Dieses Buch hat mich wirklich überrascht. Von außen wirkt es etwas nüchtern, entfaltet schon auf der ersten Seite aber eine große Sogwirkung. Ruth und Jann - ein ehemals glückliches Paar zwischen dem Großstadttrubel ...
Dieses Buch hat mich wirklich überrascht. Von außen wirkt es etwas nüchtern, entfaltet schon auf der ersten Seite aber eine große Sogwirkung. Ruth und Jann - ein ehemals glückliches Paar zwischen dem Großstadttrubel Berlins und der vermeintlichen Idylle eines Dorfes an der Oder. Mit dem Kauf eines viel zu großen und dazu maroden Gutshofs eskaliert die Beziehung. Ruth liebt das Leben und die Vielfalt der Stadt. Jann schwärmt vom ruhigen, beschaulichen Dorfalltag zwischen toller Oder-Landschaft, Selbstversorgerträumen und Tresen in der Dorfkneipe. Er ist genervt von der zunehmenden Gentrifizierung Berlins, der Luftverschmutzung und dem stressigen Alltag. Doch ihm fehlt schon nach kurzer Zeit der Antrieb irgendetwas anzupacken. So bleibt das Schloss eine Bruchbude und die Beziehung geht vor die Hunde. Beide erkennen sich nicht wieder. Auch Ruth wird immer unzufriedener. Zerrissen zwischen Job, Kinderbetreuung, Freundschaft und dem Stress des Alltags hetzt sie durch ihr Leben. Lediglich für ihre gemeinsame Tochter Sisal versuchen beide noch eine Basis zu finden. Im Laufe der Kapitel spitzt sich die Situation immer weiter zu. Rückblenden lassen erahnen, wie es hätte werden können und offenbaren immer neue Bruchstellen. Der Schreibstil ist dabei so packend und rasant, dass sich das Buch in einem Rutsch lesen lässt. Gesellschaftliche Probleme wie Vorurteile, Angst vor Fremden, Klimakrise und eine zunehmende Schnelligkeit des Alltags werden fast nebenbei erzählt, geben aber den großen Rahmen. Die wenigen Nebenfiguren sind auch sehr treffend skizziert. Für mich ist dieses Buch ein wirkliches Highlight.