1955 Hamburg. Der Kolonialwarenladen Konradi & Grieve erleidet nach dem Krieg eine Durststrecke, denn die Kunden bleiben immer mehr aus und wenden sich anderen Einkaufsmöglichkeiten zu, um ihre lang entbehrten Gelüste zu stillen. Leonores Enkelin Eliane will dem Laden nicht nur ein neues Gesicht verpassen, sondern mit ihren Ideen auch das Angebot aufpeppen. Selbstgebackene Kuchen und Törtchen sind ein erster Schritt, der die Menschen wieder in den Laden lockt. Leonore gibt ihrer Enkeltochter die Möglichkeit, ins Geschäft einzusteigen, um mit ihr gemeinsam das Geschäft zukunftsträchtig zu machen. Wird es ihnen gelingen, an den alten Unternehmenserfolg anzuknüpfen?
Katharina Lansing hat mit „Die Schätze der weiten Welt“ den Abschlussband ihrer historischen Trilogie um den Laden in der alten Hamburger Speicherstadt vorgelegt, der noch einmal mit einer unterhaltsamen Geschichte zu fesseln weiß. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser ins Hamburg der Nachkriegszeit reisen, um einen letzten Besuch in dem Feinkostgeschäft zu machen, das einst von Leonore zum Erfolg geführt wurde. Sowohl während des Krieges als auch in der Zeit danach haben die Menschen viel entbehren müssen und sich nur langsam davon erholt. Nun aber wollen sie alles nachholen, worauf sie so lange haben verzichten müssen. Das ist auch in dem Kolonialwarenladen zu spüren, denn die Leute wollen mehr für ihr hart erarbeitetes Geld und haben keine Ambitionen, viel Geld für Ausgefallenes zu investieren. Eliane hat viele Ideen, das Sortiment des Ladens zu erneuern und so den Kundenwünschen Rechnung zu tragen. Ihre Oma Leonore, die noch vom alten Schlag ist, muss sich auf die Veränderungen erst einmal einstellen und sich von ihrer Enkelin in die Zukunft führen lassen. Die Autorin hat erneut die veränderte Rolle der Frau zur damaligen Zeit in ihre Handlung miteingebunden, so dass man anhand der Reihenfolge der Bücher die jeweiligen gesellschaftlichen Anforderungen gut erkennen kann. In den 50ern herrschte Aufbruchstimmung, obwohl die Frauen, die im Krieg ihren „Mann“ standen, von den Männern zurück an die Kochherde gedrängt wurden. Aber wie schon Leonore ihrer Zeit weit voraus war, so ist auch Eliane eine Frau, die sich den Konventionen nicht beugen wird und in die Zukunft blickt. Lansing spart während ihrer Handlung auch nicht mit farbenfrohen Beschreibungen des damaligen Hamburgs, so dass man neben dem alten Laden auch so einige Streifzüge durch das Venedig des Nordens.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt und überzeugen mit menschlichen Ecken und Kanten. Sie wirken lebendig und realistisch, so dass der Leser sich schnell wieder mit ihnen wohlfühlt und ihre neuen Erlebnisse gerne begleitet. Leonore ist inzwischen eine alte Dame und gewiefte Geschäftsfrau, sehr lange führt sie schon den Laden, der ihr Herzstück ist. Sie wirkt immer noch resolut und selbstsicher, ist jedoch auch irgendwie weicher geworden. Eliane ist eine abenteuerlustige, geschickte und intelligente junge Frau, die sich gar nicht schnell genug einbringen kann. Sie hat ein offenes und freundliches Wesen, was die Kunden sie für sich einnehmen lässt. Auch ihr fehlt es nicht an Selbstbewusstsein und Ideenreichtum. Auch weitere Protagonisten überzeugen in zugedachten Rollen.
„Die Schätze der weiten Welt“ ist ein gelungener Ausflug in die Nachkriegszeit, der Familiengeschichte, Aufbruchstimmung und Liebe in sich vereint. Verdiente Leseempfehlung für unterhaltsame Lesestunden!