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Veröffentlicht am 13.03.2021

Eine Weihnachtssatire

Die Falle
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Inhalt: Herr Lemm sucht einen Weihnachtsmann für seine Kinder. Beim Studentenwerk wird er fündig. Doch der studentische Weihnachtsmann ist so ganz anders, als die Familie Lemm vermutet hat. Die Falle ist ...

Inhalt: Herr Lemm sucht einen Weihnachtsmann für seine Kinder. Beim Studentenwerk wird er fündig. Doch der studentische Weihnachtsmann ist so ganz anders, als die Familie Lemm vermutet hat. Die Falle ist zugeschnappt.

Persönliche Meinung: „Die Falle“ ist eine Satire von Robert Gernhardt, die zu Weihnachten spielt. Sie erschien zuerst 1966 und steht damit im Windschatten der 1968er-Bewegung, was man ihrem Figurenrepertoire auch anmerkt: Familie Lemm ist gutbürgerlich und der studentische Weihnachtsmann hat anarchistische und anti-autoritäre Tendenzen. Besonders am Ende der Geschichte werden sowohl die kapitalistische Marktwirtschaft als auch die Ideen der 68er-Bewegung aufs Korn genommen. Sie ist weniger eine heimelige Weihnachtsgeschichte, sondern zeigt, wie Weihnachten aus der Perspektive der 68er-Generation aufgefasst werden konnte: als verkrustetes Fest der Altvordern und des Kapitalismus. Bebildert ist die Ausgabe vom Verfasser selbst. Man sollte allerdings keinen Roman und keine Novelle erwarten: Es handelt sich bei „Die Falle“ um eine kurze, humorvolle Geschichte, die man – bei einem gemächlichen Tempo – vermutlich in 30 Minuten gelesen hat.

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Veröffentlicht am 13.03.2021

Der Papst: Ein Schlitzohr

Ostergeschichte
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Inhalt: Ein evangelischer Journalist sitzt am Ostersonntag mutterseelenallein in einer Kneipe in Rom. Gerade will er gehen, doch gleichzeitig betritt ein neuer Gast die Bar. Zuerst glaubt der Journalist ...

Inhalt: Ein evangelischer Journalist sitzt am Ostersonntag mutterseelenallein in einer Kneipe in Rom. Gerade will er gehen, doch gleichzeitig betritt ein neuer Gast die Bar. Zuerst glaubt der Journalist seinen Augen nicht – denn der Gast entpuppt sich als Karol Wojtyla und der ist so ganz anders, als man sich den Papst eigentlich vorstellt.

Persönliche Meinung: „Ostergeschichte“ ist eine Kurzgeschichte von Robert Gernhardt, die zuerst 1986 erschien. Inhaltlich dreht sich „Ostergeschichte“ um das Gespräch zwischen dem Journalisten Peter Maski und dem Papst. Karikatureske Züge erhält die Kurzgeschichte durch den Hintergrund der Gesprächspartner. Auf der einen Seite findet sich das Oberhaupt der katholischen Kirche, auf der anderen Seite ein evangelischer Journalist, der – gezwungenermaßen – an Ostersonntag in Rom ist, bei der Ostermesse aber gar nicht richtig zugehört hat, weil es ihn wenig interessierte. Nun sieht er sich in der Bredouille, weil der Papst wissen möchte, wie ihm die Messe gefallen hat. Der Papst spricht dabei völlig ungezwungen: Ihn stört das Zwanghafte des katholischen Ritus, das schmeichlerische Verhalten der Kardinäle und der Umstand, dass ihn keiner aus seinem näheren Umkreis auf seine persönlichen Fehler hinweist. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund und vergreift sich mit seiner Wortwahl auch ein, zweimal im Ton. Besonders die Pointe der Geschichte (Stichwort: Schlitzohr) hat mir gut gefallen. Insgesamt ist „Ostergeschichte“ eine humorvolle Kurzgeschichte über eine unerhörte Begegnung.

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Veröffentlicht am 13.03.2021

Auf den Spuren von Charles Dodgson, Alice Liddell und "Alice"

Die Erfindung von Alice im Wunderland
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„Die Erfindung von Alice im Wunderland“ ist ein knapp 120-seitiges Sachbuch von Peter Hunt, einem emeritierten Professor (Englische Literatur/Kinderliteratur) der Universität Cardiff. Das großformatige ...

„Die Erfindung von Alice im Wunderland“ ist ein knapp 120-seitiges Sachbuch von Peter Hunt, einem emeritierten Professor (Englische Literatur/Kinderliteratur) der Universität Cardiff. Das großformatige Buch besitzt 121 Abbildungen: Einerseits finden sich zahlreiche „Alice“-Originalillustrationen aus der Feder von John Tenniel, andererseits Photographien aus dem Umkreis von Charles Dodgson alias Lewis Carroll. Hunt liest und interpretiert in seinem Sachbuch die vier „Alice“-Romane von Carroll (die für Alice Liddell bestimmte Version „Alice’s Adventures Under Ground“, die an Kleinkinder adressierte „Nursery ,Alice‘“ und die Klassiker „in Wunderland“ und „Hinter den Spiegeln“) als Schlüsselromane, d.h. er sucht nach einem geheimen Sinn, der sich unter der oberflächlichen Handlung der Romane versteckt und eng mit Carroll und dessen Lebenswelt zusammenhängt. „Die Erfindung von Alice im Wunderland“ ist in 6 Kapitel unterteilt. Im ersten Kapitel „Zwei Männer und drei Mädchen in einem Boot“ dekonstruiert Hunt den „Alice“-Entstehungsmythos, das Buch sei aus dem Stehgreif und aus einem Guss während einer sonnigen Bootsfahrt auf der Themse entstanden. Das zweite Kapitel „Vor Alice“ beschäftigt sich mit der (moralisierenden) englischsprachigen Kinderliteratur, wie sie vor „Alice im Wunderland“ geschrieben worden ist. Gleichzeitig arbeitet Hunt beispielhaft heraus, wie Carroll diese Werke in „Alice“ aufnahm und parodierte. „Was Alice wusste“, das 3. Kapitel des Sachbuches, fokussiert „Under Ground“, die „Alice“-Ausgabe für die reale Alice Liddell. Hunt sucht hier versteckte Botschaften und Scherze, die von Carroll für Alice in „Alice“ verarbeitet worden sind bzw. sein könnten (Figuren/Handlungsorte, die ein reales Vorbild besitzen). Kapitel 4 „Die Außenwelt von Charles Dodgson“ und Kapitel 5 „Das Innenleben von Charles Dodgson“ gehen noch einen Schritt weiter: Hunt beschäftigt sich in diesen Kapiteln mit potentiellen Witzen und Satiren, die Carroll allein zur eigenen Unterhaltung für sich selbst in „Alice“ eingebaut hat – unabhängig davon, ob andere LeserInnen den Humor überhaupt erkennen. In diesem Sinne interpretiert Hunt bspw. den „Fünf-Uhr-Tee“ vor dem Hintergrund einer Kampagne zur Aufwertung des Ernährungsstandards, die Carroll in Christ Church durchsetzen wollte. Spannend ist auch das 5. Kapitel, in dem Hunt mit Zahlen herumjongliert (Lewis Carroll bzw. Charles Dodgson war ja beruflich Mathematiker). So taucht z.B. die Zahl „42“ häufig in „Alice“ auf. Außerdem interpretiert Hunt einzelne Verse aus „Hinter den Spiegeln“ als direkte Anrede Dodgsons an die reale Alice und der „weiße Ritter“ wird als Alter-Ego Dodgsons interpretiert. Das letzte Kapitel „Von Oxford hinaus in die weite Welt“ zeichnet kurz den restlichen Lebensweg der realen Personen nach, die Hunt zuvor angesprochen hat, und gibt einen kurzen Überblick über die „Alice“-Rezeption. Inwiefern solch ein Interpretationsansatz, der der (potenziellen) Autorintention folgt, fruchtbringend ist, wird in den Literaturwissenschaften stark diskutiert (poststrukturale Tendenzen neigen eher zum „Tod des Autors“ (R. Barthes)), d.h. Autor*innen und ihr Leben könne man bei der Interpretation getrost unberücksichtigt lassen, um allein den Text zu fokussieren und ggf. subversive Tendenzen, die sich gegen eine etwaige Autorintention im Text verselbstständigt haben, herauszuarbeiten). Einiges, was Hunt herausarbeitet, ist spekulativer Natur – man kann sich nicht vollends sicher sein, ob Carroll dies oder jenes intendierte. Alles kann, nichts muss – aber das ist wahrscheinlich zugleich der Aspekt, der die „Alice“-Bücher so besonders macht.

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Veröffentlicht am 08.03.2021

Von Mausdingen und Menschendingen

John & Maus
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Inhalt: John wird in der Schule gehänselt, weil er klein ist. Da er einfach nicht schnell genug wächst, kommt er auf eine baummäßige Idee: Er vergräbt seine Füße in Erde, hofft auf einen Wachstumsschub ...

Inhalt: John wird in der Schule gehänselt, weil er klein ist. Da er einfach nicht schnell genug wächst, kommt er auf eine baummäßige Idee: Er vergräbt seine Füße in Erde, hofft auf einen Wachstumsschub und - tatsächlich - er schlägt Wurzeln. Dieses außergewöhnliche Phänomen bleibt natürlich nicht unbeobachtet. Bald wird eine Wissenschaftlerin auf "Johnbaum" aufmerksam und möchte durch ihn ihre Karriere ankurbeln. Aber auch ein Lehrer hat sich John als seinen Zögling auserkoren. Gut, dass es die weise Maus gibt, die John beiseitesteht.

Persönliche Meinung: "John & Maus. Auf dem Weg nach Weißnochnichtwo" ist ein philosphischer Jugendroman, dessen Hauptthema die Gelassenheit ist. John, das Menschenkind, macht sich über viele Dinge Sorgen. Er fühlt sich zu klein, weiß nicht, wie er in der Natur an Nahrung kommen soll, sorgt sich generell vor Unwägbarkeiten. Maus, die die Rolle eines Mentors annimmt, zeigt ihm, dass dies aber alles nur eine Frage der Perspektive ist. Typische Menschendinge, die das Leben nur unnötig schwer machen und worüber sich andere Lebewesen gar keine Gedanken machen. Wirklichkeit, so lehrt ihm die Maus, ist relativ. Darüber hinaus zeigt Maus John die Geheimnisse der Natur, die sich offenbaren, wenn man sich nur ruhig und sensibel der Flora, Fauna und vermeintlich leblosen Dingen gegenüber verhält. Neben Maus nehmen noch weitere Lebewesen, besonders Bäume, eine Mentorfunktion ein. Dementsprechend nehmen Dialogszenen einen großen Raum ein (der Roman basiert auf einem gleichnamigen Hörspielzyklus). "John & Maus" wird aus der Perspektive Johns erzählt (3. Person) und besteht aus vergleichsweise kurzen Kapiteln (meist ca. 1,5 bis 3 Seiten). Die Erzählweise ist eher episodenhaft. Jedes Kapitel beschäftigt sich mit einem einzelnen Thema und ist dadurch gewissermaßen eine für sich stehende Mikroerzählung, die in eine Rahmenhandlung eingebettet ist. Der Schreibstil ist eher nüchtern, woran man sich erst etwas gewöhnen muss. Insgesamt ist "Maus & John" ein interessantes Jugendbuch, das einige spannende Ansatzpunkte zur (Selbst-)Sensibilisierung setzt und generell ein Plädoyer für die Gelassenheit ist.

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Veröffentlicht am 23.02.2021

Hamoulimepp? Humbug!

Weihnachten auf der Lindwurmfeste
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"Weihnachten auf der Lindwurmfeste" ist in Form eines Briefes verfasst. Der große zamonische Dichter Hildegunst von Mythenmetz berichtet hier dem Buchhaimer Antiquar Hachmed Ben Kibitzer von dem wichtigsten ...

"Weihnachten auf der Lindwurmfeste" ist in Form eines Briefes verfasst. Der große zamonische Dichter Hildegunst von Mythenmetz berichtet hier dem Buchhaimer Antiquar Hachmed Ben Kibitzer von dem wichtigsten Fest der Lindwürmer: Hamoulimepp, das eine Mischung aus unserem Weihnachtsfest, Nikolaus und Silvester ist. So basiert das Fest auf der Legende des Hamoulimepp, der zusammen mit Mepp, der - je nach Tradition - ein Knecht/Knappe/Sohn/Dorftrottel/Schornsteinfeger ist, die Lindwurm-Kinder beschenkt, es gibt spezielle Stein-(Tannen)-Bäume und der Abschluss des Festes wird mit einem feuerlosen Feuerwerk gefeiert. Es gibt also keine Handlung im herkömmlichen Sinne; "Weihnachten auf der Lindwurmfeste" ist eher ein Bericht über das Fest. Generell lässt Hildegunst kein gutes Haar an Hamoulimepp (wie schon der Untertitel "Warum ich Hamoulimepp hasse" andeutet). Hamoulimepp ist für ihn eine kindische Narretei, die er mal als pädagogisch fragwürdig, mal als eklig, häufig als irrational ansieht. Sein Spott ist dabei humorvoll bis zynisch. Zum Ende hin wird Hildegunst allerdings doch noch sentimental. In "Weihnachten auf der Lindwurmfeste" lernt man - über Hamoulimepp hinaus - weitere Aspekte der Lindwurm-Kultur kennen, die eine schöne Ergänzung zum "Zamonien-Zyklus" sind. Das Werk selbst ist in zwei Teile aufgebaut. Der eigentliche Brief Hildegunsts umfasst ca. 50 Seiten. Der restliche Raum ist mit detaillierten, mehrfarbigen Illustrationen geschmückt. So finden sich auf 31 Seiten die sog. Taxonomischen Tafeln, die einzelne Dinge, die Hildegunst im Brief anspricht, in Bildform aufzeigen. "Weihnachten auf der Lindwurmfeste" ist außerdem sehr hochwertig verarbeitet (Hardcover, Schutzumschlag, durchweg mehrfarbige Illustrationen von Walter Moers und Lydia Rode, die einzelnen Seiten sehen wie Briefseiten aus, die Schriftart erinnert an Handschrift). Insgesamt ist "Weihnachten auf der Lindwurmfeste" ein schönes Geschenkbuch für Zamonien-Fans. Man sollte es allerdings erst lesen, wenn man schon einige Zamonien-Bücher kennt. Sonst ist vermutlich die Enttäuschung zu groß, weil es (auch aufgrund seiner Kürze) nicht den Anspruch hat, an die Großwerke Moers' heranzureichen.

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