Zu viele Zufälle
Drei enge Freundinnen seit der Schulzeit, mittlerweile Anfang fünfzig und alles andere als zufrieden mit ihren jeweiligen Lebenssituationen: Gittas Kinderwunsch bleibt unerfüllt, Marlies‘ Mann hat sie ...
Drei enge Freundinnen seit der Schulzeit, mittlerweile Anfang fünfzig und alles andere als zufrieden mit ihren jeweiligen Lebenssituationen: Gittas Kinderwunsch bleibt unerfüllt, Marlies‘ Mann hat sie für eine andere verlassen und Cornelias Gesangskarriere steckt in einer Sackgasse. Beim gemeinsamen Mädelsurlaub auf Sylt klagen die drei einander ihr Leid und trinken einen Gin Tonic nach dem anderen. Mitten in der Nacht erscheint ihnen plötzlich ein Engel, der sie auf das Positive in ihrem Leben aufmerksam macht, sie zu Mitgliedern im Club der Engel ernennt und ihnen aufträgt, Gutes zu tun. Zunächst schieben die drei Freundinnen die nächtliche Erscheinung auf ihren Alkoholkonsum, doch dann bringen einige ungewöhnliche Begegnungen neuen Schwung in ihr Leben und Gitta, Marlies und Cornelia sind immer mehr davon überzeugt, dass der Engel für jede von ihnen eine Aufgabe bereithält.
Der Anfang von Sieben Tage am Meer hat mir gut gefallen. Ella Rosens Schreibstil ist locker und humorvoll und die drei Protagonistinnen fand ich gerade deshalb interessant, weil sie sich zu Beginn alles andere als von ihren besten Seiten präsentieren, sondern derart mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind, dass sie wenig Empathie für ihre Mitmenschen übrighaben. Dadurch wirkten sie auf mich authentisch und vor allem sehr menschlich und ich konnte mich gut in ihre jeweiligen Situationen und Gefühlslagen hineinversetzen. Die ersten Kapitel waren für mich eine spannende und unterhaltsame Lesereise auf die Insel Sylt.
Im Laufe des Romans wurde bei mir aber aus Mitfühlen und laut Mitlachen aber immer mehr Kopfschütteln und Zähneknirschen. Da schmuggelt eine Protagonistin heimlich eine Teenagerin zu einem Casting, die schicksalhaften Zufallsbegegnungen nehmen überhand und wildfremde Menschen legen einander intimste Geheimnisse offen. Ich konnte die Reaktionen und Handlungsweisen der Figuren immer weniger nachvollziehen und selbst dafür, dass hier übernatürliche Kräfte am Werk sind, ist mir ab dem zweiten Drittel des Romans das meiste einfach zu übertrieben und unrealistisch. Es ereignen sich zu viele absolut abwegige Zufälle und es entstehen zu viele neue zwischenmenschliche Beziehungen, die sich viel zu schnell entwickeln. Meine Gedanken beim Lesen bestanden irgendwann hauptsächlich aus den Fragen: „Was passiert da gerade? Warum machen die das? Was soll das?“ Dazwischen fielen mir dann immer mehr kleine Unstimmigkeiten auf: ein verwechselter Name, ein durcheinandergebrachtes Sprichwort und vor allem, dass das Maß an Zeit, die zwischen den verschiedenen Handlungsabschnitten vergeht, oft nicht richtig zu passen zu scheint – mal ganz davon abgesehen, dass sich mir rechnerisch nicht ganz erschlossen hat, warum im Titel von sieben Tagen am Meer die Rede ist. Nachdem das Buch vielversprechend begonnen hatte, war ich schlussendlich froh, als ich endlich das für meinen Geschmack deutlich zu kitschige Ende hinter mich gebracht hatte. Eigentlich schade, denn der Roman enthält wichtige und schöne Botschaften rund um das Thema Herzenswünsche und Umgang mit Problemen, nur die Geschichte, in die diese verpackt sind, war leider nichts für mich.
Insgesamt hat Ella Rosens Roman Sieben Tage am Meer meinen Geschmack leider nicht getroffen. Wer Lust auf einen humorvollen literarischen Ausflug nach Sylt hat, wenig Wert auf eine realistische Handlung legt und sich mit einem Engel als Erklärung für eine Häufung unwahrscheinlichster Ereignisse zufriedengibt, hat beim Lesen vermutlich deutlich mehr Spaß als ich.