Anders als erwartet...
Catacombia, Band 1: Abstieg in die Tiefe. Ausgezeichnet mit dem Leipziger Lesekompass 2022! (Spannendes Fantasy-Abenteuer ab 10 Jahren)Sam ist 13 und lebt in einem Waisenhaus in New York. Über seine Herkunft und seine Eltern weiß er leider gar nichts und irgendwie fühlt er sich auch immer wieder fehl am Platze, so als gehöre er gar nicht ...
Sam ist 13 und lebt in einem Waisenhaus in New York. Über seine Herkunft und seine Eltern weiß er leider gar nichts und irgendwie fühlt er sich auch immer wieder fehl am Platze, so als gehöre er gar nicht in diese Welt. Sein Gefühl bekommt Bestätigung, als eines Tages bei Bauarbeiten an der U-Bahn Ruinen entdeckt werden, auf denen sich Schriftzeichen befinden – und eines sieht genau so aus, wie das Muttermal, das Sam auf seiner Brust trägt... Er beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen, wird aber nachts auf der Baustelle erwischt und gerät bei seiner Flucht in einen Schacht, der ihn immer weiter in das Erdinnere befördert. Als er schließlich das Ende erreicht, traut er seinen Augen kaum: Sam befindet sich in einer Stadt unter der Oberfläche, deren Architektur sich aus allen auf der Erde bekannten Stilen zusammensetzt, in der fliegende Fahrzeuge die Menschen transportieren und in der mittels des Gedankenfeuers viele Abläufe vereinfacht sind. Doch schon sehr schnell muss Sam feststellen, dass auch in dieser Gesellschaft nicht alles so friedlich ist, wie ihm vorgemacht wird: Eine religiöse Splittergruppe, die die Grimorga verehrt, bedroht die Stadt mit Terrorangriffen. Und Sam spielt dabei eine ausschlaggebende Rolle...
Ich war sehr gespannt auf die Geschichte rund um Catacombia und hatte mir grob vorgestellt, in eine Story im Stil von Susanne Collins Gregor-Reihe abzutauchen. Aber weit gefehlt! Catacombia hat mehr mit den Hunger Games gemeinsam als mit den Gregor-Büchern, wie ich schnell feststellen musste. Der Einstieg vollzieht sich recht harmlos und interessant, wird aber zusehends dramatischer und auch brutaler. Meiner Meinung nach ist es daher definitiv erst für ältere Kinder geeignet, ab zwölf oder – je nach Charakter – vielleicht sogar erst ab 14 Jahren. Zum einen auf Grund der Intrigen, der Gewalt und einiger Aussagen des Protagonisten diesbezüglich, die verstörend und verherrlichend wirken können, zum anderen da die Thematiken, die diese Geschichte beinhaltet, mit Erwachsenen besprochen und aufgearbeitet werden sollten. Diese Aspekte sind unter anderem: Mythologie, Religion, Glaube, Extremismus, Terrorismus, Gewalt, Gesellschaftsspaltung, Abgrenzung, Umbruch/Wandel, aber auch Freundschaft, Ehrlichkeit, ebenso wie weiterentwickelte Technologien, Potenzialnutzung und Magie.
Doch der Umstand, dass die Geschichte anders verlief als erwartet, ist nicht der Grund für den Punkteabzug. Zwei Aspekte haben mich an diesem Buch arg gestört:
1. Die Erzählung hat einfach zu viele Leerstellen! So viele Aspekte bleiben ungeklärt, die aber für mich und meinen Wissenshunger essenziell sind. Die Geschehnisse rund um Sams Eltern und die Jünger der Grimorga und der Mythos um Grimorga selbst wird kaum erwähnt; warum Sam gerade zu Ellas Eltern gegeben wird, wird nie aufgelöst; warum die noch in Ausbildung befindlichen Schüler der Akademie auf eine Oberflächenmission mitgenommen werden, wird nicht hinterfragt oder erklärt und es wird nie aufgelöst, woher die Lehrer immer sofort wissen, was geschehen ist – Telepathie? An diesen Leerstellen im Text stoße ich mich sehr und sie lassen die Geschichte für mich unvollständig, halbherzig und unrund erscheinen. Da dieses Abenteuer auf drei Bände ausgelegt ist, hätte ich mir doch etwas mehr ‚Füllstoff’ gewünscht, besonders in Bezug auf die Geschichte und Gesellschaft Catacombias.
2. Die Figurenentwicklung des Protagonisten Sam ist kaum nachvollziehbar und zu sprunghaft. Am meisten stört mich seine Abgebrühtheit der Gewalt gegenüber, die er plötzlich an den Tag legt. Zudem hinterfragt er kaum und nimmt zu viele Umstände einfach so hin. Das würde ich bei einem 13-jährigen, der endlich Antworten auf all die angestauten Fragen haben will, anders erwarten.
Trotz allem ist das Weltensetting spannend und kreativ umgesetzt. Einen großen Beitrag dazu leistet in jeden Fall das Cover! Es regt die Fantasie an und erschafft in Kombination mit den detailreichen Beschreibungen im Text einen ganz eigenen Kosmos. Eine weitere Frage bleibt allerdings ungeklärt: Warum „Catacombia“? Wo ist die Verbindung zu Katakomben? Vielleicht werden wir es im zweiten Band erfahren. Lesen werde ich ihn auf jeden Fall, denn Sams Abenteuer ist ohne Frage spannend. Und nun weiß ich ja auch, worauf ich mich einstellen muss.