben auswirkt…
Laetitia Colombani hat mit „Das Haus der Frauen“ einen unterhaltsamen Roman mit historischem Anstrich vorgelegt, der auf wahren Begebenheiten fußt. Der flüssige und farbenfrohe Erzählstil umgarnt den Leser und erlaubt ihm, durch wechselnde Perspektive mal an der Seite von Solène in der Gegenwart, mal an der Seite von Blanche Peyron in der Vergangenheit zu verweilen und sich in das Schicksal der beiden Frauen näher zu vertiefen. Die sehr gute Recherche der Autorin lässt die Vergangenheit um Blanche und die Gründung des „Palais de la Femme“ sehr bildhaft vor dem Auge des Lesers entstehen, der noch heute in der Rue de Charonne auf der Ile-de-France in Paris ansässig ist. Dabei lässt sie eine starke unkonventionelle Frau wieder lebendig werden, die ihr Leben der Unterstützung Hilfesuchender gewidmet hat und für diese selbstlos kämpft. Die Einzelschicksale der Frauen, die das Haus in der Gegenwart bewohnen, sowie das von Solène lassen den Leser ebenfalls nicht kalt, geht es doch um Flucht, Einwanderung, zurückgelassene Kinder, Missbrauch und vieles mehr. Auch heute bieten Häuser wie der „Palais de la Femme“ Frauen weltweit Unterschlupf, um sich sicher zu fühlen und in Ruhe ihr zukünftiges Leben in Angriff nehmen zu können. Gegenwart und Vergangenheit sind wohlgefällig miteinander verknüpft, zeigen die Veränderungen im Leben der einen Frau, die in dem Wirken der anderen ihren Ursprung haben. Einzig die mangelnde Emotionalität macht diesen Roman eher zu einer Handlung, die den Leser auf Distanz hält und nicht so sehr mitfühlen lässt.
Die gezeichneten Charaktere sind facettenreich gestaltet und überzeugen glaubwürdig mit ihren menschlichen Eigenschaften. Der Leser erlebt die unterschiedlichsten Protagonistinnen, die ihr Schicksal auf ganz eigene Art meistern, jedoch bleibt ihm nur der Posten eines Beobachters. Solène war bis zu einem Schicksalsschlag eher vom Leben begünstigt, was ihr trotzdem kein Glück bescherte. Zu Anfang etwas zurückhaltend entwickelt sich Solène mit den täglichen Begegnungen im Frauenhaus immer mehr als eine hilfsbereite Person, die für andere einsteht und sie unterstützt. Obwohl selbst krank, unterdrückt Blanche ihre Schwäche mit dem Tatendrang und dem Kampf für Bedürftige und Hilfesuchende. Sie ist eine starke, unkonventionelle und selbstlose Frau. In ihrem Ehemann Albin hat sie das perfekte Gegenstück gefunden, ist er doch fortschrittlich und vor allem entgegenkommend, wenn es um die Bedürfnisse seiner Frau geht. Aber auch die Binta, Renée, Salma, Iris oder Cynthia bringen einiges an Farbe in die Handlung.
„Das Haus der Frauen“ ist ein gelungener Mix aus gut recherchierter Historie verknüpft mit der Gegenwart. Die Thematik ist auch heute aktueller denn je und gerade deshalb sollte man dieses Buch lesen. Obwohl unterhaltsam erzählt, regt es zum Nachdenken an. Verdiente Leseempfehlung!