Sechs Opfer. Sechs Körperteile. Eine groteske Marionette.
Ragdoll - Dein letzter Tag (Ein New-Scotland-Yard-Thriller 1)Rasanter, atemloser Thrill
London: Die Ermittler der Metropoliten Police werden an einen surrealen Tatort gerufen. Eine Leiche, aufgehangen an hunderten, seidenartigen Fäden wie bei einer Marionette, ...
Rasanter, atemloser Thrill
London: Die Ermittler der Metropoliten Police werden an einen surrealen Tatort gerufen. Eine Leiche, aufgehangen an hunderten, seidenartigen Fäden wie bei einer Marionette, in einer fixierten Position. Die Leiche ist grob mit Körperteilen von insgesamt sechs Opfern zusammengeflickt worden. Ein weißer Torso, ein schwarzes Bein, eine Männerhand und eine weibliche Hand ergeben ein Bild bizarrer Proportionen. Ein Zeigefinger der Ragdoll (Lumpenpuppe) zeigt in Richtung Fenster, auf eine gegenüberliegende Wohnung, die des besten Mordermittlers Wolf, Detective Oliver Layton-Fawkes.
Wolf identifiziert den Kopf als den von Naguib Khalid. Der Feuerbestatter. Der produktivste Serienkiller aller Zeiten, der vor vier Jahren von den Geschworenen des hohen Gerichts für nicht schuldig befunden wurde. Bei Urteilsverkündung rastete Wolf aus und tötet Khalid beinahe. Wolf wurde für das Versagen der Polizei zum Sündenbock degradiert und suspendiert, bis er vor kurzem wieder in den Polizeidienst zurückgekehrt ist.
Zeitgleich erhält TV-Journalistin Andrea, Wolfs Exfrau, eine Liste mit sechs Namen und sechs Todeszeitpunkten. Der letzte auf Abschussliste ist Wolf selbst.
Der Autor:
Daniel Cole wurde 1983 geboren. Er hat bisher als Sanitäter, Tierschützer und für die britische Seenotrettung gearbeitet. Sein Drang, Menschen zu retten, entspringt möglicherweise dem schlechten Gewissen wegen der großen Zahl der Figuren, die er beim Schreiben umbringt. Er lebt im sonnigen Bournemouth in Südengland und ist meist am Strand anzutreffen, obwohl er eigentlich an seinem nächsten Buch schreiben sollte. Sein Debüt »Ragdoll« erscheint in 34 Ländern, die Verfilmung ist in Vorbereitung. (Quelle: Ullstein Buchverlage)
Reflektionen:
Ragdoll soll ein Debüt sein? Kaum zu glauben, denn Daniel Cole gelingt es spielend, eine einzigartige und außergewöhnliche Spannung zu erzeugen, die so knistert, dass man glaubt neben einem brennenden Feuer zu lesen.
Der Prolog ist die einzige winzige Hürde, bevor der Sog der Handlung zupackt und nicht mehr loslässt. Als Leser will ich auch nicht mehr losgelassen werden und füge mich dem rasanten Tempo, den unglaublich vielen Wendungen und Verstrickungen, bis endlich wieder genug Atemluft vorhanden ist und die letzte Seite umgeblättert ist.
Dieser Thriller macht eindeutig süchtig. Spannend verschachtelte Kapitel, fesselnd inszenierte Wendungen und eine Überraschung die die nächste jagt, bis erneut ein Spannungshöhepunkt erreicht ist. Racheengel, Geisteskrankheit, unterstellt man dem Täter und mögliche Motive geben viel Raum für Spekulationen, doch bevor man innerlich ermittelt und sich festlegt hat, wenden sich die Ereignisse überraschend erneut.
Wortgewandt und stark im Ausdruck fesseln knackige Dialoge, die in einem flüssig lockeren Schreibstil zu Papier gebracht sind, doch manchmal wird es verwirrend. Einige Kapitel bringen die Lese-Balance aus dem Gleichgewicht und Figuren lassen sich nicht sofort zuordnen, aber der Lesefluss wird nur vorübergehend gebremst und man verzeiht dem Debüt-Autor gern, denn der Rest ist nachvollziehbar und stimmig.
Die Figuren waren sehr beeindruckend erschaffen, wenn auch einige wenige blass blieben. Die Hauptfiguren, versehen mit interessanten Legenden, und deren intelligent in Szene gesetzten Querverbindungen faszinierten und beschleunigten die Lesegeschwindigkeit.
Wolf spielt eine tragende Rolle bei diesen grotesken Verbrechensfällen. Er ist Vollblutpolizist mit ungeschliffenen Kanten und ein kompetenter dazu. Sympathisch, ja, aber auch Trotzkopf, gewaltbereit, dem Alkohol zugeneigt und psychisch angeknackst. Die Kombinationen der Charaktereigenschaften überlassen Wolf auch eine emotionale Bühne, auf der er berührend sinniert und sich als Typ klar definiert und positioniert, allerdings überwiegend gegen den Strom. Er ist der Besessenheit verfallen, den Täter zu überführen und die angekündigten Mordopfer zu beschützen, dabei überschreitet er Grenzen, die ihn unkollegial und illoyal erscheinen lassen und die er auch zwischenmenschlich kaum wieder in Ordnung bringen kann.
Besonders gelungen, zwischendurch auch amüsant dargestellt, ist die Figur Edmunds, der vom Betrugsdezernat zur Mordkommission wechselte. Behandelt wie ein naiver Frischling, entwickelt er sich im Laufe der Handlung zu einem intelligenten Ermittler. Er sieht hoch zu Wolfs Partnerin Detective Sergeant Emily Baxter, die als seine Mentorin und Vorgesetzte zunächst kein gutes Haar an ihm lässt. Edmunds Frau ist schwanger und ihre Beziehung zueinander wird mit seinem ersten Mordfall gleich auf die harte Probe gestellt, da er familiär durch Abwesenheit glänzt.
Äußerlich stets unnahbar und übel gelaunt durchschaut man Emily Baxter und ihre Beziehung zu Wolf zunächst nicht. Erst im Laufe der Handlung gibt diese Figur preis, wie emotional tief sie an Wolfs Leben hängt, der scheinbar leichtfertig und dauerhaft sein Leben aufs Spiel setzt.
Die maßvoll platzierten zwischenmenschlichen Beziehungen schnüren eine harmonische Geschichte und sind der erfrischende Gegenpol zu den sonst so grotesken Verbrechen.
Auch wenn die grob zusammengeflickte Leiche mit einer Blutleere gesegnet ist, muss man sich als Leser auf brutale bis bestialische Verbrechen einstellen und im Kopfkino durchlebt man blitzartig, wie grobe Amputationen von Gliedmaßen erfolgt sein müssen, ohne das sie in diesem Thriller Erwähnung finden mussten. Der Täter, der immer näher an die Ermittlungen heranreicht, besitzt eine blühende Fantasie, wie er die gut beschützen Opfer dennoch erwischen und vernichten kann. Gibt es einen Maulwurf bei der Metropoliten Police, oder warum scheint der Täter den Ermittlungen immer einen Schritt voraus zu sein?
Nebenschauplatz TV-Redaktion. Wolfs Ex-Frau Andrea wünscht sich nichts sehnlicher, als die Abendnachrichten zu moderieren, doch ihr Chef Elijah hält sie an der kurzen Leine. Als Andrea dann selbst in das groteske Verbrechen verwickelt wird, erhält sie den Job, denn der skrupellose Elijah erwartet, dass sie selbst den Zuschauern live die Todesnachricht ihres Ex-Mannes überbringen muss.
Daniel Cole ist es gelungen, den inneren Konflikt der Reporterin kaltschnäuzig und emotional zugleich darzustellen. Andrea zeigt ein Verhalten, das darauf abzielt, Ereignisse zu Sensationen aufzubauschen, ohne Rücksichtnahme auf die laufenden Ermittlungen. Bis sie dann selbst die Sensationsgier ihres Chefs zu spüren bekommt und ernsthaft um Wolfs bedrohtes Leben bangen muss.
Fazit und Bewertung:
Ein überzeugender und hoch spannender Thriller der mühelos überzeugt und erfrischend anders ist. Spannung agiert ganzheitlich auf einem hohen Niveau, da Ereignisse in dieser Story niemals vorhersehbar sind und Wendungen sowie Überraschungen explosionsartig auftreten. Endlich mal wieder ein Thriller, dessen Hype absolut gerechtfertigt ist.
Leseempfehlung!