Mord mit Ansage
Endlich ist Kommissar Mütze zu seinem Lebensgefährten Karl-Dieter gezogen und sie müssen nicht mehr pendeln. Erfurt hat ja auch viel zu bieten, u.a. den weltberühmten Erfurter Dom mit seiner „Gloriosa“, ...
Endlich ist Kommissar Mütze zu seinem Lebensgefährten Karl-Dieter gezogen und sie müssen nicht mehr pendeln. Erfurt hat ja auch viel zu bieten, u.a. den weltberühmten Erfurter Dom mit seiner „Gloriosa“, der größten und klangschönsten freischwingenden Glocke des Mittelalters. Doch ausgerechnet in dieser hängt am Ostersonntag kopfüber ein Toter. „Unsere Gloriosa wiegt locker zehn Tonnen, das hält auch der größte Thüringer Dickschädel nicht aus.“ (S. 8) Und während Mütze und sein neuer Kollege Thomas Stulpenpilz, genannt Braunkärsch, im Umfeld des ersten Toten ermitteln, gibt es am Ostermontag bereits den nächsten – dieser wurde in einer Kiste mit Puffbohnen erstickt. In der Nähe finden sie einen Zettel: „Dieses war der zweite Streich, doch der dritte folgt sogleich.“ (S. 86). Damit ist klar, obwohl die Toten augenscheinlich nicht miteinander zu tun hatten, verbindet sie etwas. Aber was und wer wird das dritte Opfer sein? Und hört der Täter danach auf oder hat er, wie Max und Moritz, sieben Streiche, also sieben Opfer, im Sinn? Mütze und Braunkärsch müssen sich beeilen …
Ich kenne Mütze und Karl-Dieter bereits aus dem „Fall Fontane“ und habe mitgefiebert, als das liebenswerte Pärchen jetzt in eine Beziehungskrise stürzt. Auch Mützes Kollege Braunkärsch hadert mit einem schlimmen Erlebnis in seiner Vergangenheit, über das der Leser lange im Unklaren bleibt. Leider bleibt dadurch die Spannung etwas auf der Strecke. Es gibt zwar gleich zu Beginn einen Toten und bald darauf den nächsten, auch die Todesarten sind sehr außergewöhnlich, doch dann zieht es sich, weil die Ermittlungen immer wieder vom Privat- und Beziehungsleben der Ermittler unterbrochen werden. Während Mütze und Karl-Dieter im „Fall Fontane“ noch herrlich unprätentiös waren, wurden hier zu viele Klischees bedient. Mir fehlte das Stringente des Vorgängers.
Johannes Wilkes setzt auch im „Fall Gloriosa“ sehr auf die Vermittlung des Lebensgefühls in Erfurt, inkl. der Stadt- und Glockengeschichte. Dazu erfährt der interessierte Leser noch alles über das berühmte Erfurter Blau, das aus Waid gewonnen wird. Ergänzt wird das Buch durch Schillers „Lied von der Glocke“, „Wanderers Nachtlied“ von Goethe und Karl-Dieters Lieblingsrezepte.
Außerdem wird jedes Kapitel von der Glocke selbst beendet, indem sie ihre Erinnerungen und aktuelle Geschehnisse erzählt. Meiner Meinung nach ist das Buch etwas für Erfurt- und Literaturliebhaber, mir sind die 242 Seiten diesmal zum Teil etwas lang geworden. 3,5 Sterne.