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Veröffentlicht am 13.04.2017

Sechs Opfer. Sechs Körperteile. Eine groteske Marionette.

Ragdoll - Dein letzter Tag (Ein New-Scotland-Yard-Thriller 1)
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Rasanter, atemloser Thrill

London: Die Ermittler der Metropoliten Police werden an einen surrealen Tatort gerufen. Eine Leiche, aufgehangen an hunderten, seidenartigen Fäden wie bei einer Marionette, ...

Rasanter, atemloser Thrill

London: Die Ermittler der Metropoliten Police werden an einen surrealen Tatort gerufen. Eine Leiche, aufgehangen an hunderten, seidenartigen Fäden wie bei einer Marionette, in einer fixierten Position. Die Leiche ist grob mit Körperteilen von insgesamt sechs Opfern zusammengeflickt worden. Ein weißer Torso, ein schwarzes Bein, eine Männerhand und eine weibliche Hand ergeben ein Bild bizarrer Proportionen. Ein Zeigefinger der Ragdoll (Lumpenpuppe) zeigt in Richtung Fenster, auf eine gegenüberliegende Wohnung, die des besten Mordermittlers Wolf, Detective Oliver Layton-Fawkes.

Wolf identifiziert den Kopf als den von Naguib Khalid. Der Feuerbestatter. Der produktivste Serienkiller aller Zeiten, der vor vier Jahren von den Geschworenen des hohen Gerichts für nicht schuldig befunden wurde. Bei Urteilsverkündung rastete Wolf aus und tötet Khalid beinahe. Wolf wurde für das Versagen der Polizei zum Sündenbock degradiert und suspendiert, bis er vor kurzem wieder in den Polizeidienst zurückgekehrt ist.

Zeitgleich erhält TV-Journalistin Andrea, Wolfs Exfrau, eine Liste mit sechs Namen und sechs Todeszeitpunkten. Der letzte auf Abschussliste ist Wolf selbst.

Der Autor:

Daniel Cole wurde 1983 geboren. Er hat bisher als Sanitäter, Tierschützer und für die britische Seenotrettung gearbeitet. Sein Drang, Menschen zu retten, entspringt möglicherweise dem schlechten Gewissen wegen der großen Zahl der Figuren, die er beim Schreiben umbringt. Er lebt im sonnigen Bournemouth in Südengland und ist meist am Strand anzutreffen, obwohl er eigentlich an seinem nächsten Buch schreiben sollte. Sein Debüt »Ragdoll« erscheint in 34 Ländern, die Verfilmung ist in Vorbereitung. (Quelle: Ullstein Buchverlage)
Reflektionen:

Ragdoll soll ein Debüt sein? Kaum zu glauben, denn Daniel Cole gelingt es spielend, eine einzigartige und außergewöhnliche Spannung zu erzeugen, die so knistert, dass man glaubt neben einem brennenden Feuer zu lesen.

Der Prolog ist die einzige winzige Hürde, bevor der Sog der Handlung zupackt und nicht mehr loslässt. Als Leser will ich auch nicht mehr losgelassen werden und füge mich dem rasanten Tempo, den unglaublich vielen Wendungen und Verstrickungen, bis endlich wieder genug Atemluft vorhanden ist und die letzte Seite umgeblättert ist.

Dieser Thriller macht eindeutig süchtig. Spannend verschachtelte Kapitel, fesselnd inszenierte Wendungen und eine Überraschung die die nächste jagt, bis erneut ein Spannungshöhepunkt erreicht ist. Racheengel, Geisteskrankheit, unterstellt man dem Täter und mögliche Motive geben viel Raum für Spekulationen, doch bevor man innerlich ermittelt und sich festlegt hat, wenden sich die Ereignisse überraschend erneut.

Wortgewandt und stark im Ausdruck fesseln knackige Dialoge, die in einem flüssig lockeren Schreibstil zu Papier gebracht sind, doch manchmal wird es verwirrend. Einige Kapitel bringen die Lese-Balance aus dem Gleichgewicht und Figuren lassen sich nicht sofort zuordnen, aber der Lesefluss wird nur vorübergehend gebremst und man verzeiht dem Debüt-Autor gern, denn der Rest ist nachvollziehbar und stimmig.

Die Figuren waren sehr beeindruckend erschaffen, wenn auch einige wenige blass blieben. Die Hauptfiguren, versehen mit interessanten Legenden, und deren intelligent in Szene gesetzten Querverbindungen faszinierten und beschleunigten die Lesegeschwindigkeit.

Wolf spielt eine tragende Rolle bei diesen grotesken Verbrechensfällen. Er ist Vollblutpolizist mit ungeschliffenen Kanten und ein kompetenter dazu. Sympathisch, ja, aber auch Trotzkopf, gewaltbereit, dem Alkohol zugeneigt und psychisch angeknackst. Die Kombinationen der Charaktereigenschaften überlassen Wolf auch eine emotionale Bühne, auf der er berührend sinniert und sich als Typ klar definiert und positioniert, allerdings überwiegend gegen den Strom. Er ist der Besessenheit verfallen, den Täter zu überführen und die angekündigten Mordopfer zu beschützen, dabei überschreitet er Grenzen, die ihn unkollegial und illoyal erscheinen lassen und die er auch zwischenmenschlich kaum wieder in Ordnung bringen kann.

Besonders gelungen, zwischendurch auch amüsant dargestellt, ist die Figur Edmunds, der vom Betrugsdezernat zur Mordkommission wechselte. Behandelt wie ein naiver Frischling, entwickelt er sich im Laufe der Handlung zu einem intelligenten Ermittler. Er sieht hoch zu Wolfs Partnerin Detective Sergeant Emily Baxter, die als seine Mentorin und Vorgesetzte zunächst kein gutes Haar an ihm lässt. Edmunds Frau ist schwanger und ihre Beziehung zueinander wird mit seinem ersten Mordfall gleich auf die harte Probe gestellt, da er familiär durch Abwesenheit glänzt.

Äußerlich stets unnahbar und übel gelaunt durchschaut man Emily Baxter und ihre Beziehung zu Wolf zunächst nicht. Erst im Laufe der Handlung gibt diese Figur preis, wie emotional tief sie an Wolfs Leben hängt, der scheinbar leichtfertig und dauerhaft sein Leben aufs Spiel setzt.

Die maßvoll platzierten zwischenmenschlichen Beziehungen schnüren eine harmonische Geschichte und sind der erfrischende Gegenpol zu den sonst so grotesken Verbrechen.

Auch wenn die grob zusammengeflickte Leiche mit einer Blutleere gesegnet ist, muss man sich als Leser auf brutale bis bestialische Verbrechen einstellen und im Kopfkino durchlebt man blitzartig, wie grobe Amputationen von Gliedmaßen erfolgt sein müssen, ohne das sie in diesem Thriller Erwähnung finden mussten. Der Täter, der immer näher an die Ermittlungen heranreicht, besitzt eine blühende Fantasie, wie er die gut beschützen Opfer dennoch erwischen und vernichten kann. Gibt es einen Maulwurf bei der Metropoliten Police, oder warum scheint der Täter den Ermittlungen immer einen Schritt voraus zu sein?

Nebenschauplatz TV-Redaktion. Wolfs Ex-Frau Andrea wünscht sich nichts sehnlicher, als die Abendnachrichten zu moderieren, doch ihr Chef Elijah hält sie an der kurzen Leine. Als Andrea dann selbst in das groteske Verbrechen verwickelt wird, erhält sie den Job, denn der skrupellose Elijah erwartet, dass sie selbst den Zuschauern live die Todesnachricht ihres Ex-Mannes überbringen muss.

Daniel Cole ist es gelungen, den inneren Konflikt der Reporterin kaltschnäuzig und emotional zugleich darzustellen. Andrea zeigt ein Verhalten, das darauf abzielt, Ereignisse zu Sensationen aufzubauschen, ohne Rücksichtnahme auf die laufenden Ermittlungen. Bis sie dann selbst die Sensationsgier ihres Chefs zu spüren bekommt und ernsthaft um Wolfs bedrohtes Leben bangen muss.

Fazit und Bewertung:

Ein überzeugender und hoch spannender Thriller der mühelos überzeugt und erfrischend anders ist. Spannung agiert ganzheitlich auf einem hohen Niveau, da Ereignisse in dieser Story niemals vorhersehbar sind und Wendungen sowie Überraschungen explosionsartig auftreten. Endlich mal wieder ein Thriller, dessen Hype absolut gerechtfertigt ist.

Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 18.03.2017

Qualvoller Schmerz – Der 2. Fall für Sicherheitschef Tom Winter

Korrosion
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Die in fast ärmlichen Verhältnissen lebende Bernadette Berger wird brutal erschlagen in ihrer Wohnung aufgefunden. Schon lange pflegte sie keinen regelmäßigen Kontakt mehr zu ihren drei Kindern und lebte ...

Die in fast ärmlichen Verhältnissen lebende Bernadette Berger wird brutal erschlagen in ihrer Wohnung aufgefunden. Schon lange pflegte sie keinen regelmäßigen Kontakt mehr zu ihren drei Kindern und lebte sehr einsam und zurückgezogen.

Die Polizei schließt eilige Schlüsse und verdächtigt einen Sudanesen, der sich auf der Flucht befindet.

Tom Winter, Sicherheitschef einer kleinen, schweizer Privatbank, soll Bernadettes Kinder aufspüren, denn die alte Dame hinterlässt ein millionenschweres Erbe. Allerdings ist die Testamentseröffnung an eine Bedingung geknüpft. Bernadettes zweiter Ehemann, ein Bäcker, soll von einem der Kinder ermordet worden sein. Nur wenn das längst verjährte Verbrechen aufgeklärt ist, darf das Testament vollstreckt werden.

Tom Winters Nachforschungen, im Auftrag der Bank, führen ihn um die halbe Welt. Noch ahnt er nicht, dass er dabei auf Verbrechen stößt, die von schrecklichen Misshandlungen zeugen. Winter gerät in einen gefährlichen Strudel, der ihn sein eigenes Leben kosten könnte.

Der Autor:

Peter Beck studierte Psychologie, Wirtschaft und Philosophie, promovierte in Psychologie und machte einen MBA in Manchester. Er trägt im Judo den schwarzen Gürtel, war in der Geschäftsleitung eines Großunternehmens und in mehreren Aufsichtsräten. Heute leitet er seine eigene Firma und ist Thrillerautor. (Quelle: emons Verlag)

Reflektionen:

Bereits im vergangenen Jahr hat mich Autor Peter Beck mit seinem Debüt-Thriller Söldner des Geldes begeistert. Ich war mir sicher, dass er mich mit seinem neuen Thriller Korrosion erneut spannend, anspruchsvoll und actiongeladen unterhalten würde. Meine Erwartungen hat Peter Beck jedoch bei weitem noch einmal übertroffen und so kann ich diesen Thriller nur jedem sehr ans Herz legen.

Dieser Thriller beginnt mit einem fatalen Lawinenunglück, das Tom Winter, Sicherheitschef einer schweizer Privatbank nur knapp überlebt. Seine Verletzungen sind glimpflich, doch innerhalb dieser Handlung kämpft er dauerhaft tapfer gegen eine sehr schmerzhafte Handfraktur und wird immer wieder in die Erinnerung getrieben, von einer Lawine verschüttet worden zu sein. Diese Umstände unterstreichen die Authentizität der Figur Tom Winter, der tatsächlich unfassbar cool, sympathisch und attraktiv sowie redegewandt und kompetent ist.

Die Geschichte um die in Einsamkeit gelebte Bernadette Berger löst zunächst eine bedrückende Stimmung aus. Und als ein sudanesischer Flüchtling des Verbrechens an ihr beschuldigt wird, löst das auch gemischte Gefühle bezüglich des allgemeinen Schubladendenkens über Flüchtlinge in mir aus, obwohl Peter Beck dies thematisch nicht dramatisiert.

Peter Beck erzählt seinen Thriller in zwei Perspektiven. Zum einen jagt man als Leser mit Tom Winter durch die Welt, um Nachforschungen über Bernadettes Kinder zu betreiben und eine zweite Perspektive begleitet Tijo, dessen Frau und Kinder nicht mehr am Leben sind, der sein Dorf in den südsudanesischen Nuba Bergen verlässt und Europa als einziges Ziel vor Augen hat. Dieser Erzählstrang ist in Kapiteln deutlich kürzer, aber er berührt, bleibt sehr geheimnisvoll und spannend bis zu Letzt, sodass nicht klar ist, warum die Geschichte dieser gefährlichen und dramatischen Flucht
vom Sudan aus über Libyen, Tunesien, Marokko, über die Enklaven Ceuta und Melilla nach Spanien und bis in die Schweiz, überhaupt erzählt wird.

Winters Nachforschungen sind gefährlich und hoch spannend erzählt. Sie führen ihn nach Deutschland, Großbritannien und bis auf die Azoren.Mehrere Verbrechen begleiten die actiongeladene und facettenreiche Story und immer wieder kommt es für Winter zu brenzligen Situationen, die er zu meistern hat. Seine Recherchen konfrontieren ihn mit einer Familiengeschichte, die von einem erschütternden Missbrauch geprägt ist, aber auch das Organisierte Verbrechen macht vor Winter nicht Halt und plötzlich findet er sich bei seinen Ermittlungen im Drogenmilieu wieder.

Peter Beck hat die Figuren mit ausdrucksstarken und interessanten Charakteren ausgestattet. Einige Protagonisten sorgen für Überraschungen. Er verwebt diese intelligent in der Geschichte und kreiert dadurch geschickte Wendungen, die die Interessen der drei in ihren Charakteren völlig unterschiedlichen Geschwistern hervorhebt. Rache und Gier spielen eine Rolle und erst sehr spät erkennt der Leser, wer hier wem übel und bösartig mitspielt.

Peter Becks Schreibstil ist anspruchsvoll und dennoch angenehm flüssig. Allein der Schreibstil und der Ausdruck sorgen für ein rasantes Vorankommen in der Geschichte und sie lassen den Leser bereits auf den ersten Seiten in diesem sehr gut geschriebenen Thriller ankommen, den man nicht mehr aus der Hand legen möchte.

Hoffentlich kann ich genug Geduld aufbringen, bis Peter Beck seine Leser mit einem dritten Fall für Tom Winter beschenkt.

Fazit und Bewertung:

Korrosion ist ein sehr rasanter und hoch spannender Thriller, der mit einer vielschichtigen Handlung jeden Thriller-Liebhaber begeistern wird. Rache und Gier spielen eine Rolle und erst sehr spät erkennt der Leser, wer hier wem übel und bösartig mitspielt.

Ausdrückliche Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 16.03.2017

Rücksichtsloses Spiel mächtiger Player - Hochspannung garantiert. Ein Thriller-Debüt über grausame Machenschaften in Nahost und das skrupelloses Verschweigen.

Wer die Hunde weckt
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Hongkong: In rasanter Fahrt durchbricht das Fahrzeug der CIA-Agentin Sandra Brown die Kaimauer, bevor es in das Hafenbecken stürzt. Sandra Brown stirb, doch Journalist David Jakubowicz kann sich unbemerkt ...

Hongkong: In rasanter Fahrt durchbricht das Fahrzeug der CIA-Agentin Sandra Brown die Kaimauer, bevor es in das Hafenbecken stürzt. Sandra Brown stirb, doch Journalist David Jakubowicz kann sich unbemerkt und schwer verletzt von dem Anschlagsort retten.

Afghanistan: Der deutsche Kommandant Robert Westphal, Befehlshaber der deutschen ISAF-Truppe, gibt den Befehl: “F-15 – hot, und wenige Augenblicke später detonieren die Sprengkörper in dem Konvoi der Taliban, am Fluss des Taloqan. Er war mit sich im Reinen und er war entschlossen, als er den Befehl aussprach, doch dann sieht er plötzlich kleine Füße und kleine Hände auf der Leinwand.

Bevor die Welt reagieren kann, verschwindet Westphal spurlos. Die Geheimdienste und Regierungen versuchen das Geschehen am Taloqan Fluss zu vertuschen. David Jakubowicz und seine junge Kollegin Emma Bricks begeben sich auf die Jagd nach den Verantwortlichen und ihre Recherchen bringen sie bald in höchste Lebensgefahr.

Der Autor:

Achim Zons studierte Jura, Politik, Geschichte und Philosophie und arbeitete viele Jahre in verantwortlichen Positionen in der "Süddeutschen Zeitung". Er schreibt Drehbücher für Fernsehspiele und Krimis und lebt in München.

Reflektionen:

Die getötete Geheimagentin hatte den Auslandskorrespondenten David um Hilfe gebeten, denn sie war im Besitz von Informationen, über eine skrupellose, politische Aktion. Als David klar wird, dass es sich um einen Anschlag handelt, flieht er unbemerkt aus Hongkong und kehrt zurück nach Deutschland.

In der Münchner Zeitungsredaktion weiß man inzwischen von dem Anschlag auf den Konvoi der Taliban. Die Chefetage, allen voran die taffe Chefredakteurin Helen Christensen, will alles daransetzten, die Schlagzeile überhaupt, für die finanziell angeschlagene Redaktion, zu produzieren. Sie entsenden den Afghanen Mahmood, in das Gebiet der Taliban und lösen damit eine Lawine von zahlreichen, politisch brenzligen Verstrickungen aus, die für manchen lebensgefährlich wird.

Zeitgleich versuchen Geheimdienste und Regierungen die Geschehnisse vom Taloqan Fluss zu vertuschen und sie gehen dabei so weit, dass sie den Tod von Menschen gleichgültig in Kauf nehmen, um nicht einschätzbare Vorteile zu erreichen.

Wer die Hunde weckt ist das Debüt Achim Zons und es hat mich restlos überzeugt. Thematisch lese ich sehr viel über Nahost und dessen Konflikte, interessiere mich für die Kultur und die Geschichte dieser Länder und ich verfolge aufmerksam das politische Geschehen dort, um zu begreifen und zu verstehen, sodass mich dieser Thriller sehr ansprach.



Wir alle haben längst über Anschläge in Nahost gelesen, bei denen Menschen als Kollateralschäden deklariert ihr Leben lassen mussten und deshalb ist dieser Thriller, so unglaublich authentisch. Bis in kleinste Details ausführlich recherchiert ist er fast ein Zeugnis der Wirklichkeit und thematisch bedauerlicherweise immer noch brandaktuell. Achim Zons vermittelt zudem ein gesundes Gespür, wie skrupellos politische Mächte agieren und wie ein Medienunternehmen mit allen Mitteln aus den roten Zahlen herauskommen will.

Die Handlung zeichnet glaubhaft, wie deutsche- oder amerikanische Soldaten in Afghanistan, Politiker, Sicherheitsbehörden und Geheimdienste handeln, und wie Journalismus in Krisengebieten funktioniert. Sie lässt zudem authentisch erahnen, was wir Normalbürger von derartig brisanten politischen Aktionen erfahren dürfen oder was man uns bewusst und um jeden Preis aus taktischrn Gründen verschweigt.

In angenehmer, klarer und schnörkelloser Sprache erzählt Achim Zons seine fiktive aber glaubhafte Geschichte, die er meisterhaft mit literarischer Dramaturgie ausstattet und die für kontinuierliche Hochspannung und ein hohes Lesetempo verantwortlich sind.

Mühelos lässt Achim Zons den Leser tief in die Seelen der ausführlich- und intensiv gezeichneten Figuren blicken, ob gut oder böse. Die Lebensläufe der Figuren sind interessant entwickelt und sie alle gewähren einen Blick in eine emotionale Tiefgründigkeit der Figuren, die durch innere Konflikte oder durch jeweils persönliche Nebenschauplätze geprägt, lebendig und authentisch erscheinen.

Interessant und abwechslungsreich gestaltete Dialoge, erfrischen die gefährlich knisternde und düster geschwängerte Grundstimmung, sodass sich ein Leser kaum von den auf hochwertigem Papier gedruckten Seiten, lösen kann.

Perfekt getimt, wechseln die Perspektiven und dadurch die vielschichtigen Sichtweisen der Figuren auf die Geschehnisse, die so ermöglichen, beide Seiten intensiv kennenzulernen. Wer die Hunde weckt, kann ich mir sehr gut als spannende und actiongeladene Verfilmung vorstellen.

Fazit und Bewertung:

Wer die Hunde weckt ist ein gelungenes, anspruchsvolles Thriller-Debüt, das Hochspannung garantiert. Autor Achim Zons widmet sich thematisch dem immer wieder brandaktuellen Thema von Anschlägen in Nahost, bei deren Ausführung Menschenleben als Kollateralschäden scheinbar leichtfertig hingenommen werden und skrupellose, politische Mächte strategisch vertuschen.

Ich empfehle diesen Thriller ausdrücklich gern, doch mal sollte sich ein Stück weit für das genannte Kernthema interessieren.

Veröffentlicht am 14.03.2017

Rechts Leben. Links Tod. Häftling 135913. Zeugnis des Auschwitz-Überlebenden Sam Pivnik

Der letzte Überlebende
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Sam Pivnik war gerade mal 13 Jahre alt, als die Wehrmacht in Polen einmarschierte. Mit der Familie lebte er in einem oberschlesischen Städtchen, der Vater war Schneider und stopfte den Leuten die Hosen. ...

Sam Pivnik war gerade mal 13 Jahre alt, als die Wehrmacht in Polen einmarschierte. Mit der Familie lebte er in einem oberschlesischen Städtchen, der Vater war Schneider und stopfte den Leuten die Hosen. Da wurde aus dem Städtchen ein Ghetto, und Sam, der damals noch »Szlamek« hieß, war mittendrin. Er überlebte, auch den Todesmarsch nach Auschwitz, die Selektion durch Mengele, die Zwangsarbeit, den Schiffbruch auf der Cap Arcona. In den kurzen Jahren seiner Kindheit und Jugend entging er vierzehn Mal dem Tod. Der Krieg ließ keine Möglichkeit, an ein Morgen zu denken. Und wen interessierte nach dem Krieg das Gestern? Am Ende seines unglaublichen Lebens gelingt es Pivnik, einem der letzten Überlebenden von Auschwitz, über seine Erlebnisse zu sprechen.

Der Autor:

1926 geboren, wächst Sam im schönen oberschlesischen Städtchen Bedzin auf. Am 1. September 1939, Sams 13. Geburtstag, überfallen die Deutschen Polen. Über das, was dann geschah, hat Sam Pivnik lange geschwiegen. Er lebt heute in einem Seniorenheim in London.

Reflektionen:

Es gibt kaum ein Buch, das mich bisher mehr bedrückt und berührt hat, als Der letzte Überlebende von Sam Pivnik. Es hat mich nicht nur emotional tief betroffen gemacht, sondern es hat auch einen unfassbar großen Zorn und eine brennende Wut in mir entfacht. Es hat mir eine besondere Sichtweise auf ein historisches Geschehen offenbart, von der ich bisher, in dieser intensiven und persönlichen Form, noch nicht gelesen habe, obwohl ich bereits einschlägige Literatur über diese Zeit gelesen haben. Es hat mir zudem mein Wissen über diese schicksalsträchtige, grauenbehaftete Zeit, bereichert, wenn es mich auch unfassbar traurig gestimmt hat und nunmehr nicht mehr loslässt.

Inzwischen sind bereits vier Wochen vergangen, nach dem ich das Buch beendet habe und noch immer geistern ganze Kapitel, Sätze und Bilder immer wieder durch meinen Kopf, die ich ungewollt, wohl noch nicht in ihm archivieren kann. Die folgend zusammengestellten Zitate, werden sicher andeutungsweise aufzeigen, wie sehr die Worte dieser wahren, absurden Geschichte fesseln und zunächst nicht mehr loslassen.

Das Sam Pivniks Geschichte ist lebendig von ihm erzählt und ein reales Zeugnis des Schreckens. Das er Auschwitz überlebt hat, während seine Familie von den Nazis im Konzentrationslager ausgelöscht wurde, ist ein Wunder.

Seine jüngste Kindheit empfindet er wie ein Leben im Garten Eden. Als 1939 die Deutschen in Polen einmarschierten, war Sam dreizehn Jahre alt. Er sieht mit an, wie die Synagoge seines Heimatdorfes niedergebrannt wird, die Welt Stück für Stück zerfällt und die Tage zu tief dunkler Nacht werden, die sich niemals mehr erhellen.

Er ist siebzehn Jahre alt, als er nach Auschwitz Birkenau deportiert wird. Seine Familie verliert er bereits bei Ankunft an der Rampe, als eine Selektion von hunderten die noch folgen sollten, mit einem Wink nach Links oder Rechts, willkürlich über Tod und Leben entschied.



Sam Pivnik erzählt nicht nur von großen, zusammengefassten, bereits bekannten Ereignissen, sondern auch von den kleinen, persönlichen und alltäglichen Dingen im Konzentrationslager. Besonders diese Schilderungen spiegeln die grauenhafte gelebte, endlose und hilflose Verzweiflung und Ausweglosigkeit wieder, denen er und seine KZ-Mithäftlinge, Tag und Nacht ausgeliefert waren.

Als Rezensentin stellt sich mir bei diesem Werk nicht die Frage nach Stil, Ausdruck und Plot, denn Sam Pivniks Leben führt die schreibende Feder und kein literarischer Anspruch. Dennoch bewerte ich Der letzte Überlebende mit fünf Bewertungssternen, da es für uns Nachkommen, trotz der schrecklichen und grauenvollen Schilderungen, so wichtig, beeindruckend und wertvoll ist.

Ich möchte dieses Buch gern als Pflichtlektüre deklarieren, für Schüler und Lehrer, für all diejenigen, die versuchen zu ergründen, zu verstehen und für die, die ihr Wissen etwas vervollständigen möchten.

Im Besonderen möchte ich all jene „zwingen“ dieses Buch zu lesen, die sich verachtenswerterweise erlauben, unwissend wie sie sind, zu urteilen und zu verhöhnen.

Nichts auf der Welt kann diese absurden Taten jemals rechtfertigen und jemals entschuldigen.

Diese Verbrechen, an mehreren Generationen von Menschen, erfüllen mich mit ehrlicher und tief empfundener Scham und ich werde diese Verbrechen, ihre Entstehung und die scheinbar unmögliche Verhinderung niemals begreifen.

Fazit und Bewertung:

Der letzte Überlebende ist das bedrückende, wahre Zeugnis absurder, menschenverachtender Verbrechen des zweiten Weltkriegs. Es ist die Lebensgeschichte von Sam Pivnik, der das unfassbare Grauen in Auschwitz überlebt hat.

Dieses Buch wird bei jedem Leser Spuren bedrückenden Wissens hinterlassen, die mit dem Zuklappen des Buchs nicht verwischt werden können.

Veröffentlicht am 11.03.2017

Der Zweifel bleibt - Großartig geschrieben, hoch spannend und niemals vorhersehbar, was will man mehr als Krimi-Fan?

Eisenberg
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Dr. Rachel Eisenberg ist Strafverteidigerin einer angesehenen Münchner Kanzlei. Um eine Medienpräsenz der Kanzlei zu erreichen, übernimmt Rachel den Fall des Obdachlosen, der ein Tötungsdelikt begangen ...

Dr. Rachel Eisenberg ist Strafverteidigerin einer angesehenen Münchner Kanzlei. Um eine Medienpräsenz der Kanzlei zu erreichen, übernimmt Rachel den Fall des Obdachlosen, der ein Tötungsdelikt begangen haben soll. Doch als sie ihm erstmalig gegenübersitzt, erkennt sie in ihm ihre erste große Liebe, den Jungprofessor der Physik, Heiko Gerlach. Rachel ist sich sicher, dass er dieses Verbrechen nicht begangen haben kann, doch dann nimmt der Fall eine Wendung ein, die Rachel vor scheinbar unauflösbare Rätsel stellt.

Der Autor:

Andreas Föhr, Jahrgang 1958, gelernter Jurist, arbeitete einige Jahre bei der Rundfunkaufsicht und als Anwalt. Seit 1991 verfasst er erfolgreich Drehbücher für das Fernsehen, mit Schwerpunkt im Bereich Krimi. Zusammen mit Thomas Letocha schrieb er u.a für „SOKO 5113“, „Ein Fall für zwei“ und „Der Bulle von Tölz“. Für seinen Debütroman „Der Prinzessinnenmörder“ ist Andreas Föhr mit dem begehrten Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet worden. Mit „Schwarze Piste“ stand Föhr monatelang unter den Top 10 der Spiegel-Bestsellerliste. Andreas Föhr lebt bei Wasserburg.

Er weiß, wovon er schreibt: Andreas Föhr, Jahrgang 1958, hat Jura studiert und in München promoviert. Jahrelang war er als Anwalt tätig, bevor er sich mit dem Schreiben von Drehbüchern einen Namen machte. Jetzt hat der SPIEGEL-Bestsellerautor eine Figur geschaffen, die nicht nur sein juristisches Fachwissen teilt, sondern auch seinen Glauben daran, dass jeder, ob schuldig oder nicht, einen Verteidiger verdient, der ganz auf seiner Seite steht: Dr. Rachel Eisenberg (Quelle: Droemer Knaur Verlag)

Reflektionen:

Eisenberg ist mein erster Kriminalroman von Andreas Föhr und er hat mich restlos überzeugt. Ich habe schon lange keinen derartig intensiven und guten Kriminalroman mehr gelesen, der sich angenehm komplex mit zahlreichen, spannenden Wendungen, Rätseln und Nebengeschichten zu einem großen genialen Werk entpuppte.

Fasziniert von einer klaren Sprache und einem angenehm unverblümten Ausdruck, genoss ich das juristische Flair dieses Kriminalromans. Man spürt, dass der promovierte Autor weiß wovon er schreibt, da er selbst jahrelang als Rechtsanwalt tätig war. Dieses Wissen nutzend, kreierte Andreas Föhr seine Hauptfigur, Dr. Rachel Eisenberg.

Dr. Rachel Eisenberg ist eine taffe, kompetente und kühl wirkende Strafverteidigerin. Attraktiv und mit einem Hauch von Arroganz gesegnet beherrscht sie eine Kommunikationsfähigkeit mit einer feinen Note Ironie. Selbstbewusst und souverän setzt sie sich in der von männlichen Advokaten dominierenden justiziaren Umgebung mühelos durch.

Zunächst übernimmt Dr. Rachel Eisenberg den Fall des Obdachlosen, dem ein Tötungsdelikt vorgeworfen wird, nur, um eine Medienpräsenz für die Kanzlei zu erwirken, in der sie als Partnerin tätig ist. Doch als sie dem Obdachlosen gegenübersitzt, erkennt sie in ihm ihre erste große Liebe. Rachel ist entsetzt, dass der ehemalige Jungprofessor Heiko Gerlach auf der Straße lebt. Sie ist sich sicher, dass Heiko den Mord an der Frau nicht begangen hat, obwohl die Beweislage fundamental erscheint. Rachel entwickelt eine Vertretungsstrategie, doch plötzlich gesteht Heiko den Mord an der jungen Studentin Johanna Mend, die äußerst zurückgezogen in einer Münchner WG lebte und lehnt jede weitere Verteidigung von Rachel ab. Rachel lässt sich nicht beirren und entwickelt taktisch kluge Ermittlungsstrategien, um die Beweise der Anklage zu widerlegen. Ihre Methoden sind dabei nicht immer ganz legal, aber ihren Recherchen zu folgen bereitet ein großes Lesevergnügen, bis sich Rachel letztendlich in akuter Lebensgefahr befindet.

Neben dem Haupterzählstrang switcht Andreas Föhr mit seiner Geschichte zu der Albanerin Leonora, die sich mit ihrer kleinen Tochter Valentina auf der Flucht vor einer Blutrache befindet. Illegal nach Deutschland eingereist gerät sie scheinbar willkürlich in die Fänge von zwei brutalen Gestalten, die sie zunächst verschleppen und einsperren, bis sie fliehen kann.

Lange ist nicht klar, wie beide Erzählstränge zusammenhängen könnten und als Leser steht man vor zahlreichen, scheinbar unlösbaren Rätseln, die Andreas Föhr stetig mit Cliffhangern und einem zeitlichen und inhaltlichen Perspektivwechsel in seinem interessanten und gut konstruierten Plot untermauert. Er eröffnet mehrere Nebenschauplätze und verwischt mögliche Auflösungen an Hand von verstrickten Wendungen, die auch immer wieder psychologische und geheimnisvolle Thriller-Elemente beherbergen.

Beispielsweise ist von Rachels pubertierenden Tochter zu lesen, die beabsichtigt sich religiös zu orientieren und die in böswilliger Absicht auf dem Schulhof einen Schüler mit dem Fahrrad weg rammt und verletzt. Und dann ist da Nicole, eine minderjährige Obdachlose, die sich mit ihrem Hund Heiko Gerlach angeschlossen hat. Die freundschaftliche Beziehung von Heiko und Nicole erzählt die Geschichte einer besonderen Freundschaft, die im Laufe der Handlung von Enttäuschungen geprägt ist. Als Nicole von einem mysteriösen Unbekannten auf der Straße aufgesammelt wird, verliebt sich diese, doch Rachel vermutet, dass Nicole in höchster Gefahr schwebt.

Der Spannungsmotor wir von mehreren interessant inszenierten Nebenschauplätze angekurbelt, die einen großen Raum in der Geschichte einnehmen, ohne die Handlung zu überladen. Sie ist komplex und erfordert ein gesundes Maß an Konzentration, aber die anspruchsvoll und authentisch gezeichneten Charaktere und die interessant geführten Dialoge benötigen diese Reichweite, um die Geschichte abschließend harmonisch zu erzählen.

Die klugen Auflösungen erfolgen erst auf den letzten Seiten, nicht bevor ein fulminanter, dramatischer und actionreicher Showdown einen Schauplatz der Erkenntnis zeichnet.

Großartig. Ich möchte mehr davon.

Fazit und Bewertung:

Eisenberg ist ein angenehm komplexer Kriminalroman, der vor rätselhaften Wendungen nur so strotzt und bei dem die Zusammenhänge der Perspektiven bis zu Letzt angenehm unklar bleiben. Großartig geschrieben, hoch spannend und niemals vorhersehbar, was will man mehr als Krimi-Fan?