Großartiges Theater
Ein Buch bestehend aus zwei Theaterstücken...das war erst einmal ein neues Genre für mich. Und ich hatte die Sorge, dass durch Personenangaben und Regieanweisungen der Lesefluss unterbrochen werden könnte. ...
Ein Buch bestehend aus zwei Theaterstücken...das war erst einmal ein neues Genre für mich. Und ich hatte die Sorge, dass durch Personenangaben und Regieanweisungen der Lesefluss unterbrochen werden könnte. Doch dem war ganz und gar nicht so. Schon nach wenigen Seiten saß ich selber in einem wunderschönen kleinen Theater und blickte auf die Bühne, auf der Hans Fredenbek seine irrwitzigen Monologe führte. Ich erlebte den Bürowahnsinn live mit und hatte das Bedürfnis dem Beamten Fedenbek zu antworten, wenn er ins Publikum sprach. Denn als das fühlte ich mich beim Lesen, nicht als Leser sondern als Publikum. Und auch inhaltlich war ich ganz bei der Sache, denn als Beamtin kenne ich solche Vollblutbeamten die auch in ihrem Privatleben nicht mehr aus ihrer Rolle herausfinden. Denen der Büroalltagswahnsinn zwischen Qualitätsmanagementsystem und Aktenbearbeitung das Gehirn verrückt und die ihr Leben nur noch in Amtssprache organisieren und ausdrücken können. Ebenso ergeht es Hans Fredenbek, gefangen auf Lebenszeit und vermählt mit seiner Büroausstattung. Die Monologe brodeln erst leise vor sich hin. Ein wirrer Gedankengang jagt den nächsten bis hin zu einem bizarren Ausbruch aus Wortspielereien und Gedankenexplosionen. Ich musste ein ums andere Mal lachen aufgrund der unerwarteten Wendungen und Skurilitäten.
Im zweiten Stück, zeigt sich, das Martin Schörle auch ein Meister der Dialoge ist. Dieser wortwitzige Schlagabtausch zwischen Cartsen und Marina ist einfach großartig. Aus einer harmlosen Anfrage zur Teilnahme an einem Klassentreffen wird eine tiefgründige Liebesgeschichte die sich vor den Augen des Publikums entwickelt wie bei einem Sonnenaufgang. Zu Schulzeiten kannten und mochten sie sich. Doch sie hatten sich für 20 Jahre aus den Augen verloren. In diesem Telefonat wird allein durch Worte so viel Nähe aufgebaut, dass nicht nur das Publikum mitfiebert, sondern auch die zuerst unbeteiligten Nebendarsteller. Und so erlebt man auch in diesem Stück lustige skurille Situationen. Diese perfekte Mischung strahlt einen besonderen Reiz aus. Ich kann sagen, ich hatte wirklich einen sehr schönen Theaterabend auf meinem Sofa. Und so gebe ich am Ende des zweiten Stückes symbolisch Standing Ovations, und kann mit Überzeugung sagen, diese zwei Stücke sollten nicht zwischen zwei Buchdeckeln verbleiben, sondern müssen auf die Bühne.