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Nilchen

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Veröffentlicht am 14.04.2021

Pole der Gegensätzlichkeit

Vaters Wort und Mutters Liebe
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543 geballte Seiten Familie! Das könnte einem zu viel erscheinen. Mögen doch die meisten nur limitiert die eigene Bagage ständig mit ihren Unzulänglichkeiten in nächster Nähe haben. Aber genau das wird ...

543 geballte Seiten Familie! Das könnte einem zu viel erscheinen. Mögen doch die meisten nur limitiert die eigene Bagage ständig mit ihren Unzulänglichkeiten in nächster Nähe haben. Aber genau das wird hier seziert. Familie kann man sich nun mal nicht aussuchen.
Es ist Weihnachten 1981. Siri und Pentti haben in der Summe 12 lebende Kinder. Einige sind schon Flüge geworden, leben in größeren Städten und kommen aber zu Feiertagen wieder nach Hause ins finnisches Dorf Tornedal, wie auch zu diesem Fest. Da der Vater, Pentti, mürrisch und jähzornig daherkommt und die Stimmung verdirbt, aber die Mutter Siri eine herzensgute liebeverströmende Sanftmut in Person ist, kommt es zu Reibung und das Unglück ist vorprogrammiert. Die Kinder ertragen es nicht wie der Vater die Mutter unentwegt schlecht behandelt.
Bei 12 Geschwistern denkt ihr sicherlich, wie soll man die alle auseinanderhalten! Gott sei dank, gab es zu Beginn ein Personenregister auf das man immer mal wieder zurückgreifen kann. Ohne diese Übersicht wäre es in der Tat schwieriger. Und, wer das physische Buch kauft, hat den Vorteil auch ein Lesezeichen mit allen Personen stets am rechten Fleck zu haben.
A propos Personen, sie werden in Teilen recht isoliert betrachtetet und dann doch wieder in die Geschichte eingebunden. Nach dem Lesen habe ich erfahren, dass die Autorin Nina Wähä, die im Übrigen auch Schauspielerin ist, als Grundlage bereits geschriebene Kurzgeschichten hatte und diese zu einem Gesamtwerk zusammenfügen wollte. Beim Lesen gab es an der ein oder anderen Stelle Verwunderung, da es etwas entkoppelt wirkte, nun ist mir klar warum. Das soll der Autorin aber nicht zu lasten gelegt werden, denn dies ist ein außerordentlich gelungenes Debüt! Ihr Schreibstil hat mich mitgezogen und nach Skandinavien verschleppt zu dieser verunglückten Situation. Nicht nur lesbar, sondern niveauvoll unterhalten auf ihre eigene Art und Weise! Denn es gibt auch eine auktoriale Erzählerin, die uns als Leser ab und an aufs Gleis setzt und Hinweise einstreut.
Spannend ist das Ganze allemal, fast wie eine krimihafte Familiengeschichte und ein Ausleuchten der so unterschiedlichen Geschwister. Einige sind einsam, es gibt bilaterale Allianzen, auch Kaputte die problembeladen sind, Sonderlinge, werdende Eltern. Ein bunter Strauß an Geschwistern, was es nicht einfacher macht.
Vaters Wort und Mutters Liebe ist ein lesenswerter skandinavischer Roman, nachdem das Bedürfnis hat sich der eigenen Familie zu widmen.
PS: Erschienen im Heyne Hardcore Verlag, aber lasst euch davon nicht irritieren. Habe schon das ein und andere aus dem Verlag gelesen und es ist eher hardcore unkonventionell oder hardcore kreativ -halt anders!

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Veröffentlicht am 05.04.2021

Für wen ist dieses Buch gedacht?

Die nicht sterben
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Reizen tut uns die Lektüre, hat man schon oft die vielen Schlagwörter gehört die sich in diesem Roman niederschlagen wie Walachei, dass wir alle ab und an in den Mund nehmen und auf einen verlassenen Landstrich ...

Reizen tut uns die Lektüre, hat man schon oft die vielen Schlagwörter gehört die sich in diesem Roman niederschlagen wie Walachei, dass wir alle ab und an in den Mund nehmen und auf einen verlassenen Landstrich referenzieren oder auch der berühmte Dracula, den wir dank Bram Stoker sogleich als Vampir vor dem eigenen inneren Auge sehen.
Dana Grigorcea, die selbst in Burakest geboren wurde (1979) und nun in der Schweiz ihre Heimat gefunden hat schrieb mit ‚Die nicht sterben‘ einen Roman der sich in keine bekannte Schublade pferchen lässt. Der Roman mag nirgends so recht hineinpassen. Hochliterarisch durch gute Prosa und viele Metareferenzen wird es zur guten Literatur. Die Vampirin gibt dem ganzen einen grotesk abgefahrenen Trashtouch á la Tarantino. Und dann noch die historischen Abrisse Rumäniens in die ferne und die nahe kommunistische Vergangenheit geben dem ganzen ein historischen Anklang.
Die preisgekrönte Autorin schickt ihre Protagonistin, eine junge Malerin aus Bukarest zurück in ihre Kindheitserinnerungen der Sommerfrische in ein kleines Dorf am Rande Transsilvaniens. Dort verbringt sie mit ihrer Tante erneut einen Sommer in dem sich vieles ereignet. Nicht nur findet man in der Familiengruft die Leiche eines Jugendfreundes sondern das auch gleich auf dem Grab von Vlad dem Pfähler. Der lokale Bürgermeister, der wie ein Fähnlein im Winde sich schon unter kommunistischer Führung bereichert hat, auch nun große Pläne schmiedet um einen Dracula-Park zu errichten.
Und in diese Geschichte gebettet, wird die Protagonistin zur Vampirin und fliegt über die Wälder und das Blut fließt. Es hört sich schräger an als es ist, kann man doch nachvollziehen, wie sie sich den Ereignissen hingibt.
Genauso lernt der Leser aber auch was es mit Vlad, dem Pfähler auf sich hatte im 15. Jahrhundert. Diese Passagen haben mir persönlich am allerbesten gefallen und mich ungemein historisch bereichert.
Was mich eher ratlos zurück lies, waren einige Stellen, an denen ich ohne Drittwissen nicht weitergekommen wäre. Denn, dass Jonny ein bekannter Fleischschmuggler im Ostblock war konnte ich nicht ahnen. Oder gar drei Seiten Tischgespräch auf Latein ohne Übersetzungshilfe, da muss ich passen.
Nun ihr seht, meine Frage zu Beginn: Für wen ist dieses Buch geschrieben? Diese Frage ist und bleibt unbeantwortet, da es einerseits vielfältig, andererseits absurd und abgehoben ist und zugleich faszinierend gutgeschrieben.
Ja, dass muss man der Autorin definitiv zugutehalte, sie schreibt großartig und es liest sich gut. Dana Grigorcea hat ein Händchen für die Wörter. Selbst bei harten Themen ist ein ironischer Unterton zu hören wie auf Seite 177: „"Ja, mutig sind die Menschen nur mit den Schwachen, den Mächtigen aber setzen sie nichts entgegen. Ist das gerecht?"
Ich hätte es nicht missen wollen. Machen sie alle ihre Genre-Schubladen zu und lesen sie mal rein. Ich wäre gespannt was Sie dazu meinen! Und wenn es tröstet, es sind keine 300 Seiten.

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Veröffentlicht am 01.04.2021

Das Leben der Jungend zwischen zwei Buchdeckeln

Der große Sommer
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Nach „Alte Sorten“ (den Roman kenne ich nicht, wurde aber dezent gefeiert) kommt nun der neue Roman des Autors Ewald Arenz in die Buchhandlungen: „Der große Sommer“. Der Titel mutet etwas fade an, aber ...

Nach „Alte Sorten“ (den Roman kenne ich nicht, wurde aber dezent gefeiert) kommt nun der neue Roman des Autors Ewald Arenz in die Buchhandlungen: „Der große Sommer“. Der Titel mutet etwas fade an, aber der Roman ist es nicht! Ja, ein großer Sommer für den Protagonisten Frieder. Eingebettet ist die Coming-of-Age-Geschichte des Jungen in seine vermasselte Prüfung. Er schafft zum zweiten Mal seinen Schulabschluss nicht und hat nur noch eine letzte Chance: Nachprüfung! Will heißen: Lernen über den Sommer und nicht mit der Familie in den Sommerurlaub fahren. Wo parkt man den Jungen, genau, beim Großvater, dem er zunächst nicht ganz so positiv gegenübersteht.
Nun, da sind die beiden: Großvater und Enkel. Aber nicht nur die. Es gibt auch noch andere Personen, die wichtig sind für diese Geschichte sind: Alma, seine Schwester, Johann, sein bester Kumpel und die zunächst unbekannte Beate. Beate, wie ihr euch denken könnte, wird die Liebe, die es zu erobern gilt und damit ist nicht zu viel gespoilert.
Denn was den Roman ausmacht ist das Erleben des Sommers, die Beziehungen Frieders, die sich definieren. Einige neu, wie die zu Beate, andere verändert wie die zum Großvater.
Der Roman nimmt von Abschnitt zu Abschnitt Fahrt auf. Erst holpern wir im zweiten Gang einen Feldweg entlang und zum Schluss brettern wir mit allen mit den Figuren im 5ten Gang über die Autobahn. Natürlich bei offenen Fenstern. So empfand ich die veränderte Lage im Roman bis zum Schluss.
Ewald Arenz erzählt feinfüllig und intensiv von den Momenten, die uns in der Jugend prägen und – let’s face it – in diesem Roman erkennen wir „Alten“ uns doch auch immer mal wieder selbst. Was natürlich auch den Reiz ausmacht einer solchen Geschichte, als Leser:innen schwelgt man dabei schnell mal in Erinnerungen. Natürlich eher im ersten Teil der Geschichte… Diese so bekannte Zerrissenheit wie der Autor es auf Seite 109 anmerkt: „Wie konnte man gleichzeitig ein kleines Kind sein, das von der Großmutter ein Brot gemacht bekam, und ein Junge, der gerade unglücklich verliebt war, und ein anderer Junge, der über russische Gulags las und fand, dass es nie wieder einen Krieg geben durfte, und außerdem jemand, der gerade erfahren hatte, dass es in seiner Kindheit ein Vierteljahr gegeben hatte, von dem er nichts mehr wusste?“
Ein liebevoller Großvater macht das Leben leichter und auch wenn einige Szenen etwas heimelig anmuten und der Schluss ein wenig über das Ziel hinausschießt – in der Summe ein unterhaltsamer Roman, der lesenswert in diesem Frühling uns in die Hitzehinüberbegleitet.
Coming-of-Age, Sommer, Liebe, das pralle Leben - ein Roman der uns mitnimmt Erwachsen zu werden.

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Veröffentlicht am 18.03.2021

Unterhaltsame Kombination aus historischem Stoff und Fiktion

Die Schwestern Chanel
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Ich war schon immer davon fasziniert, wie verliebt die Amerikaner:innen in die „Ville de l’amour“ sind. Es gibt Hunderte von schönen Orten, aber das Sehnsuchtsziel #1 der meisten Amerikaner ist und bleibt: ...

Ich war schon immer davon fasziniert, wie verliebt die Amerikaner:innen in die „Ville de l’amour“ sind. Es gibt Hunderte von schönen Orten, aber das Sehnsuchtsziel #1 der meisten Amerikaner ist und bleibt: Paris! Daher wundert es nicht, dass eine Amerikanerin nun einen Roman über DIE Modeikone schlechthin geschrieben hat und wie ihr Leben begann: Coco Chanel. Sicher, nicht der erste und nicht der letzte Roman über diese allgegenwärtige Grande Dame der Haute Couture.
Judithe Little, die zwar in Texas mit ihrer Familie lebt, aber einst auch in Frankreich studierte, schreibt über „Die Schwestern Chanel“. Ein interessanter Blickwinkel auf die später weltberühmte Frau, denn die Geschichte wird aus der Sicht der Schwester, Antoinette Chanel, erzählt.
Es beginnt wie so viele Geschichten gar nicht so glamourös im Jahr 1897 in dem die beiden in einem Waisenhaus landen, weil die Mutter verstirbt. Dort herrscht ein strenges Klosterregiment. Schon hier zeigt sich, dass die Schwestern nicht unterschiedlicher sein könnten. Die Eine, stark und visionär mit voller Kraft voraus (Gabrielle) und die Andere steht wohlüberlegt, besonnen und zurückhaltend (Antoinette). Beide gehörten trotzdem zusammen, erkämpfen sich erst ihre Unabhängigkeit und Freiheit und später den Ruhm.
Natürlich ist dies die reine Fiktion und nur die Eckdaten stimmen mit denen der echten Chanel Geschwistern überein was Lebensstationen und Orte anbelangt, aber ein nettes Gedankenspiel wie es in den beiden ausgesehen haben könnte. Vor allem wichtig zu erfahren, dass ihre Schwester auch maßgeblich am Erfolg beteiligt war, was leider oft untergeht, daher finde ich den Titel und die Perspektive gut gewählt.
Fazit: Ein netter Unterhaltungsroman, aber keine tiefgreifende Analyse der Geschwister.

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Veröffentlicht am 17.03.2021

Einblicke in den Koreakrieg – eine Bewältigung

Marilyn und ich
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Nachdem ich den aktuellen Roman „Kim Jiyoung, geboren 1982“ von Cho Nam-Joo gelesen hatte, wurde mir bewusst wie wenig ich doch über die Geschichte Koreas weiß und mir fiel dieses Buch zufällig in die ...

Nachdem ich den aktuellen Roman „Kim Jiyoung, geboren 1982“ von Cho Nam-Joo gelesen hatte, wurde mir bewusst wie wenig ich doch über die Geschichte Koreas weiß und mir fiel dieses Buch zufällig in die Hände: Marylin und ich von Ji-Min Lee.
Dies ist in der Tat ein historischer Stoff und führt uns zurück in den Februar des Jahres 1954. Zu diesem Zeitpunkt ist der Koreakrieg bereits seit einem guten halben Jahr vorüber, es herrscht Waffenstillstand, aber der Frieden ist fragil. In dieser Zeit sind daher noch viele amerikanische Soldaten unter der Führung der Vereinten Nationen vor Ort. Und in dieser Situation kommt Marilyn Monroe zu Besuch für 4 Tage. Eine spontane Entscheidung ihrerseits, da sie auf dem Weg nach Japan war für ihre Hochzeitsreise mit Joe DiMaggio! Soweit die Fakten und nun beginnt die Fiktion im Roman.
Marilyn Monroe wird eine Übersetzerin an die Seite gestellt, Alice. Diese ist durch den Krieg noch sehr emotional instabil und leidet unter dem Erlebten und Verdrängten. Nun an der Seite der glamourösen Amerikanerin beginnt Alice mit der Monroe in einen Dialog zu treten und die Aufarbeitung nimmt seinen Anfang. Auch durchleben wir Szenen mit Alice erneut die bei ihr wieder hochkommen – spannend an diesen flash backs sind die historischen Fakten die hier eingewoben sind. Insgesamt geht es mehr um Alice als um Monroe, aber ich finde es gerade deshalb eine tolle Perspektive.
Fazit: An ein historisches Ereignis angelehnte fiktive Geschichte, die uns die Folgen des Koreakrieges und den Krieg selbst näherbringt. Fiktiv, aber mit viel historischen Fakten durchsetzt.
PS: Wer Interesse hat sich ein Bild davon zu machen wie Marilyn Monroe damals in Korea auftrat, sollte sich die vielen Bilder auf dieser Seite anschauen:
https://mashable.com/2016/08/21/marilyn-monroe-korea/?europe=true#_U6ZNTniBqqs

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